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Ritter
Wieder hatten sie kein Licht. Doch dieses Mal war das die volle Absicht von Will und Eryn. Es machte das Durchschreiten des dunklen Ganges schwieriger - doch jetzt durften sie noch weniger denn je zuvor entdeckt werden.
Der Mediziner mühte sich ab, den Kanister so vorsichtig zu schleppen, das er nirgendwo gegen eine der engen Wände prallten, die sie umgaben. Dies war einer der Gründe dafür, dass die Barfrau vorging, eben diese Wände abtastend, um zu gewährleisten, dass ihr Begleiter und sie keine explosive Überraschung erleben würde. Zusammen erreichten sie die Gittertür, die seit ihrem letzten Abstecher ins Lager der Sabals offenbar unberührt geblieben war. Auch die Beleuchtung war nicht an, sodass vor ihnen nur Dunkel lag.
Noch trennten sich die Wege der beiden nicht. Eryn half dem Arzt dabei, den Kanister die Treppe hinauf zu hieven. Dort öffneten sie die Tür. Vor ihnen lag der halb beleuchtete Korridor mit Wäscherei und Barbereich links und rechts. Im Raum am Ende dieses Ganges - dort, wo zuvor Hector und die Wachfrau gesessen haben - war niemand; ein äußerst glücklicher Umstand, bedeutet er doch freie Bahn für ihre Mission. Halb durch den Flur ließ die 25-Jährige Will den Kanister noch tragen, dann übernahm sie, ihn nur knapp über dem Boden halten könnend.
"Du wartest hier und tust, was auch immer du... tun willst, wenn du glaubst, dass irgendetwas schief geht!" Sie grinste und sah den Lauf des Maschinengewehrs an, das an einem ledern aussehenden, dickeren Band über die Schulter des Arztes hinweg ragte. Ein amüsierender Anblick, passte die Waffe doch so gar nicht zum Mediziner. "Ich bin nicht sauer, wenn du abhaust. Aber vielleicht brauche ich deine Hilfe doch. Dann darfst du meinen Arsch gerne retten." Sie lachte kurz auf. "Ich weiß ja, dass er dir gefällt!", warf sie ein, ihn ein letztes mal ärgernd. Dann lächelte sie sanfter. "Wünsch' mir Glück!", wies sie ihn noch an, doch wartete eben das nicht mehr ab, wandte sich um, damit sie - alle Kraft aufwendend - den Kanister möglichst schnell in Richtung der Treppen nach oben hochwinden konnte.
Sie durchschritt den Empfangsraum, den sie auch schon kannte, ohne Weiteres und stieß die Tür nach draußen ein Stück auf. Wieder spürte sie die Wärme, für die der zurückliegende Tag gesorgt hatte. Sie sah sich um. Es war ruhig. Nicht die Ruhe vor einem Sturm - eine gewöhnliche Ruhe. Erneut entschied sich die Barfrau dazu, nicht mehr Zeit zu verlieren, es so schnell wie nur möglich hinter sich zu bringen. Sie schlich gebückt - auch unter der Last des schweren Kanisters leidend - in Richtung einer Scheune, die einigermaßen zentral lag, stellte den Kanister ab. Als sie kehrt machen wollte, erblickte sie jedoch etwas. Jemanden. Einen Kerl, der den Kanister womöglich sehen würde - zumindest hielt sie die Gefahr für zu groß. Ihrer erstbesten Idee folgend, trat sie vor ihn, die Sicht zum Objekt verbergend. "Was...?", fing er an, doch sie ließ ihm keine weitere Gelegenheit, sich zu äußern, warf sich zu ihm, nicht attackierend, nicht bedrohlich, sondern anbiedernd.
"Ich hab dich gesucht!", hauchte sie, griff an den Kragen seines erstaunlich hochwertigen Hemdes. Ein Luxus, den sie abermals nur beneiden konnte. Der Mann, dessen etwa vierzigjähriges Gesicht von Furchen gezeichnet wurde, die am ehesten auf eine schlimme Akne zu Jugendzeiten hinwiesen, sah sie erstaunt an, hatte er ihr Gesicht doch noch nie gesehen. "Etwas Fürchterliches wird passieren!", sagte sie ihm, all die verfügbare Dramatik in ihre Worte legend. Sie zerdrückte sich ihre Finger fast an einem der Knöpfe, die er sehr brav bis nach oben hin zugeknöpft hatte. "Ich will nicht... ich will nicht in Angst leben. Nicht, wenn das Ende so nah ist!", spielte sie weiter ihre Rolle. Die zur Schau gestellte Furcht rückte dabei doch immer mehr in den Hintergrund. Es waren die Nähe der zwei Körper, die wenigen Zentimeter, die ihre Gesichter voneinander entfernt waren, die sie arbeiten ließ. "Aber...!", versuchte er halbherzig zu protestieren, doch auch weiterhin ohne Chance. Sie presste ihre Lippen auf seine, zu einem kurzen aber heftigen Kuss, bei dem sie das Anstoßen an seine Zähne spürte, so stark warf sie sich hinein. Es war sicher nicht das Angenehmste, doch fasste die Leidenschaft, die sie ihm verkaufen wollte, in eine angemessene Verpackung. "Lass mich die Angst vergessen!", flehte Eryn den Mann an, drückte ihn am Hals nach hinten, in eine scheinbar willkürliche Richtung. Er stöhnte auf, als sein Rücken an einen Balken anstieß, doch in seinen Augen funkelte nun etwas, das sie als Vorfreude deutete. Er nickte nur stumm und bewegte dann - grinsend und wesentlich bedachter als sie zuvor - sein Gesicht in ihre Nähe, als sie den Arm hob und ihren Finger auf seinen ungeduldigen Mund legte. Die Schönheit grinste vielsagend, denn im Augenwinkel hatte sie etwas entdeckt, dass sie aus dieser Situation befreien sollte. Sie löste sich aus der Enge, die zwischen den beiden Körpern entstanden war und fasste nach dem Seil, mit dem ein eingefallener, mit zerfressenen Holzrädern ausgestatteter Karren festgemacht war. Anstatt ihn zu überwältigen, ließ sie seine Fantasie arbeiten, ihn den Strick mit den Augen mustern. Sein Blick war gleichzeitig wissend und doch fragend.
Sie legte eine Hand an seine, drückte sie sanft und doch bestimmt an den Balken hinter ihm. Er sah hinunter, dann zu ihr, halb abwägend, halb bereitwillig. "Vertraust du mir?", säuselte sie. Er zögerte nicht mal, legte seine Hand bereitwillig zur ersten und nickte. Die Bardame grinste und schlang das Seil ein, zwei Mal ganz um den Balken, um dann auch seine Gelenke damit einzufangen, es fest genug zusammen zu ziehen und zu verknoten. Dann umkreiste sie ihn demonstrativ, mit langsamen Schritten, sah ihn an. Sein Blick war leer, in ihm lag nur Lust. Er ahnte, was nun passieren sollte.
Eryn ging vor ihrem 'Opfer' auf die Knie, sah ihn von unten herab an, das verführerischste Lächeln aufsetzend, das sie besaß. Eine Hand legte sie auf seinen Oberschenkel, strich sanft darüber, während ihr Blick sich 'gen Boden richtete. Er warf seinen Kopf halb in den Nacken, so weit es der Balken zuließ, atmete laut aus, in schierer, positiver Erwartung dem Kommenden gegenüber. Als er den Kopf wieder herunter nahm, stand die verführerische Frau wieder ausgewachsen vor ihm. Statt etwas anderem hielt sie einen größeren Holzscheitel in der Hand. Er konnte gerade noch den Mund öffnen, da sah er diesen auf sich zurauschen. Dann verlor er das Bewusstsein.
Kurz darauf trat sie wieder die Treppen in den Wachraum herunter. Die Karten von Hector und seiner Poker-Konkurrentin lagen noch auf dem Tisch verteilt, wie auch die Zigaretten, die sie in der Auseinandersetzung wohl doch gewonnen hatte. Eryn erblickte Will und lächelte. Sie hob die Hand und reckte den Daumen in die Luft. Das hatte sie gut gemacht.
Doch dann öffnete sich die Tür zum Laboratorium des Doktors. Anstatt lediglich der verkorksten Luft, standen auch eben jener und die weibliche Wache im Raum. Sie war entdeckt. Und in dieser Situation war es ihr unmöglich, nicht ertappt auszusehen. Defensiv trat sie mehrere Schritte nach hinten, während die grimmige Frau ihr gegenüber die Waffe zückte und einen Satz auf sie zu machte.
"WILL!"
Geändert von MeTa (28.09.2015 um 23:05 Uhr)
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