Tief im Inneren wusste Jäger, dass er zu weit gegangen war. Er hatte sich entfernt, ohne den Anderen in die Augen zu sehen. Die Furcht darin Ablehnung und Feindseligkeit zu erkennen war zu groß, schien sogar noch größer als die Panik bei dem plötzlichen Angriff der Zombiehorde heute früh. Ist das zu fassen?

Viele unschöne Dinge musste er in den Wäldern seiner Heimat sehen und erleben. Dinge, an denen er nicht immer der Unbeteiligte war, nicht immer das kleine Kind sein konnte, für den die Erwachsenen sämtliche Entscheidungen trafen. Schnell fiel die Bürde der Verantwortung auf seine schmalen Schultern, das Kindsein wurde zum fatalen Hindernis, den es so früh wie möglich abzulegen galt. Es herrschte das Wort des Anführers und das Gebot der eigenen Intuition im fortwährenden Überlebenskampf. Nun hörte er Worte wie Liebe, aus freien Stücken und unnötige Gefahren. Dachtest du wirklich, du könntest dich ändern indem du die Nähe normaler Leute suchst? Leute, die zwischen sich und der Welt eine Mauer errichtet hatten und versuchten ihre Leben in Eintracht zu verbringen? Du hast einem wehrlosen, verängstigten kleinen Hosenscheißer das Messer an die Kehle gehalten und ihm damit gedroht seine Freundin abzuschlachten. Dachtest du wirklich, eine zivilisierte Siedlung vermag den Teufel aus dir auszutreiben?

Jäger schaute auf seine dreckverkrusteten Armeestiefel. Er würde sich noch heute Nacht irgendwo ein ruhiges Plätzchen suchen und mit der alten Bürste den Dreck wieder abschrubben, so wie er es immer tat. Er würde mit Befriedigung zusehen, wie die eingetrocknete Erde dem sauberen Schwarz darunter wich. Und er würde sich in eine Zeit zurückversetzen, in der er für sein Dorf Wild gejagt hatte. Wie stolz er auf sich war, als er mit gerade mal sechs Jahren seinen ersten Eber erlegt hatte. Während er dastand und seine Beute betrachtete, tat ihm die Schulter höllisch weh, an die er den hölzernen Gewehrschaft gepresst hatte. Der Rückstoß hatte ihm das Gelenk ausgekugelt, sein Vater musste es mit einem festen Ruck wieder einrenken. Hin und wieder fühlte er den Schmerz noch heute. Doch Jegor freute sich. Diesen Augenblick würde er nie vergessen, nicht den Wind, der seinen schweißnassen Rücken kühlte, nicht das melodische Rascheln der Blätter, oder den Respekt in den Augen seines Vaters. Er sehnte sich nach dieser Zeit, ausgerechnet jetzt.

Er merkte, dass Frank ihn erwartungsvoll ansah, als warte er auf eine Antwort. Ihm fiel aber keine ein. Wie konnte er ihm erklären, dass für ihn die Welt längst unwiederbringlich vor die Hunde gegangen war. Dass nichts, keine Heldentaten, kein Kapselfuzzi mit seinem scheiß Gegenmittel etwas an seinem Leben ändern würde. Dass seine geliebten Menschen für immer fort waren und er gezwungen war zuzusehen, wie man sie ihm nach und nach genommen hatte. Dachtest, du könntest all das hinter dir lassen und einfach so ein neuer Mensch werden?

"Ich hätte ihnen so oder so nichts getan, keine Angst mein Franky Schmanky.", sagte er und bemühte sich um eine lockere Haltung und ein beschwichtigendes Lächeln. Dann klopfte er ihm versöhnlich auf die Schulter und wandte sich zum Gehen. Hätte ich ihnen wirklich nichts getan? Er hoffte, die Antwort auf diese Frage rechtzeitig finden zu können, denn früher oder später wird das Gewitter sie alle erreichen.