Romero warf Jegor einen empörten und wütenden Blick zu, als Dieser ihn fesselte und so endgültig jeden Versuch unterband, nach der Hand seiner Geliebten zu greifen um sie zu trösten.
Julios Bruder wand sich kurz in den Fesseln, merkte aber sofort, dass Jegor ganze Arbeit geleistet hatte und sackte hilflos in sich zusammen.
Als er Jegor reden hörte, klappte sein Mund hilflos auf und zu. „Tut das nicht… sie werden uns töten… Was, was habt ihr denn davon?“
In diesem Moment kam Howard dazu und Hoffnung flammte im Blick des Jungen auf.
"Ich kann versuchen, euch bei den Batterien zu helfen, das kann ich wirklich! Hector bewacht diese Batterien, ich kann mit ihm reden! Wir kennen uns seit Kindertagen.
Aber ich werde sie nicht heraus schmuggeln können, nachdem ich geflohen bin, wird es sowieso sehr gefährlich für mich, wieder zurück zu gehen...!
Hört zu, ich werde helfen... ich will helfen. Alles was ich möchte, ist, dass ihr mir das Schreiben für Shengs Hope gebt, damit ich dort mit meiner Geliebten unterkommen kann."
---Zitat
„Ich weiß. Du bist genau dort, wo du jetzt sein musst. Du konntest dich dem Ruf nicht wiedersetzen, wenn die Schlange ruft, folgen die Krieger, Teeth von den Hope’Ari.“, sprach Voodoo hinter ihr, was sie kurz zusammenzucken ließ, hatte sie doch eine Stimme aus der Hütte erwartet. Sie spürte, wie sich seine raue Hand auf ihren unteren Rücken legte und er kurz innehielt. „Das Auge soll sehen.“, sagte er dann mit Bestimmtheit und Sanftmut in der Stimme, als er an ihr vorbei und vor ihr in seine Hütte schritt.
Evi folgte ihm nach und fand eine Hütte vor, die fast nur aus Decken und Liegegelegenheiten bestand, die Wände der Hütten waren vollkommen mit Leder bespannt, auf denen mit Kohle verschlungene Zeichen im Stile aztekischer Kunst angebracht waren.
Ein Duft von Räucherwerk hing in der Hütte, sie konnte die einfache Tonschale und darin die Tolupflanzen sehen, die verbrannt wurden, der sanfte Geruch nach Vanille und Zimt linderte ein wenig die Aufregung und den Funken Angst vor dem kommenden schmerzhaften Vorgang, doch sie spürte, dass es nun kein Zurück mehr gab. Und sie wusste, dass sie selbst die Hütte nicht verlassen würde, sie wollte hier sein. Und sie wollte sich für immer an den Tag erinnern, an dem sie einen Alligator in den Sümpfen gejagt hatte.
Voodoo nahm sie bei der Hand, ihre Hand so klein und bleich in der großen Hand des braungebrannten und narbengeschmückten Hünen. Voodoo drückte sie genau in der Mitte des Raumes auf den Decken nieder und hieß ihr, bequem Platz zu nehmen.
Dann setzt er sich ihr gegenüber und schloss die Augen, sie tat es ihm gleich, sein Atem wurde ruhig und auch die Taucherin versuchte, ihr hart klopfendes Herz unter Kontrolle zu bekommen.
Mit tiefer, leiser Stimme begann er zu summen und die Surrealität der Situation, seine Ernsthaftigkeit, ihre Vorfreude und Aufregung, ein Tattoo zu bekommen, ließ sie spüren, dass hier eine Art von Magie gewirkt wurde. Sie hatte nicht an sich geglaubt, als sie den Alligator sah, doch Voodoo tat es und gab ihr eine Art von Kraft, von der sie glaubte, dass sie da war, von der sie glaubte, sie gespürt zu haben.
Dann begann der Mann zu sprechen:
„Um das Auge der neuen Welt sehen zu lassen, musst du hinter dir lassen was dich an die alte Welt bindet, Teeth. Die Kunst der alten Welt war, uns Fesseln anzulegen, damit wir weder fliegen noch rennen konnten. Damit wir nicht auffallen würden und das Haus der Menge nicht zum Einsturz bringen.“
Er atmete tief ein und aus.
„Ich bringe dir das Auge und damit die Kraft, alle Fesseln abzustreifen. Wenn du das Seil spürst, dann erinnere dich an den kommenden Schmerz und zerreiße das Seil. Lass niemals zu, dass sie deinen Mut, deinen Zorn, deine Leidenschaft oder deine Wut zähmen. Wenn du das Auge trägst, lebe frei und nutze, was dein Herz dir gibt.“ Damit legte er ihr eine Hand mit sanftem Druck auf das Herz und Evi wusste, dass er ihren Herzschlag, so schnell, wie er im Moment spüren musste, wenn er ihn nicht sogar schon hörte…
„Das Auge erinnert uns daran, dass es gut ist, mit Lust zu lieben und mit Zorn zu kämpfen. Denn dies sind die Wege der neuen Welt. Dies sind die Pfade, die dich am Feind vorbei zum Leben führen. Folgst du dem Zorn und deinem Gefühl, führst du die Deinen in Sicherheit. Ohne sie vielleicht selbst je zu erreichen. Wer das Auge trägt, opfert seine Stärke für die Schwächeren.“
Sie spürte, wie er auf stand, sie hatte die Augen noch immer geschlossen und nahm wahr, wie er nun hinter ihr stand und sich abermals dann setzte.
Ohne groß zu fragen, griff er nach ihrem Tanktop und dem Hemd und streifte es ihr über den Kopf, Evi zögerte nur eine winzige Sekunde, ehe sie die Arme anhob, sie wusste, dass er nur ihren Rücken sehen konnte und sie beschloss, ihm zu vertrauen, in diesem Augenblick. Voodoo legte dann beide Hände auf ihre Schulterblätter und drückte sie nach vorne, was für Evi kein Problem darstellte, sportlich genug war sie dafür. Ihr Gesicht lag nun bequem auf den Kissen, sie umschlang eines der Größeren aus verziertem Leder mit beiden Armen und wappnete sich.
Voodoo ließ sich Zeit, seine Bewegungen waren ruhig und erfahren und ein wenig seiner Ruhe färbte auch auf sie ab.
Zuerst nahm er ein Tuch und tränkte es in einer wohlig riechenden Flüssigkeit, damit fuhr er in langsamen Bewegungen, fast rituell, über ihren unteren Rücken und schien sie dort zu waschen. Dabei summte er auch wieder und Evi spürte abermals das Prickeln auf der Haut, zusammen mit dem Alkohol, der ihr nun zu Kopf stieg, spürte sie das Fehlen jeder Angst, alleine Aufregung und Vorfreude waren geblieben.
Und dann nahm der Herr der Prüfungen die Nadel zur Hand und Evi sog scharf die Luft ein, als der erste von unzähligen Stichen erfolgte, der ihren Rücken malträtierte. Um sich abzulenken, ging sie im Kopf immer wieder den Kampf gegen den Alligator durch, sah die stolzen Gesichter von Nadelohr und Voodoo vor sich und doch wanderten ihre Gedanken, getrieben durch den Schmerz, immer wieder zurück zum Handwerk Voodoos und irgendwie erfüllte sie dabei ein Hochgefühl. Sie war als Siedlerin so weit gekommen, so stark gewesen, so mutig und zornig, dass sie ein besonderes Geschenk von den Plünderern erhielt. Sie lächelte in den nächsten Stich hinein.
Vorsichtig strich Voodoo auch immer wieder über ihren Rücken, er suchte sie abzulenken, wenn der Schmerz zu groß wurde. Dabei summte er manchmal vor sich hin. Als dort, wo er sie vor dem Kampf schon berührt hatte, alles prickelte und schmerzte, spürte sie wie der Schmerz und die Stiche weiter wanderten, vom Auge weg nach links und rechts und sie floh sich wieder in die Erinnerung an den Kampf.
Draußen war das Fest noch immer in vollem Gange, als der letzte Stich gesetzt war. Nun spürte sie eine mehr als wohltuende Kühle, mit der ihr unterer Rücken bestrichen wurde, fast kitzelte es ein wenig, es schien, als würde Voodoo mit einem Pinsel zusätzlich Farbe auftragen und versuchte den angenehm kühlen und sanften Pinselstrichen zu folgen, als sie erkannte, dass der Mann die Konturen der Tätowierung mit einer Art tiefdunklen Schwarz ausfüllte.
Sie wurde ruhig, als das Werk vollendet war und wünschte sich einen Spiegel herbei. Dann war Voodoo wieder vor ihr und hieß sie mit sanfter Stimme, sich aufzurichten. Sie spürte Vertrauen zu diesem Mann, mit dem sie den Kampf und die letzten Stunden erlebt hatte und brachte ihren nackten Oberkörper wieder in eine aufrechte Position und erkannte, dass Voodoo ihr in die Augen blickte, ihre Nacktheit nicht ausnutzend. Dann griff er hinter sich und legte etwas um ihre Taille. Es tat ein bisschen weh und kitzelte, dann erkannte sie, dass es sich um eine Art Schmuckband handeln musste und neugierig blickte sie nach unten. Sie sah eine Lederschnur, die Voodoo um ihre Taille geknüpft hatte, die von kleinerem Metallschmuck und unzähligen weißen Zähnen geschmückt war, die auf der nackten Haut kitzelten. Noch bevor der Ritualmeister ihren Ursprung erklären konnte, wusste sie, dass es sich um die Zähne des Alligators handelte, den sie getötet hatte.
„Wer…?“, fragte sie und Voodoo, der noch immer ihr Gesicht sah, lächelte breit: „Dein kleiner Bruder.“ Dann wandte er sich ab, so dass sie sich anziehen konnte.
Die kühle Nachtluft empfing sie wohltuend, erst jetzt bemerkte sie, wie heiß und stickig es in der Hütte gewesen war und gierig sog sie die kühlende Luft ein. Dann sah sie Nadelohr an der Hütte lehnen, der sie freudig anstrahlte: „Große Schwester.“
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