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[Eure Daenigkeit]
„Es MACHT einen Unterschied, ob Sie ein Feind sind oder nicht.“, sagte Pray bestimmt und sanft.
„Man wacht nicht eines Morgen auf und hat den Verstand verloren und entschließt sich, Federn und Keulen anzunehmen.“
Der alte Mann seufzte traurig und begann, eine abgegriffene Pfeife auszuklopfen, dabei schwieg er so lange, dass Jackal schon befürchtete, die Unterredung wäre damit beendet. „Um zu verstehen, warum wir diesen Kampf führen müssen, muss man verstehen, wie wir denken, wie wir zu dem geworden sind, was wir nun sind.“
Er lächelte und deutete auf die einzige freie Sitzgelegenheit im Raum, eine Truhe in der Nähe der Tür.
„Seeker war noch ein kleines Mädchen, als das große Zehren begann und seinen Abschluss im großen Brand fand. Während dieser Tage wanderte ich ziellos herum und versuchte verzweifelt am Leben zu bleiben. Ich fand das kleine Mädchen dann weinend auf einem Spielplatz, gefangen auf einer Rutsche und ihr untoter Vater und ihre Mutter verbogen sich auf groteske Weise, um an sie heran zu kommen. Sie flehte Gott an, ihre Eltern wieder normal zu machen, der der Herr antwortete nicht. Ich war es, der sie beschützt hatte und rettete. Wissen Sie, ich bin eigentlich Geschichtslehrer… gewesen. Aber in den Monaten wurde ich gut darin, ein Anführer zu sein. Und ein rettender Engel. Bald schon hatte ich eine Schar von Kindern um mich gesammelt, die alles verloren hatten. Und die zum ersten Mal im Leben wieder Hoffnung sahen. Doch die Welt besteht nicht aus Engeln. Als die Feuer des großen Brandes erloschen waren und der Rauch sich lichtete, waren von meinen fünfzehn Kindern nur eines noch am Leben. Es war die neue Welt, die sie mir alle genommen hatte und zurück blieb ich mit verlorenem Glauben und das Mädchen mit unglaublichem Hass im Herzen. Und mir wurde klar, dass wir nur überleben konnten, wenn wir so tollwütig wurden wie die anderen Tollwütigen, neben denen wir überleben mussten.“
Er seufzte tief.
„Glauben Sie mir, hätte ich den Mut gehabt, uns Beide zu töten, ich hätte es getan, aber das war gegen Gottes Plan. Ich habe nach einem Zeichen gesucht, gebetet, gefleht und gehofft, doch der Himmel blieb dunkel. Das Zeichen kam schließlich von der gefiederten Schlange und mir wurde klar, dass die neue Welt mein Wissen aus dem alten Testament brauchen würde. Auge um Auge, Zahn um Zahn. Wir mussten uns Klauen und Zähne wachsen lassen, wir mussten zu einem Raubtier werden, um andere Raubtiere zu vertreiben.“
Er nickte ernst und presste die Lippen zusammen, bis sie blutleer waren.
„Nehmen Sie einmal Voodoo… Er war ein junger Mann, der sein Leben lang von seinen Schulkameraden gehänselt und verprügelt wurde. Er war früher bereits stark verhaltensauffällig, interessierte sich für Esoterik und Killerspiele und wurde mehrfach zu Doktoren überwiesen, die an ihm herumspielten. Wissen Sie, warum er das große Zehren überlebt hatte und wie? Hass. Hass und Wut. An dem Tag, an dem die Untoten in seine Stadt einfielen und sie überrannten, hatte er Waffen in seiner Schultasche. Er plante einen Amoklauf und richtete die Waffen nur deswegen nicht gegen seine Klasse, weil die Untoten der größere Feind waren. Er rettete denen, die ihn jahrelang gehasst hatten, das Leben.“
Pray sprach in ruhigen, überlegten Sätzen, als würde er alles aus der Erinnerung kramen müssen.
„Alles was Voodoo von seinem früheren Leben weiß und mitgenommen hat, ist, dass Männer in weiß ihn quälten und nur Hass und Wut und Waffen sein Leben gerettet hatten. Seine Seele war bereits vollkommen zerbrochen als wir auf ihn stießen, doch der Glaube hat ihn gerettet. Nicht mein Glaube, der Glaube an etwas Anderes, einen rachsüchtigen, kämpfenden, blutsaufenden, gefiederten Gott. Der Glaube an eine Familie, an Stärke, an Wildheit. Er sah in sich und fand den Jungen, der schon immer an Magie geglaubt hatte und die Welt bewies ihm, dass es gut war, sich auf Gewalt zu verlassen. Er glaubt nun an die Magie und wie bei so vielen unter uns, sidn wir voll des Aberglaubens, dass das Privileg, noch zu leben, uns Recht gibt. Er weiß, dass Kampf und Voodoo ihn gerettet haben. Er weiß, dass seine Hautbilder und das Ringen darum seine Familie stärker machen.“
Pray blickte Jackal an.
„Jahre vergingen und der Glaube blieb, wurde stärker. Bestätigte und half uns jeden Tag aufs Neue. Wir kämpften und wurden eine Familie. Die Regeln gaben uns Halt und unsere Stärke hielt die Feinde auf Abstand. Nun führen wir Krieg gegen die Sabals. Es ist unklar, wer zuerst geschossen hat, wir wissen nicht, wer wem zuerst die Klinge in den Bauch gerammt hat. Aber das ist nicht wichtig. Wichtig ist, dass die Lieder meiner Kinder weiterbestehen. Wichtig ist, dass wir weiterleben. Sabal will uns tot sehen. Er will seinen Vater rächen, doch er weiß, dass er nicht aus seiner Festung kann. Seeker sieht ihn als Bedrohung und wie eine Löwinnenmutter schnappt sie nach ihm. Mit Seeker kann es ebenso wenig Frieden geben wie mit Sabal. Für beide Anführer geht es nun um alles, denn die Schlacht, die es entscheiden wird, ist nah. Was Sabal letzten Endes will, weiß ich nicht. Aber meine Tochter wird alles tun um uns zu schützen, sie wird ihr Leben geben, so es denn sein muss. Glauben Sie mir, die seltenste Ressource auf dem gesamten Planeten nun ist Vertrauen. Es zu verlieren ist so tödlich wie es fälschlicherweise vorauszusetzen. Seeker kann nur einlenken, wenn es ultimativen Frieden gibt oder Sicherheit. Und solange der Feind angeführt wird von Jemandem, der ist wie sie, kann sie nicht vertrauen.“
Pray hatte die Pfeife nun in der Hand und es schien, als würde er aus einer Trance aufwachen, sich wundernd, warum er einem ehemaligen Gefangenen so viel erzählt hatte. Aber es muss wohl das Kreuz gewesen sein und die Hoffnung, die Jackal darin sah – so wie er früher.
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Probe Will: Medizin: Bestanden!
Will hatte sich fachmännisch um die Wunde gekümmert und selten hatte er eine so junge Frau erlebt, die so stoisch versuchte, ruhig zu bleiben und Stärke zu zeigen.
Die Wunde war schlimm, so konnte das Mädchen nicht ganz die Fassung bewahren. Dem jungen Arzt fiel auf, dass die einzige Sorge der Vulture darin bestand, dass Romero sie als wehleidig erachten könnt, so drehte sie ihm fast grob den Rücken zu, während er immer wieder versuchte, nach ihrer Hand zu greifen.
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