Seeker atmete tief durch und blinzelte eine Mischung von Blut, Schweiß und Dreck aus den Augen, die wahre Kriegsbemalung, die eine echten Vulturekriegerin sowieso besser kleidete als jedes Stück Stoff es je gekonnt hätte.
Sie liebte das Gefühl, wenn ihr Herz so hart gegen die Brust trommelte und hämmerte, dass es zu zerspringen drohte. Denn das hatte sie allen Anderen voraus, die tot waren.
Dass sie fast nackt war, störte sie nicht, im Gegenteil, sie wusste, dass sie damit nicht mehr entblößte als ihre Geschichte, die ihr auf die Haut gezeichnet war und diese konnten, nein sollten, sie ruhig alle wissen, die da bangen Blickes schauten, wie sie dem kleinen Küken die Federn stutzte und sie ein für alle Mal auf ihren Platz zurecht wies.
Sie leckte sich über ihre rissigen Lippen, nahmen den Geruch ihres eigenen Schweißes auf und bleckte abermals die Zähne. Sie war nun ganz gefangen im Augenblick der gefiederten Schlange, der brutalen Zurschaustellung des einzigen, was nach dem großen Zehren den Menschen geblieben war: Stärke. Die Stärke, die Schwachen zu beschützen, die Stärke, zu überleben. Und sie hatte sich seit Monaten nicht mehr so lebendig gefühlt. Sie war fast am Überlegen, ob sie dem Küken danken sollte, bevor sie ihr den Schädel herunterschlug. Aber das wäre dann doch ein bisschen zu viel des Guten. Also, der Dank.
Ihrer Kontrahentin schien es nicht anders zu gehen. "Gefiederte Schlange...", schoss ihr der Gedanke durch den Kopf, "wir könnten einander nicht ähnlicher sein. Wir tanzen sogar mehr als wir kämpfen..."
Sie atmete tief ein, nutzte die letzten kurzen Augenblicke, die sie sich ohne absprechen selbst gegeben hatten, um sich mit der jeweils unvertrauten Waffe der Anderen vertraut zu machen.
Und wieder wurde Seeker klar, dass ihre größte Feindin der erste Mensch seit ihres Erwachens war, der sie gestattet hatte, ihre Waffe zu führen. Sie umarmte den Gedanken, liebkoste ihn und hielt ihn sich vor Augen, denn es stachelte sie unterbewusst an - es galt, ihr die Waffe abzunehmen und ihr respektloses Gesicht tief in den Schlamm zu drücken. Wie würde sie es genießen...
Die Machete lag gut in ihrer Hand, es war eine Waffe, das spürte Seeker irgendwie, die schon viele Leben genommen hatte. Die Kerben sprachen von zerschmetterten Knochen und die leisen Flecken von getrocknetem Blut.
"Was für eine Waffe - was für eine würdige Gegnerin...", dachte sie, und hatte den Eindruck, Leo schon ihr Leben lang zu kennen.
Doch noch bevor sie den Gedanken zu Ende gedacht hatte, war sie schon mit einem Pumasprung heran, die Machete wie einen Speer vor sich haltend und genau auf den Hals Leo zielend, die ihrerseits mit der Sichel einen silbernen Bogen beschrieb und die Machete zur Seite lenkte, so dass Seeker durch ihren eigenen Schwung nach vorne getragen wurde und abermals katzengleich aufkam, ihr für Augenblicke absichtlich den Rücken zudrehte, während sie es mi ganzem Herzen pries, am Leben zu sein.
"Natürlich attackiert sie mich nicht von hinten. Was für eine Kriegerin...", lächelte ihre Seele, während ihr Mund einen weiteren hassverzerrten Schrei ausstieß, als sie eine schnelle Pirouette beschrieb und die Klinge über Leo sirrte, die sich schnell geduckt hatte und nun nach den Beinen der Vulture hieb, gefolgt von einem Absprung und einem weiteren heftigen Hieb, der von Seeker pariert wurde.
So schnell würde hier kein Blut fließen und wenn doch - dann auf eine würdige Art und Weise. Sie Beide wussten um ihre Erscheinung, die sie jetzt in diesem Moment boten und das nicht einmal der Tod sie würde verunstalten können.
Nun sprang Leo nach vorne, zwei blitzschnelle Hiebe mit der Machete, Seeker pariertem, setzte nach, verfehlte, der Gesang der beiden Klingen hallte noch dutzendemale aus der Grube hoch, während die Krieger der Vulture fassungslos staunend dem Geschehen beiwohnten.
Schlamm spritzte unter tanzenden, nackten Füßen, Schweiß und das Blut feinster Schnitte vermischte sich am Boden mit den Fußspuren eines Paares im tödlichen Reigen von martialischen Waffen der Apokalypse.
Und dann hatte Seeker plötzlich die Oberhand , als Leo sich zu weit nach vorne gewagt hatte und einen scharfen Schnitt an ihrer Seite spürte. Die Vulture hielt ihren Waffenarm zwischen ihren beiden Leibern gefangen und sie waren sich so nah, dass Leo sich selbst in Seekers dunklen Augen sehen konnte, die strahlten, als wollten sie sich für diesen Kampf bedanken.
Jeden Augenblick würde Seeker zustechen - sie war unbestreitbar im Vorteil.