Das Lager sah nun nicht mehr so frisch und einladend aus. Der Kran hat eine Schneise in die offene Fläche gerissen, Überreste von verwesten Körpern wurden durch den schweren Aufprall in alle Himmelsrichtungen geschleudert. Immer noch wurde man fündig, hier ein halber Torso, dort ein abgerissener Arm, ab und an rutschte man auf biologischer, zu Brei zermahlter Masse aus. Und dann dieser Gestank. Jäger richtete sich auf, die Fäuste hatte er sich ins Kreuz gepresst und dehnte seinen Rücken nach hinten durch. Seit Stunden war er damit beschäftigt, die Leichenteile auf einen Handwagen zu laden und den Inhalt in einen entfernten Graben zu kippen. Die schlimmsten olfaktorischen Aggressoren hatte Jäger rasch ausfindig machen können. Alles was er tun musste war, seiner Nase wie einer Wünschelrute zu folgen bis sein Magen endlich anfing zu vibrieren. Die Verwesung dieser Exemplare hatte nach all den Jahren ein irrwitziges Stadium erreicht. Er war davon überzeugt, dass dieser Zustand durch die Infektion nicht dem normalen Prozess organischer Zersetzung folgte. Das Phänomen taucht sicherlich nicht in Howards Büchern über Schulmedizin auf. Man müsste nun völlig neue Bücher schreiben, dachte sich Jäger und steuerte den vollen Handwagen durch Trümmerteile und staubigen Schutt, der bei ihm ständig einen Hustenreiz auslöste. Ein Königreich für eine LKW-Ladung mit Duftbäumchen! Als könnte man Scheiße mit Parfüm einsprühen damits besser riecht.

Immer wenn er das transformierte Bild der Baustelle mit dem umgestürzten Kran aus der Entfernung betrachtete, versuchte er sich den Vorgang vorzustellen. Das stumme Kind hat es nicht nur zu Fall gebracht, hat dabei nicht nur den Rest der Zombiehorde darunter begraben, sondern ist auch noch fast ohne einen Kratzer auf dem Boden gelandet. Ihn beschlich ein mulmiges Gefühl in der Magengegend. Hatte er ein schlechtes Gewissen? Ihre plötzliche Gegenwart in Shengs Hope hatte die Siedler beinahe gegeneinander aufgebracht. Allein dieser Umstand hätte zum Ausschluss führen müssen. Jäger musste sich darauf einstellen, dass Sheng starrköpfig an seinen Überzeugungen festhalten und einen Bürgeraufstand riskieren würde. Das Leben vieler für das Leben eines Einzigen. Undenkbar, und trotzdem wäre er ganz vorne an der Front mit dabei gewesen und die Prügel kassiert. Nicht aus Überzeugung, sondern aus Pflicht. Doch nun sah die Sache anders aus. Der größte Kampfeswille schlägt also auch in der kleinsten Brust. Wurde er denn nicht selbst als ein verängstigtes, nichtsnutziges, kleines Kind aufgenommen? Wurde er nicht als das schwächste Glied in der Kette geduldet bis er sich zu einem Soldaten entfalten konnte, der in der Wildnis überleben und die Gruppe voranbringen konnte, anstatt ihr unbeholfen hinterher zu laufen?

Er zog sich den Kragen seines Shirts über Mund und Nase, um den Staub nicht einzuatmen. Im Vorbeigehen fiel sein Blick auf die offene Karte, die ausgebreitet auf der Erde lag und mit kleinen Steinen in den Ecken festgehalten wurde. Da er ohnehin eine Pause einlegen wollte, stellte er den Wagen ab und beugte sich über die mit ruhiger Hand eingezeichneten, farblich gekennzeichneten Gebiete. Eine graue Fläche im Südwesten ist ihm bereits von Weitem ins Auge gefallen. Es war Zeit für einen Tapetenwechsel.

[Aufgabe Eta - Jäger: Kampftalent + Experte Hiebwaffen, warte auf Andere]