So große Augen hatte man an ihr sicher selten gesehen. Eryn selbst konnte nicht sagen, wann sie das letzte Mal einen solchen Schatz entdeckt hatte. Natürlich war Schatz in diesem Fall eindeutig ein relativer Begriff, doch sie verfluchte ihren Rucksack fast dafür, nicht größer zu sein. Will beäugte sie zweifelnd. Sicher verstand er nicht, wie sie sich an diesen Waren so ergötzen konnte. Doch er hielt die Barfrau auch nicht davon ab, sich die kleinen, kosmetischen Kostbarkeiten einzupacken, die sie sicher nicht hergeben würde.

Doch auch der junge Arzt war auf etwas aufmerksam geworden. Er stand vor einem der Fässer und hatte es wohl gerade entziffert, war zumindest in gebeugter Haltung nah davor und schob sich die Brillengläser näher an die Augen. Ein Geistesblitz. "Eryn!" Sie drehte sich um, sah neugierig zu ihm. "Das ist Formalin", ließ er sie wissen. Und noch bevor sie dem Mediziner mitteilen konnte, dass sie den Begriff noch nie gehört hatte, klärte er sie auf. "Henry hat mir davon erzählt. Damit werden Leichen konserviert. Früher war das wohl ganz normal, wenn jemand starb, und heute; Wenn... wenn ein Zombie tot ist... also richtig tot und man ihn nicht verbrennen will, oder so... dann benutzt man das." Eryn nickte. "Interessant", log sie. Warum erzählte er ihr das? "Ich glaube, der Priester hat das benutzt, um die Leichen zu konservieren. Deswegen stinken sie nicht so sehr." "Oh!" Deswegen erzählte er ihr das. "Bleibt die Frage, warum man sowas tut... es sei denn, man ist einfach nur vollkommen irre." Eine Antwort darauf sollten sie für den Moment jedoch nicht finden.

Einen Moment später hatte Eryn alles beisammen, was ihr Mitnehmenswert erschien - und was sie tragen konnte. Das war allemal ein Vorrat, der mindestens bis zum Ende ihrer Reise anhalten dürfte, wenn sie nicht total verschwenderisch damit umging oder ihr jemand den Fund streitig machen würde. Doch ihr fiel kaum jemand ein, der überhaupt ein ähnliches Interesse daran haben dürfte wie sie. "Wir können", ließ sie Will wissen, der auch nichts Weiteres entdeckt zu haben schien.

Die beiden machten also kehrt und verließen den Raum, der sich für die 25-Jährige als eine Art Schatzkammer erwiesen hat. Wieder blieben sie vor dem Gang stehen, der in Richtung Südosten führte. Zögernd sah die Barfrau hinein, die wenigen beleuchteten Meter entlang. "Es wäre schon gut zu wissen, wohin es geht, oder?", fragte sie Will, implizierend, dass ihre neugierige Seite das Voranschreiten gerne wagen würde. Doch wie der zweite, ängstlichere, um das eigene Wohl besorgte Teil in ihr, schien auch Will davon nicht begeistert zu sein. "Fordern wir unser Glück nicht noch weiter heraus!", sagte er mit ungewohnter Bestimmtheit und nickte in Richtung des Ganges, aus dem sie ursprünglich kamen. "Wir nehmen die Axt mit und gehen wieder zurück ins Lager. Wenn sich das hier noch jemand angucken will, dann doch jemand der kämpfen kann..."

Zu viel Sinn und Vernunft steckte in seinen Worten, zu wenig Eigeninitiative in Eryn. So folgte sie dem Arzt zurück zum Kleiderschrank und - vorerst mit vorsichtigen Blicken, doch dann ganz - auch in die gruselige Kapelle. Nachdem die beiden herausgetreten waren und Will die große, improvisierte Axt aufgesammelt hatte, um sie vorerst an sich zu nehmen, kamen der Barfrau die Worte auf dem Bild wieder in den Sinn. "Weißt du, was Domingo de Resurrección heißen könnte?", fragte sie den Mann, der in ihren Augen zu den gebildetsten Gestalten von Sheng's Hope gehörte. Sie sprach es vollkommen falsch aus, war sie zwar schon oft spanisch Sprechenden begegnet, doch hatte sich nichts davon angeeignet. "Irgendwas mit Aufstehen?" Er schien kurz in sich zu gehen.

Probe Will: Sprachgenie bestanden

"Ehm... ich glaube, das heißt 'Tag der Wiederauferstehung'. Früher hat man das groß gefeiert. Manche tun das heute noch. Man hat es bei uns auch Ostern genannt. Oder... zumindest ein Teil von Ostern." Ostern. Das hatte sie schon mal gehört. Doch es hat vor dem großen Zehren so viele Feste und Feierlichkeiten geben müssen, dass sie nicht mehr in der Lage war, sie zu unterscheiden. Weihnachten - das kannte sie noch.

Mit dem neuen Wissen und den überragenden Fundsachen im Gepäck ließ es sich auf den schmerzenden Füßen doch einfacher laufen, wie Eryn fand. Auch wenn es dem schwer tragenden Will dabei sicher nicht ganz so ging. Trotzdem erreichte auch er aber nur wenige Minuten später die Baustelle.


[OOC: Eryn reißt sich die Hygieneprodukte unter den Nagel und ist ab sofort 20% Mensch und 80% Sexroboter]