Der tagelange Marsch, das schwüle Wetter und der Umstand, nicht länger an derlei Strapazen gewöhnt zu sein, waren nicht völlig ohne Folge geblieben. Andrea beklagte sich nicht, aber es war kaum zu übersehen, dass ihr Teint blasser war als sonst, und winzige Schweißperlen glitzerten an ihrem ergrauten Haaransatz, das Atmen erschien ihr bei der schweren, feuchten Luft hier wie eine Anstrengung. Dann auch noch diese Aufregung vorhin, gerade als sie sich auf eine kurze Pause gefreut hatte... vielleicht war es auch einfach ihr Alter, das ihr zunehmend zu schaffen machte. Aber daran dachte Andrea lieber gar nicht. Warum auch? Was bedeutete Alter schon? Sie war gesund, konnte beide Beine benutzen, eine Waffe bedienen, und weder ihr Verstand, noch ihr Erinnerungsvermögen hatten sie bisher im Stich gelassen. Was ihr heutzutage an Ausdauer fehlte, machte sie durch Erfahrung und schiere Willenskraft wett.
Und trotzdem habe ich eben gezögert, mit den anderen in den Kampf zu ziehen.
Ein ungemütlicher Gedanke, den auch die Tatsachen, dass auch für den Fall der Fälle jemand bei Adam bleiben musste und dass kaum Zeit zum Überlegen gewesen war, nicht abschütteln konnten.
Etwas Gutes hatte die Aktion mit den Zombies jedoch gehabt - nun war sie aufgerüttelt. Sie war mit einem Mal wieder wach und voller Energie. Bereit, sich nützlich zu machen. Als sie aus einiger Entfernung beobachtete, wie Evi sich mit diesem Mädchen - Haile war ihr Name? - entfernte und zu Adams Sarg lief, löste Andrea sich von dem Baum, an dem sie gerade gelehnt hatte und hielt auf die Männer zu, die sich gerade um die Kleine gekümmert hatten. Howard und Will waren Ärzte, mit denen sie eigentlich nie viel zu tun gehabt hatte, die sie nur vom Sehen kannte. Sie hatte sich nun einmal immer schon guter Gesundheit erfreut, und wenn da etwas gewesen war, hatte sie sich immer an Lee wenden können. Oder an sich selbst, schließlich hatte sie sich nach... nach jenem Zwischenfall so einiges von ihm beibringen lassen. Es war der einzige Weg gewesen, ihr Gewissen zu besänftigen... ein wenig zumindest, denn solche Dinge zehrten nun einmal an der Seele. Lee hatte es ihr verziehen, davon war sie überzeugt, aber sie selbst hatte nie völlig ihren Frieden damit machen können.
Frank war ihr Nachbar und sie wechselte gelegentlich das ein oder andere Wort mit ihm. Familienvater, Amerikaner, ehemaliger Polizist, soweit sie wusste. Nun, und wenn man die Wache in Shengs Hope als Polizei bezeichnen wollte, war er das wohl auch immer noch. Er war es auch, an den Andrea hauptsächlich das Wort richtete, nachdem sie allen flüchtig und höflich zugenickt hatte:
"Habt ihr von da hinten etwas lohnenswertes sehen können?"