Es erleichterte sie fast, Will dort stehen zu sehen. Sie hatte nach den Geräuschen mit Schlimmerem gerechnet. Mit einem Zombie. Oder irgendeiner bedrohlichen Gestalt. Will sah ertappt aus, nicht aber, als wüsste er selbst genau, bei was er sich hat ertappen lassen. Er konnte von Glück sagen, dass sie nicht den Trinkschlauch fallen gelassen hatte, als er sie so aufschreckte. Vorsichtshalber bückte sie sich, um die Verschlusskappe aufzuheben und auf eben jenes Gefäß zu schrauben, das sie benutzt hatte, um sich zu waschen und bei der Gelegenheit in den Genuss der erbeuteten Kosmetika zu kommen.
"Wenn du mehr Zeit mit mir verbringen willst, kannst du das auch einfach sagen, und brauchst mich nicht stalken!", neckte sie ihn.
"Ich wollte nicht-!", rief er nur, hob entschuldigend die Arme und blickte drein, wie jemand, der einen Geist - und keine halbnackte Frau - gesehen hatte. "Ist okay. Aber wenn du dich jetzt umdrehen würdest!" Das hatte sie ihm wohl nicht zwei Mal sagen brauchen. Sofort wandte er sich um, fast zu schnell - eine Idee, auf die er zuvor nicht gekommen war. "Warum bist du mir gefolgt?", fragte Eryn als sie die Waschroutine abschloss und mit weiteren gut duftenden Annehmlichkeiten fortsetzte. "I-ich... ehm... ich wollte dich fragen, ob wir noch mal zur... Kirche sollen. Jetzt, wo wir alles abgeliefert haben.", antwortete er, zögerlich. Der Arzt war niemand, der einem beim Sprechen in die Augen sah, doch nicht mal in die Richtung zu sehen, in der sie stand, und trotzdem seine Worte an sie zu richten, war selbst für ihn kurios.
"Ich weiß nicht!", antwortete sie abwägend. An belastete Füße hatte sie sich fast gewöhnt, darüber hinaus war sie nicht zu erschöpft. Und das Mitbringsel hatte ihr definitiv Energie gegeben. "Ich meine - wir wollten doch eigentlich jemanden schicken, der sich auch wehren kann, oder? Oder sollen WIR etwa eine Waffe mitnehmen?" Sie sah im Augenwinkel, wie der Mediziner mit den Schultern zuckte. "Die Axt war schon zum Tragen schlimm genug. Aber ich glaube, Frank hat vorhin was von einem Gewehr gesagt."
Etwas später war Eryn fertig und trug auch wieder das zu ihr gehörende Kleid. Sie schloss zu Will auf und trat mit ihm den Rückweg ins Lager an. "Seltsamer Tag für dich, was?", grinste sie, als sie ihm andeutete, mitzukommen. "Erst musst du dich als Leiche ausgeben und dann auch noch mich nackt sehen?" Er sah nur kurz zu ihr, blickte dann schnell wieder weg. Kurz darauf fand er Worte, doch schien er das Thema wechseln zu wollen. "Nimmst du Franks Waffe? - "Ich?", spottete die Barfrau und lachte kurz auf. "Nur weil DU einen Fetisch für Frauen in Unterwäsche und mit dicken Wummen in der Hand hast" - sie konnte es nicht lassen - "... kann ich noch immer nicht mit Waffen umgehen!" Er schien noch immer zu versuchen, ihre Sticheleien zu umgehen. "Ich auch nicht!" - "Du kannst sie wenigstens tragen... außerdem muss man sich das Recht erarbeiten, schöne Frauen nackt sehen zu dürfen." - "Eryn..." - "Schon gut!"
Die Entscheidung war gefallen. Vielleicht sah der junge Mann ein, dass die Waffe bei ihm besser aufgehoben war, vielleicht wollte er auch nur weiteren Kommentaren der 25-Jährigen entgegen, als er das Maschinengewehr an sich nahm. "Ich muss mir auf jeden Fall zeigen lassen, wie man damit umgeht." Eryn nickte. "Aber später. Frank ist nicht da. Erst mal schaffst du's auch so, oder?" Wieder drückte er die Schultern unsicher hoch. Waffen waren jedem nicht Kundigen wohl mehr ein Begriff als vor zwanzig Jahren, doch mit der Bedienung hatte sich der Arztsohn sicher noch nie auseinandergesetzt. "Du kriegst das schon hin!", sprach sie ihm Mut zu und legte ihre Hand bestätigend auf seine Schulter. "Ich habe diese alte Militärfrau aus Sheng's Hope mal sagen hören, man soll immer in Salven schießen, nicht die ganze Zeit..." - sie ließ eine kurze Pause folgen, spitzte die Lippen und nahm ein imaginäres Gewehr in die Hände, ließ diese einige Sekunden immer heftiger zittern, um ein Schießen zu simulieren - "... bumm-bumm-bumm." Ein Grinsen folgte. "Ziemlich genau so hat sie das auch beschrieben."
Mit Hilfe dieser professionellen Anleitung bestens vorbereitet, machte Will sich - nun im Besitz des Maschinengewehrs - auf, erneut den Weg zur Kirche zu gehen. Dabei war wieder Eryn seine Begleitung.
"Ich sag dir: Dein Vater wird staunen, wenn du in die Siedlung zurückkommst und ein echter Abenteurer bist. Dicke Wummen, nackte Frauen..."
"Eryyyn!"
Geändert von BIT (23.09.2015 um 19:57 Uhr)
Grund: Sig aus! ~ BIT