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Ritter
Das Schlimmste an diesem doch sehr späten Morgen war, dass sie trotz des Gewecktwerdens durch Will nicht hochschreckte, gut geschlafen hatte und auch noch ein, zwei Stunden weiter dort liegen und friedlich vor sich hin schlummern hätte können. Doch der junge Arzt weckte sie durch sein Räuspern und das anschließende Sprechen ihres Namens. Erst jetzt kehrte das schlechte Gewissen zurück. "Warte!", forderte sie den Mediziner auf, während sie sich den Schlaf aus den Augen rieb. Sie hatte am Vorabend nicht mal das Kleid ausgezogen, weswegen sie ohne Weiteres aufstehen konnte. Ganz anders als sonst musste sie fast bemitleidenswert aussehen, als sie sich langsam erhob. Der emotionale Ballast des vergangenen Tages hatte sich auch in ihre Knochen gelegt - so schien es ihr.
Für ausführliche Kosmetik würde noch Gelegenheit sein, wenn ihr Gast verschwunden war. Jetzt bückte sich Eryn nur kurz zum Eimer, um sich mit den Händen einen Schwall Wasser ins Gesicht zu schleudern, das wirkliche Erwachen zu provozieren und ihre Gedanken für den Besuch zu reinigen. "Was gibt's denn?", fragte sie dann, so freundlich, wie es ihr in Anbetracht aller Umstände möglich war. Sicherlich ging es um das Mädchen, auf das sie erfolglos hatte aufpassen wollen. Oder der Arzt wollte sie darüber informieren, wie es Vincent ging. Als würde sie das kratzen. Dann sah sie sein blaues Auge. Hatte er noch etwas abbekommen bei der Schlägerei gestern?
"Hallo Eryn!" Fast gab der junge Mann ihr das Gefühl, unhöflich gewesen zu sein, da sie ihn nicht wirklich begrüßt hatte. Doch immerhin hatte er ihre Behausung einfach so gestürmt, und war nun auch niemand, dem soziale Interaktion sonderlich lag, wie spätestens das nervöse Zurechtrücken seiner Brille bewies. "Mir ist aufgefallen, dass du nicht bei Shengs Ansprache warst", ließ er sie wissen. Die Barfrau wollte sich gerade rechtfertigen, da sprach er schon weiter: "Ehm... wir müssen bis zum Aufbruch dafür sorgen, dass genug Ressourcen für die Reise da sind. Sheng schlug vor, zu Ol' Cletus zu gehen und ihm Vorräte zu entlocken. Ich war schon mal da und habe sie medizinisch versorgt, aber..." - sein Blick wurde fast etwas einsichtig, demütig - "... ich bin nicht wirklich dafür geeignet, mit ihm zu verhandeln. Und da dachte ich...", führte er fort und sah sie fast etwas fragend an. Selbst dieses Gespräch schien ihm nicht sonderlich leicht zu fallen.
"Klar!", antwortete Eryn schnell. "Ich kenne Cletus und hab' Erfahrung mit Rednecks wie ihm. Ich arbeite für einen!" Sie grinste, auch wenn sie sich nicht sicher war, Wills vermutlich langweiligen Humor damit zu treffen. Sie war froh, etwas zu tun zu bekommen, das nichts mit Derreck und nichts mit seinem Pub zu tun hatte. Alles, was sie von ihrer eigenen Schuld ablenkte, war ihr momentan Recht. Und wenn es sich sogar um etwas Sinnvolles handelte, ließ ihr Gewissen sich dadurch vielleicht beruhigen.
"Ich mache mich noch fertig, aber wir können los, sobald du willst", fügte sie mit einem Blick auf den kleinen Beauty-Bereich ihrer Behausung hinzu. Sie würde sich ein besonders schickes Kleid heraussuchen, um sich den Umgang mit dem Farmer und seinen Söhnen zu erleichtern. Nicht, dass sie die Kerle für besonders anspruchsvoll hielt, doch in ihrer aktuellen Verfassung waren solche Details elementar - und wenn es nur darum ging, ihr positives Selbstbild wieder instand zu setzen. Nachdem sie in ihrer Vorstellung schon das passende Stück herausgesucht hatte, ergriff sie die Chance, ihre Wissenslücken zu schließen: "Was gibt's denn sonst noch Neues? Ich war gestern zu müde, um dem Bürgermeister zuzuhören!"
Während sich die Barfrau vom Doktor über das Heilmittel und den bevorstehenden Transport sowie die Anführer-Wahl aufklären ließ, kämpfte sie mit ihren Gedanken, kürzer als erwartet, kam sie doch schnell zu einem Schluss: Sie würde den Zug begleiten, der laut Ansprache des Bürgermeisters wohl die Welt retten könnte. Die ausschließlich prügel- und saufgeilen Recken von Sheng's Hope brauchten sicherlich auch jemanden, der Dinge mit einem Lächeln und blumigen Worten klären konnte. Und sowieso war ihr für den Moment quasi alles Recht, um raus aus der Siedlung zu kommen.
Als sie sich dann dankend von William verabschiedete und ihm versprach, nicht länger als eine halbe Stunde zu brauchen, widmete sie sich der ersehnten Körperpflege, nicht ohne den Vorhang zuzuziehen, der ihr Sichtschutz gewähren sollte. Mit beiden Anwärtern auf den Anführerposten der Reisegruppe war sie einigermaßen zufrieden - doch Lancaster war ihr in letzter Konsequenz nicht ganz geheuer. Der bärtige, alte Mann fiel Eryn zwar nie wirklich negativ auf, doch hatte er doch diese ihm eigene Zwielichtigkeit. Vielleicht hing es damit zusammen, dass seine Geschichten sich nie treu waren. In jedem Fall würde die 25-Jährige Sheng vor dem Ausflug zur Plantage der Orchards noch mitteilen, dass sie Evi für die richtige Wahl hielt.
[OOC: Eryn gesellt sich für Aufgabe "Gamma" zu Will und wählt Evi als Anführerin]
Geändert von MeTa (11.09.2015 um 17:19 Uhr)
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