It's a SILENT night...



Der Bettelpoet /The Beloved Rogue (1927)



Die (größtenteils fiktive) Geschichte von François Villon, zu Lebzeiten der berühmteste Poet Frankreichs, aber auch ein Schelm, gelegentlich ein Kleinkrimineller, vor allem aber: Patriot. Der Film erinnert stark an Fairbanks, was ich persönlich toll fand. Hauptdarsteller John Barrymore wurde dafür jedoch ein wenig kritisiert und soll sich in der Rolle selbst nicht gemocht haben. Vielleicht war er ernsteren Stoff gewohnt, keine Ahnung. Coole Story jedenfalls, war mal ein etwas anderer Ansatz mit dem Dichter als Protagonist, mit dem frühen Frankreich-Setting usw.. Einige Elemente wie das Narrenfest oder dieses Gaunerversteck schienen fast unmittelbar dem Glöckner von Notre Dame entsprungen zu sein ^^ Zwar kann The Beloved Rogue bisweilen fies dramatisch werden, aber hat auch massig humorige, leichte Momente. Der Hauptcharakter trägt den Film und ist ein sympathisches Schlitzohr, das in die große Politik hineinstolpert. Eine originelle Idee war, ab und zu kurze Gedichte bzw. Verse per Zwischentitel in den Handlungsverlauf zu integrieren. Das Tempo bleibt angenehm flott. Kann ich empfehlen, aber gibt es leider nicht auf BD und nur im Ausland auf DVD. 7/10




Der vierte Musketier /The Three Musketeers (1921)



Der junge und hitzköpfige D'Artagnan gerät in ein Duell mit Athos, Porthos und Aramis, freundet sich währenddessen aber mit diesen an. Gemeinsam versuchen sie den Plan Kardinal Richelieus, die Königin zu diskreditieren, zu vereiteln. Dazu müssen sie eine Brosche zurückholen, die die Königin dem Herzog von Buckingham geschenkt hat. Eine richtig nennenswerte Handlung hat der Film leider erst verdammt spät. Davor, besonders am Anfang, gibt es viele (scheinbare) Belanglosigkeiten und Kitsch. Das Abenteuer-Feeling will nicht so recht rüberkommen, auch hat der gute Doug anderswo schonmal mehr Kämpfe bestritten und Stunts gemacht. Es fehlt an Konflikt und richtig fiesen Schurken - man bekommt nicht das Gefühl, dass jemals viel auf dem Spiel steht. Wie viel Alexandre Dumas genau drinsteckt? Da bin ich überfragt. Die Handlung hält sich auf jeden Fall einigermaßen an die Literaturvorlage, gewiss mehr als diverse spätere Werke, aber ich kann mir dennoch vorstellen, dass das Buch wesentlich aufregender ist. Letztenendes: Nicht schlecht, aber keiner von Fairbanks besten. 6/10




Die eiserne Maske /The Iron Mask (1929)



König Ludwig XIII. von Frankreich ist begeistert, als ihm ein Sohn geboren wird - ein Thronerbe! Aber als die Königin noch einen Zwilling zur Welt bringt, sieht Kardinal Richelieu darin das Potential für eine Revolution und lässt ihn daher nach Spanien fortschicken, wo das Kind insgeheim aufwachsen und erzogen werden soll, um eine friedliche Zukunft für Frankreich zu gewährleisten. Doch es kommt zu Komplikationen... Dieses Sequel ist sooo viel besser als der Vorgänger (und auch besser gealtert)! Mehr Energie, Action und Spannung, die Handlung dynamischer, abwechslungsreicher und logischer aufgebaut. Bei so einer Story bleibt man dran.

Sehr gelungen ist in diesem Zusammenhang der große Zeitsprung von 20 Jahren in der Mitte. Man bekommt den Eindruck, es ist wirklich was passiert und fragt sich, was aus den ganzen Figuren geworden ist. Außerdem traut sich der Film einiges mit mehreren tragischen Charaktertoden (erster und einziger Leinwandtod von Fairbanks soweit ich weiß), mit manchen davon hatte ich ehrlich überhaupt nicht gerechnet. Auch die Schurken haben angemessen Platz in der Erzählung, ansonsten konzentriert sich die Geschichte aber wie üblich auf den von Doug verkörperten Protagonisten, also D'Artagnan.

Dieser muss in der zweiten Hälfte den wahren König, jetzt unkenntlich gemacht durch die berühmte eiserne Maske, aus einer kleinen Festung mitten im Fluss befreien, nachdem die fiesen Verschwörer den bösen Zwilling auf dem Thron installiert haben. Aber dazu braucht unser Held die Hilfe von drei alten Freunden... Geil. Hätte man die erste Hälfte etwas gestaucht und dafür diese Wiederzusammenkunft und generell den tollen Schlussteil weiter ausgebaut, wäre es von der Struktur her der perfekte Film gewesen. Überhaupt mag ich solche Geschichten vom Zusammentrommeln alter, eingeschworener Grüppchen nach langer Zeit. Schade dass sie da nicht noch mehr rausgeholt haben und näher drauf eingegangen sind, aber ich will gar nicht nörgeln.

Die vergleichsweise düsteren Momente war ich von den Filmen des Hauptdarstellers (erneut auch verantwortlich für das Drehbuch) bis jetzt kaum gewohnt - dickes Plus! Thematisch schwingt irgendwie stets ein Hauch von Nostalgie mit, und die Handlung arbeitet mit diversen Rückblenden. Darüber hinaus sind einige schön stimmungsvolle Szenen mit Licht und Schatten und abenteuerlichen Umgebungen vorhanden. Ich mein, ein schwer erreichbares Gefängnis-Castell in einem Fluss, mit einem alten, versiegelten Zugang durch eine Höhle, alles bei Nacht und Gewitter, als Schauplatz für einen wesentlichen Teil des Finales mit furiosem Degen-Gefuchtel ist schon mega-stylish

Handelt sich um den letzten Stummfilm von Douglas Fairbanks. Gab zwar noch eine Tonvariante davon, die ist aber nicht zu empfehlen, weil dann die ganze Zeit nur der Erzähler (glaube das war sogar Doug selbst) aus dem Off labert und die Szenen beschreibt, was ungeheuer schnell nervig wird. Außerdem ist jene Version geschnitten, wenn ich das noch richtig im Kopf habe. Nee, den Film sollte man möglichst schon als Stummfilm-Original genießen! Mist, wieder keine BD verfügbar. Btw., so sahen damals noch manly men aus, da brauchte es keinen muskelbepackten Vin Diesel oder Dwayne Johnson -_^ 8/10




Der Mann mit der Peitsche /Don Q, Son of Zorro (1925)



Don Cesar (Fairbanks) ist der Sohn Zorros. Während seinem Besuch in Spanien umgarnen er und sein Rivale Don Sebastian das gleiche Mädchen, Dolores de Muro (Mary Astor), die Tochter eines Generals. Diese hat natürlich nur Augen für den aufregenderen Don Cesar. Als Don Sebastian auf einer Feier in Rage vor Eifersucht nach einer Provokation den österreichischen Erzherzog umbringt, schiebt er das Verbrechen Don Cesar in die Schuhe. Der taucht unter und wird zum Peitsche-schwingenden Gesetzlosen Don Q, der ein paar Angelegenheiten richtigzustellen hat und seinen Namen reinwaschen möchte. Kurz zwischendurch und für fünf Minuten zum Finale taucht dann auch noch Zorro selbst auf, ebenfalls gespielt von Fairbanks, was zwar ganz cool, aber storymäßig irgendwie auch reichlich überflüssig ist. Wirkte konstruiert und auf den letzten Drücker hineingezwängt.

Wenig verwunderlich, wenn man die Hintergründe dazu liest. Der Roman von 1909, auf dem der Film lose basiert, hatte ursprünglich nichts mit Zorro zu tun. Die Geschichte wurde umgearbeitet, um daraus ein Sequel zu Das Zeichen des Zorro (1920) zu machen. Anscheinend waren sich die Drehbuch-Autoren nicht sicher, ob dieser Zusammenhang auch wirklich beim Publikum ankommt und verstanden wird, denn die andauernde Betonung wird schnell nervig: "Mein Vater ist der beste und tollste", "Mein Vater kannte deinen Vater" usw., ohne dass das irgendetwas von Wert für die Handlung beitragen würde. Der Protagonist sollte lieber mal selbst überzeugen können. Der Held ist zwar clever, voller Energie und hat den typischen Fairbanks-Charme, aber ein bisschen mehr Profil wäre nicht verkehrt gewesen. Kommt herüber wie "Zorro lite", nichtmal die Peitsche als Markenzeichen wird besonders oft und gekonnt eingesetzt.

Generell hatte die Geschichte für mich mit ein paar strukturellen Schwierigkeiten zu kämpfen. In der ersten Hälfte verliert sich das Geschehen in wenig interessanten, geradezu heiteren Nebensächlichkeiten. Es gibt keinen Konflikt, noch keine richtigen Schurken, alles belanglos. Es dauert die halbe Spielzeit, bevor doch mal was passiert und ein wenig Spannung aufkommt. Die zweite Hälfte ist dann wesentlich besser, sodass der Film noch die Kurve kriegt. Das Erzähltempo und die Action, wenn denn mal welche vorkommt, sind unterm Strich eigentlich auch gar nicht übel. Wenn sie sich nur für den Anfang nicht so viel Zeit genommen hätten und schneller zum Punkt gekommen wären... Da werden Erinnerungen an Robin Hood wach. 6/10




Goldrausch /The Gold Rush (1925)



Wollte einer solchen Berühmtheit doch nochmal eine Chance geben, nachdem das letzte Mal schon ewig her war. Eigentlich ja ganz nett. Der sympathisch-verpeilte Archetyp des mittellosen Tramps, hier auf der Suche nach Gold und Glück im hohen Norden, ist nicht ohne Grund eine Popkultur-Ikone geworden. Doch wenn man den ganzen Slapstick-Kram und Unsinns-Humor fernab physischer oder logischer Gesetzmäßigkeiten weglässt, bleibt höchstens noch ein Drittel des Films bzw. eine halbe Stunde übrig, und genau damit hab ich bei dieser Art von Komödie grundsätzlich ein Problem. Ich lache lieber in Geschichten, die ich an anderen Stellen ernst nehmen kann, oder aber welche, die mit dem Humor so übertrieben und clever-subversiv sind, dass sie eine gewisse, kritisch-satirische Aussagekraft bzw. Mehrdeutigkeit haben.

Gold Rush und Chaplins Werke allgemein wirken auf mich dagegen meist eher wie simple old-school Cartoons, hauptsächlich für eine besonders junge Zielgruppe (vgl. Looney Tunes), auch ganz abgesehen von den Slapstick-Einlagen. Beispielsweise wird der Protagonist hier anfangs gezeigt, wie er die Himmelsrichtungen auf ein Blatt Papier gemalt hat, aber so verwendet, als handle es sich um einen funktionierenden Kompass. It's funny because he's dumb, d'oh. So blöd ist einfach niemand in dem Alter, das stört die Immersion. An einer anderen Stelle bildet sich sein Partner, mit dem er zusammen in der eisigen Hütte hungert, im Wahn ein, Chaplin sei ein Hühnchen, und möchte es entsprechend erlegen und verspeisen. Zugegeben, das war in den 20ern wahrscheinlich noch nicht so ausgelutscht wie heute und ist hier visuell mit einem dicken Gockel-Kostüm zumindest ansprechend umgesetzt. Aber es funktioniert halt nur auf einer einzigen, total banalen Ebene.

Die Szenen, in denen die Hauptfigur in der Stadt ist und der schönen Georgia hinterherläuft, die ihn unangemessen mies behandelt, fand ich da schon interessanter, weil sich hier ansatzweise ein bisschen Drama mit der Comedy abwechselte. Halte es allerdings für etwas fragwürdig, dass er am Ende tatsächlich mit ihr zusammenkommt, und auch erst, nachdem er Millionär geworden ist. Als triviale, platte, unverfängliche Unterhaltung durchaus in Ordnung und mit einigen schönen, originellen Einfällen für aberwitzige Szenen, hat mir Gold Rush trotzdem abermals bestätigt, dass Chaplin nicht das ist, was ich mir von einem gelungenen (Stumm-)Film erhoffe. 6/10




Tabu /Tabu: A Story of the South Seas (1931)



War ganz okay. Leider Murnaus letzter Film, der kam bei einem Autounfall im Alter von nur 43 Jahren ums Leben :-/ Die Handlung dreht sich um ein junges, indigenes Paar auf einer Südseeinsel, deren Liebe bedroht wird, als der Stammesälteste das Mädchen zu einer unantastbaren Jungfrau erklärt. Die Story ist sehr klein und simpel gehalten und mit tragischem Depri-Ende. Dafür ist der halbdokumentarische Stil bemerkenswert, der Zuschauer bekommt viele schicke Umgebungen in diesem vermeintlichen Paradies zu sehen. Es gibt kaum Zwischentitel. Ausschließlich authentische Leute aus Polynesien haben mitgespielt bzw. die entsprechenden Charaktere verkörpert! Echt cool, weil nicht selbstverständlich für damals. Alles andere hätte auch äußerst befremdlich gewirkt. Das bringt eine ganz eigene Exotik rein, die man sonst in dieser Zeit des Kinos kaum finden kann. Das heißt außerdem, dass selbst die beiden Hauptdarsteller Amateure waren, keine gelernten Schauspieler. Ein Glück, dass sie so talentiert waren, denn man merkt meiner Meinung nach kaum einen Unterschied. 6/10




Der letzte Mann /The Last Laugh (1924)



Ein alter Portier wird von seinem prestigeträchtigen Job in einem Luxushotel gefeuert, ist dem Hohn der Gesellschaft ausgesetzt und kommt mit der neuen Situation nicht klar. Wow, einer der wichtigsten Filme aller Zeiten, ein Meilenstein! Nicht so sehr wegen der etwas rührselig geratenen Geschichte, sondern weil er, ähnlich wie Eisensteins Panzerkreuzer Potemkin im darauffolgenden Jahr, einen ganz neuen Bereich zur erst noch entstehenden Filmsprache, ein weiteres Puzzlestück zum Repertoire hinzufügte. Man könnte das Werk aus technischer Sicht auch "der Tag, an dem die Kamera befreit wurde" nennen Gab zwar davor schon ein paar Einzelfälle, wo mit einer beweglichen Kamera experimentiert wurde, aber in dem Medium sind bis dahin fast ausschließlich fixierte Positionen oder allenfalls vertikale und horizontale Schwenks benutzt worden. Murnau ging mit Der letzte Mann einen gigantischen Schritt weiter. Jetzt gab es plötzlich eine Perspektive, die den Charakteren frei folgen konnte und sich mit dem Filmgeschehen bewegte, inklusive Zoom. In der heutigen Zeit sind solche Dinge wie Dolly-Shots oder Steadicams fester Bestandteil des Vokabulars und kommen in fast jedem neuen Film auf die eine oder andere Art vor, doch 1924 hat das erst angefangen.

Der letzte Mann war nicht nur der erste, der diese Techniken durchgängig immer wieder verwendete, sondern sie auch bewusst als Mittel des Storytellings benutzte, indem wir damit der Sichtweise des Protagonisten folgen konnten. Alleine schon dadurch eine der faszinierendsten Erfahrungen, die ich in letzter Zeit gemacht habe. Wer sich für die Entstehung und Entwicklung des Kinos im Allgemeinen interessiert, sollte sich das unbedingt mal anschauen. Fühlte sich für mich total seltsam und ungewohnt aber angenehm an, so etwas in einem Stummfilm zu sehen. Unter anderem die ersten Dolly-Shots der Filmgeschichte. Gab aber auch noch diverse weitere beeindruckende Kameratricks wie die Traumsequenzen. Außerdem finden sich auch hier fast keine Zwischentitel, alles wird über die visuellen Eindrücke und die Musik erzählt, was ausgesprochen gut gelungen ist.

Das Thema selbst macht mich jetzt ehrlich gesagt nicht soo sehr an. Dennoch ist die sehr persönlich gehaltene, kleine Handlung ebenfalls beachtenswert und ziemlich emotional. Man kann darin versinken. Einzig das (Meta-)Ende, obwohl es mich eigentlich gefreut hat, war für meinen Geschmack ein bisschen zu übertrieben und dick aufgetragen. Soll wohl mal anders geplant gewesen sein, aber das andere Extrem hätte ich genausowenig optimal gefunden. Von daher schon nicht verkehrt, so wie es ist. Den Film gibt es zwar auf BD, aber nur in einem teuren Set von Masters of Cinema, zusammen mit vier anderen Filmen von Murnau, die mich leider null kümmern. Brauch ich erstmal nicht für meine Sammlung. 8/10 für die technische Meisterleistung; ohne die stilistischen Faktoren bzw. ausschließlich für die Story wären es auf jeden Fall weniger.