Ach, ganz vergessen und schon vor ner Woche oder so geguckt:
Vom Winde verweht /Gone with the Wind (1939)
Soo, noch eine Bildungslücke geschlossen. Interessant und monumental, aber in manchen Bereichen nicht gut gealtert. Mit knapp vier Stunden außerdem ganz schön langatmig. Gibt genug Filme, die ähnlich umfassende Zeiträume und Entwicklungen abdecken und trotzdem weit unter dieser Zeit bleiben (der thematisch ähnliche Cold Mountain braucht auch nur zweieinhalb). Scarlett war echt mal eine manipulative, egozentrische, opportunistische und kaltherzige Bitch ^^ Dachte sie würde sich nach dem Krieg ändern, was ich als Entwicklung der Persönlichkeit toll gefunden hätte, aber tat sie nicht wirklich. Der Rhett Butler war meistens auch nicht so viel besser, die haben einander echt verdient. Von Romantik war entgegen meiner Erwartungen durchgängig nicht viel zu merken.
Hier liegt auch irgendwo das Problem, das ich mit dem Film habe: So sehr ich die schauspielerischen Leistungen auch anerkenne, brauche ich einfach Figuren, mit denen ich was anfangen kann. Sie müssen nicht super sympathisch und faszinierend sein, gerade die menschlichen Fehler haben immer eine besondere Anziehungskraft. Aber wenn ich alle Hauptcharaktere so unausstehlich finde, dass mich ihr Schicksal nicht mehr kümmert, bewirkt die Geschichte in mir praktisch keine emotionale Resonanz mehr. Von mir aus hätte Scarlett zur Hölle fahren können :P Auch schon nach ein oder zwei Stunden, aber damit schlägt man sich noch um einiges länger herum. Die Nebenfiguren waren da schon besser, aber werden vergleichsweise zu wenig beleuchtet, um die Handlung zu tragen - es dreht sich vordergründig wirklich alles um die Protagonistin.
Die Darstellung der Sklaven ist heute natürlich sehr cringeworthy. Kann nachvollziehen, warum manch einer damit Probleme hatte und hat. Der Umgang mit ihnen wirkt verharmlosend, und die Bediensteten selbst werden total einfältig rübergebracht. Was mir an dem ganzen Film im Grunde am besten gefallen hat, war der Bürgerkrieg. Wie die Leute im Süden damit umgingen, wie die enthusiastische Stimmung umschwenkt, und dann die Wirren in der Stadt und auf den Straßen, als die Yankees kommen. Danach die Rückkehr ins halb verfallene Anwesen bzw. Elternhaus und der langsame und schwierige Wiederaufbau, auch im übertragenen Sinne. Da gab es einige geradezu apokalyptische Szenen mit beeindruckenden Matte Paintings!
Und ich liebe es, wie man an sowas die voranschreitende Zeit bemerkt, sodass sich der Film am Ende tatsächlich sehr "groß" anfühlt. Zuerst wird die Familie intakt und oben auf gezeigt, dann der tiefe Fall in den Kriegswirren mit Armut und Elend, und anschließend der problematische Wiederaufstieg mit heftigem internen Drama und einigen tragischen Toden. Hätte mir trotzdem gewünscht, dass der Mittelteil im und kurz nach dem Krieg nicht so schnell abgehandelt worden wäre, da mich der mit Abstand am meisten gekümmert hat. Die Einstellung mit den Verletzten im Depot bei der Schlacht um Atlanta hat mich besonders begeistert und ist mir als Ausschnitt noch von damals in guter Erinnerung geblieben. Wie die Kamera dort herauszoomt und das ganze Ausmaß des Schreckens enthüllt - wohlgemerkt alles ohne Hilfe von CGI. Eine solche Mühe würde sich doch heute leider niemand mehr machen!
Handelt sich nach wie vor inflationsbereinigt um den erfolgreichsten Film aller Zeiten. Ich verstehe die Faszination, auch wenn der nicht so ganz mein Ding war und ich ihn bestimmt nicht noch einmal sehen möchte, schon aufgrund der vielen melodramatischen Elemente und des Kitsch-Faktors. Für den Umfang der monströsen Produktion kann man nur Komplimente übrig haben, und der Klassiker-Status ist wohlverdient, doch Bezeichnungen von einem angeblich "besten Film aller Zeiten" würde ich mich nie und nimmer anschließen.