Was ich in letzter Zeit so gesehen hab... Meine Güte, es scheint echt unmöglich zu sein, was Gutes für 1974 zu finden! Für meinen Geschmack ist da echt nur Murks rausgekommen. Klammere mich an jeden Strohhalm und bin nach Sichtung oder Auffrischung von Erinnerungen nur wieder niedergeschlagen >_> Dafür gab es Angenehmes aus dem Jahre 1973 zu berichten
Mein Name ist Nobody /Il mio nome è Nessuno (1973)
Da sieht man mal, dass man sich nicht zu sehr auf Reminiszenzen aus ferner Kindheit verlassen sollte. Die einzige Erinnerung, die ich an den Film hatte, war eine negative aus grauer Vorzeit. Glaube, damals war mir der Film nicht "bunt" und actionreich/aufregend genug (wobei es möglich ist, dass ich das einfach mit "Nobody ist der Größte" oder so verwechsel, obwohl der abgesehen vom Schauspieler der Hauptrolle genau genommen gar nichts mit diesem hier zu tun hat - wurde in der deutschen Version so genannt, um ein Sequel vorzugaukeln). Ah ja, und das geniale Lied Mucchio Selvaggio kannte ich natürlich noch und war fest integrierter Bestandteil meiner Filmmusik-Sammlung ^^
Jetzt, mit einem ganz anderen Bewusstsein, hat mich My name is Nobody positiv überrascht. Terence Hills Figur ist ebenso sympathisch wie sein Co-Star Henry Fonda, obwohl die beiden Charaktere grundverschieden sind. Der Ansatz mit dem "Fanboy", der seinem Helden einen letzten großen Abgang verschaffen will, damit dieser unsterblich wird, ist für einen Western richtig originell und mal was anderes! Kann mich nicht erinnern, das irgendwo anders schonmal gesehen zu haben (die Idee ist übrigens von Sergio Leone höchstpersönlich). Auf einer Meta-Ebene ist das umso faszinierender, weil Fonda ja selbst zu der Zeit nicht mehr der jüngste war.
Der Schnitt und einige Szenen wirkten ein wenig holprig, ein paar Einstellungen scheinen mir zu kurz oder zu lang, aber das macht nix. Was wie immer wirklich viel rausreißt ist Ennio Morricones großartige Musik. Besonders das oben verlinkte Thema der Wilden Horde begeistert mich - gibt dem Geschehen on-screen immer neuen Schwung, wenn es auftaucht. Da verzeiht man gerne ein paar kleine und große Handlungslöcher (die Wilde Horde selbst war wirklich mehr Mittel zum Zweck, nur eine gesichtslose Masse). Setting bot auch mehr Abwechslung als ich dachte. Vor allem der Teil mit dem Jahrmarkt war cool, Spiegelkabinett usw.. Mein Name ist Nobody wird beizeiten auf jeden Fall noch gekauft.
High Plains Drifter /Ein Fremder ohne Namen (1973)
Even better! Ich liebe dieses wohlige Gefühl, einen richtig guten Film zu entdecken, von dessen Existenz ich bis dahin noch gar nicht wusste. Bin froh, diesem Werk eine Chance gegeben zu haben. Einer von Eastwoods ersten eigenen Regiearbeiten, und was für eine. Handwerklich betrachtet wirkt High Plains Drifter so hochprofessionell, dass er glatt 15 Jahre später entstanden sein könnte. Was mich aber am meisten daran begeisterte, ist die Story und der Stil. Die Geschichte dreht sich zwar um den klassischen Western-Trope des Fremden, der in die Stadt kommt, aber bietet dabei einen Hauch von Mystery und Surrealismus. Gewissermaßen handelt es sich um eine Art Geistergeschichte. Hier muss man aber das englische Original und die Synchronfassungen auseinanderhalten, denn unter anderem im Deutschen wird am Ende alles halbwegs logisch mit einer geänderten Dialogzeile aufgeklärt (Der Fremde war der Bruder des ermordeten Marshals). Die war zwar auch ganz cool wegen Aha-Erlebnis und so, außerdem nicht an den Haaren herbeigezogen, da dieses Ende auf früheren Drehbuchentwürfen basiert, aber das Original gefällt mir noch etwas besser, weil es ambivalenter bleibt und man sich selbst Gedanken machen muss (Ein Geist? Der Tod selbst? etc. Schließlich löst er sich am Ende in der Ferne auch praktisch in Luft auf). Zu diesen Themen passt übrigens auch der ab und zu im positiven Sinne schaurige Soundtrack.
Geht um einen Fremden (Clint Eastwood), der in eine kleine, an einem See gelegene Stadt namens Lago kommt. Die hat Angst vor drei Verbrechern, die bald aus dem Knast entlassen werden und sich an dem Ort brutal rächen wollen. Die Einwohner engagieren den Fremden, der die drei plattmachen und die Leute vorbereiten soll, dafür geben sie ihm alles, was er verlangt. Der Typ benimmt sich teils ziemlich großspurig bzw. daneben und hat eigene Pläne, sodass die Bürger der Siedlung, die selbst durch ein dunkles, beschämendes Geheimnis Dreck am Stecken haben, sich fragen, ob sie auf den richtigen Mann gesetzt haben. Auf deren Treue wird der Fremde nicht bauen können. Besonderes Lob: Alle Bürger sind mehr oder weniger ausgearbeitet, auf jeden Fall keine bloßen Statisten. Geil außerdem: Später bereitet der Fremde die drohende Ankunft der drei Gangster vor. Dazu wird die ganze Stadt rot angemalt und von Lago in HELL umbenanntDas sieht alleine schon in Sachen Set-Design (wurde alles für den Film dreidimensional komplett gebaut) total abgefahren aus. Eastwood sagte beim Dreh zu Cast & Crew dann ständig nur noch "Go to hell!" ^^'
Kleine Warnung sollte ausgesprochen werden: Der Film ist nicht ganz ohne und enthält ein paar heftige Szenen, darunter auch genau genommen anderthalb Vergewaltigungen (mit dem Protagonisten als Täter o_O), wobei das durch Art und Verhalten des Opfer-Charakters im Rahmen der Story ein wenig relativiert wird. Hmm... wundert mich trotzdem nicht, dass der Film leider immer noch nicht bei uns auf BD oder sonst irgendwie offiziell fürs Heimkino veröffentlicht wurde. Gibt aber eine italienische BD, die unter anderem sogar die deutsche Synchro enthält, und genau die werde ich mir demnächst zulegen.
Zwei wie Pech und Schwefel /...altrimenti ci arrabbiamo! (1974)
Oben schrieb ich davon, wie trügerisch Kindheitserinnerungen sein können, und dass etwas gut sein kann, von dem man dachte, es sei schlecht. Stellt sich heraus - das geht unglücklicherweise auch andersherum >_< Kam auf die Idee, bei den Filmen von Bud Spencer & Terence Hill zu suchen, die ich an ewig zurückliegenden Wochenenden fast alle mal irgendwann gesehen habe. Zwei wie Pech und Schwefel wurde auf mehreren Listen als einer der besten genannt, und bei dem hatte ich auch noch mit am besten im Kopf, worum es eigentlich geht, inklusive diverser Szenen. Dass mich Klamauk und vergnügliche Prügeleien erwarten würden, war mir auch schon vorher klar. Doch ich hatte ehrlich mit ein wenig mehr Inhalt gerechnet. Die Handlung ist papierdünn und nur dazu da, um die ulkigen Eskapaden des rivalisierenden Duos über einen roten Strandbuggy mit gelbem Verdeck (!) zusammenzuhalten, was sich auch in den Dialogen widerspiegelt, von denen bloß das absolute Minimum vorhanden ist. Ich verlang nicht viel, vor allem nicht bei dieser Art von Geschichte, aber da hätte es doch ein wenig mehr von allem sein dürfen. Auch die Kostüme, Drehorte usw. wirken wie spontan zusammengesucht, ohne dass irgendwelche Mühe oder Geld dort hineingeflossen wäre. Schade. Ein paar Stellen finde ich immer noch wunderbar und komisch, aber insgesamt war das hier leider eine Niete. Ein oder zwei weitere Filme von den beiden werde ich mir wohl trotzdem noch geben.
Der Pate (1972)
Nun auch endlich mal diese Bildungslücke geschlossen. Hatte mich immer drum herum gedrückt, weil ich mir dachte, dass das inhaltlich nix für mich ist - leider zu recht. Handelt sich nunmal wirklich um ein pures Drama, und mit denen konnte ich noch nie so viel anfangen. Ich mein - ich erkenne schon an, dass das ein guter Film ist. Vor allem die Schauspieler waren klasse. Aber der ganze Hype? Nee. Sei es das Thema und Setting, oder einfach nur meine etwas moderneren Sehgewohnheiten was Unterhaltung angeht, aber Der Pate hatte für meinen Geschmack viele Längen, die zwar oft die Tiefe der Charaktere ein bisschen erweitern konnte, nicht aber die Handlung. Und dabei war man als Zuschauer schon gefordert, aufmerksam zu bleiben, weil man sonst den Überblick verliert. Konnte man sich mal geben, aber ist nichts, was ich mir jemals nochmal anschauen wollen würde. Mich beschleicht das Gefühl, dass ich The Godfather um einiges besser gefunden hätte, wenn er wenigstens eine halbe Stunde kürzer gewesen wäre. So wie es ist, wurde imho etwas mit Höhepunkten gegeizt.
Der Pate 2 (1974)
Puh. Der erste Teil war trotz einiger Schwächen meiner Ansicht nach immerhin noch eine runde Sache. Ich wusste schon seit Jahren, dass der zweite Film gleichzeitig ein Sequel und über Rückblenden auch ein Prequel darstellt, und auf dem Papier finde ich diesen Ansatz faszinierend und verheißungsvoll. Aber dieser Film, angeblich einer der besten aller Zeiten, hat mich wirklich enttäuscht. Vielleicht muss man einfach "drin" sein in der Materie, um das genießen zu können? Ich habe mich gelangweilt, was einerseits an dem Pacing aus der Hölle lag, andererseits daran, dass Part 2 die Manifestation des Adjektivs convoluted darstellt.
Hier habe ich endgültig die Übersicht verloren, wer wann für wen welche Leute hat umbringen lassen, was so weit ging, dass es mir irgendwann völlig egal wurde. Ich hab nichts gegen epische Hintergründe mit verschiedenen, rivalisierenden Familien usw., aber wenn man ein großes Ensemble hat, dann muss man dem Zuschauer dieses nahe bringen und ohne nennenswerte Verwirrungen begreiflich machen. Ich hatte später deutliche Probleme, die einzelnen Charaktere abseits der Corleones noch sinnvoll zuzuordnen. Ich mein, ich muss bei Filmen nicht von Anfang bis Ende an die Hand genommen werden und alle Infos mit dem Löffel eingetrichtert bekommen, aber es spricht schon irgendwie für sich, dass dieses Werk so gut wie gar nicht funktioniert, wenn man nicht wenigstens den Vorgänger gesehen hat.
Die Rückblenden waren zwar nicht schlecht, weil sie mit der historische(re)n Kulisse für ein wenig mehr Abwechslung sorgten, aber handlungstechnisch haben diese Abschnitte nach meinem Gefühl immer nur die zweite Geige gespielt. Darüber hinaus stellte ich mir bei der Beschreibung des Konzeptes vor, dass die Prequel und Sequel Abschnitte intelligent miteinander verknüpft und verwoben sind, sodass sie zusammenspielen und die früheren Geschehnisse die Gegenwart beeinflussen. Das war aber allenfalls sehr bedingt der Fall. Bestimmt habe ich ein paar Nuancen verpasst, aber das hing gewiss nicht so sehr zusammen, wie ich es mir gewünscht hätte, wenn denn überhaupt. Man könnte aus Part 2 auch locker zwei Einzelfilme machen und würde nicht viel an Subtext und Synergie verlieren. Oft schien mir das völlig losgelöst voneinander. Interessant außerdem, dass De Niro dafür den Oscar als bester Nebendarsteller bekommen hat. Nicht dass er schlecht gewesen wäre, ganz im Gegenteil, aber viel zu tun hatte er auch nicht und daher kaum Gelegenheit, um mit seinem Können zu begeistern (Ganz lustig aber, dass das das erste und bisher einzige Mal war, dass zwei verschiedene Schauspieler für die gleiche Rolle einen Academy Award bekommen haben - zwei Jahre zuvor Brando ebenfalls als Vito Corleone).
Am schlimmsten war jedoch das Erzähltempo bzw. die Länge. Ich hab nicht kategorisch was gegen Filme, die fucking dreieinhalb Stunden lang gehen, aber das sollte die Ausnahme bleiben und dann auch inhaltlich begründet sein! Hier ist das für mich einfach nicht der Fall. Wie gesagt, man hätte ebensogut zwei Filme draus machen können. Manche Szenen ziehen sich eeewig hin um endlich auf den Punkt zu kommen. Am Ende war ich der Meinung, dass da bestimmt irgendwo ein guter Film im Material drinsteckt, aber Francis Ford Coppola so tief in seiner Geschichte versunken war, dass er zu viel von dem Zeug mit reingepackt hat, anstatt sich auf den Kern der Sache zu beschränken. Daher hier, ähnlich wie beim Vorgänger, aber in einer heftigeren Größenordnung: 45 Minuten weniger, und ich wäre geistig am Ball geblieben.
Auf den dritten Part, der nach einhelliger Meinung nicht so toll sein soll wie die ersten beiden, habe ich dann schließlich gänzlich verzichtet. Schon die vorangegangenen sechseinhalb Stunden kamen mir wie Zeitverschwendung vor. Und tatsächlich eher wissen hätte ich das nicht können - bei so universell hohen Wertungen wo man auch hinschaut, sollte man vermuten dürfen, dass für jeden irgendetwas dabei ist. Naja.
Demnächst möchte ich nochmal Lady Snowblood schauen.
Heh, wenn man danach ginge, symbolisiert und thematisiert so ziemlich jeder zweite Sci-Fi-Film den Nationalsozialismus *schulterzuck* Worauf du ja selbst schon indirekt hingewiesen hast.
Toll formuliert, stimme ich absolut zu. Ein paar Dinge davon sind mir zwar aufgefallen, aber habe denen nicht genug Beachtung geschenkt. Fest steht: Der Film ist nicht in einem gesellschaftlichen Vakuum entstanden. Wie bei jeder Quellenanalyse ist der historische Kontext wichtig, und hier wäre es idiotisch, die unruhigen Weimarer Jahre nachträglich auf ein "Vorspiel zur Nazi-Diktatur" zu reduzieren. Sie war weit mehr als das, denn andernfalls hätten wir nicht diesen Film, der selbst als wunderbares Zeitdokument für sich steht.Zitat
Nee. Aber ich weiß worum es geht und glaube, das würde mir nicht so gut gefallen :-/Zitat