Zitat Zitat von KingPaddy Beitrag anzeigen
Angeblich, was mir bis dato nicht so klar war, gilt der Film als protofaschistisches Machwerk. Meine jetzt erfolgte Recherche fand dafür zwar lautstarke aber kaum objektive Quellen, die dieser unsäglichen Logik der Rückprojektion späteren historischen Wissens folgen.

Bemängelt wurde uA die Absage an den Klassenkampf sondern eine evolutionäre Verbindung beider Seiten auch in völliger Missachtung der damals aktuellen gesellschaftlich-politischen Debatte einerseits als auch eben auch der Möglichkeiten der Arbeiterklasser andererseits. also ich fand das alles schon sehr abstrus.
Jopp, hab ich auch schonmal was von gelesen (in Rotwang will mancher die Karikatur eines Juden gesehen haben ), aber finde ich genau wie du völlig an den Haaren herbeigezogen und überinterpretiert, und bin mir außerdem ziemlich sicher, dass solche Ansichten mindestens höchst umstritten sind. Die eigentliche Message von Metropolis ist herzlich simpel (um nicht zu sagen kitschig) und wird dem Zuschauer auf dem Silbertablett serviert bzw. direkt gesagt: "Mittler zwischen Hirn und Händen muss das Herz sein." There's not that much more to it.

Das mit den bekloppten oder zumindest viel zu weit gehenden Meinungen zum Film ist insbesondere durch die von dir bereits erwähnte historische Rückprojektion problematisch. Und sei dir gewiss: Das geht nicht nur Metropolis so, sondern gilt für einen Großteil aller Werke des deutschen Kinos und Expressionismus der Weimarer Zeit /den 20ern, in unterschiedlicher Intensität. Das Cabinet des Dr. Caligari kann davon ein Lied singen (Siegfried Kracauer: "From Caligari to Hitler"). Denn selbst wenn den Filmen positiv unterstellt wird, dass die Macher sich bewusst kritisch mit Autorität oder aufkommendem radikalen Gedankengut auseinandersetzten, werden die Arbeiten unverdient auf dieses eine Thema reduziert.
Dass bei einer so einseitigen Auslegungsrichtung viel von den Qualitäten des eigentlichen Kunstwerkes völlig auf der Strecke bleibt, steht außer Frage und ist traurig. So etwas kann einem wirklich die Lust daran verderben, aber ich würde mich davon nie entmutigen lassen. Es gibt immer wieder neue Generationen von jungen Filminteressierten (auch international), die diese Klassiker und oft Meisterwerke unvoreingenommen sehen, so wie sie wahrscheinlich ursprünglich gedacht waren, ohne dass gleich irgendwelche abwegigen Assoziationen aufkommen oder im Wege stehen würden. Und wenn man die meisten davon nachträglich auf solche Dinge anspricht, finden sie das entweder genauso abstrus wie wir, oder sind an diesen zu häufig in Rückschau konstruierten Facetten weit weniger interessiert als an dem Film an sich, der Story, den handwerklichen Details und dem großen Einfluss auf spätere Errungenschaften des Mediums. Jedenfalls lese ich das aus diversen Reviews und Kommentaren zu diesen Filmen heraus.

Auch wenn sich ein paar Forscher in der Vergangenheit sehr weitgehende Gedanken dazu gemacht haben, die manchmal mehr Beachtung erhielten als reputierlich war, kommt mir persönlich das ungefähr genauso sinnig vor, als würde man alle Hollywood-Filme der Nuller Jahre als Kommentar zu oder unter ideologischem Einfluss der Bush Administration begreifen und deuten >_> (und ja, solche Leute gibt es, aber die werden glücklicherweise nicht weiter beachtet).

Der Reputation scheint es im Laufe der Jahrzehnte jedenfalls nicht geschadet zu haben (siehe zum Beispiel nur mal die IMDb-Wertungen), was ich sehr beruhigend finde. Allgemein werden Filme wie Metropolis als bedeutende und wegweisende Klassiker geschätzt und das Thema eines angeblich vorweggenommenen Nationalsozialismus allenfalls als Randnotiz erwähnt.
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Was mich daran jetzt eigentlich so beschäftigt, unabhängig von der Tatsache, dass ich das noch nicht wusste, war dann die Reaktion der Leute, die den Film gar nicht kannten und die in Gesprächen nach der Sitzung erkennen ließen, dass die Meinung dieser Leute ihnen den Genuss wohl in Zukunft verdorben hätte; außerdem dass diese Meinung eben unkritisch übernommen wurde, obwohl ich gerade nicht die Einschätzung teilen würde, dass wir jetzt alle protofaschistisch sind, obwohl der Klassenkampf ideologisch vom Tisch ist.

Da wird ein guter Film kaputt gemacht und niemand wagte zu widersprechen
Warum hast du dich nicht eingeschaltet :-/? Okay, wenn man von den Hintergründen vorher noch nichts wusste, ist das natürlich schwierig bis unmöglich. Vielleicht hätte man deren Verständnis irgendwie relativieren können. Aber ich finde es auf jeden Fall auch sehr schade, dass anscheinend keine ausgewogene Disputation stattfand, in der genauso auf anderslautende Standpunkte hingewiesen wird. Erschreckend, dass die Leute das so unreflektiert geschluckt haben, ohne zu hinterfragen >_<