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Thema: A movie for every year: Der Vintage-Thread

  1. #81
    It's HAMMER time!



    Dracula /Horror of Dracula (1958)



    So macht man Dracula! Quasi das komplette Gegenteil vom Universal-Original. Action und Spannung und Dramatik, nicht bloß bei den entscheidenden Konfrontationen zwischen Gut und Böse gemütlich im Wohnzimmer rumsitzen wie in dem sogenannten Klassiker! Die Story ist nicht so wirklich wie die Literaturvorlage, sondern hangelt sich lediglich grob an einigen Eckpunkten davon entlang. Es ist mehr eine eigene Geschichte, die sich verstärkt auf Van Helsing konzentriert. Zum Glück, denn Van Helsing rockt wie Bolle! Cushing, der spätestens jetzt zu einem meiner absoluten Lieblingsdarsteller aufgestiegen ist, spielt ihn exzentrisch, aber mit Charme und Würde, Entschlossenheit und Obsession - schlicht die beste Interpretation der Figur überhaupt. Aber auch Christopher Lees Blutsauger überzeugt. Er hat nicht allzu viel Screentime, aber dieser Dracula ist schnell und animalisch und den Leuten scheinbar immer einen Schritt voraus. Das macht die Handlung so fesselnd, weil man um die weiteren potentiellen Opfer bangt. Wenn der Graf erscheint, macht das Eindruck.
    Überhaupt wird es niemals langweilig, immer passiert etwas und ein bedrohlicher Unterton bleibt permanent bestehen. Das Setting wurde stilvoll umgesetzt und ist teilweise äußerst atmosphärisch, das knappe Finale war saugeil. Bis jetzt der beste Dracula-Film, den ich gesehen habe. Hut ab! Eine BD-Veröffentlichung gibt es zwar in Schland, aber ist leider sowohl geschnitten als auch überteuert/vergriffen. Wäre zu überlegen, ob ich mir dafür die UK-Fassung kaufe. Wenn ich das richtig verstanden habe, kam Horror of Dracula schon leicht gekürzt ins Kino, aber die britische, restaurierte Heimvideo-Veröffentlichung hat im Gegensatz zu der deutschen die betroffenen zwei Szenen wiederhergestellt. 8/10




    Dracula und seine Bräute /The Brides of Dracula (1960)



    Wirkt insgesamt ein bisschen gemächlicher als der Vorgänger, vor allem am Anfang, aber immer noch ausgesprochen gut. Es dauert eine halbe Stunde, bis Van Helsing aufkreuzt - haha, aufkreuzt, get it? - Bis dahin handelt die Geschichte hauptsächlich von der jungen Lehrerin und weiblichen Hauptfigur Marianne und davon, wie der aktuelle Obervamp Baron Meinster befreit wird. Ja, richtig: Bis auf eine bloße Erwähnung zu Beginn taucht Dracula hier gar nicht auf und gilt zu recht als tot. Insofern ist der Titel mal wieder ein wenig irreführend, aber so lange der Inhalt was taugt, was soll's. In dem Zusammenhang soll es ein paar üble Banausen geben, welche diesen Teil nicht zur Reihe hinzurechnen, bloß weil Christopher Lee nicht mitspielt, was natürlich völliger Unsinn ist!
    Helsing ist erneut total bad-ass, überhaupt ist es praktisch sein Film. Meine Lieblingsszene ist das späte erste Aufeinandertreffen zwischen ihm und Meinster. Dauert nichtmal eine Minute bevor letzterer entkommt, aber ist echt super, aufregend geschnitten und mit entsprechendem Soundtrack unterlegt. Die Sets und Umgebungen haben was, vor allem das Schloss; es wurde wunderbar mit Farben gearbeitet. Erwähnenswert ist außerdem der Höhepunkt in einer alten Windmühle voller Spinnweben, die auch noch in Brand gesteckt wird Brennende Windmühlen gehen bei mir spätestens seit Frankenstein immer. Die Fledermaus war das einzige, was zu billig aussah, ein wie an Fäden hängend wippendes Gummi-Tier, schade dass sie den Effekt nicht besser hinbekommen haben. Brides of Dracula kommt nicht ganz an den ersten Teil heran, der mir dann doch etwas zügiger und flüssiger vorkam. Das tut der Freude aber keinen Abbruch. War nach einer gewissen Warmlaufzeit ein richtig überzeugender Film, den ich nicht missen möchte! 7/10




    Blut für Dracula /Dracula: Prince of Darkness (1966)



    Entgegen der Warnung eines Mönchs, der sich ein wenig mit Vampiren auskennt, wollen zwei Paare, die Kent-Brüder Charles und Alan mit ihren Ehefrauen Diana und Helen, auf Bildungsreise das Schloss von Dracula besichtigen, das nur noch von einem merkwürdigen Diener instand gehalten wird. Dieser erweckt Dracula mit dessen übrig gebliebener Asche und vermengt mit dem Blut des getöteten Alan wieder. Da haben sie den Salat! Wären die vier Touristen nur mal nicht so neugierig gewesen. Die Frau des Ermordeten, Helen, verwandelt Dracula in eine weitere seiner Vampir-Bräute, das verbliebene Paar kann zu einem nahegelegenen Kloster flüchten, wo sie den Mönch vom Anfang wiedertreffen. Aber so leicht gibt sich der Graf nicht geschlagen, er will auch Diana für sich haben!
    Hm. Beginnt hier schon der Abstieg? Ich fand das ehrlich gesagt relativ langweilig. Dracula tritt erst nach der ersten Hälfte in Erscheinung, wobei sich diese erste Hälfte fast mehr nach einer Haunted House Geschichte als nach einem Vampir-Abenteuer-Horror anfühlt. Die Handlung plätschert lange nur so vor sich hin und plötzlich ist ne Stunde vorbei, ohne dass wirklich viel passiert wäre. Manche Charaktere wie die weibliche Hauptrolle verhalten sich seltendämlich, und einige Nebenfiguren bleiben unheimlich blass (im übertragenen Sinne meine ich natürlich ) oder sind einfach nur nervig.
    Es ist eine Sache, keinen Van Helsing mehr dabei zu haben (wenn man mal von einer kurzen Rückblende am Anfang mit Ausschnitten aus Horror of Dracula absieht, aber das zählt nicht), aber auf Lee als Blutsauger hatte ich mich ehrlich gefreut. Dieser hat jedoch nur minimale Screentime und überhaupt keine Sprechrolle bzw. Dialogzeilen bekommen! Ist also kaum zu sehen und bleibt in seinen wenigen Szenen diesmal auch noch komplett stumm. Lame. Das zuvor so beeindruckende visuelle Design ist nun erschreckend einseitig geworden, keine Spur von der schönen Gestaltung der Vorgänger mehr. Kein guter Film. 5/10




    Draculas Rückkehr /Dracula Has Risen from the Grave (1968)



    Wieder besser. Viel besser sogar! Dracula ist verdammt stinkesauer, weil sein Schloss dicht gemacht wurde mit einem "Absperrband" in Form eines fetten, goldenen Kreuzes. Jetzt will er sich an dem Geistlichen rächen, der es dort deponiert hat, indem er diesem in seine Heimatstadt folgt und die junge Nichte (glaube ich) des Monsignore zu seiner neuen Braut kürt. Die Handlung knüpft - wenn auch mit neuen Charakteren - dort an, wo der letzte Teil aufhörte: Dracula taut unweit des Ortes auf, wo er zuletzt ins Wasser gefallen ist. Die Reihe hängt also ausnahmsweise mal lose zusammen (yay!), und dieses Aufgreifen seines Abgangs und die anschließende Wiederbelebung wird uns in den folgenden Filmen noch häufiger begegnen.
    In der Geschichte passiert auch mal was. Nicht ganz so spannend wie der erste Teil, aber immerhin. Viel besser als der dritte. Die Figuren sind interessant und weitgehend sympathisch, deren Nebenhandlungen, vor allem eine problematische Liebesgeschichte zwischen dem oben genannten Mädel und einem allzu ehrlichen Burschen, angenehm mit dem vordergründigen Geschehen verknüpft. Genau das ist doch der Punkt, der diese Filme gut machen kann, aber leider in vielen Fällen (siehe unten) nicht hinreichend beachtet wird! Um als Zuschauer in das Geschehen investiert zu sein, müssen einen die Charaktere kümmern, und das erreicht man nur, indem man sie entwickelt und ihnen etwas Platz einräumt. Apropos Platz, Christopher Lee in seiner Paraderolle hat diesmal ein bisschen mehr Screentime, ein paar überaus stylishe Auftritte, und vor allem darf er wieder sprechen!
    Mit das Beste an Dracula Has Risen from the Grave habe ich aber noch gar nicht erwähnt, nämlich die visuell tolle und auffällige Farbgestaltung, wunderbare Einstellungen mit manchmal faszinierend unkonventionell gewählten Kameraperspektiven sowie atmosphärische Sets. Wo der Vorgänger total blass blieb, überzeugt dieser Film auf ganzer Linie. Hat mir überraschend gut gefallen, und das will für den vierten Teil einer so alten Reihe schon was heißen! 7/10




    Wie schmeckt das Blut von Dracula? /Taste the Blood of Dracula (1970)



    Drei vergnügungssüchtige, reiche, alte Säcke auf Tour, einer davon ein fieser Choleriker und autoritärer Vater, sind zusammen auf der Suche nach neuem Nervenkitzel, und finden diesen in einem Typen, der einen Kult schwarzer Magie praktiziert und sie überredet, die Überreste von Dracula zu kaufen. Darunter auch sein Blut in Pulverform, das bei einem Ritual getrunken wird. Den drei Herren ist das nicht mehr geheuer und sie prügeln den Kult-Kerl zu Tode. Dieser verwandelt sich wegen des Blutes aber in Dracula selbst, der sich nun daran macht, das Trio auszuschalten, das bereits damit beschäftigt ist, ihre Tat zu vertuschen. Zusätzlich dazu wurde ein Subplot verbotener Liebe zwischen der Tochter des Cholerikers und einem jungen Mann eingebaut. Deren Szenen sind zunächst etwas kitschig, später gibts dafür Kontrastprogramm und so einige Figuren gehen unerwartet drauf oder werden gebissen.
    Hmm. Die Handlung hat viele Arschkekse bzw. ist der Vater zu übertrieben und oberflächlich böse, was ich nicht so mag. Wären die jüngeren und unschuldigen Leute nicht in Gefahr, könnte man glatt Dracula anfeuern. Überhaupt ist der Film tonal zu zynisch für meinen Geschmack. Man merkt den Regiewechsel deutlich. Das Setdesign ist längst nicht mehr so visionär und ausgefallen, wirkt alles etwas trister und alltäglicher. Haha, dieser Moment wenn einem Kulissen auffallen, die in anderen Hammer-Filmen schonmal verwendet wurden ^-^' Action gibts auch nicht viel, wobei Christopher Lee immer noch eiskalt toll ist. Taste the Blood of Dracula ist zwar nicht so langweilig wie der dritte Teil, aber irgendwie unangenehm und mit nur wenig Fun und Grusel. 5/10




    Dracula - Nächte des Entsetzens /Scars of Dracula (1970)



    Als der Schwerenöter Paul auf der Flucht vor den Behörden notgedrungen eine Nacht in Draculas Schloss verbringt, verschwindet er spurlos. Sein vernünftigerer Bruder Simon und seine Freundin machen sich auf die Suche nach ihm und finden in der näheren Umgebung eine verängstigte Bürgerschaft, die sie kurzerhand aus dem Gasthaus wirft. Pauls Spur folgend machen sie sich ebenfalls auf den Weg zum finsteren Schloss und begegnen dem untoten Gastgeber...
    Eigentlich eine ganz solide Dracula-Story, die allerdings etwas an der zweitklassigen Umsetzung mit weniger aufwändiger Gestaltung von Kulissen und nicht gerade den besten verfügbaren Schauspielern leidet. Es mangelt an Talent. Die hier wieder prominent vertretenen "Gummifledermäuse" überzeugen noch immer nicht, sorry. Dafür darf der Vampir wieder mehr labern, juchhu, und es gibt mehr Sex und Gewalt mit einigen echt fiesen Momenten. Dafür, dass es so relativ heiter beginnt, wird der Abstieg umso düsterer. Die Kontinuität bleibt weiter erhalten, noch immer wird das Ergebnis des vorherigen Filmes und eine neue Wiederbelebungsszene gezeigt. Wie der Graf diesmal zerstört wird, ist mal was anderes, wenn auch ein wenig random ^^ Oh, und ich finds irgendwie amüsant, wie die Charaktere im englischen O-Ton ständig "Börgamaster" sagen. Das fiel mir schon in einigen Frankenstein-Teilen auf. Seltsamer Denglisch-Mix. Ich mein, wenn schon nicht Mayor, warum dann nicht wenigstens beim deutschen Begriff bleiben? Sehe gerade, dass es tatsächlich die Bezeichnung "burgomaster" gibt/gab, aber glaube das bezieht sich mehr auf niederländische oder flämische Städte. The more you know *schulterzuck*
    Eine Sache habe ich nicht verstanden und halte ich für ein dickes Loch im Skript. Dracula beißt das Gasthaus/Bar-Mädchen, das auf seine explizite Anweisung von seinem Diener und natürlich gegen ihren Willen zum Schloss gefahren wurde. Aber dann wird auf sie überhaupt nicht mehr eingegangen, obwohl sie davor durchaus eine Rolle spielte und mehrfach vorkam. Hatte fast das Gefühl, da würde eine Szene fehlen. Ich mein, die hätte im Finale doch glatt noch dem männlichen Protagonisten begegnen können, aber nöö. Sofern ich nichts übersehen haben sollte also spurlos verschwunden, ergo Verschwendung (und wir müssen davon ausgehen, dass sie als Vampir weiter eine Gefahr ist).
    Gelungen war hingegen, wie die Geschichte den Zuschauer ähnlich wie im ersten Teil am Anfang auf die falsche Fährte lockt und einen vermeintlichen Protagonisten präsentiert, der schnell das Zeitliche segnet. Man behält aber eventuell noch etwas Hoffnung, was es umso schockierender macht, wenn man sieht, was wirklich passiert ist. Alles in allem hätte der Film mit mehr Geld und Schauspielkunst das Zeug zu einem der besten Teile der Serie gehabt, obwohl man dann doch langsam den Eindruck bekommt, das alles irgendwie schonmal gesehen zu haben. 6/10




    Dracula jagt Mini-Mädchen /Dracula A.D. 1972 (1972)



    Im Jahre 1872 vernichtete Professor Van Helsing endlich seinen Erzfeind ("töten" ist, wie wir inzwischen gelernt haben, übrigens die falsche Terminologie - Vampire kann man nicht töten, nur zerstören, weil sie bereits tot sind!). Genau einhundert Jahre später hält es eine junge Clique in London für eine fabelhafte Idee, eine schwarze Messe abzuhalten. Weil man hat ja sonst nichts zu tun. Ohne dass die anderen davon wissen, ist ein Mitglied der Gruppe ein Abkömmling von einem von Draculas Jüngern und hat nur auf eine solche Gelegenheit gewartet, um seinen Meister wiederzuerwecken. Abermals sinnt Dracula nach der ultimativen Rache an der Van Helsing Familie und plant, die jugendliche Jessica Van Helsing, ebenfalls Teil des Freundeskreises, zu einer der seinen zu machen.
    Haha, okay, WTF is happening?! Eine total durchgeknallte Mischung, muss man gesehen haben, um es zu glauben Da sind Peter Cushing als (Nachfahre von, aber praktisch identisch mit dem alten) Van Helsing und Christopher Lee als Dracula endlich wieder in einem Film vereint, und dann spielt das Ganze ausgerechnet in den 70er Jahren, also der damaligen Gegenwart, und trägt diesbezüglich so dick auf, dass der Streifen drei Monate später wahrscheinlich schon wieder wie von vorgestern wirkte! Das Setting ist echt unheimlich schlecht gealtert. Dracula A.D. 1972 ist groovy, funky, bizarr. Und ja, das schlägt sich tatsächlich auch im Soundtrack nieder, der kaum weiter von dem entfernt sein könnte, was man normalerweise unter "Musik in Horrorfilmen" versteht xD Das passt meist echt null mit dem zusammen, was gerade in der Handlung passiert, was es so unfreiwillig komisch macht. Dazu seltendämliche Dialoge zum Fremdschämen inklusive pseudo-hipper Jugendsprache ^__^ Der furchtbare deutsche Titel bezieht sich wohl auf die Röcke als Kleidung, was ich erst voll nicht geschnallt habe.
    Und das Irritierende ist, all diese Dinge sorgen für einen gewissen Charme. Dieses Werk von Hammer ist objektiv gesehen definitiv nicht gut, und ich kann jeden verstehen, der davon enttäuscht war, gerade wenn man die guten ersten paar Teile der Reihe im Hinterkopf hat, aber für jeden, der für idiosynkratische Franchise-Auswüchse offen ist, lässt sich trotzdem eine vorsichtige Empfehlung aussprechen. Ein Rezensent bezeichnete den Film als The ultimate unintentional "feel-good" horror movie, und das trifft es eigentlich recht genau.
    Erinnert sich noch jemand, wie ich mich über Son of Dracula von 1943 lustig gemacht habe, weil der so überdeutlich auf Alucard = Dracula rückwärts gelesen hinwies? Boah, diesmal ist eine Szene dabei, die das hoch zehn konzentriert! Der hochgebildete Professor Van Helsing am Schreibtisch mit einem Zettel in der Hand, auf dem beide Namen stehen, er ernsthaft in Seelenruhe mit einem dicken Stift alle entsprechenden Buchstaben miteinander verbindet und dann erst am Ende ganz erstaunt tut, als wäre das eine erschreckende Offenbarung xD Ich mein, selbst wenn wir mal davon ausgehen, dass in dieser Welt noch nie jemand "Alucard" gehört hat - in dem Moment, wo man auf die Idee kommt, dass das rückwärts gelesen etwas anderes ergeben könnte, liest man es verdammt nochmal einfach rückwärts, anstatt auf einem Papier herumzukritzeln, als handle es sich um eine wissenschaftliche Nachforschung ^^ Als ich das gesehen hab, musste ich echt laut lachen, wie auch an ein paar anderen Stellen, was bei mir in dem Medium gewiss nicht andauernd passiert.
    Den Schreibern gingen in dieser Spätphase wohl endgültig die Ideen aus, da erschien es fast naheliegend, die Handlung in die Gegenwart zu versetzen, um neuen Schwung reinzubringen. In gewisser Hinsicht hat das auch geklappt, nur bestimmt nicht so, wie sich die Verantwortlichen das vorgestellt haben. Normalerweise mag ich solche Änderungen am Setting in einer laufenden Reihe nicht, und Vampire funktionieren imho grundsätzlich am besten in der Frühen Neuzeit, doch gerade weil sich die Geschichte selbst immer noch relativ ernst nimmt und Cushing und Lee mit ihrem Können und ihrer Würde inmitten all des Wahnsinns nochmal aufeinander losgehen dürfen und wie ein aus gänzlich anderen Tagen entrücktes Element hervorstechen, wird diese möchtegern moderne Mär so aberwitzig geil. 6/10




    Dracula braucht frisches Blut /The Satanic Rites of Dracula (1973)



    Direkte Fortsetzung von A.D. 1972, spielt nur zwei Jahre danach oder so. Fühlt sich viel zusammenhängender an, weil mehrere Charaktere aus dem Vorgänger wieder auftauchen, darunter neben Dracula und Helsing auch Michael Coles als Inspector Murray sowie Helsings Enkeltochter Jessica (diesmal aber von einer anderen Darstellerin gespielt). Glaube das ist sogar das erste und einzige Mal in der Reihe, dass Nebenfiguren aus dem Vorgänger wiederverwendet wurden. Außerdem wird kurz auf die früheren Ereignisse eingegangen. Die Handlung dreht sich um einen bösen Kult, der mit einer Seuche die Zivilisation auslöschen will, bla bla bla, und hinter alledem steckt, wer hätte es geahnt, Dracula. Jetzt als fieser Firmenboss getarnt. Van Helsing und ein paar mäßig kompetente Polizisten versuchen die Verschwörung aufzudecken und Armageddon aufzuhalten.
    Dafür, dass es ein Sequel in der gleichen Zeit ist, hat sich tonal aber einiges geändert. Unfreiwillig komisch wirkt es jedenfalls nicht mehr so sehr, aber ich befürchte, das war der einzige Weg, wie ich mit dem "modernen" Schauplatz in den 70ern überhaupt klarkommen konnte. Die ernstere Grundstimmung gereicht dem Film nicht zum Vorteil und sorgt für weniger Unterhaltung. Mann, und ich dachte, A.D. 1972 wäre der einzige Teil, der in diesem Setting spielt! Hier haben sie es noch einmal versucht und es passt noch immer nicht zusammen, irgendwie sogar noch viel weniger. Aber Hauptsache nackte Haut, Brüste und Blut zeigen, wie diesmal gleich am Anfang, nicht? *seufz*
    Schlechtes Drehbuch, größtenteils schlechte Schauspieler, übelster Schnitt und Kamera (gerade so TV Niveau), ultralangweilig-monotones Szenenbild, nervige Musik, Dracula erneut mit kaum Screentime. Kurz: Für mich eindeutig der mieseste Teil der ganzen Reihe. Wenn nichtmal Cushing und Lee das Werk retten können, dann weißt du, dass der Film wirklich schlecht ist. Dracula verreckt sogar im Wesentlichen durch ein bescheuertes Deus ex Machina Zufalls-Ende >_> Von der Idee her ganz nett war der Keller mit rot gewandeten, angeketteten Vamp-Mädels (die später per Sprinkler-Anlage gekillt werden), aber da das filmisch alles so geistlos und schwach umgesetzt wurde, können diese Szenen ihre Wirkung nicht entfalten und schon gar keine Spannung erzeugen. Weiß nicht, ob es nur an mangelnder Tonqualität oder vielleicht gar meiner Unkenntnis hinsichtlich britischer Dialekte lag, aber die Schauspieler nuscheln scheinbar extrem, sodass man sie an ein paar Stellen kaum verstehen konnte. 4/10




    Die sieben goldenen Vampire /The Legend of the 7 Golden Vampires (1974)



    Verrückte Idee mal wieder. Dracula geht 1804 nach China. Hundert Jahre später ist Van Helsing dort und macht sich zusammen mit seinem Sohn, einer Skandinavierin und ein paar Kung-Fu Heinis auf den Weg in ein abgelegenes Dorf, um Vampire aus einer alten Legende zu zerstören. Die seltsame Mischung, die nie so recht zusammenpassen will, geht wohl auf den Martial Arts Craze der 70er zurück. Ein paar Titten wurden ohne Belang für die Story wie selbstverständlich auch eingebaut xD Die eingestreuten Kampfszenen sind ja eigentlich ganz nett, aber wirken teilweise merkwürdig losgelöst vom Rest der Handlung und reißen daher kaum mit. Dürfte hauptsächlich damit zu tun haben, dass die europäischen Hauptfiguren meist nur dumm rumstehen und die Asiaten die Drecksarbeit übernehmen lassen. Hm.
    Die Sets und Umgebungen sind jetzt wieder abenteuerlicher und ausgefallener, was ich trotz auffällig niedrigem Budget sehr gemocht habe. Die Effekte sind nicht immer die besten aber wenigstens gibt es diesmal überhaupt wieder mehr in der Richtung zu begutachten. Wenn die Vampire zu Staub zerfallen sieht das ziemlich cool aus. In der Hinsicht alles besser als in den beiden Teilen davor, die in der damaligen Gegenwart der 70er spielten. Nur schade, dass Lee nicht mehr mitmachen wollte, nachdem er das Drehbuch gelesen hatte, aber ich kann es ihm nicht verübeln. Ziemlich uninteressante neue Charaktere, die kaum entwickelt werden, recht schwache schauspielerische Leistungen, sehr simple Dialoge die sich aufs Wesentliche konzentrieren aber genau das ständig zu wiederholen scheinen usw. Extrem cheesy, aber andererseits auch nicht gänzlich ohne Charme, was zu einem nicht unwesentlichen Anteil mal wieder Cushing zu verdanken ist.
    Was im Finale passiert erschien mir allerdings reichlich unnötig: War es bisher nicht immer so, dass die Verwandlung zum Vampir mindestens eine Nacht dauert und dass der Fluch vergeht, wenn der entsprechende Obervamp rechtzeitig zerstört wird? Letzteres passiert hier direkt nach einem Biss aber trotzdem verwandelt sich die oben erwähnte Skandinavierin sofort! Der anschließende Freitod ihres chinesischen Verehrers war ebenfalls unnötig und gemessen an der vorangegangenen Handlung (wie lange kannten die sich? Ein paar Tage?) völlig übertrieben. Generell hab ich das Gefühl, dass dieser letzte Film etwas aus der Reihe fällt und sich anders als die anderen nicht allzu sehr um ein Mindestmaß an Kontinuität schert. Auch ist es leider weit mehr ein Martial-Arts-Streifen als ein Blutsauger-Epos, andersherum wäre das imho interessanter geworden. Übrigens, neulich hat Brandon Tenold The Legend Of The 7 Golden Vampires auf seinem Kultfilm-Reviewchannel behandelt und unterhaltsam kommentiert und zusammengefasst. Perfektes Timing! Die Show kann ich euch echt ans Herz legen, vor allem wenn ihr Trash mögt ^^ Wie dem auch sei, ein würdiger Abschluss war das leider nicht, aber hey, hätte schlimmer kommen können. 5/10









    Endlich! Zum Fazit der Dracula-Reihe bin ich überglücklich. Hatte schon befürchtet, dass die Briten überhaupt nicht mehr meinen Geschmack treffen würden. Frankenstein ging so und die Mumienfilme waren unterm Strich eher lahm und billig. Aber hier mit dem Prinz der Dunkelheit hat es endlich wieder richtig Spaß gemacht. Sicher, ein Großteil von den Neunen ist immer noch ziemlicher Schund, aber wenn ich ein Drittel wirklich toll fand bzw. in meiner Sammlung haben möchte, und zwei oder drei weitere wenigstens als Kuriositäten einen Blick wert waren, dann hat sich das absolut gelohnt. Weit mehr als ich es mir zunächst erhofft hatte. Würde sogar so weit gehen zu behaupten, dass Christopher Lee der wahre Dracula ist, noch weit vor Lugosi. Bei Frankenstein und selbst bei der Mumie würde ich den Schwarzweiß-Universal-Klassikern nach wie vor ohne Zögern den Vortritt lassen, aber den Blutsauger mit dem ganzen Drumherum - nicht zu vergessen Van Helsing! - hat Hammer um ein Vielfaches besser und stilvoller hinbekommen. Die ersten beiden Teile sind meine Favoriten, die sollte man mal gesehen haben

  2. #82
    It's HAMMER time!



    Gruft der Vampire /The Vampire Lovers (1970)



    Jetzt bin ich, angefixt von Dracula, auf den Vampir gekommen. Hammer hat noch ein paar mehr Filme mit diesem Thema gemacht. Ah ja, die Karnstein-"Trilogie", angefangen mit diesem hier. Britischer Semi-Lesben-Vampirfilm der in der österreichischen Steiermark spielt xD? You bet! Die Handlung findet 1790 statt und basiert lose auf der Novelle Carmilla von Sheridan Le Fanu, die 1871 geschrieben wurde, also noch ein Vierteljahrhundert vor Bram Stokers Dracula, und damit einen gehörigen Einfluss auf das Genre hatte. Vielleicht liegt es daran, dass hier ein paar der altbekannten Regeln nicht zutreffen - diese Blutsauger haben zumindest kein ganz so heftiges Problem mit Sonnenlicht und sind darüber hinaus immun gegen Feuer.
    Auf einer Feier von General Spielsdorf (Cushing, yay! Wenn auch nur in einer Nebenrolle) wird eine Gräfin fortgerufen und bittet den Gastgeber, ihre Tochter Marcilla für ein Weilchen bei sich aufzunehmen, was dieser bereitwillig tut. Leute sterben. Die Tochter des Generals, Laura, wird immer schwächer und blässer, aber Marcilla ist ja da um sie zu beruhigen (muhaharr!!). Langsam machen Geschichten von Vampiren die Runde. Marcilla findet eine neue Familie, der sie sich aufdrängen kann, und das Muster wiederholt sich, als die junge Emma ebenfalls krank wird. Währenddessen kann der General nicht ruhen und sucht den Rat von Baron Hartog, welcher der Karnstein-Vampirmeute einst einen (fast?) vernichtenden Schlag versetzt haben soll.
    Gar nicht mal übel. Ich mochte, wie sich die Story um relativ viele Figuren dreht, obgleich die natürlich nicht alle gleich gut ausgearbeitet worden sind. Speziell um Marcilla (Carmilla /Mircalla, oder wie auch immer, besonders kreativ war sie mit ihren Anagramm-Decknamen ja nicht gerade) haben sie sich aber wirklich gekümmert und ihr einige faszinierende Charakter-Szenen gegeben. Also ein völlig anderer Fokus als bei den Dracula-Teilen, wo die Titelfigur meist kaum Screentime hatte. Manchmal tauchen übrigens einige echt schrille Schreie des Entsetzens auf, ich habe euch gewarnt ^^ Ein paar sehr harmlose Erotik-Momente mit ein bisschen nackter Haut und Brüsten gibts auch. Für mich gewiss kein Minuspunkt Wo wir gerade bei Brüsten sind: Finds irgendwie amüsant, dass hier nicht mehr traditionell in den Hals gebissen wird *g*
    Ein bisschen schade erschien mir, dass sich die tollen Gothic-Szenen mit Nebel usw. in und um die alte Schlossruine der Karnstein-Familie auf den (sehr genialen - ich sag nur Decapitatiooon!) Anfang und das Ende beschränken. Zwischendrin ist das Setting nicht so hip, halt ausschließlich feine, aristokratische Anwesen, aber nichts, was von der Ausstattung her besonders aufregend gewesen wäre. Der Film heißt auf deutsch Die Gruft der Vampire, aber eine Gruft im engeren Sinne kommt gar nicht vor. Was es mit dem Anfang auf sich hat bzw. wie dieser mit dem Rest zusammenhängt, erfährt man erst kurz vor Schluss, was gut gelöst worden ist.
    Das Hauptproblem ist das Plätschern der Handlung. Hab ja nichts dagegen, dass sie sich Zeit nehmen und die Vamp-Mädels ihre Gespielinnen umgarnen, aber das ist trotz Todesfällen irgendwie überaus konfliktarm. Spannend wirds erst, als Verdacht geschöpft wird, dass die Vampire an den Tragödien schuld sein könnten und erstmal fleißig Knoblauch-Blumen rangeschafft werden. Aber bis dahin ist ein Großteil des Films schon vorbei. Hätte man den Mittelteil ein wenig gestrafft, wäre das locker viel besser geworden. Vielleicht sollte man den Streifen aber auch einfach mehr als Übung in Style und Atmosphäre betrachten und wissen, worauf man sich einlässt. Auf jeden Fall einen Blick wert, erst recht für Fans, aber imho haarscharf am Status einer echten Genre-Größe vorbeigeschrammt: 6/10, mit Tendenz nach oben.




    Nur Vampire küssen blutig /Lust for a Vampire (1971)



    Der zweite Teil der Karnstein-"Trilogie". Setze das in Anführungszeichen, weil ich festgestellt hab, dass die abgesehen vom ungefähren Schauplatz, einigen groben thematischen Gemeinsamkeiten bzw. Rückbezügen zu Carmilla und der Tatsache, dass sie von Tudor Gates geschrieben wurden, alle drei inhaltlich nicht allzu viel miteinander gemein haben und schon gar nicht aufeinander aufbauen. Mitte des 19. Jahrhunderts will ein Typ, der eigentlich nicht an Vampire glaubt, ein Buch über sie schreiben und stattet dem Karnstein-Familiensitz daher einen Besuch ab. Da sind viele hübsche, junge Mädels in einer privaten Schule in unmittelbarer Nähe. Aber sind die düsteren Behauptungen der Village People nur Geschwätz? Scheint nicht so, als es unausweichlich zu unerklärlichen Todesfällen kommt. Und was hat es mit dieser Mircalla auf sich? Letztere, diesmal von einer neuen Schauspielerin verkörpert (die Dänin Yutte Stensgaard), ist ja ganz schnuckelig. Alle verlieben sich in sie, was natürlich eine ganz schlechte Idee ist ^^'
    Eigentlich eine verpasste Chance, dass die Handlung nicht stärker mit dem Vorgänger verbunden wurde. Ansonsten zieht sich der Film leider ohne viel Vampir-Spaß mit Blut und Biss und Zähnen. Zu viel wird auf die Mädchenschule eingegangen und zu wenig auf die legendär-schreckliche Sippe. Nacktheit und Brüste, okay, aber diese komische Liebesszene mit blöder Musik unterlegt wirkte deplatziert. Ehrlich gesagt alles eher lahm. Gegen Ende wird es besser mit einer spürbaren Steigerung und dem Marsch auf das Schloss, aber so wirklich neu oder besonders ist auch das nicht und dauert nur wenige Minuten. 5/10




    Draculas Hexenjagd /Twins of Evil (1971)



    Dritter Teil der Trilogie. Nicht vom deutschen Titel irritieren lassen, mit Dracula hat das mal wieder nix zu tun. Während eine Gruppe streng religiöser Fanatiker, angeführt vom kompromisslosen Gustav Weil, alle Frauen jagt, die der Hexerei verdächtigt werden, und dabei reihenweise unschuldige Opfer verbrennt, treffen aus Venedig Weils kürzlich verwaiste Nichten Maria und Frieda in Karnstein ein und werden von ihm und seiner Frau aufgenommen. Die beiden sind Zwillinge und nicht gerade begeistert von ihrem Onkel, doch davon abgesehen von erstaunlich unterschiedlicher Persönlichkeit: Maria ist brav und zurückhaltend, doch Frieda frecher und provokanter und sucht nach einem Weg, der neuen Enge und Strenge zu entkommen. Der örtliche Graf Karnstein, der einen schlechten Ruf als sündhafter Mann hat, fasziniert sie...
    Geil! Peter Cushing als fanatischer Hexen-Grillmeister in göttlicher Mission Bei der Wahl, wem man eher gegenüberträte, würden sich die meisten von uns sicherlich lieber für den Vampir entscheiden ^^ Was Puritaner in jenem Zeitalter in deutschen Landen zu suchen hatten erschließt sich mir zwar nicht ganz, aber das war eine schöne, kleine Geschichte, mal was anderes. Stellenweise fühlte ich mich an einen dieser guten alten TV-Märchenfilme erinnert, und das mein ich durchaus als Kompliment, nur halt mit höherem Budget, besseren Schauspielern, zynischen Handlungspunkten und ab und zu ein bisschen Gore xD Apropos - Klasse Finale! Da gehts nochmal richtig zur Sache ^__^
    Das Titelthema ist bombig, was ich beileibe nicht von vielen Hammer-Werken behaupten kann (das Video zeigt auch ein paar tolle Momente um euch einen Eindruck von Twins of Evil zu geben, denn der echte Trailer ist meiner Meinung nach nicht gut gealtert). Die Kulissen sind effektiv, aber etwas schmuckloser und kälter als zuvor. Überhaupt ein eher düsterer Film. Hat mir überraschend gut gefallen. Das war mit Leichtigkeit der beste Teil von den dreien. Die Blu-ray war übrigens schweineteuer und hart an der Grenze dessen, was ich für einen einzelnen Film auszugeben bereit bin. Immer diese winzigen Stückzahlen, Zeug sofort vergriffen *kopfschüttel* Aber bin froh, dass das überhaupt bei uns veröffentlicht wurde und ich noch eines der letzten Exemplare ergattern konnte. 7/10




    Der Kuss des Vampir /The Kiss of the Vampire (1963)



    Moody, langsam aber wirksam. Eine relativ kleine Geschichte, die dafür sehr nah an ihren Hauptfiguren bleibt. Ein frisch verheiratetes Paar hat eine Autopanne in einer abgelegenen Gegend, kommt in einem Gasthaus unter, dessen Besitzer etwas zu verbergen haben, und erhalten eine Einladung in das nahe gelegene Schloss von der dort lebenden, hoch angesehenen Familie. Die scheinen zunächst super-nett zu sein, bevor sie auf einer großen Feier ihr wahres Gesicht als bösartige Blutsauger-Sekte zeigen. Zieht sich zwischendurch etwas, aber wird nicht soo langweilig. Man kann gut am Ball bleiben, sollte allerdings nicht übermäßig viele typische "Vampirmomente" erwarten, die clever mit dem Mythos spielen.
    Die erste Hälfte war besser, als man noch nicht genau wusste, was da abgeht und wie wer zu wem steht. Die Eröffnungsszene mit der Beerdigung fand ich irgendwie amüsant, hehe. Ein paar Nebencharaktere kamen mir aber verschwendet vor, aus der Tochter der Hotel-Besitzer zum Beispiel hätte man viel mehr herausholen können. Die Figur wird früh genug eingeführt, aber spielt danach wenn überhaupt nur eine extrem untergeordnete Rolle. Obendrein war das Finale etwas dämlich, ich sag nur Gummifledermäuse an Fäden. Darüber hab ich mich hier ja zuvor bereits ausgelassen, aber diesmal fällt es durch die Anzahl umso negativer auf. Wie so oft war das Ende generell viel zu knapp. Hätte es lieber gehabt, wenn der Mann und der betrunkene Professor-Typ vom Anfang zusammen auf Abrechnungstour gegangen wären, naja. Nichts besonderes aber sehr solide. 6/10




    Circus der Vampire /Vampire Circus (1972)



    Ein Dorf im Europa des 19. Jahrhunderts ist zunächst erfreut über den Besuch des Zirkus. Die Bewohner hoffen, etwas Ablenkung von der umgehenden Seuche zu finden. Wegen der Quarantäne dürfen sie das Gebiet nicht verlassen, sonst wird auf sie geschossen! Aber die Probleme haben gerade erst angefangen, als plötzlich Kinder verschwinden und weitere Bürger von Bestien zerfleischt werden. Wäre es möglich, dass das Erbe eines mächtigen Vampirs wieder ans Licht kommt, der Jahre zuvor das ganze Dorf verfluchte und versprach, alle umzubringen? Die Zirkustruppe will Rache und ihren Meister Graf Mitterhaus auferwecken. Viele Menschen werden das Blutbad nicht überleben. Nee, ernsthaft, es dürfen Wetten abgeschlossen werden ^^ Das endet in einem ziemlichen Gemetzel.
    Und noch eine schöne Überraschung! Ein richtig gemeiner kleiner Film. Deutlich brutaler als die anderen Hammer-Produktionen dieser Art und mit mehr nackter Haut. Ist in Schland entsprechend auch ab 18. Einige attraktive Mädels spielen mit (Lynne Frederick, Lalla Ward, Domini Blythe...). Die Stimmung ist teilweise etwas surreal aber stets bedrohlich. Denke, das hängt unter anderem damit zusammen, dass hier deutlicher als noch in den früheren Werken auch Kinder und Jugendliche in Gefahr sind. Ein bisschen leidet der Film unter billig wirkenden Kulissen/Effekten und mittelprächtigen Schauspielern, vor allem ersteres habe ich als Kritikpunkt in diversen Rezensionen vernommen (welche unterm Strich trotzdem meist positiv ausfielen). Jedoch tragen gerade diese einfachen Sets irgendwie stark zu der bizarren Atmosphäre bei.
    Insgesamt kommt der Streifen rüber wie ein verstörender Jahrmarkt-Trick, und insofern würde ich sagen, dass man das begrenzte Budget effizient eingesetzt hat. Kann aber verstehen, wenn sich an dem Film die Geister scheiden. Zündet vermutlich nicht bei jedem, aber da wo er es tut, wird er wirklich Eindruck machen. Vampire Circus ist ein grotesker Genre-Höhepunkt, und sofern man sich drauf einlässt, meiner Ansicht nach wesentlich spannender als ein Großteil des übrigen Hammer-Krams. 7/10




    Captain Kronos - Vampirjäger /Captain Kronos - Vampire Hunter (1974)



    Ein Ex-Soldat und Meister-Schwertkämpfer zieht zusammen mit seinem buckligen Assistenten durchs Land und jagt Vampire. Für diesen Fall begleitet sie die hübsche Carla (B-Movie Göttin Caroline Munro, yay!), die von ihnen auf dem Weg befreit wurde. Es häufen sich Fälle, in denen junge Frauen einer mysteriösen Gestalt begegnen und dann rapide altern und sterben. Wer steckt dahinter? Hmm. Der Film sollte eigentlich genau mein Ding sein. Wirkt viel mehr wie ein Swashbuckler, ein spaßiges Abenteuer mit tapferen Helden, zwielichtigen Schurken und nur minimalen Horror-Elementen. Aber irgendwie wollte der Funke nie so ganz überspringen. Was also lief schief?
    Das Konzept ist ja grundsätzlich ganz unterhaltsam und in Ordnung, aber die Production Values sind jetzt dank offenbar eingedampftem Budget im Keller, die Drehorte und Studiobauten kaum bemerkenswert. Die durchaus einigermaßen sympathischen Hauptfiguren sind genau wie die Handlung selbst leider übelst klischeehaft, der Titelheld zu perfekt und eindimensional, das Tempo zu langsam. Die nicht sonderlich überzeugenden Schauspieler verschlimmern das alles. Es fehlte an Originalität, und etwas mehr Spannung, Horror und Action hätte auch nicht geschadet. Die wenigen Momente wo es doch mal grob in diese Richtung geht, sind nicht aufregend genug und schnell wieder vorbei, was auch auf das vergleichsweise enttäuschende Finale zutrifft. Hier hätte Kronos zeigen können, was er mit dem Schwert alles drauf hat, jedoch habe ich schon in dreißig Jahre älteren Filmen erheblich bessere Kampf-Choreographien gesehen. Und dann wären da noch massig kleinere störende Logiklöcher bzw. nicht nachvollziehbare Pläne und Handlungsweisen der Figuren.
    War ja klar, dass das nix wird. Captain Kronos ist von 1974, mit dem Jahr hab ich filmtechnisch echt Probleme >_> Ursprünglich war das als erster Teil einer Reihe geplant, aber wurde wegen ausbleibendem Erfolg nicht fortgesetzt (das gilt für mehrere Hammer-Produktionen). Man merkt dem Studio gewissermaßen an, dass sie in dieser späten Phase nachgelassen haben. Kein Wunder, dass Hammer wenige Jahre später von der Bildfläche verschwand und nach Eigentümerwechsel erst 2007 ein Revival erlebte. Übrigens wird im vorliegenden Film erwähnt, dass der Antagonist zur Karnstein-Familie gehört, weshalb es ein paar Leute gibt, die Kronos zu der obenstehenden Trilogie gruppieren.
    Ich weiß nicht. Möchte mit meinem Urteil nicht zu vernichtend klingen. Schätze, als Beginn einer Franchise (oder gar als TV-Serie, denn danach sieht es stellenweise fast aus) hätte mir das hier rückblickend besser gefallen. Manche Story-Probleme werden dadurch deutlicher, dass es so sehr für sich alleine steht. Kronos wird als einsamer und stoisch-lässig-besonnener Supertyp dargestellt, aber es fehlt einfach Material, um das zu untermauern. Wenigstens ist Munro eine oberflächliche Bereicherung. 5/10

    Geändert von Enkidu (08.04.2017 um 03:34 Uhr)

  3. #83
    It's HAMMER *Resterampe* time!



    Das grüne Blut der Dämonen /Quatermass and the Pit (1967)



    Die ersten beiden Teile in schwarzweiß habe ich weggelassen, weil ich erstmal gucken wollte, ob das überhaupt was für mich ist, und der dritte wurde halt allgemein am besten bewertet. Es handelt sich um Filmadaptionen von vorangegangenen TV-Miniserien. Gut, dass ich das in dieser Reihenfolge probiert habe, denn Quatermass and the Pit hat mir nicht gefallen und so konnte ich die älteren Sachen direkt von der Liste streichen. Die Geschichte dreht sich um ein mysteriöses Artefakt, das bei U-Bahn Bauarbeiten freigelegt und anschließend unter anderem vom Wissenschaftler Professor Bernard Quatermass untersucht wird. Daneben finden sich diverse Skelette früherer Hominidenarten, die scheinbar irgendwie verändert wurden. Später kommen die Reste von insektoiden Aliens vom Mars hinzu, die vor fünf Millionen Jahren rituellen Massenselbstmord begangen haben. Leute bekommen Visionen, und dann sollen irgendwie noch alle möglichen Darstellungen des Teufels in der Menschheitsgeschichte darauf zurückgehen bzw. ein Zusammenhang mit dem "Urbösen" bestehen.
    Die erste Hälfte war noch ganz cool, wenn auch sehr gemächlich und dialoglastig, da wurde das Mysterium aufgebaut. Aber in der zweiten Hälfte mit einer seltsamen Kraft, die in uns allen stecken soll und einen heftig zerstörerischen Wind erzeugt und für einen Wahn-Zustand bei den Betroffenen sorgt und... meine Güte, die haben da echt zig Ideen gleichzeitig reinpacken wollen, aber das Meiste davon passt für mich entweder nicht zusammen oder wurde sehr schwach umgesetzt. Für die aufgezeichneten Erinnerungen der Aliens zum Beispiel wären gute Spezialeffekte für die Glaubwürdigkeit unabdingbar gewesen, jedoch sehen diese Aufnahmen unglaublich billig aus, wie Pappmaché auf Schienen. Und nein, das liegt nicht an der damaligen Zeit, dieser Film entstand nur Monate vor 2001: Odyssee im Weltraum. Viel eher scheiterte es mal wieder an einem viel zu geringen Budget für solche Ambitionen.
    Zugegeben, einige Szenen sind angenehm creepy und die Schauspieler zum Teil echt nicht übel. Aber das hat es für mich einfach nicht gebracht, weder als Sci-Fi, noch als übernatürlicher Horror. Der Film versucht beide Genres miteinander zu vereinen, und das hat imho wenn überhaupt nur in den aller seltendsten Fällen mal halbwegs funktioniert (Event Horizon?). Science Fiction ist gewissermaßen spekulative Wissenschaft, die von Nachvollziehbarkeit lebt, während supernatural Horror sich grundsätzlich mit dem Unerklärlichen und Paranormalen auseinandersetzt. So wie ich das sehe, beißt sich das schon aus Prinzip oder führt zumindest zu sehr unbefriedigenden Ergebnissen, und da ist Quatermass and the Pit leider keine Ausnahme. Entsprechend lässt einen das halb offene Ende hier mit mehr Fragen als Antworten zurück. Überhaupt erschienen mir die Versuche, diese grundverschiedenen Konzepte miteinander zu verweben, sehr amateurhaft. Dadurch, zwischendrin ein paar Gespräche über Satan, Hölle & Co einzubauen, entsteht noch lange kein vernünftiger Zusammenhang zum Rest der Handlung. Die erste Hälfte verspricht quasi faszinierende Enthüllungen und Antworten, die dann bis zum Schluss einfach nicht geboten werden. Vielleicht kam ich mir deshalb einigermaßen verarscht vor.
    Außerdem sind einige übelste Klischee-Figuren als Gegenspieler vorhanden, wie der ultranervige Militär-Mensch mit Machtbefugnissen, der natürlich dem vernünftigen Quatermass mit der einzig richtigen Antwort nicht glaubt bzw. aus Angst eine andere Unsinns-Theorie erzählt (die Deutschen waren's mal wieder!), die von kaum weniger störenden, boshaft-ignoranten Politikern leichtgläubig und bereitwillig angenommen werden, was die Bevölkerung in Gefahr bringt. Obwohl sich, logisch gedacht, das Gegenteil sehr schnell und leicht beweisen ließe und jeder mit einem Funken Menschenverstand entsprechend handeln würde. Wie ich solche Charaktere hasse! Schon klar, dass sie von vornherein so konzipiert sind, den Zuschauer tierisch zu ärgern, weil sie trotz ungeheuerlicher Blödheit am längeren Hebel sitzen. In einem Streifen mit Humor würde ich mich darüber auch nicht beschweren. Aber hier, eine Geschichte die sich selbst über alle Maßen ernst nimmt und erschrecken möchte, untergraben solche Cartoon-Pappkameraden jede Plausibilität. Dabei sind die Protagonisten nicht so viel besser. Als Wissenschaftler sind sie völlig selbstlos nur an der Forschung und dem Allgemeinwohl interessiert und irren sich niemals. Eine Konstellation, die auch schon vor 50 Jahren ausgelutscht war, sorry.
    Ich könnte noch auf unendlich viele kleine Plot-Ungereimtheiten eingehen, aber hier nur eine: Frage mich, wie der Typ in so kurzer Zeit eine plastische Rekonstruktion davon anfertigen konnte, wie die Menschenart mal ausgesehen haben muss. Leute die so etwas in der realen Welt machen, brauchen dafür Wochen, aber hier geht das anscheinend mühelos in wenigen Stunden unter suboptimalen Bedingungen... Viele Rezensenten bezeichnen den Film als intelligent. Dem stimme ich nicht zu, dafür ist er bei Weitem nicht kohärent genug. Random Ideen in einen Topf werfen und dann mit dem Quirl einmal umrühren, das kann jeder. Aber den Mix zu einem funktionierenden Ganzen zu verweben, das sich schlüssig anfühlt und mit Cleverness überrascht, das ist schon schwieriger. 4/10




    Der Fluch von Siniestro /The Curse of the Werewolf (1961)



    Der einzige Hammer-Werwolf-Film - zum Glück! Man wird mit einer nervigen Vorgeschichte gequält, die die halbe Laufzeit einnimmt (!) und wovon die ersten 20 Minuten im Grunde kaum etwas mit dem Rest der Handlung zu tun bzw. keinen Einfluss darauf haben. Generell ein großes No-no für mich. Zunächst werden dauernd Charaktere vorgestellt, die bald darauf entweder sterben oder keine Rolle mehr spielen. Dazu auch ständige, ärgerlich-lästige Zeitsprünge in Verbindung mit einem Erzähler aus dem Off. Dem Film fehlt vollkommen der Fokus! Selten einen Streifen gesehen, bei dem das so schlimm war. Sicher folgt die Story irgendwann nur noch dem erwachsen gewordenen Protagonisten Leon, aber das ist trotzdem alles so furchtbar ziellos. Schwierig, bis dahin überhaupt das Interesse zu behalten. Massive strukturelle und narrative Probleme!
    Für eine Werwolf-Geschichte ist erstaunlich wenig Werwolf drin. Nur am Schluss sieht man die Hauptfigur mal in dieser Form. Das Anschauen macht insgesamt keinen Spaß, die Kulissen sind öde, obwohl es in Spanien spielt. Selten passiert mal etwas von Belang, das langsame Tempo ist zum Einschlafen. Viel sinnloses Gelaber, wenig Drama dahinter. Halbwegs nett werden erst die letzten fünf Minuten, aber das entschädigt kaum für das schnarchige Drehbuch die ganze Zeit davor. Die Story beschränkt sich nur auf ein paar Basics des Mythos, jetzt allerdings mit bescheuertem Grund, warum es den Fluch gibt (ein ungewolltes Kind durch eine Vergewaltigung, das an Weihnachten geboren wird, ist eine Beleidigung des Herrn und kann deshalb zu Lykanthropie führen, äh natürlich, alles klar >_<). Action und Spannung gibt es praktisch keine, dafür aber stellenweise amateurhaftes Editing (man schneidet zum Beispiel niemals Kopf auf Kopf des gleichen Charakters - das ist eines der ersten Dinge, die man in Filmkursen lernt).
    Habe irgendwo gelesen, dass ursprünglich ein anderes Projekt geplant war und dafür schon Sets gebaut wurden, bevor man es aufgab. Um das Zeug trotzdem zu verwenden, passte man entsprechend das Skript der Werwolf-Produktion an und verschob Teile des alten Films an den Anfang des neuen. Darüber hinaus hatte wohl die britische Zensurbehörde Probleme mit den Werwolf-Szenen, sodass sie größtenteils entfernt wurden. Der Streit darüber soll dann auch der Grund gewesen sein, warum sich das Studio nie wieder an einem Film dieser Art versucht hat. Ich weiß nicht, ob die beiden Geschichten so stimmen, aber das würde wahrlich einiges erklären.
    Unendlich weit von der Expertise des Universal-Klassikers entfernt. Kaum zu glauben, dass Terence Fisher Regie führte, der hat sonst viel kompetentere Arbeit abgeliefert, darunter das Beste, was Hammer überhaupt zu bieten hat. Aber das hier? Nö. Einfach nö. Ich kapiere nicht, warum The Curse of the Werewolf bei vielen so hoch im Kurs steht, ja sogar in vielen Hammer-Bestenlisten auftaucht. Ich vergebe höchstens 3/10.




    Die brennenden Augen von Schloss Bartimore /The Gorgon (1964)



    Eine kleine Stadt in Schland wird durch ein Wesen aus der griechischen Mythologie terrorisiert. Die Bewohner sind verängstigt und versuchen die Vorgänge zu leugnen und zu vertuschen. Wer deckt hier wen? Die Handlung hat sogar einen angenehmen kleinen Twist, der aber ab einem bestimmten Punkt ziemlich offensichtlich wird. Nettes Konzept, der Film schön spooky, einige atmosphärische Sets, passabler Sound, Lee und Cushing machen auch beide mit. Lee zur Abwechslung endlich mal in einer positiven Rolle als vernünftiger Kerl der Ahnung hat und die Leute durchschaut und durchgreift, während Cushing eher der Fiesling ist.
    Trotz einigen spannenden Schauermomenten hat mir ein bisschen was gefehlt. Das liegt vor allem am Pacing. Es gibt eigentlich nur drei gute Stellen mit dem Monster, inklusive des brauchbaren und effektiven Finales, ansonsten sehr viel Gerede und Theorisieren. Am Anfang hat man das Gefühl, es werden nacheinander zig Charaktere eingeführt, die alle sterben und wovon die meisten zu Stein werden. Erst geht es um einen jungen Mann mit seiner schwangeren Freundin, dann um seinen Vater, dann um seinen Onkel, dann um den Kollegen/Professor (oder so) des Onkels. Hier hätten ein oder maximal zwei Beispiele als Opfer ausgereicht und der Rest der Handlung hätte nur noch Christopher Lees Figur folgen sollen. Also Charaktere zusammenfassen. So wie es war erschienen mir größere Abschnitte fast wie verschwendete Zeit. Der Trick mit dem "falschen" Protagonisten (vgl. Dracula von 1958 oder Scars of Dracula von 1970) klappt vielleicht einmal, aber ein Film der das ständig wiederholt fängt irgendwann an, die Geduld zu strapazieren. Zwischendrin ist leider zu wenig los, das dauerte zu lange. Einem Mysterium auf den Grund gehen ist ja schön und gut, die nötige Atmosphäre auch vorhanden, aber die Spannung wird immer wieder vergessen und fällt über weite Strecken auf ein niedriges Niveau zurück. 5/10




    Das Schwert des Robin Hood /Sword of Sherwood Forest (1960)



    Die Story behandelt nicht den klassischen Mythos, sondern eine eigene Geschichte. Robin findet einen komischen verletzten Typen, hinter dem der Sheriff her ist, und kommt einer finsteren Verschwörung auf die Spur. Diverse Szenen haben mit der Handlung nur wenig zu tun bzw. bringen diese kaum voran. Hm, insgesamt ist Sword of Sherwood Forest leider sehr schlecht gealtert. Hauptdarsteller Richard Greene gibt meiner Meinung nach keinen besonders überzeugenden Robin Hood ab, sondern erinnerte mich eher entfernt an Doug McClure von anderthalb Jahrzehnten später. Cushing als Sheriff von Nottingham hört sich auf dem Papier wie ein match made in heaven an, aber ist leider auch nur wenig interessant geraten und sein Abgang mehr als unbefriedigend. Für diese Art von Abenteuer sind ein paar Production Values durchaus von Bedeutung. Fast alles findet nur im Wald und auf Wiesen statt, an Burgen usw. gibt es kaum etwas zu sehen. Wenn es schon so viel Grün gibt, dann sollte das wenigstens stylish gut rüberkommen, aber hier nichts dergleichen. Als wäre die Crew in den nächstbesten Forst gegangen, wird schon reichen. Visuell kein toller Film. 5/10




    Bestien lauern vor Caracas /The Lost Continent (1968)



    Die erste Hälfte auf dem Schiff ist unsinnig und nur für Charakter-Exposition vorhanden, was leider wenig bringt, weil besagte Charaktere sucken. Bis sie endlich mal auf dem verlorenen "Kontinent" ankommen und etwas halbwegs Interessantes passiert ist ne Stunde rum, und der Film geht nur anderthalb. Und dann ist es nichtmal ein richtiger Kontinent, sondern nur eine Ansammlung von Seegras und Algen. Wow, wie enttäuschend. Die Idee mit den Spaniern, die da seit Hunderten von Jahren festsitzen und immer noch denken, die Inquisition sei brandaktuell, hatte was. Der junge El Supremo, haha xD So mies, dass es schon wieder lustig ist, zumindest in dem einen Fall. Oh, und die Monster-Viecher gegen Ende waren recht unterhaltsam, aber haben nur superwenig Screentime.
    The Lost Continent ist zu langweilig und schlecht gemacht. Ich hab nichts gegen ein paar cheesy Effekte, aber oft können hier nichtmal die überzeugen, weil es an Charme fehlt und man sie oft kaum richtig erkennen kann - das Bild scheint permanent in einen eklig braunen Schleier gehüllt zu sein. Die Schauspieler sind zum Teil sehr schwach, das Drehbuch katastrophal und mit offensichtlich unlogischen Momenten und Handlungsweisen durchsetzt, sowie mit Dialogen zum Einschlafen. Hildegard Knefs Charakter ist ultranervig: Der Film hält sich viel zu lange mit ihrer Hintergrundgeschichte auf, die wenig mit dem Rest der Handlung zu tun hat, und tut stellenweise so, als sei sie eine begehrenswerte Schönheit, dabei hatte sie ihre besten Tage längst hinter sich, sorry. Abgesehen von alledem wird man auch noch mit einem unbefriedigenden, halb offenen Ende vertröstet. Menno. Für einen vernünftigen Abenteuerfilm fehlt es praktisch an allem. Albtraumhaft: 3/10




    Eine Million Jahre vor unserer Zeit /One Million Years B.C. (1966)



    Die Story ist schnell erzählt. Ein Mann namens Tumak vom Klan dunkelhaariger Höhlenbewohner wandert nach einem Streit umher und wird von hellhaarigen Küstenbewohnern gerettet, wobei besonders eine von denen ein Auge auf ihn geworfen hat. Aber die Natur in der Urzeit war ne fiese Bitch und die Fauna braucht fleischiges Futter ^^ Okay, vielleicht seh ich das folgende zu logisch und akademisch, möchte auch kein Spielverderber sein, aber mein rationaler Verstand mindert bei dieser Art von Film erheblich das Potential zur willentlichen Aussetzung der Ungläubigkeit. Ich mein, dass der Mensch (von Vögeln mal abgesehen) nie mit Dinosauriern zusammengelebt hat ist eine Sache, und da kann ich noch gut drüber hinwegsehen, weil das meist so kultig-tolle Filmszenen ergibt und wir hier sogar mit dem erhabenen Großmeister Ray Harryhausen (siehe Seite 1 dieses Threads) für die Effekte beglückt werden, aber... Menschen, die einen alten, das heißt an wertvoller Lebenserfahrung reichen Mann wegen einer nicht allzu ernst scheinenden Verletzung zurücklassen? Menschen, die sich auf Leben und Tod ums Essen kloppen, obwohl genug für alle da ist? Menschen, die für den eigenen Vorteil und Aufstieg in der Rangfolge andere bereitwillig sterben lassen und sogar noch nachhelfen? Menschen, die sich nur mit Grunzen und kurzen Lauten und Namen verständigen? Uh, nee, selbst mit meinem eher bescheidenen Basiswissen über Anthropologie glaube ich, dass unsere Spezies auf diese Weise schon vor zehntausenden von Jahren ausgestorben wäre
    Aber hey, vielleicht sollen das ja gar keine Vertreter des Homo Sapiens sein, sondern irgendwelche früheren Vertreter der Gattung Homo? Immerhin ist der Mensch, soweit wir wissen, nur 200.000 Jahre alt, was dem Titel des Films gehörig wioderspricht. Aber die Dinos passen in dem Zusammenhang natürlich noch viel weniger rein. Nur nicht zu viel drüber nachdenken, am besten betrachtet man die Geschichte sowieso lieber als Fantasy -_^ Es handelt sich übrigens um ein Remake eines Films von 1940, das war mir bis dahin überhaupt noch nicht klar. Diese Version aus den 60ern ist meiner Einschätzung nach jedoch wesentlich bekannter und ich hatte auch selbst früher schon einiges darüber gehört und gesehen.
    Die Dialogfreiheit sorgt streckenweise für eine überraschend meditative Stimmung. Ernsthaft! Man will wissen, was als nächstes passiert. Die Titelsequenz geht dabei etwas zu lang, das ist aber nur Nitpicking. Es tauchen allerdings durchaus richtig viele Kreaturen auf. Alle paar Minuten läuft irgendein neues Getier über den Bildschirm, das unsere Protagonisten verspeisen möchte. Das geschieht leider nicht immer durch Harryhausens Stop-Motion-Animation, sondern erinnert zum Teil eher an Tarantula wie etwa mit einer Eidechse in Nahaufnahme, um sie groß erscheinen zu lassen ^^ Hach ja, diese alten Filme... So spröde, altmodisch und primitiv das auch wirken mag, es hat was. Kriege da Assoziationen zu einem Kind, das mit Hartgummi-Monsterfiguren und -Menschen am Strand spielt und seiner grausamen Phantasie freien Lauf lässt, so in etwa könnte man One Million Years B.C. auch fast beschreiben: Sandkasten-Adventure! Und das mein ich nichtmal unbedingt negativ. Jetzt weiß ich wenigstens endlich, woher diese eine Szene aus dem Vorspann von Malcolm mittendrin stammt *g*
    Hab die ganze Zeit darauf gewartet, endlich Raquel Welch als Loana in knappem Fell-Outfit zu sehen, hehe. Der Film hat sich eine halbe Stunde dafür Zeit gelassen, naja, das war doch ganz erträglich und hat sich gelohnt. Zwischendurch bekommt man auch mit, was in dem jeweils anderen Stamm ("Rock Tribe" und "Shell Tribe") gerade abgeht, die Handlung wechselt zwischen den Perspektiven mehrfach hin und her, was zur Abwechslung beiträgt. Die hellhaarigen Leute sind irgendwie zivilisierter und technisch weiter entwickelt, bauen schon Nahrung an und nähen und basteln Waffen und haben Bestattungsrituale. Tumak ist darüber ganz erstaunt, alles neu für ihn. Seine Sippe ist gröber, primitiver, aber auch stärker und mutiger.
    Für den faszinierenden Soundtrack wurde teilweise nur mit Steinklopfgeräuschen, Schlangenzischen bzw. Rasseln oder mit Flöten gearbeitet. Das kam manchmal sehr experimentell und rhythmisch rüber, aber gefällt mir. Insgesamt ist der Streifen cheesy, awkward, aber mit Sicherheit untypisch und unterhaltsam. Wie so oft muss man sich auch hier drauf einlassen können, ich kann jeden verstehen, der das ziemlich bescheuert findet. Aber ich muss zugeben, ich fand den gar nicht übel. War mal was anderes. 6/10




    Als Dinosaurier die Erde beherrschten /When Dinosaurs Ruled the Earth (1970)



    Quasi One Million Years B.C. nochmal in schlecht (oder je nach euren Präferenzen: schlechter). Versucht das Gleiche mit einer ähnlichen Story aber ist dem Vorgänger in jedem einzelnen Punkt unterlegen. Was ich schade finde, weil man aus dem "Caveman-Genre" durchaus noch einiges hätte herausholen können. Hammer hat noch einen weiteren Film dieser Art gedreht, Creatures the World Forgot von 1971 (der den grandiosen deutschen Titel Sex vor sechs Millionen Jahren trägt), aber der soll nicht nur generell noch schlechter sein, sondern es kommen auch überhaupt keine Dinos oder sonstige unterhaltsame Urzeitmonster mehr vor :-/ Deshalb verzichte ich hier darauf. Aber zurück zum eigentlichen Thema:
    When Dinosaurs Ruled the Earth hat weniger Abwechslung und eine weit weniger klare Handlung. Grundsätzlich versteht man zwar immer, was bezüglich der Basics gerade abgeht, aber im Detail ist das Verhalten diverser Charaktere schwierig nachzuvollziehen und man verliert leicht den Faden, wenn man nicht genau aufpasst. Die Effekte sind nicht übel, und immerhin wird wieder was geboten und Saurier kommen auch wirklich vor, yay, aber eben doch kein Harryhausen und vor allem nicht mehr so zahlreich. Bildkomposition, Kamera, Kulissen und Farbgestaltung dagegen alle uninspiriert, lahm und sich ständig wiederholend. Da habe ich die variantenreichen Umgebungen aus dem Vorrgänger vermisst. Jetzt ist die Umsetzung bisweilen sogar ganz schön dilettantisch. In einigen Szenen scheint die Zeit von Einstellung zu Einstellung im Sekundentakt zwischen Tag und Nacht zu wechseln. Die Musik taugt auch nix mehr.
    Raquel Welch war leider aus. Sorry, Jungs. Die Schauspieler haben überhaupt alle enttäuschend wenig Leinwandpräsenz, ihre Charaktere sind deutlich schwächer definiert und ohne jede Subtilität kaum entwickelt. Bei manchen erfordert das Auseinanderhalten schon einige Aufmerksamkeit, das war beim letzten Mal noch nicht so. In einem peinlichen Versuch von unpassendem Humor hält ein Dino die blonde, weibliche Hauptfigur für eines seiner Kinder, weil sie in einer der Eierschalen geschlafen hat. Seitdem kann sie gut mit den Tieren, spielt mit den Riesenviechern als wären sie Schoßhündchen und wird später sogar von der Dino-Mama aus einer brenzligen Lage gerettet. Ah, ja. Abgerichtet an einem halben Tag. Es wäre keine gute Wortwahl, One Million Years B.C. als "realistischer" zu bezeichnen, aber innerhalb der eigenen Logik blieb der wenigstens kohärent und glaubwürdig. Die gerade beschriebenen Szenen aus dem Nachfolger hingegen stechen hervor als wären sie aus einem Cartoon o_Ô
    Oh, und wenn ich noch ein einziges Mal "Akita!" höre, dann raste ich aus! Das Kauderwelsch das die Menschen hier reden, extra für den Film erdacht aber nur aus einer Handvoll Wörtern bestehend (von denen ungefähr jedes dritte "Akita!" zu sein scheint), geht nach kürzester Zeit tierisch auf den Keks. Das liegt insbesondere daran, dass man damit so krass dauerbeschallt wird. Der Vorgänger wusste in der Hinsicht noch, wann es Zeit war, Szenen atmen und für sich stehen und wirken zu lassen, da hat man hin und wieder minutenlang kaum einen Ton von den Menschen vernommen. Verglichen hiermit eine Wohltat.
    Durch das alles wird es irgendwann so monoton, dass man geistig leider komplett abschaltet. Zumindest ging es mir so. In One Million Years B.C. kümmerte es mich noch, was aus den Figuren wird. So sollte das immer sein. Bei einem Film ohne richtige Dialoge ist so etwas noch wichtiger als normalerweise sowieso schon! Wenn das alles war, was diese Urzeit-Filme zu bieten hatten und es danach nur noch weiter bergab ging, dann ist es vielleicht gut, dass das Genre heute praktisch ausgestorben ist. 4/10




    Die Bande des Captain Clegg /Captain Clegg /Night Creatures (1962)



    Im England des 18. Jahrhunderts schickt die Krone einen königlichen Kapitän und dessen Crew in eine beschauliche Küstengemeinde, um Berichten über illegalen Schmuggel nachzugehen. Die dortigen Bewohner glauben offenbar an Moor-Gespenster, die in der Gegend ihr Unwesen treiben sollen. Ein feines, kleines Piraten/Schmuggler-Abenteuer, die ganze Stadt steckt gewissermaßen unter einer Decke ^^ Tolle Rolle für Peter Cushing. Mehrere sympathische Charaktere, durch die man voll am Ball bleibt. Man hält als Zuschauer zu den Gaunern, sowas ist immer schön Zwei kleine Kritikpunkte: Die Wendung bzw. Hintergrundgeschichte wird viel zu früh offensichtlich, daher ist die Enthüllung später nicht mehr so effektiv und schon gar nicht überraschend, der Film ist recht vorhersehbar. Außerdem kommen die Sumpf-Phantome nur zweimal kurz vor, das hätte man noch ausbauen und spannender und mysteriöser gestalten können. Doch ich will mich gar nicht beschweren. Das war ein behaglicher, kurzweiliger Spaß und ein schöner Abschluss für mein Hammer-Unterfangen. 7/10







    Hammer eine Chance zu geben hat sich für mich am Ende doch noch gelohnt. Dazu muss man überhaupt kein Grusel- und Horror-Fan sein, gerade verglichen mit heutigen Filmen des Genres waren die alle harmlos. Viel mehr sehe ich die besten Werke des Unternehmens als atmosphärische, stilvolle Gothic-Eskapaden, die nicht selten etwas märchenhaftes an sich haben, aber dies eben hin und wieder mit Blut, Haut und Tod würzen ^__^ Hammer hat natürlich noch viel mehr Zeug ins Kino gebracht, darunter zum Beispiel auch Krimi-Dramen oder Komödien, aber durch die sind sie gewiss nicht bekannt geworden. Denke, ich hab hier einen halbwegs brauchbaren Querschnitt liefern und dabei die meisten popkulturell relevanteren Sachen behandeln können. Vieles war um ehrlich zu sein nur auf Geht-so-Niveau, manche sogar richtig mies, aber dafür wurde meine bisher allenfalls latente Begeisterung für Vampirgeschichten entfacht, was ich den Briten definitiv hoch anrechne. Von den Filmen sind schon einige in meiner eigenen Sammlung gelandet, wodurch zusätzliche Lücken in der Jahresliste endlich geschlossen werden konnten (siehe den zweiten Beitrag dieses Threads, den hab ich neulich wieder auf Vordermann gebracht), und noch ein paar weitere werden folgen. Empfehlen kann ich einen Großteil der Blutsauger-Streifen, darüber hinaus ist es bestimmt kein Fehler, sich den ersten Frankenstein und den ersten Mumienfilm von denen anzuschauen, wenn man es aufs Wesentliche beschränken möchte. Hauptsache, Peter Cushing brilliert erneut

    Nach so vielen Mammut-Marathons weiß ich noch nicht genau, mit was ich weitermache. Ein paar einzelne Klassiker habe ich mir noch vorgenommen, aber Berichte dazu werde ich demnächst (wenn überhaupt) wahrscheinlich wieder individuell posten. Immer wenn ich wieder was abhaken konnte, entdecke ich mindestens ebensoviele Filme, die potentiell für mich interessant sein könnten ^^ Ja, die Branche hatte auch vor so vielen Jahrzehnten schon einen beachtlichen Output.

  4. #84
    Atlantis, der verlorene Kontinent /Atlantis: The Lost Continent (1961)



    Eine Prinzessin aus dem technologisch fortschrittlichen Kontinent Atlantis wird vor tausenden von Jahren von einem griechischen Fischer und seinem Vater auf See aufgegabelt. Nach kurzer Zeit in Griechenland fährt sie mit dem Fischer zurück. Dort liegt aber gerade einiges im Argen. Er muss sich als Sklave durchschlagen, während fiese Verschwörer es mit neuen Waffen auf die Weltherrschaft abgesehen haben. Die Zutaten für ein richtig tolles Abenteuer waren eigentlich alle da. Eine Prinzessin von einem unbekannten Kontinent, Todeslaserstrahlen, ein Kampf auf Leben und Tod in einer Arena mit Feuer und Wasser, ein Aufstand der Entrechteten, der effektreiche Untergang einer Zivilisation inklusive schicker Sprengung von Miniatur-Gebäuden usw. usf. ^^ Aber dieses Drehbuch ey, völlig daneben!
    Fängt schon bei den beiden Hauptfiguren an: was für ein nerviges und unsympathisches Paar! Sie hochmütig und arrogant, er notgeil und einfältig. Scheinen sich auch nicht entscheiden zu können, ob sie sich lieben oder doch lieber gegenseitig ignorieren wollen, das ändert sich andauernd. Dann die überdimensional großen Löcher in der Handlung. Warum die Prinzessin überhaupt auf dem Meer trieb, was ja die ganze Geschichte überhaupt auslöste, wird niemals geklärt, als wäre das ein zu vernachlässigendes Trivia-Detail.
    Oder, auch recht kurios, die Atlantis-Herrscher haben einen verrückt-sadistischen Wissenschaftler, der menschliche Sklaven nach und nach in Tiere verwandeln lässt. Das ist nur leider völlig sinnlos! Wenn sie wenigstens gesagt hätten, dass sie als arbeitende Mutanten stärker sowie empfänglicher für Befehle werden, hätte das eine gewisse Logik gehabt. Aber nö, die Leute verlieren einfach ihre Menschlichkeit und werden hundertprozentig zu Tieren. WTF? Um eine wenigstens grobe Erklärung, wie das überhaupt vonstattengehen soll, drücken sie sich herum (dieses Unwissen wird sogar extra erwähnt). Dass die Masken für die Darsteller in diesem Zusammenhang weit unter Hollywood-Durchschnitt waren und das alles kaum etwas zur Handlung beiträgt, macht es umso lächerlicher. In der Arena kämpft unser Held mit einem anderen Menschen. Dass der draufgeht, obwohl er wahrscheinlich auch nur ein armer Sklave war, scheint allen egal zu sein. Das ist doch die perfekte Stelle, um den Bestien-Verwandlungen eine Bedeutung zu geben! Ein Duell gegen ein hybrides Monstrum wäre um einiges aufregender gewesen, aber schätze, dafür hat das Geld nicht gereicht.
    Oh, und dann wäre da noch der Hohepriester, einer der wenigen vernunftbegabten vor Ort, der aber gar nicht so recht an die Götter von Atlantis glaubt, sondern zu seinen Vertrauten lieber von "dem einen Gott" predigt. Boah, so etwas geht gar nicht. Versteht mich nicht falsch, diese Themen haben mit Sicherheit irgendwo ihren Platz, aber wenn amerikanische Filmemacher übertrieben moralisierend christliche Grundsätze in einen phantastischen Abenteuerfilm einbauen wollen, der in vorchristlicher Zeit spielt, dann finde ich das echt ätzend. Passt hier wirklich null hinein. Als wollten sie die Funktion der Figur als Sympathieträger damit unterstreichen.
    Naja, und das waren jetzt nur die auffälligsten Probleme, es gäbe noch wesentlich mehr zu hinterfragen. Positiv ist einerseits der Soundtrack - seltsamerweise haben mich ein paar Notenfolgen angenehm an Terranigma erinnert o_O - und darüber hinaus ein Großteil der Schauwerte, besonders bezogen auf üppige Kulissen und zum Finale ein paar schöne Einstellungen von Zerstörung und Massenpanik. Am Ende mal wieder eines dieser Werke, das nach verschenktem Potential schreit, denn die meisten dringenden Verbesserungsvorschläge, die ich zu machen hätte, wären mit ein paar mehr bzw. anderen Zeilen Text im Skript zu beheben gewesen. Warum macht die Industrie eigentlich immer nur Remakes von Klassikern, die keiner Neuauflage bedürfen? Atlantis: The Lost Continent wäre der ideale Kandidat für ein verbessertes und modernisiertes Update, so etwas würde ich mir mit Sicherheit anschauen. 5/10

  5. #85
    Zitat Zitat
    Warum macht die Industrie eigentlich immer nur Remakes von Klassikern, die keiner Neuauflage bedürfen?
    Weil man damit mehr Leute ins Kino locken kann. Wer will schon ein Remake eines Films von anno dazumal sehen, der schon damals von allen gehasst (oder noch schlimmer: ignoriert!) wurde?

  6. #86
    Das siebente Siegel /Det sjunde inseglet (1957)
    Gestern zufällig gesehen, dass auch der hier auf Amazon zum Streamen hochgeladen ist. Hatte auf IMDb ausgezeichnete Bewertungen, und der Name des Regisseurs Ingmar Bergman ist bestimmt vielen ein Begriff. War glaube ich mein erster Film von ihm. Ein zurückkehrender Kreuzritter ahnt, dass seine Zeit sich dem Ende neigt. Während er nach Antworten über das Leben und die Existenz Gottes sucht und in den Landen die Pest wütet und zahllose Opfer fordert, spielt er mit dem Sensenmann Schach und versucht, dadurch etwas Aufschub zu bekommen, um noch etwas Sinnvolles zu tun. Es sammelt sich eine kleine, bunt gemischte Reisegemeinschaft um ihn. Aber Gevatter Tod scheint ihm ständig einen Schritt voraus zu sein. Der Film ist sehr ruhig und sehr nachdenklich. Wer Action und Spannung sucht, ist hier eher falsch. Trotzdem hat mich die Geschichte vor allem wegen der gut dargestellten und unterschiedlichen Figuren sowie der dichten Atmosphäre fasziniert und es ist auf jeden Fall Stoff, der zum Nachgrübeln anregt. 7/10


    Zitat Zitat von Liferipper Beitrag anzeigen
    Weil man damit mehr Leute ins Kino locken kann. Wer will schon ein Remake eines Films von anno dazumal sehen, der schon damals von allen gehasst (oder noch schlimmer: ignoriert!) wurde?
    Yay, eine Antwort! Dass ich das noch erleben darf...

    Naja, das denken wahrscheinlich die Studios, und manchmal läuft das tatsächlich so, aber ich meine, gerade in den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass so ein Versuch auch kein Erfolgsgarant ist bzw. das Publikum praktisch schon eingebaut wäre. Viele sind eher genervt davon, wenn Klassiker neu verfilmt werden, die absolut keines (weiteren?) Remakes bedürfen. Siehe beispielsweise Ben Hur von 2016, ein Riesenflop, der nichtmal seine Produktionskosten wieder einspielen konnte! Oder auch Kampf der Titanen, der zwar ein bisschen Geld verdient hat, aber von der Fachpresse und massig Zuschauern in der Luft zerrissen wurde und mit Harryhausen nur noch enttäuschend wenig gemein hatte. So leicht geht diese Rechnung nicht auf.

    Wenn entsprechender Aufwand betrieben wird mit hohem Budget, Stars, und einer einzigartigen Vision eines talentierten und erfahrenen Regisseurs, dann kann die Gratwanderung eventuell klappen, das Beste des beliebten Originals wiederzubeleben, aber mit eigenen, neuen Ideen noch zu ergänzen und zu verändern, zu modernisieren und zu verbessern (imho unter anderem absolut der Fall bei "Meuterei auf der Bounty" von 1962 im Vergleich zu der Fassung von 1935). Meiner Erfahrung nach sieht das aber leider oft eher so aus, dass die Remakes wie ein uninspirierter, liebloser Cash-in rüberkommen, dessen Produzenten manchmal gar nicht verstanden zu haben scheinen, was den Klassiker so gut gemacht hat.

    Dass ein Werk, das von allen gehasst wird, kein Update bekommt, ist nachvollziehbar. Doch solange es kein totaler Fehlschlag sondern ein moderater Erfolg war (und sei es nur in den Kritiken) und einige brauchbare Ideen vorhanden sind? Wenn der Film damals schon von vielen ignoriert wurde und in den folgenden Jahrzehnten weiter in Vergessenheit geriet, dann erinnert sich heute so gut wie niemand mehr daran, ergo würde fast jeder unvoreingenommen an die Sache herangehen und den Kinobesuch nicht vom Original abhängig machen. Bei den meisten Remakes und Neuinterpretationen dieser Tage ist doch eher das Gegenteil der Fall - Leute bleiben weg, weil sie gute Erinnerungen an die alte Version haben und die neue dieser viel zu wenig entspricht. Dazu reicht es manchmal schon aus, wenn ein berühmter Schauspieler, der die Titelrolle bekannt gemacht hat, nicht mehr dabei ist.

    Gute Filme, von allen gemocht, lassen wenig Raum für Verbesserungen. Als es noch bahnbrechende technische Neuerungen für das Medium gab, sah das anders aus. Aus einem Stummfilm einen Tonfilm zu machen, oder aus einem Schwarzweiß-Film einen in Farbe, waren gute Gründe für eine großangelegte Aktualisierung. Das Gleiche kann ich ehrlich gesagt nicht von CGI-Effekten (die nicht selten weniger Charme als der praktische Ansatz haben und häufig auffällig unglaubwürdig hervorstechen) oder 3D behaupten.

    Ich meine damit ja nur, dass die Filmemacher für Inspiration öfters mal den Blick weiter zurück wagen und dabei auch Streifen berücksichtigen könnten, die nicht bereits allseits bekannt und beliebt sind. Letzteres schränkt die Offenheit für weitere Bearbeitungen des Materials nämlich stark ein. Wobei ich zugeben muss, dass Atlantis: The Lost Continent wahrscheinlich kein gutes Beispiel war. Der hat heftig Schelte dafür bekommen, dass er an diversen Stellen sowohl Requisiten als auch Stock Footage aus anderen Filmen übermäßig verwendet hat, wie ich jetzt erst gelesen habe ^^

  7. #87
    It's a SILENT night...



    Eine Blüte gebrochen /Broken Blossoms or The Yellow Man and the Girl (1919)



    Melodrama von D.W. Griffith (Birth of a Nation, Intolerance) über ein von Lillian Gish großartig gespieltes, zerbrechliches Londoner Straßenmädchen, das von ihrem brutalen Boxer-Vater extrem mies behandelt und von einem sensiblen chinesischen Einwanderer aufgenommen wird, was tragische Konsequenzen nach sich zieht. Die entsetzliche "Schrank-Szene" ist ziemlich berühmt. Der Film drückt natürlich extrem auf die Tränendrüse, aber ist gerade für diese frühe Zeit beeindruckend gut umgesetzt. Ist schon eine ganze Weile her, dass ich den gesehen habe, kann ich aber dennoch für alle empfehlen, die Interesse an so alten Werken haben. Gish ist hier wirklich hinreißend. Das einzige, was mich aus heutiger Sicht dann doch irgendwie gestört hat, ist, dass der Chinese von einem Weißen mit angemaltem Gesicht gespielt wird (Richard Barthelmess), also ganz deutliches Yellowface hier. Damit muss man klarkommen, wenn man den Film genießen möchte - imho nicht immer einfach, darüber hinwegzusehen :-/ 7/10




    Die Puppe (1919)



    Der liegt bei mir auch schon zwei Jahre oder so zurück, aber ich weiß noch, dass es ein paar einfallsreiche Effekte und überaus charmant-humorige Szenen gab. Dürfte eine der frühesten Science-Fiction-Komödien darstellen ^^ Die Geschichte nimmt sich selbst nicht allzu ernst, entsprechend wirken ein paar Kulissen und Momente eher, als würden sie aus einer bezaubernden aber simplen Schultheater-Aufführung stammen. Ein munterer Gute-Laune-Streifen, der mit gut einer Stunde auch nicht zu lang geht. Und hey, eine Roboter-Frau, ganze acht Jahre vor Metropolis! Wobei die weibliche Hauptfigur, das Original, hier hauptsächlich so tun muss, als wäre sie die ihr zum Verwechseln ähnlich sehende Maschine. Ihr könnt den Film hier in voller Länge gucken. 7/10




    Das Zeichen des Zorro /The Mark of Zorro (1920)



    Noch so einer, den ich bereits vor Jahren geschaut habe und der genauso lange schon in der Liste am Anfang dieses Threads steht, aber auf den ich hier trotzdem nie näher eingegangen bin. Viel kann ich auch jetzt nicht schreiben, außer dass Douglas Fairbanks zu Recht ein Superstar war und mit seinem athletisch-energetischen, schwungvollen Auftreten wunderbar unterhält. Besonders der Kontrast zwischen seinem fechtenden Fuchs mit Maske und dem verweichlichten Alter Ego Don Diego ist in diesem Fall gelungen. Die Geschichte von Zorro dürfte in groben Zügen hinlänglich bekannt sein. Hier ist alles drin, was man von so einem Film erwarten würde - ein klassisches, romantisches Abenteuer, wenn auch nicht ganz so gut wie das Remake von 1940 mit Tyrone Power (dort mit dem besten Degen-Duell der Filmgeschichte als Finale) -_^ 7/10




    Der Golem, wie er in die Welt kam (1920)



    Basierend auf einer alten Legende. Im Prag des 16. Jahrhunderts erschafft ein Rabbi den Golem, eine große und übermenschlich starke Kreatur aus Lehm, die mit Zauberei zum Leben erweckt wird, um die Juden in Zeiten der Not zu beschützen. Sie versuchen, am Hofe des Kaisers die Rücknahme eines Dekrets zu erwirken. Diesbezüglich gibt es zwar einen Erfolg, wobei der Golem eine bedeutende Hilfe war, jedoch wendet er sich, den uralten Unterlagen entsprechend, irgendwann gegen seine Meister und randaliert. Eigentlich handelt es sich um ein Prequel und den dritten Teil einer Reihe von Regisseur Paul Wegener, die sich thematisch mit dieser Kreatur beschäftigt, jedoch gelten die ersten beiden Filme leider als verschollen und verloren. Kein Wunder also, dass nur dieser letzte so bekannt geworden ist.
    Ganz lustig, dass Wegener hier selbst die Titelfigur gespielt hat. Ein großes Plus sind wie so oft die Kulissen (das "Laboratorium" wirkt geradezu organisch, und diese seltsame Wendeltreppe geht mir aus irgendeinem Grund nicht mehr aus dem Kopf), wieder einmal mit Elementen aus dem deutschen Expressionismus, und auch die Gestaltung des Golems ist sehr einprägsam und kultig ausgefallen. Grundsätzlich können wir bei der Story von einer Art Prototyp-Version des filmischen Frankenstein-Monsters sprechen. Bedauerlicherweise ist der Handlungsverlauf nicht besonders stimmig bzw. von der Cleverness Caligaris aus dem selben Jahr weit entfernt. Wenn es nur ein mittelalterlich angehauchtes Märchen sein wollte, kein Problem, aber während ich in der ersten Hälfte noch voll dabei war, zog sich die zweite zu lange hin.
    Gerade da, wo der Lehmkübel Amok läuft, sollte es doch eigentlich spannend und interessant werden, doch irgendwie war für mich an dem Punkt die Luft fast schon wieder raus. Die überhastete Entwicklung mancher Charaktere konnte ich kaum nachvollziehen, und einige Erzählstränge werden unnötig früh abgewürgt und unbefriedigend aufgelöst. Das mit der verbotenen Liebe aus religiösen Gründen zum Beispiel hätte auch Anfang der 20er schon fesselnder, dramatischer und tragischer umgesetzt werden können. Hier verkommt der Tod einer wichtigen Nebenfigur zur absoluten Nebensache und wird schnell und konsequenzlos vergessen. Soll jetzt nicht zu negativ klingen, denn alleine schon für die Ikonographie hat sich der Film gelohnt. Aber aus der Geschichte hätte man mehr rausholen können. 6/10




    Der müde Tod (1921)



    Ein mysteriöser Fremder kommt in die Stadt. Ein frisch vermähltes Paar, liebestrunken, ebenfalls. Als der Ehemann der Frau plötzlich verschwindet, folgt sie dem personifizierten Tod in sein trauriges Reich. Er gewährt ihr drei Versuche, ihren Liebsten vor seinem Schicksal zu bewahren. Dazu muss sie quer durch Raum und Zeit in ähnlich schwierigen Situationen das scheinbar Unvermeidliche abwenden. Ist die Liebe stärker als der Tod?
    Wahnsinn... Müsste ich den Film mit einem Wort beschreiben, wäre das "poetisch". Eines von Fritz Langs Frühwerken ist offenbar auch eines seiner besten, ein fast vergessenes Highlight. Da wäre zunächst einmal die Abwechslung, ein Aspekt, der mir immer sehr wichtig ist: Die drei Chancen, die der Sensenmann der Frau gibt, sind episodische Sequenzen, die nacheinander zuerst im Orient, dann in Venedig und zuletzt im alten China spielen. Sogar die Schriftart der Zwischentitel verändert sich! Die weibliche Hauptfigur, ihr Mann, sowie der niemals weit entfernte Gevatter Tod in Verkleidung bzw. deren Schauspieler schlüpfen dabei stets in entsprechende Rollen. Diese drei Geschichten werden von einer vierten und der wahrscheinlich stärksten Handlung am Anfang und Ende umrahmt. Optisch wird einem eine Menge geboten, die unterschiedlichen Färbungen des Filmmaterials und geniales Set-Design tragen zur dichten Atmosphäre bei. In dem China-Abschnitt gibt es sogar einige originelle Spezialeffekte zu bewundern. Nicht unerwähnt lassen möchte ich ferner die neu eingespielte Musik, die von Cornelius Schwehr komponiert wurde. Passt perfekt, klingt klasse und erweckt viele Bilder stimmungsmäßig erst richtig zum Leben.
    Aber Der müde Tod ist nicht nur in oberflächlicher Hinsicht gut. Die Story nimmt einen mit und regt zum Nachdenken an, ich konnte wirklich darin eintauchen. Trotz aller Tragik wird es nicht melodramatisch, das Tempo ist verblüffend flüssig, die Fantasy-Elemente unterhalten und das Geschehen wirkt so allegorisch, dass es stellenweise eher verspielt als übertrieben ernst herüberkommt. Es gibt auch ein paar humorvolle Momente. Durch all das fällt für mich nicht sonderlich negativ ins Gewicht, dass man sich schon von vornherein einigermaßen denken kann, wie mindestens die ersten beiden Mini-Geschichten enden werden (denn wenn unsere Protagonistin Erfolg hätte, wäre der Film natürlich zu früh vorbei). Auch die Darstellung von Leuten aus dem Westen als Chinesen mag manch einer bemängeln, ist hier aber nicht im Mindesten so auffällig und störend wie etwa bei Broken Blossoms.
    Eine weitere Attraktion mit Anziehungskraft ist die Art, wie der Tod selbst hier gehandhabt wird. Er ist nicht der Bösewicht, wie es in simpleren Werken vermutlich der Fall gewesen wäre, sondern ein beinahe sympathischer, wenn auch erschöpfter Charakter, der nur seine undankbare Arbeit macht und dieser eigentlich überdrüssig ist. Die Kerzenhalle, in der jedes Leben durch ein Licht symbolisiert wird, über das der Tod wacht, ist eine der tollsten Szenen *__* Glaube nicht, dass es in dem Medium vorher schonmal eine vergleichbare Präsentation dieser Figur gegeben hat; so wunderte es mich nicht zu lesen, dass der Streifen sehr einflussreich gewesen ist und noch Jahre später mehrere namhafte Regisseure inspiriert hat, darunter Hitchcock und Buñuel. Bin erst hier drüber darauf gekommen, mir Ingmar Bergmans Das siebente Siegel anzuschauen, der sich mit ähnlichen Themen beschäftigt (siehe oben).
    Das Finale wird dann noch einmal richtig spannend, das Ende ist klasse und ähnlich unkonventionell wie der Rest. Ich werde nicht verraten, wie es ausgeht Vielleicht ist die Liebe nicht stärker als der Tod, aber es tröstet zu wissen, dass selbst der sie wohl respektieren und schätzen würde. Ein überaus charmantes, gleichnishaftes Märchen, das erstaunlich gut gealtert ist! Möchte ich unbedingt in meiner Sammlung haben. Daher war ich außerordentlich erfreut zu erfahren, dass der Film erst kürzlich von der Murnau-Stiftung restauriert wurde und in ein paar Monaten im Rahmen der erstklassigen britischen Masters of Cinema Reihe auf Blu-ray erscheinen wird ^^ Yay! Schon komisch, dass die Briten die Frühzeit des Films, darunter auch viele deutsche Produktionen wie diese hier, mehr achten und würdigen, als unsere heimischen Label (selbst die Titel, die in Schland erscheinen, sind den englischen Ausgaben in Sachen Bildqualität und Ausstattung eindeutig unterlegen). 8/10




    Dr. Mabuse, der Spieler (1922)



    Too fucking long! Der Film geht über 4 Stunden! Da macht Fritz Lang seinem Namen mal wieder alle Ehre >_> Dass Dr. Mabuse oft in zwei Hälften geteilt wird, ist keine Entschuldigung, sondern das Symptom eines Problems. Ich muss ehrlich zugeben, dass ich diesmal nicht zu Ende geguckt, sondern nach schätzungsweise anderthalb Stunden abgebrochen habe. Langeweile aufkommen zu lassen, obwohl es um einen manipulativen Superschurken geht, wohl sogar den ersten der Filmgeschichte, ist auch nicht gerade gewöhnlich. Habe da irgendwie nicht reinfinden können, die Charaktere wirken profillos und die Handlung plätschert gemächlich vor sich hin. Okay, vielleicht hat mich auch einfach das Thema doch nicht so sehr angesprochen. Dachte es hätte ein bisschen mehr Action und Spannung, bleibt aber - soweit ich geschaut habe und bis auf ganz seltene Ausnahmen am Anfang - unheimlich statisch und langsam. Ein Crime-Drama mit Männern in schicken schwarzen Anzügen, die rumsitzen oder rumstehen und rauchen, yay.
    Wurden wirklich unangenehme Erinnerungen an die ausufernden Dimensionen von Langs zwei Jahre später gedrehter Nibelungen-Duologie wach; Filme, die ich wahrscheinlich super gefunden hätte, wenn sich nicht gefühlt jede zweite Einstellung eine halbe Ewigkeit hinziehen würde. Auch Dr. Mabuse hat einige Szenen in Schneckentempo, in denen entweder nichts von wesentlicher Bedeutung für den Handlungsverlauf passiert, oder aber der selbe Inhalt viel effektiver auch in der Hälfte der Zeit hätte erzählt werden können. Es fehlt an Höhepunkten und einem klaren roten Faden, stattdessen ist die Struktur semi-episodisch. Daher konnte das mein Interesse leider nicht halten, zumal ich meine, gelesen zu haben, dass es später nicht unbedingt besser wird. Schade. Definitiv nicht das, was ich gesucht oder erwartet habe.
    Richtig schlecht wird es ja gar nicht mal. Einige nette und damals gewiss originelle Ideen sind drin, und auf dem Papier klingt das zum Teil genial. Die blinden Geldfälscher zum Beispiel. Außerdem gewinnt der Film dadurch, dass Mabuse bewusst unter anderem die Börse zu seinen Gunsten beeinflusst, kaum sieben Jahre vorm Schwarzen Donnerstag und dem Beginn der realen Weltwirtschaftskrise mit ihren weitreichenden Folgen, rückwirkend eine faszinierend-bittere Note. Aber die unnötig ausschweifende Umsetzung zieht das meiner Meinung nach alles runter. Würde so weit ich gekommen bin allerhöchstens 6/10 Punkte vergeben, vielleicht weniger.




    Robin Hood (1922)



    Willkommen zurück in der Fairbanks-Show ^^ Soweit mir bekannt ist, war diese Version die erste große und bedeutende Verfilmung des Stoffes. Davor gab es nur vier Kurzfilme, einen von 1908, zwei von 1912, noch einen von 1913, sowie einen Spielfilm (?) aus dem selben Jahr, der in vier Teilen veröffentlicht wurde, aber über den sich kaum umfassende Infos finden lassen. Insofern kann man wohl mit einiger Berechtigung sagen, dass der Hype um den Charakter im Kino genau hier begonnen hat. Bis heute erscheint ja irgendwie alle paar Jahre eine neue Fassung, die nächste ist übrigens schon für 2018 angekündigt, mit Taron Egerton (Kingsman) in der Hauptrolle.
    Wer den damaligen König von Hollywood kennt, weiß, was ihn hier erwartet - es ist erneut ein Swashbuckling-Spaß, genau die Art, die ich so mag. Verstehe auch nicht, warum sich neue Adaptionen inzwischen an einem dark & gritty Ansatz versuchen, das passt imho überhaupt nicht zusammen. Ich finde, Robin Hood muss ein verwegenes, bisweilen freudiges Abenteuer voller Energie sein, so hat die Geschichte immer am besten funktioniert. Douglas Fairbanks passt daher perfekt in die Rolle und auch Enid Bennett als Marian macht eine gute Figur. Mit das Beste an der Version von 1922 sind allerdings gewiss die gigantischen Sets, die größten die die Branche bis dahin je gesehen hatte, sowie generell die Ausstattung und Production Values, auch was die Kostüme angeht. Der teuerste Film seiner Zeit. In einigen Szenen sollen weit über tausend Statisten zum Einsatz gekommen sein! Es gibt Schwertkämpfe, verschwörerische Fieslinge, romantische Begegnungen und verwegene Taten.
    Jedoch war ich trotz allem nicht vollends zufrieden damit, denn der Film hat für mich drei unangenehme Probleme, ohne die er bestimmt perfekt geworden wäre. Da wäre zum einen der zweigeteilte Handlungsverlauf. Etwas mehr als die ganze erste Hälfte der ca. 140 Minuten Spielzeit beschäftigt sich ausschließlich mit der Vorgeschichte und den Hintergründen, quasi die Origin-Story, inklusive Aufbruch zum Kreuzzug. Prinzipiell hab ich nichts dagegen, so etwas einzubauen, denn wie Robin Hood überhaupt zum legendären Outlaw wurde, ist ein wichtiger Punkt, der in den meisten modernen Werken dieses Mythos aufgegriffen wird. Aber die Zeit, die hier dafür draufgeht, fehlt hinterher leider an anderer Stelle.
    Man bekommt das Gefühl, die Handlung konzentriere sich nur auf den Earl of Huntingdon, nicht auf das, was aus ihm wird. Das ist zwar durchaus nicht übel, denn so findet man sich in diese Welt hinein und spürt die voranschreitenden Entwicklungen, etwa, wenn bekannte Orte oder Figuren vom Anfang später wieder auftauchen, aber von einer Straffung dieses langen Abschnitts (für die es genug Gelegenheiten gab: Das Turnier zu Beginn ist praktisch überflüssig) hätte das Tempo und die Struktur wahrlich profitiert. Zumal der tatsächliche Übergang gar nicht gezeigt wird. Huntingdon kommt zurück nach England, Zwischentiteleinblendung, tadaa, Robin Hood. Dabei bestand doch gerade in der Art, wie der Titelheld mit den anderen Ausgestoßenen zusammenkommt und diese kennenlernt, sonst oft ein großer Reiz. Das Fleisch auf den Knochen des Films findet sich erst in der letzten Stunde und weiß zu begeistern, aber bis dahin muss man geduldig sein.
    Der zweite Kritikpunkt klang gerade schon etwas an: Diese Version ist Fairbanks durch und durch, und seine Macht als Star, Produzent und Drehbuchautor lässt wenig Raum für andere, kleinere Figuren. Als Zorro macht das nicht so viel aus, das darf ruhig eine One-Man-Show sein. Doch gerade die Legende von Robin Hood lebt doch auch von all den vielen schillernden Nebencharakteren wie etwa Little John, Bruder Tuck, Will Scarlet oder Alan-a-Dale. Die tauchen hier zwar alle auf, aber sind im Grunde kaum der Rede wert.
    Najo, und drittens ist da noch der Soundtrack. Weiß nicht, ob es nur an der Fassung lag, die ich gesehen habe, denn für den Film wurde im Laufe der Zeit mehr als nur ein Score geschrieben (was bei populären Stummfilmen häufig der Fall ist), oder vielleicht an der lahmen Performance der Künstler mit nur ein paar zweitklassigen Instrumenten, aber wenn es sich um das Original von Schertzingers Komposition handelte, dann war ich davon enttäuscht. Nicht katastrophal, aber da ist massig Luft nach oben, und sei es nur in der Umsetzung. Perfekt wäre, den Film in einer frischen Veröffentlichung mit einer Auswahl an bisheriger Musikuntermalung anzubieten, und diese jeweils neu und aufwändig mit großem Orchester einzuspielen.
    Traurigerweise gibt es Robin Hood (1922) nicht auf BD. Ein Remaster in HD wäre mehr als angebracht und würde auch in meiner Sammlung landen, denn von dem obenstehenden Genörgel mal abgesehen, hat sich das letztlich doch wieder voll gelohnt. Manche Szenen brennen sich ins Gedächtnis ein. War interessant zu sehen, wie viel man in späteren Neuverfilmungen daraus wiedererkennen kann. Ein trivialer Aspekt, der ganz anders war als gewohnt: In keiner anderen Variante von Robin Hood Filmen und Serien, die ich kenne, spielt König Richard eine dermaßen wesentliche Rolle und hat so viel Screentime wie hier (gespielt von Wallace Beery) *g* Unterm Strich noch knapp 7/10




    Faust: Eine deutsche Volkssage (1926)



    Habe ich zu Ostern geschaut. Spitzenklasse! Und damit hatte ich eigentlich gar nicht unbedingt gerechnet. Worum es geht wird den meisten wohl abermals schon bekannt sein: Der Teufel wettet mit Gott (hier repräsentiert durch einen Engel) darum, dass er die Seele eines Sterblichen korrumpieren kann. Mephisto macht den alten Faust, der verzweifelt versucht, das Heilmittel gegen eine Seuche zu finden, wieder jung, begleitet ihn und führt ihn in Versuchung. Zunächst nur eine Weile auf Probe. Doch dann verliebt sich Faust ins unschuldige Gretchen...
    Fand die Geschichte irgendwie fesselnd, zumal ich Goethes Tragödie oder andere Verarbeitungen nie gelesen habe und nur grob um den Inhalt der Legende wusste. Daher war mir nicht bekannt, was aus den Charakteren werden würde, ihr Schicksal kümmerte mich. Von den philosophischen Aspekten ganz zu schweigen. Der Film wirkt seltsam modern. Regie führte Friedrich Wilhelm Murnau. Ja, das ist der Typ, der Nosferatu und Sunrise gemacht hat und nach dem die tolle Stiftung benannt ist, die so viele uralte Streifen restauriert und wieder auf Vordermann bringt In den vier Jahren seit Nosferatu scheint Murnau aber eine ganze Menge dazugelernt zu haben. Dass das innovative Spiel mit Licht und Schatten um eine besondere Stimmung zu erzeugen, sowie visuelles Storytelling im Allgemeinen zu seinen Markenzeichen gehört, zeigt sich hier mehr denn je.
    Entsprechend sind die Spezialeffekte und das Setdesign ein atemberaubender Hingucker! So etwas wie die Reiter der Apokalypse am Anfang, das würde man mit modernem Computerkram niemals so hinbekommen. Oder die Stelle vor dem Pakt mit dem Teufel selbst, wo Mephisto mit leuchtenden Augen plötzlich überall auftaucht, nachdem er herbeigerufen wurde, und Faust ihm nicht mehr entgehen kann... wow, authentisch creepy. Außerdem gab es danach noch eine beeindruckende Flugsequenz mit Miniaturen und allem Pipapo, und selbst wenn es später im Zusammenhang mit Gretchen etwas ruhiger zugeht, haben die Umgebungen etwas märchenhaft-magisches an sich. Es ist wirklich nicht bloß ein tragisches Drama, es ist ein Fantasyfilm *__* Entzückend, wie viel Vorstellungskraft und Kreativität hier schon eingeflossen ist. Und von den Masters of Cinema gibts das Ganze sogar auf BD, yeah! Dringende Empfehlung. Mindestens 8/10







    Generell haben Stummfilme viel mehr zu bieten als manch einer denkt. Finde es nervig, wie oft die Werke dieser Zeit in der allgemeinen Wahrnehmung heute auf Slapstick-Comedy mit Charlie Chaplin oder Buster Keaton reduziert werden, zumal ich die oft überhaupt nicht leiden kann und für zu einseitig halte. Dabei waren schon in den ersten Jahrzehnten des Kinos alle wesentlichen Genres vertreten - ob Drama, Romantik, Western, Abenteuer, Fantasy, Krimi, Mystery, Horror oder Sci-Fi, da müsste eigentlich für jeden Filmfreak was dabei sein. Ich hab jedenfalls lieber was Inspirierendes, das sich ohne oberflächliche Lacher selbst halbwegs ernst nimmt, gerne mit emotionaler Tiefe und einem Hauch von Anspruch, vor allem aber originelle und sympathische Geschichten, die ein bisschen Wirklichkeitsflucht ermöglichen.

    Ich habe schon immer großen Wert auf Ästhetik gelegt, und gerade durch Stummfilme ist mir nochmal umso deutlicher bewusst geworden, wie visuell geprägt das Medium eigentlich ist und wie viel einzigartige Kulissen und gute Spezialeffekte zur Immersion beitragen können, aber auch, wie stark interessante Erzählungen und Charaktere durch gute Musik bereichert werden. Exposition Dumps wie heute gab es damals kaum. Dialoge mussten extrem knapp gehalten werden, da diese nur in ein paar Zeilen geschriebenen Texts stattfinden konnten. Dafür brachten die Schauspieler viel mehr Aussagekraft durch subtile Bewegungen bis hin zu überdeutlicher Gestik und Mimik herüber. Das entwickelte imho einen ganz eigenen Charme. Alles mag ich gewiss auch nicht, vor allem Stummfilme mit ewig langer Spielzeit werden sehr leicht anstrengend und ermüdend. Trotzdem spricht es für sich, wenn mich zumindest eine Handvoll Streifen, die bald hundert Jahre alt sind, ganz ehrlich und ohne Übertreibung mehr fesseln konnten als so manche aktuelle Vorführung in den Lichtspielhäusern

    Außerdem haben deutsche Produktionen in den 20ern die Branche gerockt, stilistisch Zeichen gesetzt und für einige wichtige, schöpferische Innovationen gesorgt. Von modernen deutschen Filmen halte ich für gewöhnlich so gut wie gar nichts, vor allem, da jedes Genre, das mir wirklich am Herzen liegt, kategorisch ausgespart wird (obwohl sich da mit etwas Kreativität auch locker um etwaige Budget-Grenzen herumarbeiten ließe). Alle Jubeljahre kommt mal wieder ein neuer, der mir gefällt. Da herrschten damals offenbar noch ganz andere Verhältnisse, und ich komme teilweise aus dem Staunen gar nicht mehr heraus, während ich diese vergessenen Klassiker entdecke. Schade, wie sehr sich das inzwischen gewandelt hat. Ich wünschte, ein paar heimische Regisseure und Firmen wären heutzutage mutig genug, so etwas wieder aufleben zu lassen, anstatt ein trocken-phantasieloses Geschichtsdrama nach dem anderen zu produzieren.

  8. #88
    Die scharlachrote Blume /The Scarlet Pimpernel (1934)



    Engländer rettet auf dem Höhepunkt der Französischen Revolution die dortigen Aristokraten vor der Guillotine. Seine Frau weiß zunächst nichts von seiner geheimen Identität. Handelt sich um einen Tonfilm. In dieser Frühzeit der ersten Talkies kam es leider mehrfach vor, dass die Filme zwar gesprochene Dialoge, dafür aber überhaupt keinen Soundtrack hatten. So auch hier. Wie sehr ich die Musik in dem Medium vermisse wenn sie mal nicht da ist, und wie viel die Kompositionen eigentlich zur Unterhaltung beitragen können, obwohl die Untermalung manchmal nahezu unbemerkt bleibt, wurde mir hier nochmal besonders deutlich. Bei Frankenstein (1931) hat das Fehlen noch ganz gut geklappt bzw. fiel nicht so sehr ins Gewicht, weil es zur Gruselstimmung passte. Aber einem Streifen, der als Abenteuer-Drama gilt, schadet das meiner Ansicht nach leider massiv.

    Ist aber nicht so, als hätte der Film nicht noch genug andere Probleme. Ich hatte nach der Beschreibung irgendwie einen Swashbuckler erwartet, aber habe leider keinen bekommen. So absolut gar nicht. Es gibt keine Action, kaum Spannung, und der Spaßfaktor wird klein geschrieben. Ein Großteil der Spielzeit besteht lediglich aus langen und ehrlich gesagt meist langweiligen Dialogen unter Aristokraten im Inneren von schicken Gebäuden in England. Das heißt, die Handlung findet nichtmal hauptsächlich dort statt, wo es aufregend werden könnte >_> Teilweise kommt es eher rüber wie ein Theaterstück, und ich hasse es, wenn alte Filme in diese Richtung gehen und die Möglichkeiten des Kinos nicht zu nutzen wissen! Zumal es doch so viele gibt, die das bereits in den 20ern besser gemacht haben. Also nun eher Drama als Abenteuer. Ehrlich, wenn ich die Wahl habe, dann bevorzuge ich visuell geprägte Stummfilme mit toller Musik gegenüber solch trägem Dauergelaber ohne jede Originalität.

    Zu allem Überfluss sind die meisten Charaktere auch ziemlich unsympathisch oder blieben zumindest für mich recht uninteressant. Die Story dreht sich quasi völlig darum, wie alle versuchen herauszufinden, wer sich hinter der Gestalt des "Scarlet Pimpernel" verbirgt. Das Publikum weiß aber längst bescheid, also wen kümmert's? Das gäbe ne brauchbare Nebenhandlung ab, aber bitte nicht als Hauptgang. Das Konzept verspricht so viel mehr. Warum nicht mehr todgeweihten Adel in Nacht und Nebel aus dem von Robespierre & Co kontrollierten Paris retten, mit fiesen Schurken an jeder Ecke und dem Helden dicht auf den Fersen? DAS hätte der Fokus sein sollen. Am Ende wird The Scarlet Pimpernel etwas besser, mit einer gestellten Falle und Konfrontation zurück in Frankreich, aber bis dahin war mir längst die Lust und Aufmerksamkeit vergangen. 5/10




    Harakiri /Seppuku (1962)



    Ein älterer Ronin kommt zum Anwesen eines Feudalherren und erbittet einen ehrenvollen Platz, um rituellen Selbstmord begehen zu können. Aber als der Ronin Fragen über einen jungen Samurai stellt, der dort eine Weile zuvor angekommen sein soll, nehmen die Ereignisse eine unerwartete Wendung. Der Ronin wirkt gefasst, doch verfolgt er eigene Absichten. Nach und nach entblättert sich in erzählten Rückblenden die bemerkenswerte Vorgeschichte, was später in einem stylishen Gemetzel gipfelt ^^ Der Film war gut, aber meiner Meinung nach nicht so ultramega unendlich awesome wie so ziemlich jeder sagt.

    Schöne Tragödien-Story mit Mysterium und wie erwähnt packendem Showdown. Die Schauspieler sind vortrefflich, besonders die Hauptrolle. Visuell beeindruckt Harakiri mit einigen toll komponierten Bildern, vieles ist sehr geradlinig und minimalistisch gehalten, was eine ganz eigenartige Stimmung erzeugt. Der Film ist extremst dialoglastig! Wenn man dann noch Untertitel lesen muss, kann das echt anstrengend werden. Ich hab in diesem Fall jedoch nicht grundsätzlich was gegen das langsame Tempo und das viele Gelaber, so lange noch das Rätsel besteht und man die Hintergründe erfahren möchte. Doch schon vor Ablauf der Halbzeit ahnt man ziemlich genau, was Sache ist (natürlich haben wir es hier mit einer Rachegeschichte zu tun, das seh ich nichtmal wirklich als Spoiler, aber die korrekten Vermutungen gingen noch weit darüber hinaus), und daher hätte ich mir im späteren Verlauf etwas mehr Eile gewünscht, um das Drama und die Spannung zu erhöhen.

    Sehenswerte Charakterstudie mit einer Handvoll erinnerungswürdiger Szenen. Angenehm auch, wie Harakiri mit den weit verbreiteten Klischeevorstellungen ehrenhaft-edler Samurai aufräumt. Allerdings sollte man für den Streifen ein wenig Geduld mitbringen. 7/10





    Je nach dem, mit welchem Gerät man schaut, verschieben sich die Beiträge stark, sodass sie manchmal aussehen wie eine Wall of Text, weil man die Zeilenumbrüche nicht mehr erkennen kann. Denke, ich werde ab jetzt mehr volle Absätze machen, also ganze Zeilen freilassen, damit es angenehmer zu lesen ist. Habe damals darauf verzichtet, weil ich eine klare Abgrenzung zwischen Reviews wollte, sodass der Text zu einem Film zusammenklebt. Aber seit ich die Forenfunktion mit der horizontalen Linie entdeckt habe, hat sich das im Grunde erledigt. Ja, ich bin komisch.

    Zitat Zitat von KingPaddy Beitrag anzeigen
    Ich hätte gerne LFG und den Vintage-Thread aus dem Filmforum nominiert, wegen steels Girls with Guns-Videos und dem ganzen coolen Hong Kong-Action-Schlonz und den anderen Thread dafür das er mir zumindest Filme zeigt, die ich noch nicht kannte
    Hey danke, das weiß ich zu schätzen


    Als nächstes habe ich mir Notizen zu gut einem Dutzend weiterer Stummfilme gemacht, die ich hier eigentlich noch irgendwann verbraten wollte. Darunter auch ein paar echte Entdeckungen imho ^^ Schade, dass es so gut wie keine Antworten zum Thema gibt. Über Rückmeldungen freue ich mich immer. Wenn ohnehin kein Interesse besteht, werde ich das Projekt demnächst wohl einmotten und nur noch für mich selbst, ohne Rezensionen, die Liste updaten.

  9. #89
    Zitat Zitat
    Mephisto macht den alten Faust, der verzweifelt versucht, das Heilmittel gegen eine Seuche zu finden
    Klingt, als ob sie in dieser Adaption gerade das geändert hätten, was mir an Goethes Faust am besten gefällt: Den Charakter des Doktors.
    (Mir ist gerade erst aufgefallen, dass ich den Beitrag noch nicht gelesen hatte, daher der verspätete Kommentar.)

  10. #90
    Zitat Zitat von Liferipper Beitrag anzeigen
    Klingt, als ob sie in dieser Adaption gerade das geändert hätten, was mir an Goethes Faust am besten gefällt: Den Charakter des Doktors.
    (Mir ist gerade erst aufgefallen, dass ich den Beitrag noch nicht gelesen hatte, daher der verspätete Kommentar.)
    Ein Mann der am am menschlichen Unvermögen die Welt zu verstehen scheitert, ist vermutlich weniger zugänglich als ein sich aufopfernder Arzt, der an der Unmöglichkeit ein Heilmittel für eine akute Notlage zu entwickeln verzweifelt. Goethes Faust ist ja durch und durch ein Ich-Mensch, der den Teufelspakt zwar aus ganz menschlichen Motiven doch aber vor allem zur Befriedigung seiner persönliche affekte schließt, sowas wäre beim Publikum vermutlich nicht auf viel Verständnis (in mehr als einem Sinne) gestoßen.

  11. #91
    Als ob ein (im wahrsten Sinne des Wortes) lebensmüder Uniprofessor in der Midlife-Crisis nicht die perfekte Identifikationsfigur wäre .

  12. #92
    Zitat Zitat von Liferipper Beitrag anzeigen
    Als ob ein (im wahrsten Sinne des Wortes) lebensmüder Uniprofessor in der Midlife-Crisis nicht die perfekte Identifikationsfigur wäre .
    Kommt drauf an, dafür musste man die Figur wahrscheinlich deutlich modernisieren und umschreiben für ein breiteres Publikum. Der zweifelnde Intellektuelle ist vermutlich für einen Film, der sich eher an ein breites Publikum richtet, dann doch zu sperrig. Müsste eher jemand sein, der sein Leben für dieses oder jenes geopfert hat und feststellt, dass alles andere an ihm vorbei gezogen ist. Ein Work-a-holic bspw. Zur Midlife-Crisis wo Familie, Beruf und alltag irgendwann die Ideen, Ideale und Lebenspläne aufgefressen haben, gibt es ja durchaus erfolgreiche Filme, passen aber nicht unbedingt zur Faust-Figur von Göthe, der ja wirklich vielmehr sein intellektuelles Lebenswerk völlig relativiert sieht.

  13. #93
    Ich galube aber weniger, dass das ein Fehler des Buches ist, als einer Hollywoods. Der übliche Zuschauer will wohl einen Helden, der gut ist, oder, am anderen Ende des Spektrums, ein klar amoralisches Arschloch (obwohl solche Charaktere äußerst rar gesät sind, zumindest als Protagonisten).
    Faust ist dafür eigentlich zu zwiespältig. Er ist zwar ein Egoist, dem es nur um sich selbst geht (bzw. das, wonach er sich sehnt), aber kein schlechter Mensch. Gerade dadurch funktioniert ja auch die Wette zwischen Mephistopheles und Gott.

    Wenn Faust jetzt (um wieder zum aktuellen Fall zurückzukommen) ohnehin ein sich selbst aufopfernder Altruist ist, dem es um das Wohl der Menschheit geht, sehe ich nicht, wieso Mephistipheles sich auf das Spiel überhaupt einlassen sollte. Gut, in Enkidus Review klingt es, als wäre der Ansatzpunkt hier die Verzweiflung, aber das hat dann mit Faust (zumindest Goethes Version, gibt ja auch andere Interpretationen) nicht mehr viel zu tun.

  14. #94
    Jap das wäre eher einer dieser intellektuellen europäischen Filme, die auf irgendwelchen Festspielen laufen und dann in der Schublade verschwinden. Aber eine aufwendige Hollywood-Produktion wird man mit so einer Figur halt nicht stemmen, weil sie vermutlich nicht die für die Breitenwirkung erforderliche Identifikation bietet bzw. zu wenig schwarz-weiß sonst in ihr drin stecken würde. So wie Enkidu die Ausstattung des films beschreibt, ist das alles sehr beachtlich, ich glaube da konnte man sich eben keine sich am original orientierende Figur in der Form leisten.

    Wobei ich glaube das einem amerikanischen Publikum, vielleicht der Teufelspakt an sich, egal aus welchen Motiven, wohl eher im Fokus stehen dürfte, als die eigentliche Rahmenhandlung der Wette Gottes mit dem Teufel und die darin angelegte Zwiespältigkeit der Figur Faust. Sondern wohl eher das Motiv des Mannes, der um Gutes tut, sich mit dem Bösen einlässt, dann auch diese Frage wohl vor allem umwälzt, ob der noch ein guter Mensch sein kann.

    @ Enkidu
    Im Übrigen wenn dir der Stoff gefallen hat, kann ich eineFilmaufbereitung einer Theater-Inszenierung des Faust mti dem großartigen Gustaf Gründgens als Mephisto empfehlen. Sind keine opulenten Sets oder Kostüme freilich, ist halt ein Theater-Set aber das Spiel an sich ist hervorragend.


  15. #95
    Hab jetzt übrigens Der Gehetzte der Sierra Madre und Gruft der Vampire gekauft, das heißt nochmal zwei Jahre, die ich endlich abhaken kann Yay!


    Zitat Zitat von Liferipper Beitrag anzeigen
    Ich galube aber weniger, dass das ein Fehler des Buches ist, als einer Hollywoods.
    Zitat Zitat von KingPaddy Beitrag anzeigen
    Aber eine aufwendige Hollywood-Produktion wird man mit so einer Figur halt nicht stemmen, weil sie vermutlich nicht die für die Breitenwirkung erforderliche Identifikation bietet bzw. zu wenig schwarz-weiß sonst in ihr drin stecken würde. So wie Enkidu die Ausstattung des films beschreibt, ist das alles sehr beachtlich, ich glaube da konnte man sich eben keine sich am original orientierende Figur in der Form leisten.

    Wobei ich glaube das einem amerikanischen Publikum, vielleicht der Teufelspakt an sich, egal aus welchen Motiven, wohl eher im Fokus stehen dürfte, als die eigentliche Rahmenhandlung der Wette Gottes mit dem Teufel und die darin angelegte Zwiespältigkeit der Figur Faust.
    Es handelt sich um eine deutsche Produktion. Hatte hier ja schon geschrieben, wie viel bemerkenswerter und aufwändiger die heimischen Filme in den 20ern im Vergleich zu heute waren ^^ Faust richtet sich also erstmal auch an ein deutsches Publikum, wobei der natürlich dennoch ebenfalls in den USA und anderswo lief (gab sogar ein paar auf bestimmte Länder zugeschnittene, in einigen Details und Szenen abweichende Versionen). Ist nur eigentlich kein Hollywood, auf der Seite des Atlantiks sah man bis zu jener Zeit solche opulenten Effekte und Kulissen nur äußerst selten. Da war Europa visuell um einiges einfallsreicher, innovativer, atmosphärischer und stilvoller (vor allem im Zusammenhang mit Expressionismus).

    Ansonsten ja, ich meine mich zu erinnern, irgendwo gelesen zu haben, dass sich manche zeitgenössischen Kritiken hierzulande ein wenig darüber beschwerten, wie weit der Film von Goethes Fassung abweicht. Einerseits denke ich mir, na gut, Goethe hat Faust nicht erfunden, der Stoff ist wesentlich älter, da konnten Murnau und andere Beteiligte mit arbeiten wie sie es für richtig hielten und mit entsprechenden Änderungen eine eigene Interpretation schaffen; andererseits taucht der Name Goethe in Werbematerialien auf (siehe Poster) und auch sonst ist die Verbindung ziemlich offensichtlich.


    Auf Wikipedia findet sich dazu Folgendes:
    Bei seiner Veröffentlichung in Deutschland erhielt der Film nur mittelmäßige Kritiken und oftmals warfen deutsche Filmkritiker Murnau ein mangelndes Verständnis von Goethes Faust und dessen philosophischer Tiefe vor. Dabei ist Murnaus Werk allerdings nicht als Verfilmung des Goethe-Werkes zu verstehen, sondern ist vielmehr ein „eigenständiges, suggestives Werk“. Mittlerweile wird der Film auch in Deutschland überwiegend positiv bewertet, etwa im Lexikon des internationalen Films: „Murnaus Faust-Version, eine Mischung aus der alten Volkssage und Goethes und Marlowes Variationen, läßt den metaphysischen Kampf zwischen Gut und Böse an der Zeitenwende vom Mittelalter und Irreligiosität erscheinen und deutet Faust als den ersten modernen Menschen mit freier Willensentscheidung und einem Bekenntnis zur Allmacht der Liebe. In seiner letzten Arbeit für die UFA, bevor er nach Hollywood ging, gestaltete Murnau (1888-1931) den klassischen Stoff als Licht- und Schattenspiel, das die Perfektion des deutschen Stummfilmkinos noch einmal suggestiv auskostete: Ein Film voll spielerischer Freude am Phantastischen.“

    International erhielt Murnaus Film dagegen schon seit seiner Veröffentlichung hervorragende Kritiken, bei Rotten Tomatoes besitzt er eine positive Wertung von 94 %. Roger Ebert gab dem Film vier von vier Sternen und schrieb zu Faust in seiner Kolumne Great Movies: „F.W. Murnau (1888-1931) machte zwei der größten Filme der Übernatürlichkeit, "Nosferatu" (1922) und "Faust" (1926) (...)“ Ebert lobt insbesondere Murnaus „verwegene visuelle Imagination“ und seine eindrucksvollen Kameraarbeiten und Bildkompositionen.



    Zitat Zitat von Liferipper Beitrag anzeigen
    Der übliche Zuschauer will wohl einen Helden, der gut ist, oder, am anderen Ende des Spektrums, ein klar amoralisches Arschloch (obwohl solche Charaktere äußerst rar gesät sind, zumindest als Protagonisten).
    Faust ist dafür eigentlich zu zwiespältig. Er ist zwar ein Egoist, dem es nur um sich selbst geht (bzw. das, wonach er sich sehnt), aber kein schlechter Mensch. Gerade dadurch funktioniert ja auch die Wette zwischen Mephistopheles und Gott.

    Wenn Faust jetzt (um wieder zum aktuellen Fall zurückzukommen) ohnehin ein sich selbst aufopfernder Altruist ist, dem es um das Wohl der Menschheit geht, sehe ich nicht, wieso Mephistipheles sich auf das Spiel überhaupt einlassen sollte. Gut, in Enkidus Review klingt es, als wäre der Ansatzpunkt hier die Verzweiflung, aber das hat dann mit Faust (zumindest Goethes Version, gibt ja auch andere Interpretationen) nicht mehr viel zu tun.
    Zitat Zitat von KingPaddy Beitrag anzeigen
    Sondern wohl eher das Motiv des Mannes, der um Gutes tut, sich mit dem Bösen einlässt, dann auch diese Frage wohl vor allem umwälzt, ob der noch ein guter Mensch sein kann.
    Hmm. Habe wie gesagt Goethes Faust nie gelesen, von daher kann ich nicht allzu sehr auf den Vergleich eingehen. Aber ihr habt den Film nicht gesehen, und den Kommentaren nach zu urteilen befürchte ich, dass ich mit dem einen Satz einen falschen Eindruck erzeugt haben könnte. Der Punkt mit dem Finden eines Heilmittels ist nur am Anfang wirklich von Belang, es ist der Aufhänger, der zu dem Pakt führt. Das mag durchaus eine Verzweiflungstat der Figur gewesen sein, was bei einem Massenpublikum potentiell besser ankommt. Dazu sollte man vielleicht wissen, dass die Seuche überhaupt erst durch den Teufel hervorgerufen wurde, nachdem er mit Gott gewettet hat. Aber ansonsten ist Faust in dem Film von 1926 gewiss nicht als altruistisch-aufopfernder Gutmensch illustriert, sondern auch fehlerbehaftet, zum Teil egoistisch und lustvoll, bzw. generell zutiefst menschlich, was schon noch eine gewisse Ambivalenz mit sich bringt. Während er von Mephistopheles begleitet und bei Laune gehalten wird, findet er Gefallen an den Verzückungen und seiner wiedererlangten Jugend, was Gretchen zum Verhängnis wird.

    Bestimmt bietet diese Verfilmung nicht die philosophische Tiefe und den literarischen Anspruch der berühmten Tragödie, aber sie ist dafür wahrscheinlich zugänglicher und unterhaltsamer, auch dank der spektakulären Schauwerte. Der Streifen gilt heute nicht umsonst als großer Klassiker, und wie oben erwähnt kommt er mit seinen metaphysischen Elementen (neben Der müde Tod und Der Dieb von Bagdad) im Bereich der Stummfilme dem am nächsten, was ich unter "Fantasy-Genre" verstehe. Das war im Grunde genau das, wonach ich gesucht hatte *__*


    Zitat Zitat von KingPaddy Beitrag anzeigen
    Im Übrigen wenn dir der Stoff gefallen hat, kann ich eineFilmaufbereitung einer Theater-Inszenierung des Faust mti dem großartigen Gustaf Gründgens als Mephisto empfehlen. Sind keine opulenten Sets oder Kostüme freilich, ist halt ein Theater-Set aber das Spiel an sich ist hervorragend.

    https://www.youtube.com/watch?v=O2hGhTILFQM
    Cool, danke für den Tipp. Das sieht in der Tat gut und toll gespielt aus. Mit solchen Theater-Kulissen und Kostümen, wo man sich erstmal hineindenken muss, hab ich jetzt kein Problem, wenn alles andere stimmt.

  16. #96
    It's a SILENT night...



    Der Bettelpoet /The Beloved Rogue (1927)



    Die (größtenteils fiktive) Geschichte von François Villon, zu Lebzeiten der berühmteste Poet Frankreichs, aber auch ein Schelm, gelegentlich ein Kleinkrimineller, vor allem aber: Patriot. Der Film erinnert stark an Fairbanks, was ich persönlich toll fand. Hauptdarsteller John Barrymore wurde dafür jedoch ein wenig kritisiert und soll sich in der Rolle selbst nicht gemocht haben. Vielleicht war er ernsteren Stoff gewohnt, keine Ahnung. Coole Story jedenfalls, war mal ein etwas anderer Ansatz mit dem Dichter als Protagonist, mit dem frühen Frankreich-Setting usw.. Einige Elemente wie das Narrenfest oder dieses Gaunerversteck schienen fast unmittelbar dem Glöckner von Notre Dame entsprungen zu sein ^^ Zwar kann The Beloved Rogue bisweilen fies dramatisch werden, aber hat auch massig humorige, leichte Momente. Der Hauptcharakter trägt den Film und ist ein sympathisches Schlitzohr, das in die große Politik hineinstolpert. Eine originelle Idee war, ab und zu kurze Gedichte bzw. Verse per Zwischentitel in den Handlungsverlauf zu integrieren. Das Tempo bleibt angenehm flott. Kann ich empfehlen, aber gibt es leider nicht auf BD und nur im Ausland auf DVD. 7/10




    Der vierte Musketier /The Three Musketeers (1921)



    Der junge und hitzköpfige D'Artagnan gerät in ein Duell mit Athos, Porthos und Aramis, freundet sich währenddessen aber mit diesen an. Gemeinsam versuchen sie den Plan Kardinal Richelieus, die Königin zu diskreditieren, zu vereiteln. Dazu müssen sie eine Brosche zurückholen, die die Königin dem Herzog von Buckingham geschenkt hat. Eine richtig nennenswerte Handlung hat der Film leider erst verdammt spät. Davor, besonders am Anfang, gibt es viele (scheinbare) Belanglosigkeiten und Kitsch. Das Abenteuer-Feeling will nicht so recht rüberkommen, auch hat der gute Doug anderswo schonmal mehr Kämpfe bestritten und Stunts gemacht. Es fehlt an Konflikt und richtig fiesen Schurken - man bekommt nicht das Gefühl, dass jemals viel auf dem Spiel steht. Wie viel Alexandre Dumas genau drinsteckt? Da bin ich überfragt. Die Handlung hält sich auf jeden Fall einigermaßen an die Literaturvorlage, gewiss mehr als diverse spätere Werke, aber ich kann mir dennoch vorstellen, dass das Buch wesentlich aufregender ist. Letztenendes: Nicht schlecht, aber keiner von Fairbanks besten. 6/10




    Die eiserne Maske /The Iron Mask (1929)



    König Ludwig XIII. von Frankreich ist begeistert, als ihm ein Sohn geboren wird - ein Thronerbe! Aber als die Königin noch einen Zwilling zur Welt bringt, sieht Kardinal Richelieu darin das Potential für eine Revolution und lässt ihn daher nach Spanien fortschicken, wo das Kind insgeheim aufwachsen und erzogen werden soll, um eine friedliche Zukunft für Frankreich zu gewährleisten. Doch es kommt zu Komplikationen... Dieses Sequel ist sooo viel besser als der Vorgänger (und auch besser gealtert)! Mehr Energie, Action und Spannung, die Handlung dynamischer, abwechslungsreicher und logischer aufgebaut. Bei so einer Story bleibt man dran.

    Sehr gelungen ist in diesem Zusammenhang der große Zeitsprung von 20 Jahren in der Mitte. Man bekommt den Eindruck, es ist wirklich was passiert und fragt sich, was aus den ganzen Figuren geworden ist. Außerdem traut sich der Film einiges mit mehreren tragischen Charaktertoden (erster und einziger Leinwandtod von Fairbanks soweit ich weiß), mit manchen davon hatte ich ehrlich überhaupt nicht gerechnet. Auch die Schurken haben angemessen Platz in der Erzählung, ansonsten konzentriert sich die Geschichte aber wie üblich auf den von Doug verkörperten Protagonisten, also D'Artagnan.

    Dieser muss in der zweiten Hälfte den wahren König, jetzt unkenntlich gemacht durch die berühmte eiserne Maske, aus einer kleinen Festung mitten im Fluss befreien, nachdem die fiesen Verschwörer den bösen Zwilling auf dem Thron installiert haben. Aber dazu braucht unser Held die Hilfe von drei alten Freunden... Geil. Hätte man die erste Hälfte etwas gestaucht und dafür diese Wiederzusammenkunft und generell den tollen Schlussteil weiter ausgebaut, wäre es von der Struktur her der perfekte Film gewesen. Überhaupt mag ich solche Geschichten vom Zusammentrommeln alter, eingeschworener Grüppchen nach langer Zeit. Schade dass sie da nicht noch mehr rausgeholt haben und näher drauf eingegangen sind, aber ich will gar nicht nörgeln.

    Die vergleichsweise düsteren Momente war ich von den Filmen des Hauptdarstellers (erneut auch verantwortlich für das Drehbuch) bis jetzt kaum gewohnt - dickes Plus! Thematisch schwingt irgendwie stets ein Hauch von Nostalgie mit, und die Handlung arbeitet mit diversen Rückblenden. Darüber hinaus sind einige schön stimmungsvolle Szenen mit Licht und Schatten und abenteuerlichen Umgebungen vorhanden. Ich mein, ein schwer erreichbares Gefängnis-Castell in einem Fluss, mit einem alten, versiegelten Zugang durch eine Höhle, alles bei Nacht und Gewitter, als Schauplatz für einen wesentlichen Teil des Finales mit furiosem Degen-Gefuchtel ist schon mega-stylish

    Handelt sich um den letzten Stummfilm von Douglas Fairbanks. Gab zwar noch eine Tonvariante davon, die ist aber nicht zu empfehlen, weil dann die ganze Zeit nur der Erzähler (glaube das war sogar Doug selbst) aus dem Off labert und die Szenen beschreibt, was ungeheuer schnell nervig wird. Außerdem ist jene Version geschnitten, wenn ich das noch richtig im Kopf habe. Nee, den Film sollte man möglichst schon als Stummfilm-Original genießen! Mist, wieder keine BD verfügbar. Btw., so sahen damals noch manly men aus, da brauchte es keinen muskelbepackten Vin Diesel oder Dwayne Johnson -_^ 8/10




    Der Mann mit der Peitsche /Don Q, Son of Zorro (1925)



    Don Cesar (Fairbanks) ist der Sohn Zorros. Während seinem Besuch in Spanien umgarnen er und sein Rivale Don Sebastian das gleiche Mädchen, Dolores de Muro (Mary Astor), die Tochter eines Generals. Diese hat natürlich nur Augen für den aufregenderen Don Cesar. Als Don Sebastian auf einer Feier in Rage vor Eifersucht nach einer Provokation den österreichischen Erzherzog umbringt, schiebt er das Verbrechen Don Cesar in die Schuhe. Der taucht unter und wird zum Peitsche-schwingenden Gesetzlosen Don Q, der ein paar Angelegenheiten richtigzustellen hat und seinen Namen reinwaschen möchte. Kurz zwischendurch und für fünf Minuten zum Finale taucht dann auch noch Zorro selbst auf, ebenfalls gespielt von Fairbanks, was zwar ganz cool, aber storymäßig irgendwie auch reichlich überflüssig ist. Wirkte konstruiert und auf den letzten Drücker hineingezwängt.

    Wenig verwunderlich, wenn man die Hintergründe dazu liest. Der Roman von 1909, auf dem der Film lose basiert, hatte ursprünglich nichts mit Zorro zu tun. Die Geschichte wurde umgearbeitet, um daraus ein Sequel zu Das Zeichen des Zorro (1920) zu machen. Anscheinend waren sich die Drehbuch-Autoren nicht sicher, ob dieser Zusammenhang auch wirklich beim Publikum ankommt und verstanden wird, denn die andauernde Betonung wird schnell nervig: "Mein Vater ist der beste und tollste", "Mein Vater kannte deinen Vater" usw., ohne dass das irgendetwas von Wert für die Handlung beitragen würde. Der Protagonist sollte lieber mal selbst überzeugen können. Der Held ist zwar clever, voller Energie und hat den typischen Fairbanks-Charme, aber ein bisschen mehr Profil wäre nicht verkehrt gewesen. Kommt herüber wie "Zorro lite", nichtmal die Peitsche als Markenzeichen wird besonders oft und gekonnt eingesetzt.

    Generell hatte die Geschichte für mich mit ein paar strukturellen Schwierigkeiten zu kämpfen. In der ersten Hälfte verliert sich das Geschehen in wenig interessanten, geradezu heiteren Nebensächlichkeiten. Es gibt keinen Konflikt, noch keine richtigen Schurken, alles belanglos. Es dauert die halbe Spielzeit, bevor doch mal was passiert und ein wenig Spannung aufkommt. Die zweite Hälfte ist dann wesentlich besser, sodass der Film noch die Kurve kriegt. Das Erzähltempo und die Action, wenn denn mal welche vorkommt, sind unterm Strich eigentlich auch gar nicht übel. Wenn sie sich nur für den Anfang nicht so viel Zeit genommen hätten und schneller zum Punkt gekommen wären... Da werden Erinnerungen an Robin Hood wach. 6/10




    Goldrausch /The Gold Rush (1925)



    Wollte einer solchen Berühmtheit doch nochmal eine Chance geben, nachdem das letzte Mal schon ewig her war. Eigentlich ja ganz nett. Der sympathisch-verpeilte Archetyp des mittellosen Tramps, hier auf der Suche nach Gold und Glück im hohen Norden, ist nicht ohne Grund eine Popkultur-Ikone geworden. Doch wenn man den ganzen Slapstick-Kram und Unsinns-Humor fernab physischer oder logischer Gesetzmäßigkeiten weglässt, bleibt höchstens noch ein Drittel des Films bzw. eine halbe Stunde übrig, und genau damit hab ich bei dieser Art von Komödie grundsätzlich ein Problem. Ich lache lieber in Geschichten, die ich an anderen Stellen ernst nehmen kann, oder aber welche, die mit dem Humor so übertrieben und clever-subversiv sind, dass sie eine gewisse, kritisch-satirische Aussagekraft bzw. Mehrdeutigkeit haben.

    Gold Rush und Chaplins Werke allgemein wirken auf mich dagegen meist eher wie simple old-school Cartoons, hauptsächlich für eine besonders junge Zielgruppe (vgl. Looney Tunes), auch ganz abgesehen von den Slapstick-Einlagen. Beispielsweise wird der Protagonist hier anfangs gezeigt, wie er die Himmelsrichtungen auf ein Blatt Papier gemalt hat, aber so verwendet, als handle es sich um einen funktionierenden Kompass. It's funny because he's dumb, d'oh. So blöd ist einfach niemand in dem Alter, das stört die Immersion. An einer anderen Stelle bildet sich sein Partner, mit dem er zusammen in der eisigen Hütte hungert, im Wahn ein, Chaplin sei ein Hühnchen, und möchte es entsprechend erlegen und verspeisen. Zugegeben, das war in den 20ern wahrscheinlich noch nicht so ausgelutscht wie heute und ist hier visuell mit einem dicken Gockel-Kostüm zumindest ansprechend umgesetzt. Aber es funktioniert halt nur auf einer einzigen, total banalen Ebene.

    Die Szenen, in denen die Hauptfigur in der Stadt ist und der schönen Georgia hinterherläuft, die ihn unangemessen mies behandelt, fand ich da schon interessanter, weil sich hier ansatzweise ein bisschen Drama mit der Comedy abwechselte. Halte es allerdings für etwas fragwürdig, dass er am Ende tatsächlich mit ihr zusammenkommt, und auch erst, nachdem er Millionär geworden ist. Als triviale, platte, unverfängliche Unterhaltung durchaus in Ordnung und mit einigen schönen, originellen Einfällen für aberwitzige Szenen, hat mir Gold Rush trotzdem abermals bestätigt, dass Chaplin nicht das ist, was ich mir von einem gelungenen (Stumm-)Film erhoffe. 6/10




    Tabu /Tabu: A Story of the South Seas (1931)



    War ganz okay. Leider Murnaus letzter Film, der kam bei einem Autounfall im Alter von nur 43 Jahren ums Leben :-/ Die Handlung dreht sich um ein junges, indigenes Paar auf einer Südseeinsel, deren Liebe bedroht wird, als der Stammesälteste das Mädchen zu einer unantastbaren Jungfrau erklärt. Die Story ist sehr klein und simpel gehalten und mit tragischem Depri-Ende. Dafür ist der halbdokumentarische Stil bemerkenswert, der Zuschauer bekommt viele schicke Umgebungen in diesem vermeintlichen Paradies zu sehen. Es gibt kaum Zwischentitel. Ausschließlich authentische Leute aus Polynesien haben mitgespielt bzw. die entsprechenden Charaktere verkörpert! Echt cool, weil nicht selbstverständlich für damals. Alles andere hätte auch äußerst befremdlich gewirkt. Das bringt eine ganz eigene Exotik rein, die man sonst in dieser Zeit des Kinos kaum finden kann. Das heißt außerdem, dass selbst die beiden Hauptdarsteller Amateure waren, keine gelernten Schauspieler. Ein Glück, dass sie so talentiert waren, denn man merkt meiner Meinung nach kaum einen Unterschied. 6/10




    Der letzte Mann /The Last Laugh (1924)



    Ein alter Portier wird von seinem prestigeträchtigen Job in einem Luxushotel gefeuert, ist dem Hohn der Gesellschaft ausgesetzt und kommt mit der neuen Situation nicht klar. Wow, einer der wichtigsten Filme aller Zeiten, ein Meilenstein! Nicht so sehr wegen der etwas rührselig geratenen Geschichte, sondern weil er, ähnlich wie Eisensteins Panzerkreuzer Potemkin im darauffolgenden Jahr, einen ganz neuen Bereich zur erst noch entstehenden Filmsprache, ein weiteres Puzzlestück zum Repertoire hinzufügte. Man könnte das Werk aus technischer Sicht auch "der Tag, an dem die Kamera befreit wurde" nennen Gab zwar davor schon ein paar Einzelfälle, wo mit einer beweglichen Kamera experimentiert wurde, aber in dem Medium sind bis dahin fast ausschließlich fixierte Positionen oder allenfalls vertikale und horizontale Schwenks benutzt worden. Murnau ging mit Der letzte Mann einen gigantischen Schritt weiter. Jetzt gab es plötzlich eine Perspektive, die den Charakteren frei folgen konnte und sich mit dem Filmgeschehen bewegte, inklusive Zoom. In der heutigen Zeit sind solche Dinge wie Dolly-Shots oder Steadicams fester Bestandteil des Vokabulars und kommen in fast jedem neuen Film auf die eine oder andere Art vor, doch 1924 hat das erst angefangen.

    Der letzte Mann war nicht nur der erste, der diese Techniken durchgängig immer wieder verwendete, sondern sie auch bewusst als Mittel des Storytellings benutzte, indem wir damit der Sichtweise des Protagonisten folgen konnten. Alleine schon dadurch eine der faszinierendsten Erfahrungen, die ich in letzter Zeit gemacht habe. Wer sich für die Entstehung und Entwicklung des Kinos im Allgemeinen interessiert, sollte sich das unbedingt mal anschauen. Fühlte sich für mich total seltsam und ungewohnt aber angenehm an, so etwas in einem Stummfilm zu sehen. Unter anderem die ersten Dolly-Shots der Filmgeschichte. Gab aber auch noch diverse weitere beeindruckende Kameratricks wie die Traumsequenzen. Außerdem finden sich auch hier fast keine Zwischentitel, alles wird über die visuellen Eindrücke und die Musik erzählt, was ausgesprochen gut gelungen ist.

    Das Thema selbst macht mich jetzt ehrlich gesagt nicht soo sehr an. Dennoch ist die sehr persönlich gehaltene, kleine Handlung ebenfalls beachtenswert und ziemlich emotional. Man kann darin versinken. Einzig das (Meta-)Ende, obwohl es mich eigentlich gefreut hat, war für meinen Geschmack ein bisschen zu übertrieben und dick aufgetragen. Soll wohl mal anders geplant gewesen sein, aber das andere Extrem hätte ich genausowenig optimal gefunden. Von daher schon nicht verkehrt, so wie es ist. Den Film gibt es zwar auf BD, aber nur in einem teuren Set von Masters of Cinema, zusammen mit vier anderen Filmen von Murnau, die mich leider null kümmern. Brauch ich erstmal nicht für meine Sammlung. 8/10 für die technische Meisterleistung; ohne die stilistischen Faktoren bzw. ausschließlich für die Story wären es auf jeden Fall weniger.

  17. #97
    It's a SILENT night...



    Tagebuch einer Verlorenen /Diary of a Lost Girl (1929)



    Im Leben der jungen und schönen Thymian geht so ziemlich alles schief, was nur schief gehen kann. Ihre Gouvernante wird schwanger aus dem Haus geworfen und später tot aufgefunden - ertrunken. Noch am selben Tag hat der Vater schon jemand neues eingestellt. Noch viel übler: Der Apotheker aus dem unteren Stockwerk, Meinert, nutzt die emotionale Schieflage Thymians aus und schwängert sie. Als sie sich weigert zu heiraten, wird ihr das Kind abgenommen und sie selbst in eine ultrastrenge Erziehungsanstalt mit drakonischer Führung gesteckt. Als der mitellos gewordene Graf Osdorff ihre Familie nicht dazu bringen kann, sie zurückzunehmen, flieht sie mit einer Freundin und landet in einem Edelbordell... Teilweise kommt es zwischenzeitlich sogar noch dicker, bevor es allmählich wieder bergauf gehen kann und sich das Blatt endlich zu ihren Gunsten wendet.

    Stehe normalerweise nicht auf solche Dramen, aber das hier wirkte erstaunlich modern und spricht diverse Themen an, die bis heute noch immer aktuell und relevant sind. Soll heißen, es ist ein modernes Melodrama, und keine von diesen kitschigen Geschichten, die bloß ultra-theatralisch auf die Tränendrüse drücken, wie es sie zu jener Zeit schon zu Hauf gab. Louise Brooks, nach verspäteter Anerkennung eine der ganz großen Stummfilm-Stars, ist eine klasse Hauptdarstellerin! In diesem Fall zuerst naiv, dann verspielter, aber stets voller Energie. Kann nachvollziehen, warum vor Jahrzehnten viele verrückt nach ihr waren. In Tagebuch einer Verlorenen gibt es einige bemerkenswerte Szenen, die in Erinnerung bleiben, wie etwa in dem Heim. Auch so manche creepy Nebencharaktere tauchen auf, es wird ein ziemlich trostloses Bild der Gesellschaft gezeichnet. Dazu passt der wundervolle Schlussatz, der nach wie vor nichts von seiner Gültigkeit verloren hat: "With a little more love, no one on this earth would ever be lost!"

    Es handelt sich um eine deutsche Produktion, Regie führte Georg Wilhelm Pabst. Der Film wurde seinerzeit nach der Premiere stark zensiert, daher musste die Uraufführungsversion aufwändig rekonstruiert werden. Gibts auf BD in einer tollen Ausgabe von Masters of Cinema, yay! Zugegeben, hätte ich das nicht gewusst und hätte mir das Jahr nicht noch gefehlt, hätte ich mir den Film wahrscheinlich nie angeguckt. Nun bin ich froh, dass ich es doch gewagt habe, über den Tellerrand zu schauen. Wieder mal was Gutes entdeckt. 8/10




    Die Büchse der Pandora /Pandora's Box (1929)



    Ebenfalls von Pabst und mit Brooks, aus dem selben Jahr. Der Aufstieg und unausweichliche, tiefe Fall einer amoralischen jungen Frau namens Lulu, deren sorglose Erotik die Lust und Gewalt in jenen Menschen anregt, die sie umgeben. Keine Ahnung, was alle daran finden. Ich mein, war jetzt nicht schlecht als Drama, aber die Figuren entwickeln sich null weiter und bleiben total statisch. Die Handlung ist auch überaus minimalistisch, es ist eine reine Charakterstudie und viele der Szenen wirken seltsam unzusammenhängend (wozu die Unterteilung in einzelne Kapitel leider beiträgt). Wenn die Leute gegen Ende in London sind, stirbt Lulu durch einen random Mörder (Jack the Ripper?) von der Straße. Das mag man zwar auf Meta-Ebene bzw. indirekt und thematisch schön interpretieren können, wegen der ungewöhnlichen Art, wie das genau passiert, aber der Schlussteil hat vordergründig irgendwie überhaupt nichts mehr mit dem Rest der Geschichte zu tun. Mir fehlte eine Art Payoff. Mehrere Handlungsstränge bzw. Charakter-Schicksale bleiben am Schluss einfach ungelöst in der Luft hängen, so etwas kann ich gar nicht leiden.

    Alles dreht sich nur um Lulu. Ja sicher, Louise Brooks ist unglaublich hübsch, und ihre Rolle lebendig, sexuell aufgeladen, verführerisch, aber auch manipulativ und egozentrisch. Obwohl sie im Grunde recht passiv bleibt, zerstört sie alle möglichen Personen (insbesondere Männer, aber nicht nur die) um sich herum. Einige Abschnitte wirken geradezu sinnlos. Weiß nicht, ob die Vorlage auch so eine uninteressante Geschichte war. Der Film ist nur deshalb sehenswert, weil es so eine Freude ist, Brooks beim schauspielern zuzuschauen - sie kommt stets vollkommen authentisch rüber! Tagebuch einer Verlorenen ist nicht halb so bekannt wie Die Büchse der Pandora, aber zehn mal so gut, weil wir dort eine richtige Handlung mit sich entwickelnden Charakteren haben. Hier sucht man danach vergeblich. 6/10




    Sonnenaufgang /Sunrise: A Song of Two Humans (1927)



    Halte ich für drastisch überbewertet. Okay, der Film ist von Murnau, das heißt wenigstens die Sets und Bildkompositionen sind durchweg super, denn das kann er bekanntlich wie das kleine Einmaleins. Die Fehler liegen meiner Meinung nach in der Geschichte. Sunrise wird einem als "allegorische Erzählung" verkauft, das heißt schonmal, dass alle Figuren unbenannt bleiben und die Dialoge bzw. Zwischentitel entsprechend nur sehr selten auftauchen. Doch gerade in einer Handlung, die gerne emotional sein würde, ist es meiner Ansicht nach nötig, eine Nähe des Zuschauers zu den Figuren herzustellen, und das wird hier nicht effektiv gemacht. Teilweise eher im Gegenteil, es fühlt sich seltsam distanziert an.

    Sunrise handelt von einem verheirateten Bauern mit Kind, der eine Affäre mit einer bitchigen Frau aus der Stadt hat, die ihn überredet, seine liebe Ehefrau (zuckersüß gespielt von Janet Gaynor) umzubringen bzw. im See zu ertränken. Das versucht er dann auch tatsächlich auf einem Ausflug. Im letzten Moment kommt er wieder zur Vernunft, seine Ehefrau flieht in die Stadt, er hinterher, die beiden versöhnen sich und verbringen dort eine schöne Zeit, unter anderem auf einem Jahrmarkt. Dieser Mittelteil ist sterbenslangweilig, weil sonst im Prinzip nichts passiert. Heute würde man das wahrscheinlich mit einer Montage von zwei Minuten darstellen, die in ein persönlich-intimes Gespräch mündet oder so, hier dauert der Abschnitt hingegen über eine halbe Stunde und Dialoge sind bekanntlich nicht vorhanden. Würde mehr Sinn machen, wenn wir wenigstens Einblick in das Leben der beiden erhalten oder ihre Gedanken erfahren würden, aber es bleibt alles oberflächlich, oder "allegorisch". Frei nach dem Motto: Keine Ausarbeitung ist auch eine Lösung, soll sich das Publikum selbst was denken. Mir ist schon klar, dass Bilder manchmal mehr sagen können als tausend Worte, aber das hier ging zu weit.

    Das größte Problem, das ich mit der erwähnten Wendung hatte, ist aber von viel grundsätzlicherer Natur: Der Typ hat einen Mordversuch an seiner Frau begangen. Hallo, gehts noch? Aber sicher, einmal Kuchen und Blumen kaufen und eine fremde Hochzeit besuchen, schon ist alles vergeben und vergessen. WTF? Im letzten Drittel und Schlussteil der Geschichte machen sie dann noch einen Ausflug auf dem See als zweite Flitterwochen (Uhm, gelinde gesagt seltsame Wahl, nach so einem Trauma genau dort kurz vorher), doch ein Sturm zieht auf, Boot kentert. Er kommt an Land, sie nicht. Er veranstaltet Suchaktion mit der Dorfbevölkerung, scheinbar ohne Erfolg. Während er verzweifelt, kommt die miese Stadt-Bitch vom Anfang wieder angekrochen, er will sie aus Rache erwürgen, aber gerade noch rechtzeitig hört er, dass seine Ehefrau doch noch gefunden und gerettet worden ist. Die Drecksbitch reist daraufhin endlich ab und das Paar ist happy, während die Sonne aufgeht. Das wars.

    Tut mir leid, aber diese Handlung ist so knapp und einfach, dass sie höchstens zu einem Kurzfilm gereicht hätte. Vielleicht auch für einen Spielfilm mit einer Länge von einer Stunde. Aber das auf anderthalb zu dehnen hat für mich nicht funktioniert. Schlimmer noch: Ich hab normalerweise nichts gegen Rührseligkeit, aber wenn ich mir denke, dass die männliche Hauptfigur eigentlich ein labiler Psychopath ist (gibt mehrere Stellen im Film, an denen er die Beherrschung verliert), für das was er getan hat eigentlich erstmal eine Weile hinter Gitter gehört (wobei man es ihm nicht nachweisen kann), und seine Frau eindeutig jemand besseren verdient, aber sie aus schwer nachvollziehbaren Gründen trotz allem an ihm hängt, dann sind diese doch recht kitschigen, zu langen und belanglosen Szenen mit Subtilitätsdefizit nur schwierig zu ertragen. Es fehlt an verdienten Sympathiewerten, die der Streifen jedoch einfach so als Vorschuss vom Publikum voraussetzt. Ist wieder einer dieser Fälle, in denen dem Zuschauer indirekt gesagt wird, dass er mit der Figur mitfiebern und auf ihrer Seite sein soll, obwohl dem Zuschauer das möglicherweise vollkommen zuwider ist. Hatte ich zuletzt glaube ich bei The Spectacular Now von 2013, und das war einer der schlechtesten Filme die ich bis jetzt gesehen habe. Bei Sunrise kann man sich wenigstens noch an der schönen Optik erfreuen.

    Noch was Historisches - Dies war sogar DER erste Film mit dem Movietone Sound Verfahren (siehe "The Man Who Laughs", den ich schon behandelt habe). Gesprochene Dialoge gab es hier zwar noch nicht, allerdings einen richtigen, synchronisierten, optischen Soundtrack fest mit dem Film verbunden (wurde nicht mehr mit Live Orchester aufgeführt) sowie mit Soundeffekten, die durchaus viel zur Immersion in einigen Szenen beitragen können. Insofern also kein richtiger Stummfilm im engeren Sinne mehr, aber ich habs hier trotzdem eingefügt, da es sich für heutige Zuschauer weitgehend wie einer anfühlt. Wie dem auch sei, nachdem mir so oft von Sunrise vorgeschwärmt wurde und ich ständig ausschließlich Positives dazu gelesen habe, hat mich der Film doch ziemlich enttäuscht. 5/10




    Die letzte Warnung /The Last Warning (1929)



    Noch ein Nachzügler der Universal Horror Stummfilm Klassiker ^^ Hab den allerdings nur im Internet Archiv in grauenvoller Qualität und mit miesem Soundtrack geguckt, von daher weiß ich gar nicht, wie aussagekräftig oder gerechtfertigt eine Bewertung hier ist. Halt Murder-Mystery um ein Theater, in dem während einer Vorstellung ein fieser Mord geschah. Jahre später, die Tat immer noch ungeklärt, wird es von einem Produzenten wieder aufgemacht und der Versuch unternommen, das Stück von damals neu aufzuführen - mit den gleichen, noch verbliebenen Mitgliedern des Casts. War's vielleicht ein Geist?

    Manchmal etwas schwierig, bei den Charakteren den Überblick zu behalten und der Handlung zu folgen, könnte zum Teil aber auch an der Bildqualität aus der Hölle in der von mir gesichteten Fassung liegen. Regisseur Paul Leni (The Man Who Laughs) hat sich bei den Zwischentiteln oder sonstigen Überleitungen ein paar richtig coole Effekte einfallen lassen. Das Theater-Set ist übrigens anscheinend das gleiche, das zuvor für Das Phantom der Oper (1925) verwendet wurde. Nice! Auch sonst einige sehr atmosphärische "spooky" Orte voller Staub und Spinnweben. Diverse wohlbekannte und angenehme Grusel-Klischees werden ausgepackt. Mit nur ca. 80 Minuten geht der Film zügig rum und ist nicht so übertrieben lang wie gewisse andere Vertreter aus der Zeit. Viel mehr kann ich zu The Last Warning auch schon nicht sagen. 6/10?




    Das Gesetz des Kongo /West of Zanzibar (1928)



    Ein Showmagier in Afrika will sich an dem Mann rächen, der ihn zum Krüppel machte, und an der unehelichen Tochter, die dieser mit der Frau des Magiers zeugte. Hmm. Den Twist kann man leider schon zehn Meilen gegen den Wind riechen. Was ist das überhaupt für eine bescheuerte Idee, das Leben einer unschuldigen jungen Frau ebenfalls zerstören zu wollen, nur weil man mit dem vermeintlichen Vater noch eine Rechnung offen hat? Das Mädel kannte ja nichtmal ihren Vater, hatte mit dem gar nichts zu tun. Hass ist eine Sache, aber das war Irrationalität in höchstem Maße. Naja. Lon Chaney ist wie immer sehenswert. Ansonsten ganz passabel, der Film, aber auf eine seltsame Art und Weise unangenehm. Die Dauer beträgt gerade mal gut eine Stunde, und trotzdem denke ich, dass man daraus vielleicht besser einen Kurzfilm gemacht hätte. Alles in allem wurde das Rachethema jedoch ganz gut umgesetzt. 6/10




    Der Wind /The Wind (1928)



    Die zart-zerbrechliche Letty zieht vom Osten der USA in den rauhen Westen, wo sie Spannungen in der Familie verursacht, während die heftigen Umweltbedingungen sie langsam wahnsinnig werden lassen. HAMMER! Ultradichte Atmosphäre, wie ich sie selten zuvor in einem Film gesehen habe. Der unaufhörlich wehende Wind ist quasi ein eigenständiger, allegorischer Charakter in der Geschichte, für die ungezähmten, unkontrollierbaren Naturgewalten stehend, aber unterstreicht gleichzeitig auch symbolisch das vordergründige Geschehen bzw. die Gefühlslage der Figuren. Das ist nicht nur storymäßig total genial (weckte bei mir Erinnerungen an Hiroshi Teshigaharas Suna no Onna /Die Frau in den Dünen), sondern auch visuell faszinierend und beeindruckend umgesetzt! War bestimmt ne Heidenarbeit für die ganzen Effekte zu sorgen. Obendrein noch in der glühenden Hitze der Mojave-Wüste zu filmen - überliefertermaßen eine Tortur für die Beteiligten Filmemacher und Schauspieler.

    Die Story mit ihren beinahe mystischen Untertönen ist relativ überschaubar und klein, aber gerade das macht sie so effektiv. Der Film ist sehr visuell geprägt und profitiert davon, ein Stummfilm zu sein, nutzt den damaligen Stand des Mediums perfekt. Zu viele Dialoge hätten nur die Stimmung gestört. Dass Lillian Gish in der Hauptrolle wie immer verdammt gut schauspielert, brauche ich eigentlich kaum erwähnen, aber auch ihr Gegenpart, der von dem Schweden Lars Hanson verkörperte Lige, weiß zu überzeugen, zumal letzterer die schwierige Balance zwischen Zuschauer-Sympathie und der ihm von Letty entgegengebrachten Antipathie treffen und halten musste. Zu der Atmosphäre hat ferner wohl auch der recht modern wirkende Soundtrack von 2007 beigetragen, mit dem ich The Wind gesehen habe. Kann gut sein, dass es noch andere gibt, die auch nicht zu verachten sind.

    Letztlich ohne jeden Zweifel der beste Stummfilm-Western, einer meiner Lieblingswestern überhaupt, und der beste Film den ich seit Langem gesehen habe. Und das, obwohl ich mit den älteren US-amerikanischen Genrevertretern normalerweise kategorisch nichts anfangen kann. Nicht so hier, The Wind kommt ganz ohne die üblichen Klischees aus, ja setzt sich weit darüber hinweg und steigt in ganz andere Sphären auf! Wenn ihr die Gelegenheit bekommt, den abzuchecken, nutzt sie. 9/10 AAAHHHRGH!! Warum gibts den nicht auf Blu-ray >_<' ? Nichtmal auf DVD anscheinend. Was für eine Schande. Abschließend muss ich aber unbedingt noch ein paar Zeilen zum Ende loswerden, was ich lieber mal komplett in einen Spoilerkasten packe:


  18. #98
    Soo... Nosferatu, Tagebuch einer Verlorenen, Die Mumie, Der Unsichtbare, Gefahr aus dem Weltall, Der Schrecken vom Amazonas, Godzilla kehrt zurück, Dornröschen, Cleopatra sowie James Bond 007: Der Mann mit dem goldenen Colt und die Hammer-Dracula-Filme (die ich mochte) sind in den letzten Wochen und Monaten nun auch alle in die Sammlung eingepflegt worden ^___^

    Bezüglich Godzilla: Habe das Sequel noch nicht gesehen, aber etwas anderes, was mich persönlich auch nur halbwegs gekümmert hätte, war für 1955 wirklich nicht mehr aufzutreiben. Auch wenn die Fortsetzung nicht mehr so gut sein soll wie das Original, finde ich es spannend, wie sehr sie für den Film stilistisch vom Vorgänger abgewichen sind. Und den ersten Kampf zwischen Gojira und einem anderen Monster möchte ich mir auch nicht entgehen lassen

    Bezüglich James Bond: Hab mich dann doch hinreißen lassen und entschieden, nach und nach die übrigen noch fehlenden Teile zu kaufen, um die Reihe vollständig vorliegen zu haben. Die Hälfte hatte ich ja eh schon hier. Und ist jetzt nicht so, als hätte mir an den imho weniger brauchbaren Vertretern gar nichts gefallen - einige davon waren eigentlich ziemlich gut, doch selbst bei den schwächsten ist mindestens noch die ein oder andere Actionszene dabei, die Spaß macht! Einen großen Vorteil hat das in jedem Fall, und zwar kann ich damit endlich das verhasste Jahr 1974 abhaken, für das ich ebenfalls ewig lange keine vernünftigen Filme gefunden habe Yay! Das bedeutet, ich hab die 70er komplett und die Jahresliste jetzt ab 1962 bis heute durchgehend *__*

    Faust und Der müde Tod sind schon bestellt, das heißt, durch letzteren fällt auch 1921 weg. Danach fehlen bloß noch 23, 28, 30, 34, 36, 37,38, 40, 42 bis 49, 50 und 61. Mit den Stummfilmen ist vorerst Schluss, es folgt die Tage aber noch eine letzte Stille Nacht. Da war sonst jedoch nichts mehr dabei (außer Nosferatu wie oben vermerkt, der mir bei der zweiten Sichtung wesentlich mehr zugesagt hat, sowie Ben Hur, den es leider nicht zu kaufen gibt). Ob ich 1923 und 1928 noch irgendwann abhaken kann bzw. ob Scaramouche und Der Mann, der lacht oder Der Wind, die mich wirklich begeistern konnten und die ich für diese Jahre bereits herausgesucht habe, noch irgendwann veröffentlicht werden, steht leider in den Sternen.

    Ansonsten möchte ich mich demnächst wieder mehr auf einzelne Filme bunt gemischt konzentrieren. Ich werde auch versuchen, die 40er stärker anzugehen, aber das dürfte extrem hart werden und ich weiß nicht, ob ich die Liste wirklich jemals vervollständigen können werde. Denn ich habe mich schon mehrfach intensiv umgeschaut und in IMDb vertieft, ohne besonders viel aus dieser Zeit zu finden, das für mich von Interesse wäre. Schon komisch. Hatte erwartet, dass gerade durch den Krieg die Menschen den Eskapismus suchten, aber da gab es selbst in den 20ern und 30ern mehr Sci-Fi, Fantasy und Horror. Dafür waren die 40er proppenvoll mit Film Noir Detektiv-/Kriminalgeschichten, ein Genre welches ich nicht unbedingt mag, proportional gefühlt zehn Mal häufiger vertreten als die Superheldenwelle von heute! Darüber hinaus lediglich Krieg, Comedy und Musicals >_> Mal schauen.

    Ist euch eigentlich klar, dass ich in diesem Thread bereits 200 Kurzrezensionen gepostet habe? Über 10.000 Views hat er auch schon gekriegt, juhuu, wobei ein Viertel oder so davon vermutlich alleine von mir stammt, da ich hier immer wieder etwas nachschaue oder den Beitrag auf der ersten Seite editiere xD

  19. #99
    One last SILENT night...



    Shooting Stars (1928)



    Das verheiratete Schauspielerpaar Mae und Julian wird entzwei gerissen, als er herausfindet, dass sie eine Affäre mit dem Comedian Andy hat. Mae, deren Karriere auf dem Spiel steht, überlegt sich einen Plan, ihren Ehemann umzubringen, indem sie eine echte Kugel in eine Waffen-Requisite einsetzt, die in einer Szene ihres neuesten Filmes auf ihn abgefeuert werden soll. Hm, hatte so meine Schwierigkeiten mit Shooting Stars. Da sind echt ein paar übel holprige Stellen in der Handlung. Zum Beispiel die dümmliche Plot-Device mit der Kugel - nachdem die Waffe doch nicht abgefeuert wurde, und Mae den Fehler eingesehen hat, macht sie keine Anstalten, das präparierte Gewehr sicherzustellen und die Gefahr zu bannen, und sei es nur unter einem Vorwand. Sie hätte gewiss kurz vom Set weg gekonnt! Stattdessen stirbt doch noch jemand, und zwar ihr Lover. War ja irgendwie klar.

    Erst nachdem der Mann die Affäre herausfindet, dreht sie am Rad und will ihn umbringen. So gesehen entfällt der eigentliche Inhalt des Films lediglich auf die letzte halbe Stunde. Das empfand ich als sehr unbefriedigend. Hinzu kommt, dass es ein Film übers Filmemachen ist. Vermute, dass Shooting Stars bei vielen nur deshalb so hoch im Kurs steht, ähnlich wie das Thema bei den Academy Awards immer gefragt ist. Zugegeben, diese äußere Perspektive und der Blick hinter die Kulissen ist eigentlich ein Setting mit viel Potential, das man in den 20ern bestimmt auch noch nicht oft gesehen hatte. Vor allem kann das originell sein, wenn dann nach einer Weile der Lack abblättert und der Schöne Schein Hollywoods sich eben auch auf die dort arbeitenden Darsteller-Sternchen bezieht. Aber dieser Film braucht wie gesagt ewig, bis mal was von Bedeutung passiert, und plätschert die meiste Zeit nur so vor sich hin. Wenig erinnerungswürdige Figuren, und für so eine simple Handlung hält sich der Film zu lange mit diversen belanglosen Details auf. Auch als pures Drama funktioniert die Geschichte nicht so richtig und der Epilog dauert viel zu lange. Der neue jazzige und total entspannt-lässige Soundtrack hat auch nicht gerade zum Enthusiasmus beigetragen, sondern die Story noch einschläfernder wirken lassen. Mit manchen Szenen passte die Musik der restaurierten Fassung null zusammen! Sorry, wirklich nicht mein Ding. 5/10




    Die zehn Gebote /The Ten Commandments (1923)



    Boah, hier muss ich weiter ausholen. Der Film hat mich echt angepisst! Aber immer der Reihe nach. Es fing alles so vielversprechend an. Die Geschichte von Moses und dem Auszug aus Ägypten ist ja bestimmt hinlänglich bekannt. Die Ausstattung ist erstmal super, wie üblich bei Regisseur Cecil B. DeMille. Es ist zunächst ein Schauwerte-Film, neben dem ganzen Bombast auch mit tollen Spezialeffekten (das Teilen des Meeres), klasse. Das Ägypten-Set hatte gigantische Ausmaße und wurde real gebaut. Um den Verbleib der Konstruktion ranken sich bereits eigene Legenden, über die man Filme drehen könnte ^^ Und das goldene Kalb sieht mal voll creepy aus Trotzdem wirkt alles ein bisschen zu dick aufgetragen, denn das Drehbuch ist dünn. Einige der interessantesten Aspekte der Geschichte werden einfach weggelassen - die berühmten Plagen beispielsweise werden off-screen in den ersten paar Minuten abgehandelt. Die Charaktere werden irgendwie kaum entwickelt... hmmm, woran das bloß liegen mag? Es gibt viele Zwischentitel mit Bibelzitaten, die die Geschichte erzählen. Quasi das komplette Gegenteil von Murnau, der immer mit wenig auskam und seine Bilder sprechen ließ. Auch in Die zehn Gebote wäre das mit weniger Text und mehr Schauspiel gegangen. Wo bleibt das visual Storytelling? Wozu überhaupt noch ein Film, wenn man erst vor jeder Szene eine Texttafel einblendet, die erklärt was passiert? Trotz dieser Mängel fand ich den Film aber soweit ganz angenehm.

    Und dann. Alter! What the fuck? Nachdem Moses vom Berg runter ist, nach nur gut einem Drittel (!) der Gesamtspielzeit, bricht der Film komplett mit dem Setting und seiner Geschichte. Danach bekommen wir nämlich etwas völlig anderes vorgesetzt, was total zum Kotzen ist. Von den Israeliten und dem goldenen Kalb werden wir plötzlich in die moderne damalige Gegenwart von 1923 transportiert, wo eine Frau aus der Bibel vorliest. Sie ist bestimmt keine Sünderin, gell? Einer ihrer jungen erwachsenen Söhne sitzt daneben, er sieht sehr nobel und zufrieden aus. Der kann es auch nicht sein. Uh, dann ist da aber noch der andere Sohn, er schaut gelangweilt und ungläubig drein. Wir haben einen Gewinner! Und was für ein Sünder er ist O_O' Der Rest des Films ist ein ungeheuerlich oberflächliches, bis zum Erbrechen predigendes Moralitätenspiel zwischen den beiden Söhnen (und einem diebischen Love Interest). Die Mutter, die die ganze Zeit eine klobige Riesenbibel mit sich rumschleppt, ist tief religiös. Der "gute" Sohn im Grunde auch, aber der "böse" ist ein Nichtgläubiger. Kann ja nicht angehn. Und weil er nicht an Gott glaubt, nimmt er sich vor, alle zehn Gebote zu brechen. What the frickin' fucking de Fuck?! Als würde so eine bescheuerte Idee irgendwie damit zusammenpassen *kopfschüttel* Außerdem sind ab dem Beginn dieser eigentlichen Geschichte alle Schauspieler hart am overacten. Wenn das selbst für Stummfilm-Verhältnisse so deutlich wird, dass es auffällt, dann will das schon was heißen.

    Der "Prolog", wie es viele Reviewer nennen, wie ich inzwischen festgestellt habe, dauert nur eine gute Dreiviertelstunde. Der Rest der 136 Minuten ist völlig lahm und extremst schlecht gealtert. Wobei ich glaube, dass das auch schon bei der Uraufführung einige gut gemeinte aber hundertprozentig fehlgeleitete, veraltete Aussagen und Elemente hatte. Auch noch mit einer so plumpen, ungeschickten, umständlichen und schwerfälligen Moralpredigt, die durch das langgezogene Ende noch verschlimmert wird. Kann sich ja jeder denken, wie übel das für den bösen Sohn ausgeht. Werte vermitteln schön und gut, aber dann bitte ohne die eigenen Zuschauer für dumm zu halten. Die Art der Umsetzung ist entscheidend. Doch wer außer christlichen Fundamentalisten guckt sich einen solchen Dreck an? Es wirkt forciert und konstruiert, um der vorangegangenen Bibelgeschichte thematisch ein wenig zu ähneln, aber das läuft so nicht. Das habe ich mir nicht darunter vorgestellt, und so geht es offenbar auch vielen anderen, die diesen Film gesehen haben, der trotzdem noch unverdienterweise erstaunlich gute Kritiken bekommt. Was zählt, ist praktisch nur der Anfang, alles andere kommt dagegen nicht an und kümmert auch überhaupt nicht. Krass, da kam ich mir ernsthaft verarscht vor. Kann mich nicht an einen anderen Fall erinnern, in dem ein Film mittendrin aufhört und unerwarteterweise mit hartem Schnitt zu etwas gänzlich anderem mutiert, das erzählerisch so unter aller Kanone ist. Fast, als wäre man in den 20ern gerickrollt worden >_<

    Sie hätten lieber mal den Part um Moses etwas ausbauen und die Figuren entwickeln sollen, dann hätte das alleine schon für einen sehr viel besseren 80-Minuten-Film gereicht, aber nöö. Oder macht meinetwegen aus dem Gegenwarts-Segment eine knappe Rahmenhandlung, mit einem Konflikt der nach der Bibelgeschichte aufgelöst wird. Aber so wie es ist? Das geht gar nicht. Absolut unausgegorene Mogelpackung. Schade um die schönen Kulissen und Effekte im ersten Teil. Hätte so toll werden können. 3/10




    Ben Hur /Ben-Hur: A Tale of the Christ (1925)



    Am Anfang ne Viertelstunde lang Weihnachtsgeschichte-Recap. Entspricht dadurch zwar näher dem Original-Untertitel ("A Tale of the Christ"), da Jesus sonst ja nur einmal zwischendurch und dann nochmal am Ende vorkommt, und nie direkt gezeigt wird, aber hätte dennoch nicht unbedingt sein müssen. Ansonsten aber sehr große, epische Geschichte. Dem bekannteren Remake aus den 50ern erstaunlich ähnlich, ist alles drin. Die Attacke auf den Galeeren war für mich etwas zu chaotisch, aber das Wagenrennen auch hier ein beeindruckendes Highlight! Sogar mit bewegter Kamera So eine Mega-Action muss das Publikum seinerzeit echt geflasht haben.

    Überzeugende Schauspieler. Wieder einmal gigantische, Respekt einflößende Kulissenbauten, wie ich sie heutzutage liebend gerne mal wieder sehen würde. Gibt ein paar kleinere Längen /Hänger beim Erzähltempo, aber nichts Schlimmes. Nach dem eher gemächlichen Anfang wird es später immer besser, und das Finale ist wirklich ergreifend! Rundum gelungen, braucht sich vor dem berühmten späteren Werk nicht verstecken. Schade dass den hier heutzutage kaum mehr jemand gesehen hat. Hätte ich gerne in guter Qualität auf Blu-ray. Gibt es leider nicht. 7/10




    Die Nibelungen: Siegfrieds Tod (1924)



    So, hab ich mir den jetzt doch mal in voller Länge angetan. Nachdem ich nun so viele Stummfilme gesehen habe, funktionierte das im zweiten Anlauf in der Tat etwas besser. Ist wohl wirklich ein acquired Taste *schulterzuck* Das soll aber nicht heißen, dass ich meine frühere Kritik daran revidiere: Auch für einen Stummfilm ist der erste Nibelungen-Teil stellenweise unglaublich langatmig, besonders im späteren Verlauf, denn der Anfang flutscht noch ganz gut. Ehrlich, irgendwann bekam ich das Gefühl, man könnte jede zweite Einstellung um zwei bis fünf Sekunden kürzen, und hätte am Ende inhaltlich absolut nichts verloren, aber einen wesentlich zugänglicheren und flüssigeren Film.

    Ansonsten möcht ich aber nicht zu harsch klingen, denn es wird dennoch eine Menge geboten. Vor allem die ausgefallenen Set-Bauten überzeugen, wie auch die phantastischeren Elemente. Ein ausgewachsener Drache in Bewegung (eine Puppe, gebaut in voller Größe!), dann der Zwerg Alberich mit dem Nibelungenschatz tief unter der Erde, eine Tarnkappe die einen unsichtbar macht und die einen jede beliebige Gestalt annehmen lässt, oder ein Meer aus Feuer mit einer Burg, bewohnt von amazonenhaften, stolzen Kriegerinnen... das hat schon was, selbst für heutige Fantasy-Fans. Vergleiche mit der Herr der Ringe Trilogie kommen nicht von ungefähr, dieser Zweiteiler war so etwas wie die Entsprechung seiner eigenen Zeit. Der Soundtrack von Huppertz ist klasse. Handelt sich um die Originalmusik zum Film, wurde aber neu mit professionellem Orchester eingespielt, so wie es sein sollte. Tolle Restauration der Murnau-Stiftung. Wenn er doch nur nicht so lang laufen würde Für die Sammlung kann ich darauf verzichten. Bisweilen anstrengend, aber sehenswert. 7/10




    Die Nibelungen: Kriemhilds Rache (1924)



    Nach dem Tod von Siegfried ist Kriemhild mächtig angefressen! Um sich an Hagen zu rächen, lässt sie sich auf eine Heirat mit Etzel ein, dem König der barbarisch-kriegerischen Hunnen. Sie lebt nun an seinem Hofe und schenkt ihm ein Kind. Sie versucht Etzel zu überreden, Hagen zu ermorden, den sie mit dem Rest der Sippe zu einer hübschen Party eingeladen hat. Aber die Brüder schützen Hagen, weil sie an ihren Schwur gebunden sind. Eine erbitterte Schlacht entbrennt, kaum jemand wird das überleben...

    Beide Teile können im Prinzip als ein einziger Fünf-Stunden-Film angesehen werden. Die zweite Hälfte erschien nur ein paar Wochen nach der ersten und wurde zusammen mit dieser produziert. Wow, Kriemhilds Rache ist tatsächlich noch zäher, der Inbegriff der Langatmigkeit. Das Finale gestaltet sich in der Tat verdammt düster und hat was, aber trotzdem quält man sich irgendwann nur noch durch. Es mutiert zu einem einzigen, riesigen Gemetzel. Kostüme und Kulissen wie zuvor top, doch dadurch, dass die Geschichte nicht mehr so viele magische Fantasy-Aspekte hat, verliert sie eine Menge vom Reiz des Vorgängers. Das Tragische ist, ich kann mir lebhaft vorstellen wie eine entsprechend stark gekürzte Kombination aus beiden Filmen ein Genre-Highlight und vielleicht einer meiner absoluten Lieblings-Stummfilme geworden wäre Aber doch nicht auf diese Weise! Für den eigentlichen Handlungsinhalt des vorliegenden Teils hätte weniger als die Hälfte der Spielzeit (!) völlig ausgereicht. Das ist ja fast so, als würde man aus der Schlacht der fünf Heere im Hobbit einen ganzen Fil... Moment. 6/10




    Nosferatu, eine Symphonie des Grauens (1922)



    Hat mir wie oben schon angedeutet beim zweiten Schauen besser gefallen, und zwar so sehr, dass ich meine frühere Meinung darüber ein Stück weit korrigieren möchte. Wirklich gruselig finde ich es immer noch nicht, aber manche Szenen sind ungemein atmosphärisch. Dazu gibt Schreck mit seinem markanten Aussehen einen hervorragend grotesken Graf Orlok /Nosferatu ab. Außerdem: Gutes Pacing, was - wie mir die beiden Nibelungenfilme von Fritz Lang, der seinem Namen manchmal leider alle Ehre macht, nochmal gezeigt haben - ein nicht zu unterschätzender Faktor ist! Nosferatu geht anderthalb Stunden, bleibt dabei angenehm überschaubar und ist auch für Zwischendurch geeignet. Ist ferner der bekannten Universal-Tonfassung des Stoffes klar überlegen. In der deutschen Version von 1922 bekommen wir viele unterschiedliche Handlungsorte zu Gesicht, es fühlt sich wirklich wie ein Film an, die Welt wird greifbar und glaubwürdig. Dem amerikanischen 1931er Dracula mit Bela Lugosi hingegen sieht man an, dass er auf einem Theaterstück basiert, und entsprechend begrenzt und künstlich wirkt die Geschichte, wenn ein wesentlicher Teil davon bloß in einem Wohnzimmer stattfindet. 7/10




    Geändert von Enkidu (29.07.2017 um 23:45 Uhr)

  20. #100
    Ich bin inzwischen wesentlich weitergekommen mit meinem Vorhaben Jetzt könnte ich zumindest für jedes Jahr seit einschließlich 1920 mindestens einen Film nennen, den ich mochte und weiterempfehlen kann (siehe Liste). Yay! Damit werde ich ja endlich doch noch irgendwie dem Threadtitel gerecht ^^ In der Sammlung fehlen jetzt nur noch sechs Jahre (23, 28, 30, 34, 37 und 38), wobei ich für ein oder zwei davon schon was in Aussicht habe, das sich kaufen lässt. Bei den letzten paar Jahren wirds aber trotzdem extrem schwierig bis derzeit unmöglich, da kann ich nur auf weitere zukünftige Klassikerveröffentlichungen hoffen. Jene, die ich mir am meisten wünsche, sind natürlich nicht verfügbar. Hatte wegen der Handvoll populärer Titel auch nicht erwartet, dass ausgerechnet die 30er mit das größte Problem werden. Andererseits war ich angenehm überrascht, wie schnell ich es geschafft habe, die 40er zu komplettieren. Dabei gab ich für einen Film allerdings mehr aus als jemals zuvor - über 50 Euro für das vergriffene Remake von Der Dieb von Bagdad auf Ebay... und das war noch vergleichsweise günstig o_O'


    Habe hier noch Notizen zu knapp 90 Filmen auf dem Rechner, die ich demnächst in weiteren Kurzreviews verbraten kann. Die Frage ist, was interessiert euch thematisch am meisten? Ich habe das mal in folgende Kategorien unterteilt:

    • (Gothic-)Horror-Gedöns
    • Sci-Fi Resterampe
    • Musketiere im Wandel der Zeit
    • Filme aus Tausendundeiner Nacht
    • (Jugend-)Literaturklassikerverfilmungen
    • Auf hoher See
    • Kung-Fu-Cinema
    • Historische Swashbuckler
    • Technicolor-Flash!
    • Kino Krieg!
    • Thriller und Film Noir
    • Fantasy Zeugs
    • Western von Gestern
    • Monumentale Movies
    • Weihnachtsspecial

    Hinter einigen verbergen sich nur drei oder vier Filme, andere Bereiche sind so voll, dass ich sie in mehrere Etappen aufteilen muss. Auf was habt ihr Bock? Bitte um ein kleines Meinungsbild. Freie Auswahl!

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