Vorab ich hab nur die ausführliche Rezension von Jerome Denis Andre und deine Reaktion dazu gelesen. Daher will ich mich auch nur zu den stilistischen Sachen äußern.
Das hat nicht zwingend etwas mit (alten) Tugenden zu tun. Schlechtes Storytelling oder Questdesign sollte man nicht mit einer Begründung der Art rechtfertigen, dass der Spieler selbst bitte in den Kopf des Entwicklers kriechen solle um herauszufinden, was der nun will, was ich jetzt tue. Der Unterschied zu den Spielen, die du genannst hast und deinem eigenen besteht in einem anderen Spielansatz. Fallout und Fallout 2 sind Erkundungsspiele. Die sind von der ganzen Grundsituation her so aufgebaut, dass du mit einem bestimmten Ziel in eine Welt hinausgeworfen wirst, von der du nichts weist und wo es klar ist, dass du dich erstmal durch die Gegend fragen musst und Hinweise sammeln. Was sind Orte wo so ein Wasserchip aufbewahrt werden könnte? Wo finde ich die Leute, die mir sagen können was das für Orte sind, wo sind Leute, die diese leute kennen, wo finde ich Leute die dann auch einen bestimmten Standort kennen. Oder finde ich einen alten Lieferschein usw. usf. Das Spiel ist vom ganzen Design her auf Erkundung ausgelegt, gleichzeitig weist du immer mit welcher konkreten Absicht du durch die Spielwelt läufst. Es gibt einen klaren Auftrag.Zitat
Das passiert bei deinem Spiel so nicht, wenn die Darstellung von Jerome zutreffend ist. Dein Spiel ist an einem festen Konzept eines Handlungsstranges aufgehängt. Das heißt um weiterzukommen, musst die zwingend eine Reihe von bestimmten Dingen tun aber solange du sie nicht tust, kommst du nicht weiter und hast einen Helden der potenziell auch Ahnung von dem hat, was um ihn herum vorgeht. Das heißt du hast eigentlich eine feste Handlungslinie, die du mit bestimmten Entscheidungen an manchen Stellen bezogen auf das Ende beeinflussen kannst, keine freie Erkundung. In diesem Fall ist es einfach nur schlechtes Design dem Spieler keine Hinweise und somit einen roten Faden zu geben, weil er dann einfach orientierungslos herumläuft (wenn er nicht ausmacht) und sich dann wie ein Trottel durch die ganze Stadt quatscht und dann wie das berühmte blinde Huhn vielleicht ein Korn findet. Der Spieler versteht nicht was er warum macht und kommt dann wie Jerome hier durch Zufall irgendwie zu einem Ende ohne das er überhaupt realisiert hat, für wen er da eigentlich arbeitet.
Kennst du Vampires Dawn? Ab einem bestimmten Punkt des Spiels ist man frei auf der Weltkarte eigenständig zu agieren und sich zu bewegen. Dort hättest du das, was du hier eigentlich machen willst, so wie es gemacht werden müsste. Du hast eine Reihe von Punkten, die die Helden abarbeiten wollen zum Beispiel eine bestimmte Person zu finden. Und erfahren dann durch Gerüchte von einer Stadt die ausgelöscht wurde und einer seltsamen Höhle die entdeckt wurde, die sich südlich von da und da befindet und können somit den Aufenthaltsort ermitteln. Gute Erkundungsspiele setzen nicht darauf, dass du zufällig über das Ziel stolperst sondern das du durch deine Suche Hinweise dazu erhältst, wo oder wonach du suchen sollst. Man muss dem Spieler keinen Questmarker geben, aber er braucht immer Feedback darüber was das aktuelle Ziel ist und auch eine Reihe von Vorschlägen, was er tun kann. In deinem Fall zum Beispiel eben die Überlegung sich mal in der örtlichen Kneipe umzuhören, weil es dort sicher auch andere Unzufriedene gibt, die ihren Kummer betäuben wollen.
Wenn das Spiel völlig random ist, dann fühlt man sich als Spieler dabei verarscht. Das hat dann nämlich nichts mit Intelligenz zu tun Hinweise zu sammeln und zusammen zu puzzeln sondern ist eine dumme Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Das ist so als würdest du ein Schalterrätsel designen, das nur durch ausprobieren zu lösen ist.
Hm nein. Mit Southpark ist das eher nicht zu vergleichen. Der Humor ist sehr direkt. Die Moral ist sehr viel subtiler. Das was nach den genannten Beispielen gemacht wird, ist ein eine Ins-Gesicht-Präsentation von erwartbaren Gags und einer undifferenzierten Moral. Das Gleiche mit dem Aufgreifen dieser Themen wie Antisemitismus usw. die dann schlussendlich ein Fest der Klischees sind, wo aber nicht souverän mit den Klischees gespielt wird. Der Ausdruck dafür ist plump. Wenn man zum Beispiel in Komödien amerikanische Misswahlen verarscht fehlt nie ein bestimmter Gag: "Und außerdem wünsche ich mir den Weltfrieden" um eben auch diese erwartbare aber eigentlich inhaltslose und damit plumpe Aussage durch den Kakao zu ziehen. Für eine gelungene Satire in dieser Richtung würde ich dir die Lektüre von Brechts Rund- und Spitzköpfen empfehlen. Für die Dramaturgie empfehle ich Gangs of New York. Punkig ist leider an der Präsentationsform auch nichts. Diese überbordene , exponierte Darstellung von rassistischen Ausdrücken wirkt in dieser Verdichtung eher lächerlich als schockierend. Wie gesagt ließ mal die Rund- und Spitzköpfe und ich verspreche trotz etlicher Stellen zum Lachen bleibt dir selbiges zum Ende dann im Hals stecken. Das schockierende ist die beiläufige Normalität, nicht die Heraushebung.Zitat
Too much realism kills the game. Das mit den Städten muss nicht unbedingt schlecht sein, aber es muss logisch sein. Und es kann schon reichlich unlogisch rüberkommen allein wegen dem Schlüssel quer durch die Gegend zu hotten, statt sich zum Beispiel in die Bar zu setzen und zu warten bis die Schwester zurückkommt. Was auch wieder zu dem Punkt oben zurückführt, was die eigentlich unfreie Handlung angeht.Zitat
Ansonsten: Wenn man historische Persönlichkeiten benutzt, sollte man immer darauf achten, dass sie sich nicht von der Vorlage all zu weit entfernen oder zumindest den bekannten Fakten nicht widersprechen. Autoren von historischen Romanen nutzen Leerstellen in der Biographie oder interpretieren die Biographie anders. Es ist ein Spiel der Fiktion mit der Realität. Das macht den besonderen Reiz aus, wenn man mit historischen Figuren arbeitet. Allerdings bleiben diese Figuren nur interessant solange sie ihr historisches Vorbild erkennen lassen. Wenn man eine komplett neue Figur schmiedet ist es besser man betreibt keinen Etikettenschwindel weil der Rezipient eben feststellt, dass die Figur ihrem eigentlichen vorbild widerspricht (nicht weil durch eine besonders kreative Ausdeutung der Biographie das eingetreten wäre) sondern weil die Figur außer dem Namen mit der eigentlichen Person nichts mehr zu tun hat. Du hast die künstlerische Freiheit das zu tun, das wäre dann aber ein Alternate History Setting wo grundsätzlich die ganze erzählte Welt eigentlich in Frage stehen müsste. Aber auch das halte ich in dem Fall für eher zweifelhaft. Du willst ein bestimmtes Ziel erreichen und statt eines Kampfes zweier arschiger Tycoone muss der andere eben auch noch ein Rassist sein und du bastelst dir das so, wie du es für diese Absicht brauchst. Das ist leider auch plump.
In Sachen Charakterdesign und Storytelling sowie Spielerführung solltest du mehr Zeit aufwenden. So wirkt das Ganze sehr oberflächlich und bleibt hinter dem erkennbaren Potenzial des Settings zurück.