Ich erkenne, dass die Entwicklung in der Videospielbranche analog zu der in Film- und Musikbranche verläuft. Da Videospiele jedoch ein jüngeres Medium darstellen als Platte oder Rolle, geschieht hier die Entwicklung zeitversetzt. Zudem ist die Welt stärker globalisiert, weshalb Produktionen wesentlich höhere Verbreitung erfahren können.

Das Thema, welches man auch bei der Diskussion um Lootboxen, Micro Transactions oder DLC nicht aus den Augen lassen darf, ist die Preisentwicklung.

1992 hat ein Super Nintendo Spiel 130 Mark gekostet, was umgerechnet dem heutigen Preisniveau für neue AAA-Spiele entspricht, nämlich 65 Euro. Einige Spiele wie Donkey Kong Country haben sogar 140 gekostet, hauseigene Nintendotitel lagen meistens bei 100 Mark.
Allerdings ist das nicht inflationsbereinigt, was bedeutet, dass ein Spiel damals einen höheren Anteil am Geldumsatz ausgemacht hat. Dadurch ist Videospielen heutzutage ein de facto wesentlich günstigeres Hobby, als noch vor 27 Jahren. Denn sie kosten nominell das gleiche wie noch vor 27 Jahren, während Lebensmittel, Sprit und vor allem Mieten gewaltig zugelegt haben. Laut Inflationsbereinigung hat also das 130 Mark teuere Magical Quest Starring Mickey Mouse von Capcom so viel gekostet wie heute 103 Euro. Das Spiel kam zusätzlich ohne Speicherfunktion auf den Markt, hatte eine Spielzeit von gut vier Stunden und wurde mit einer Belegschaft von insgesamt 17 (!) Entwicklern ein knappes Jahr lang entwickelt. Wahrscheinlich hatte das Spiel ein sechsstelliges Produktionsbudget in Mark.

Im Gegensatz dazu benötigt ein mittelaufwendiges AAA-Spiel heute schon eine Anzahl an 200-300 Entwicklern und im Schnitt ca. drei Jahre, um ein Spiel fertig zu stellen. Außerdem werden dabei ebenfalls viele Dinge outgescourced und es entstehen noch zusätzlich höhere Kosten für Marketing, Patch-Betreuung und und und... Ein Spiel kostet dabei im Handel 65 Euro (meist 69 UVP), aber im günstigsten Fall ein zweistelliges Millionen-Budget oder mehrere hundertmal so viel wie noch 1992. Allerdings würde das Spiel, wenn 1992 angeboten zum heutigen inflations- und kaufkraftbereinigten Preis nur mehr 80 Mark kosten...

Auf der Gegenseite kommt dazu, dass sich Spiele heutzutage in der Regel auch öfter verkaufen. Allerdings halt nicht um den Faktor 100 mehr. Ein Magical Quest hat sich wahrscheinlich weltweit mehrere 100000mal verkauft, ein FF hat sich auf dem SNES weltweit etwa drei Millionen mal verkauft, ein FF XV auf der PS4 und Xbox One zusammen etwa 7,7 Millionen mal.

Das heißt, das ein einzelnes Spiel nicht mehr so viel Reingewinn abwirft. Es gab zur Zeit der Playstation und Playstation 2 einen SweetSpot, wo die Anzahl der Verkäufe noch stärker anstieg als die Produktionskosten. Ein 8 Millionen mal verkauftes FF X nur auf der PS2 zeugt davon. Zwar hat sich auch FF XV ungefähr 8 Millionen mal verkauft, jedoch kam es 15 Jahre später heraus, die Entwicklung dauerte dreimal so lange und vom Budget will ich erst gar nicht reden. Da aber Videospiel-Unternehmen, nicht nur Square Enix, genau wie Automobil- oder Maschinenbau-Unternehmen jedes Jahr einen höheren Gewinn erwirtschaften muss als im Vorjahr - das bedeutet Wachstum und ohne Wachstum keine Dividende für die Investoren - muss man gerade wegen solch aufwendigen Produktionen schauen, wie man das weiter so hinbekommt.

Jetzt kommen Microtransactions ins Spiel. Teilweise von neuen Firmen, die dadurch enorm Geld scheffeln (z.B. Supercell mit Clash of Clans oder King mit Candy Crush) oder die alteingesessenen (wie sogar Nintendo mit Fire Emblem Heroes). Die Alteingesessenen tun sich damit oft immer noch schwerer wie man insgesamt an EA sieht. Ihr Diablo F2P war natürlich ein Schuss ins Ofenrohr. Insgesamt mischen aber viele Firmen die Konzepte, teilweise sogar in Vollpreisspielen, was man dann an den Lootboxen sieht.

Dabei ist die Verteilung allerdings oft ungleich. Gerade wirklich "günstig produzierte" Spiele wie Candy Crush werfen ein Vielfaches an Gewinn ab als z.B. ein God of War oder Red Dead Redemption 2, die wiederum ein Vielfaches an Entwicklungskosten verschlungen haben. Allerdings scheinen sich auch hochwertige Vollpreistitel bis heute zu lohnen, weil auch viele Firmen es nicht einsehen, nur noch dem Sermon des Reichtums zu huldigen. In Deutschland, das ja noch nie einen richtigen Spieleentwicklermarkt hatte, sehe ich das mit Sorge. Ich kenne einige Entwickler in größeren Firmen, die sehr schlecht verdienen und sehr viel arbeiten. Teilweise sind die Stundensätze auf dem Niveau eines Einzelhandelsverkäufers, der jedoch nicht so viele Überstunden ableisten muss. Oft halten sich Firmen mit ihrer Mobilsparte über Wasser. Klar, ein Spiel, das nichts kostet, kann erst einmal von mehreren Menschen kostenlos heruntergeladen werden. Dadurch ist die Anzahl der Spieler um ein Vielfaches größer und wenn dann nur 2-3% Geld dafür ausgeben, ist schon mehr verdient, als mit dem einige Hunderttausendmal verkauften AAA oder AA-Titel ohne Mikrotransaktionen.

Einige Firmen versuchen dabei auf dreiste Weise die Konzepte zu verwässern. Ob das in den technisch drittklassigen Tales-Of-JRPGs Kostüme sind oder Levelaufstiege (ich finde Bando Namcai hier besonders dreist!!!) oder Lootboxen wie in Call of Battlefield... Daher ist es für mich ein kleines Wunder, dass ich immer noch Hochkaräter wie Red Dead Redemption 2, das Resident Evil 2 Remake oder Uncharted 4/ The Last of Us (2) zu normalen Preisen bekomme. Zwar bekommt fast jedes Spiel mittlerweile eine Erweiterung für meist noch einmal die Hälfte des Preises. Dieses Asset-Reuse ist jedoch mehr als nur finanzielle Schadenbegrenzung. Meistens bringen diese Erweiterung einen Mehrwert zu den ohnehin schon komplexen Standardversionen. Und damit bringt man indirekt das Preisniveau für teuer zu produzierende Titel in die Richtung 80/90/100 Euro, womit das Spiel dann mit den Erweiterungen zusammen inflationsbereinigt am Geldumsatz denselben Anteil einnimmt wie 1992.

Was man jedoch sagen kann, ist, dass diese Entwicklung auch Nachteile mit sich bringt. Dass Nintendo z.B. schamlos Ports von alten Spielen zum Neupreis und darüber hinaus für die Nintendo Switch anbietet. Das $quare €nix definitive Editionen von nicht mehr erweiterbaren Spielen ein Jahr später zum Neupreis veröffentlicht. Oder dass immer mehr Inhalte als DLC ausgelagert werden. Oder dass man Mikrotransaktionen in Vollpreis-AAA-Spiele integriert... Ich verstehe diese Entwicklung aus wirtschaftlichen Standpunkten. Als Spieleliebhaber oder meinetwegen Gamer bin ich jedoch sehr froh, dass dieses Vorbild nur langsam Schule macht und es immer noch genug Entwickler gibt, die sich dagegen positionieren.

In der Filmindustrie kann ich mich zum Beispiel seit mehreren Jahren an gar keinen interessanten oder besonderen Kinofilm mehr seit Grand Budapest Hotel erinnern. Man wird nur noch mit Seicht-Story.-Fortsetzungen oder Reboots oder Comic-Verfilmungen zugeschissen. Weshalb ich nur noch ein- bis zweimal im Jahr ins Kino gehe, was ich vor einem Jahrzehnt noch alle zwei Wochen gemacht habe.

Und bei der Musik brauchen wir gar nicht erst anfangen. "Ein neuer Hit auf 1Live/ WDR2..." Moment, das kenn ich doch? Oh, nein, doch nicht. Ist aber auch das gleiche wie Silberstolz-Andreas-Bourani-Max-Giesinger-Mannheimer-Depri-Deutsch-Pop. Und aus den Staaten? Ach so wieder so ne austauschbare Blacknummer... nur der Künstler ist neu. Wie gut, dass man heute immer noch die total unverwechselbaren Melodien von Billy Joel, Randy Newman, Joni Mitchell, den Beatles, den Carpenters, Frank Zappa und vielen vielen anderen jederzeit anhören kann.

Ich bin mir fast zu 100% sicher, dass früher die Popmusik ambitionierter gestaltet wurde, genauso wie bei den Videospielen. Wie bei Musik und Filmen gibt es auch bei Spielen mittlerweile eine Indie-Szene, die auch Experimente wagt, aber von ihren Möglichkeiten her eingeschränkt ist - genau wie bei Musik und Film!