Ich verspreche hoch und heilig, dass alles wichtige in dieser Kritik verdeckt ist. Wenn was nicht markiert ist, war es schon in den Trailern zu sehen.
Heilige Scheiße.
Hei.li.ge. Scheiße.
Ähm.
Okay.
Jungs.
Mädels.
Aufgemerkt. Ich prophezeie jetzt etwas. Es wird in diesem Jahrzehnt, und möglicherweise auch in so manchem folgenden, keinen besseren Actionfilm mehr geben, als Mad Max: Fury Road. Heilige Scheiße. Übrigens, bevor der Fluch noch öfter fällt, und das wird er in diesem Post zu 110%, schlage ich vor, ihr gewöhnt euch besser dran. Also: Keinen besseren Actionfilm mehr in diesem Jahrzehnt, es sei denn, George Miller schafft es auf irgendeine Weise, das, was ich heute Abend gesehen habe, noch zu toppen. Was ich natürlich hoffe, aber ganz ehrlich: Wer Fury Road gesehen hat - im Kino gesehen hat - der wird mir anschließend zustimmen, dass dieser Versuch echt brutal schwierig wird. Wer denkt, er kannte die Filmreihe Mad Max, darf sich jetzt mal selbst eine kleine Ohrfeige geben, denn er kennt gar nichts. Er kennt vielleicht die *alte* Mad Max-Filmreihe, aber mit Fury Road hat Miller etwas erschaffen, was sich in keinem Aspekt in die alte Filmreihe einordnet. Nicht einordnen will, und auch nicht einordnen kann. Auch der Aussage, der Film wäre ziemlich so wie der zweite Teil Road Warrior, muss ich energisch widersprechen. Miller hat etwas komplett neues erschaffen, etwas, das so unglaublich gut ist in dem was es tut und dem was es sein will, dass es keinen Zweifel gibt, dass sich von diesem Moment an JEDE EINZELNE Film-Verfolgungsjagd irgendeiner Art an Fury Road messen muss.
Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Fury Road ist 2 randvolle Stunden der besten Action, die ich jemals sehen durfte. 2 Stunden der kompromisslosesten Inszenierung und 2 Stunden der irrsten Einfälle, die ich je gesehen habe. Das Set Design und das Character Design sind jenseits von Beschreibung oder Erklärung - das muss man gesehen haben. Obwohl die Story so klapperdürr ist - "Eine Verfolgungsjagd in der Wüste, hell yeah, let's go", wird hier eine so reiche Welt geschaffen, die danach brüllt, ausgebaut und weitererzählt zu werden, dass es ein Fest ist. Dabei wird die Welt primär durch das Production Design aufgebaut. Die Welt von Fury Road ist nicht bloß Wüste, Explosionen und Dreck, sondern proppenvoll mit reichhaltiger Geschichte, ich möchte fast sagen, Lore. Und das ist wundervoll. Obwohl nichts davon explizit ausgebaut oder gar erklärt wird - was ja durchaus schade ist - fühlt sich der Zuschauer nach dem Genuss (Und das ist das Schauen dieses Films), als habe er gerade ein Opus vom Schlage eines "Dune" gesehen. Nur in der Atemlos-Version. Fast will ich von Dark Souls in der Wüste sprechen. In schnell. Und als Film.
Übrigens: Ich hoffe wirklich, dass von Fury Road ein Director's Cut veröffentlicht wird. Nicht, weil ich den Film gerne brutaler hätte oder noch mehr Explosionen und geschrottete Autos, sondern weil ich mir durchaus vorstellen kann, dass das, was hier im Kino läuft, eben nicht schon alles war, was Miller da in der namibischen Wüste zusammengedreht hat. Denn dem Theatrical Release merkt man hier und da an, dass an einigen Stellen gekürzt wurde - nicht bei der Action, von der gibt es bei Fury Road eben 2 knüllharte Stunden lang voll auf die Schnüss. Sondern bei erzählerischen Aspekten, Charaktermomenten, denn natürlich gibt es hier und da auch in diesem Film ein paar ruhige Szenen, sozusagen als Salatbeilage zum fetten Schnitzel mit Pommes und Soße. Diese Unterbrechungen der kreischenden, brüllenden Ur-Definition von perfekter Action sind immer kurz, nicht unnötig, werden aber zugegeben auch fast nie zur Charakterentwicklung genutzt - die größte Veränderung macht bei Fury Road noch Nicholas Hoult's toller Sidekick-Character Nux durch, der die ganze Palette abarbeiten darf: Vom Feind zum Freund zum Supporter zum Lacher zum Ladiesguy zum Rächer. Eine sehr tolle Figur, perfekt porträtiert. Und: manche Kritiken gaben an, Max selbst würde im Film hinter Charlize Theron's Furiosa die zweite Geige spielen, aber das ist mal einfach totaler Bullshit. Der Hauptcharakter ist weder Max noch Furiosa. Sondern die Action. Duh.
Aber es gibt da einen Knackpunkt: Bei den eigentlichen Figuren (nicht der Action) gibt es weder Haupt- noch Nebencharaktere. Jede einzelne Figur ist gleichzeitig beides. Wie das? Ganz einfach: Selbst die hinterletzte namenlose Nebenfigur mit bestenfalls einer Dialogzeile (Oft weniger, zuweilen gar nichts) erkämpft sich in diesem Film genau so viel Relevanz, Prägnanz und Daseinsberechtigung wie Max, Furiosa und ihr Widersacher Immortan Joe. Genau das meinte ich, als ich von der unfassbar toll designten Welt sprach. Heilige Scheiße. Die Odyssee, die in diesem Film abgefeuert wird, ensteht fließend aus sich selbst, erzählt sich und ihre Action sowohl während als auch abseits der Action ganz von allein. Da müssen keine tiefgreifenden Gespräche über die Vergangenheit eines Charakters wie Max oder Furiosa geführt werden. Auch wenn ich solche Szenen, wie oben erwähnt, in einem Director's Cut durchaus gerne sehen würde, und sei es nur, um dem Zuschauer mal eine Chance zum Durchatmen zu geben, so sind sie bei Fury Road in keinem Fall ein Muss. Wir erfahren nicht, wer das Kind ist, das Max immer wieder in Visionen heimsucht, wir erfahren nicht, wie Furiosa ihren Arm verloren hat, wir erfahren nicht, wie Immortan Joe zu dem monströsen, aufgedunsenen Despot wurde, der er ist. Ist das schlimm? Nein! Denn dafür bekommen wir trotzdem ein unerwartet reichhaltiges Universum. Wie bereits erwähnt: Der Film erzählt sich selbst, und Miller inszeniert dies so routiniert, als hätte er nie was anderes gemacht.
Auch durch die Dialoge definiert sich diese Welt. Max macht dem Terminator ernsthafte Konkurrenz, denn er spricht nur so wenig wie möglich. Wenn, dann ist es meistens ein Grunzen, dem man nur schwer entnehmen kann, ob er einer Sache gerade zustimmt oder nicht. Das wird in einer Szene übrigens sehr witzig auf die Spitze getrieben, in solchen raren Momenten zeigt der Film also sogar Humor, der aber - gemeinsam mit den Dialogen - seinerseits genauso verkrüppelt und entstellt ist wie die Bewohner dieser Welt. Die Verfolger unter Immortan Joe hingegen schreien, keuchen, stöhnen, lachen und lassen auf gut Deutsch so krass die Sau raus, dass man auch dadurch mehr von der Welt erfährt. Sie sprühen sich Chromlack in die Schnüss, um sich gegenseitig bis zur ekstatischen Besinnungslosigkeit aufzuputschen, begehen für Immortan Joe liebend gerne Selbstmord (Gefürchtet ist seine anschließende Benotung: "Mittelmäßig!"), oder faseln von Walhalla und der Tafel der Helden. Zusätzlich stoßen zu Immortans Truppen des Wahnsinns dann noch die Legionen seiner beiden Brüder dazu, die ihrerseits diese Welt noch zusätzlich vergrößern. Hört man am Anfang des Film lediglich von Orten wie Gastown und der Bullet-Farm, nehmen deren Bewohner bald aktiv an dieser unfassbar geilen Giga-Verfolgungsjagd teil. Dazu bekommen dann zwischendurch noch weitere autonome Gruppen wie die gnadenlosen Buzzards und die auf Motorrädern anrückenden Hill-Dweller kräftig auf's Maul - nur für den Fall, dass dem Zuschauer im Saal der Gedanke kommt, schnell mal Pipi machen zu gehen.
Zu diesem bald zu ungeheurer Größe anwachsenden Pulk von Verfolgern gehören dann auch interessante Nebenfiguren wie Ex-Wrestler Nathan Jones als Immortan's Sohn Rictus Erectus oder Angus Sampson als zynisch-brutaler Organic Mechanic. Riesenprops an dieser Stelle übrigens an Quentin Kenihan, der als Corpus Collossus (Diese Namen!) zwar auch nur eine Nebenrolle einnimmt, dafür aber seiner katastrophalen körperlichen Behinderung hart den Mittelfinger zeigt. Da sage noch mal einer, solche Menschen könnten nicht in Actionfilmen mitspielen, oder gar einen bleibenden Eindruck hinterlassen (Auch wenn er zugegeben nicht an der Action teilnimmt). Sehr großer kleiner Mann.
Im zweiten Drittel wird es außerdem Nacht, was aus Fury Road noch mal ein ganz neuen Film macht. Die Definition von Gelb / Ocker wird hier durch die Definition von Blau getauscht. Dann, in einer der besten und zugleich kürzesten Szenen des Films wird ein wattähnlicher Sand-Sumpf gezeigt, in dem verkrüppelte Menschen auf langen Stöcken an allen Vieren über die Oberfläche staksen auf der Suche nach Nahrung. Und es gibt nette Omas mit Snipergewehren, die reihenweise böse Dudes mit einer Kugel pro Dude zerficken. Auf Motorrädern. Heilige Scheiße. So geil.
Ich kann Fury Road gar nicht genug loben, deswegen hör ich jetzt auf. Fest steht aber, dass der Film ein Statement setzt: Dass handgemachte Action, bei der so richtig herrlich was kaputt geht, immer noch die absolut fan-fucking-tastischste ist. Und dass George Miller ein Action-Gott ist. Fertich.
11/10 Mio-Fäusten.
PS: Der Soundtrack ist genau so phänomenal wie der Film. Nachdem Junkie XL den zu Rise of an Empire meiner Meinung nach irgendwie versaute, hatte ich ein schlechtes Gefühl. Das verschwand aber sehr schnell als ich vorhin im Kino begeistert feststellen durfte, dass all die nicen Trailer-Themes Teil des Soundtracks sind. Heilige Scheiße, ist das gut.