Ich kann verstehen, wenn Leute diese Meinung haben, und werde deshalb auch nicht aktiv versuchen, Leute vom Gegenteil zu überzeugen – aber ich möchte an dieser Stelle trotzdem stichpunktartig meine Perspektive als Spieleübersetzer (JP/DE) teilen und erläutern, warum ich Übersetzungen japanischstämmiger Medien aus dem Englischen nicht per se verwerflich finde:
Negativbeispiel: Final Fantasy VII Remake
- Alle (oder nur fast alle?) Sprachfassungen nahmen das japanische Skript als Grundlage, was den – mir persönlich empfundenen – Nachteil beinhaltet, dass mehr oder weniger auch das hölzerne Writing des Originals übernommen wurde. Ich finde die Dialoge leider überhaupt nicht gut geschrieben, was wohl viel damit zusammenhängt, dass es an den meisten Stellen versucht, die typische Shonen-Manga-Story-Schiene zu fahren, was sich mit realistisch wirkenden Charaktermodellen und Umgebungen ziemlich beißen kann.
- Das Spiel erhielt eine deutsche Synchronfassung, was zunächst sehr löblich ist, aber mit einigen Problemen verbunden ist. An erster Stelle kommt natürlich – wie erwähnt – das Originalskript, das auch in Sachen Dramaturgie und Humor sich nur suboptimal in andere Sprachen übertragen lässt. An zweiter Stelle kommt die Lippensynchronisation, die auf der japanischen Synchrofassung basiert, da das englische Skript natürlich parallel zu den anderen Sprachen erst entstand. Japanisch ist leider eine Sprache mit ganz eigenem Tempo und Sprachpausen-Timing. Daraus resultiert, dass die deutschen Texte sich zusätzlich nochmal an dieser Schwierigkeit orientieren müssen, was leider teils zu noch hölzernen Dialogen führt, als im Original schon der Fall war.
- Das englische Übersetzungsteam, dem aus Kostengründen höchstwahrscheinlich viel mehr Priorität eingeräumt wurde als den anderen Sprachen, genoss den Luxus, eigenes Lip-synch zu bekommen, was eine viel freiere Gestaltung der Dialoge ermöglichte. Diese Möglichkeiten wurden auch intensiv genutzt, denn nur dadurch war ein immersiveres Spielerlebnis durch die übersetzte Fassung möglich. Die Charaktere sagen nachvollziehbarere Sätze, es gibt viele kulturelle Referenzen, die eine gewisse Vertrautheit in den Spielern wecken, und insgesamt wurde die Persönlichkeiten einiger Charaktere geringfügig angepasst, sodass sie weniger tropey und mehr wie echte Menschen wirken.
- Unter diesen Gesichtspunkten glaube ich einfach, dass wir mit einer Übersetzung aus dem englischen Skript ein viel besseres Spielerlebnis im Deutschen gehabt hätten, da sich Sprachtempo, Schreibstil und Humor einfach viel besser zwischen diesen Sprachen übertragen lassen, als aus dem Japanischen. Und das liegt nicht daran, dass das deutsche Übersetzungsteam einen schlechten Job gemacht hätte – ich finde es phänomenal, wie viel sie aus ihren erschwerten Bedingungen herausgeholt haben, da wir am Ende hierzulande immer noch eine stimmige Geschichte genießen konnten. Nur das volle Potenzial konnte von vornherein schon nicht entfaltet werden. Dafür hätte es mehr Freiheiten gebraucht – insbesondere beim Lip-synch, wofür es mittlerweile eigentlich mehr oder weniger funktionierende KIs gibt, die das geringfügig anpassen können.
Positivbeispiel: Dragon Quest
- Das japanische Originalskript verkörpert Shonen-Manga-Story-Writing schlechthin und ist zudem in sehr verständlich gehaltener Sprache gehalten, da die Zielgruppe sich bereits auf Kinder im Grundschulalter erstreckt. Frühere Übersetzungen haben zu Beginn versucht, die Medieval-Fantasy-Schiene mit Ye Olde Butcherede Englishe zu fahren, wodurch natürlich die Zielgruppe deutlich mehr eingeschränkt wurde und der Humor auch spürbar kürzer kam. Spätere Übersetzungen haben dann zumindest den Pseudo-Old-British-Aspekt verworfen, aber immer noch relativ nüchtern einfach das Skript übersetzt, ohne irgendwelche großartigen Ausschmückungen in der Zielsprache hinzuzufügen.
- Die Dragon Quest-Reihe erlebte mit Teil 8 einen Soft-Reset, was die internationalen Übersetzungsrichtlinien anging: Von nun an sollte ein britisches Skript als Grundlage dienen, das den märchenhaften Aspekt der Serie stärker betont und zudem voller Wortwitz und blumigen Vokabular steckt – von den Dialogen, über die Menüs, bis hin zu den Namen der Fertigkeiten. Das macht einen Großteil des Zaubers aus, den die Reihe sich mühsam bis zum Erscheinen den 11. Teils erarbeitet hat und auch letztendlich zum Erfolg im Westen beigetragen hat (behaupte ich zumindest).
- Die deutschen Fassungen wurde von Anfang bis Ende stets aus dem Englischen Skript gefertigt, allerdings ließen sich Schreibstil und Humor entsprechend viel besser übertragen – weiterhin schauen wir uns auch nicht alles stumpf ab und genießen immer noch viele geniale sprachliche Eigenheiten im Deutschen, die in der englischen Version so nicht vorkommen. Hätten wir (und womöglich die anderen Sprachfassungen) das japanische Original als Grundlage genommen und uns – wie es üblich es – originalgetreu daran gehalten, wären uns womöglich viele charmante Aspekte wie etliche Wortwitze, charakterliche Macken und Dialekte etc. abhandengekommen, die wesentlich zur Festigung der deutschen Identität von Dragon Quest beigetragen haben. Insofern halte ich es für eine gute Entscheidung, dass Dragon Quest bei uns nach wie vor aus dem Englischen übersetzt wird.
Ich könnte wahrscheinlich noch viel weiter ins Detail gehen, aber ich denke, dass ich die meisten hier damit nur langweilen würde und eigentlich schon genug geschrieben habe, um meinen Standpunkt darzustellen. Da das je nach Fall unterschiedlich sein kann, weiß ich natürlich nicht, ob Fire Emblem von der Übersetzung aus dem Englischen eher leidet oder profitiert, da ich mich noch nicht einhergehend damit beschäftigt habe. Mein Eindruck ist, dass das Writing in beiden Sprachen nicht sonderlich viel Profil besitzt und wir mit einer viel freieren, etwas fantasievoller gestalteten Lokalisation im Deutschen mehr Spaß an dem Spiel haben könnten, wofür es unerheblich wäre, aus welcher Sprache das Spiel nun übertragen wird.