Na was heißt hier Avantgardekram? Ich glaube es ist eine furchtbare Verirrung der Neuzeit so zu tun als müsse Literatur etwas völlig abstraktes, symbolhaftes oder selbstbespiegelndes sein, was auch dazu führt, dass ich so ziemlich das Meiste "Anerkannte" nach '45 auch ziemlich furchtbar finde, zumindest das, was ich gelesen habe. Lies doch mal Goethe, Heine, Hoffmann, Brecht usw. und du hast nicht Abstraktionsgebäude für symbolische Botschaften, sondern echte Handlungen, die nicht nur als Beiwerk oder Verschleierung wirken sondern eben den tatsächlichen Inhalt ausmachen und denen dann vielleicht noch Meta-Text beigegeben ist. Brecht kehrt das sogar mit am stärksten nach außen, womit du einen Text mit Botschaft hast, der dir gleichzeitig oder hauptsächlich über Handlungsgenuss vermittelt wird. Die Leute haben ein durchaus breites Publikum gefunden eben weil sie sich nicht in den Elfenbeinturm reiner Abstraktion zurückgezogen haben. Gerade Hoffmann hat das ja vermieden. Seine Darstellungen sind voller Leben.

Das Avantgardehafte des Romantikers ist ja auch mehr der Rückzug aus einer als oberflächlich empfundenen bürgerlichen Welt und die Abkehr von kühlem Vernunftdenken. Im Kater Murr gibt es wie gesagt Stellen wo es noch deutlich spießigere Figuren gibt als den satten, zufriedenen Kater zum Beispiel die Abendgesellschaft der Pudel wo ganz im Sinne von Cocktailpartys nur über dumme Belanglosigkeiten geredet wird und selbst der eher phillisterhafte Murr sich geistig furchtbar unterfordert vorkommt. Entsprechend man auch sagen kann, dass in Spießbürgern auch der künstlerische Geist wohnt und auch in künstlerischen Typen der Phillister. Nur der wahre Künstler, der sich von all dem emanzipiert gehört nicht mehr dazu, freilich aber - und da ist Hoffmann weiter als viele seiner Mitromantiker - so realistisch bleibt zu zeigen, wie der Künstler einerseits in seiner inneren Tiefe leidet und evtl. wahnsinnig wird (Sandmann/ Elixiere des Teufels) oder eben an der bürgerlichen Welt leidet, in der und von der er nun einmal lebt (Kreisleriana/ Murr) und gerade letzteres aber mit bitter bösen Karikaturen. Also das Eskapismus-Ideal nur ein solches bleibt und eigentlich auch nur dann etwas Wert ist, wenn man die bürgerliche Gesellschaft durchwandert. Und dieser Subtext ist eben eingewoben in eine ansonsten auch spannende Handlung, denn du willst immer wissen, wo es den Kater in seiner Biographie als nächstes hinzieht oder welche Intrigen bei Kreisler am Hof gesponnen werden und welche verzwickten Familiengeschichten da noch aufgedeckt werden.

Ich denke man erkennt schon das philisterhafte in uns allen, aber du wirst auch viele Aspekte finden, dass es immer noch spießiger geht ^^ Die Kreisleriana führen ja so etwas bitter böse vor. Kreisler der Musikunterricht für zwei ganz offensichtlich unbegabte junge Mädchen gibt, weil der Vater der Ansicht ist, dass Musik zum guten Ton gehöre, ohne sich aber selbst daraus allzu viel zu machen. So dass die Abendgesellschaft lieber Karten spielt als sich wirklich um das Musizieren von Kreisler und seinen Schülerinnen zu scheren. Es sind schon schöne Gesellschaftsparodien und manche haben ja auch heute noch ihre Aktualität. Es ist ja gerade das Spießige Dinge zu tun, weil sie gesellschaftlich erwartet werden, ohne das man ihnen selbst irgendein Interesse entgegen bringt oder gar einen Nutzen darin sieht. Man muss da nicht unbedingt immer mit einer literarischen Brille draufschauen. Man kann diese Karikaturen denke ich heute auch noch lesen und sich kräftig amüsieren, wie da ganze gesellschaftliche Gruppen durch den Kakao gezogen werden, gerade weil es noch so aktuell ist.

Den Satz kenne ich und den würde ich auch so unterschreiben. ich weis allerdings auch nicht, wer den zuerst geprägt hat.