Mal zeitgeistig. In der Mediennutzung ist seit Jahren ein Verhaltenswandel im Gange.
Zeitungen sind doof. Eine Redaktion schreibt vor, für welche Themenauswahl man sich zu interessieren hätte. Im Netz kann sich der in seiner Eitelkeit verletzte Konsument seine Inhalte hingegen selbst zusammenstellen.
Fernsehen ist doof. Nicht nur die Themen, sogar die Tageszeiten, zu denen man Interesse zu haben hätte, sind vorgegeben. Mediatheken und Youtube preisen sich stattdessen als Menükarte mit Individualisierungsmöglichkeiten an.
Tradierte Medienformate werden just von den Jahrgängen besonders häufig liegengelassen (oder gar nicht erst aufgegriffen), die zugleich besonders spieleaffin sind. Wieso schlägt sich das noch nicht im Auswahlverhalten beim Spielekauf nieder?
Die meisten Spiele abseits von Minecraft bieten die Individualiserung nur sehr eingeschränkt an. Hier mal den Schwierigskeitsgrad einstellen, dort mal zwei, drei alternative Enden. Und sonst? In den großen Spielen spielt man immer noch schön folgsam die Absichten der Entwickler nach, ganz so wie die Vorväter einst dem Fernsehprogrammgestalter folgten. Technisch ließen sich Spiele längst schon als weitgefasste interaktive Systeme mit entsprechend breiten Einwirkungsmöglichkeiten gestalten. Konzeptionell ebenso (s. Ludologie). Es gibt derartige Programme auch zu kaufen, doch bis auf Minecraft und seine Klone hat der Rest nur in der Nische Erfolg.
Ich hätte das so nicht gedacht, immerhin leben wir gesellschaftlich am Skalenrand des ausgebreiteten Selbstverwirklichungsstrebens und nicht wie weltandernorts am gegensätzlichen Extrem der reinen Überlebenstechniken. Selbst im Restaurant werde ich schon komisch angeguckt (Großstadt), wenn ich das Essen ganz ohne Variationsgewese genau so nehme, wie es in der Karte steht. Aber ausgerechnet bei Videospielen zählt noch: Es wird gegessen, was auf den Tisch kommt.
Kommt der Wandel ausgerechnet im jungdynamischen Bereich der Spiele erst verspätet an? Oder sind die aktuellen Spieler besonders konservativ? Oder - um auch den exotischen Fall zu formulieren - irre ich mich einfach?