Zitat von Daen vom Clan
Magst du mir vielleicht ausführen, was deiner Meinung nach zu kurz kam?
...
Gerne. Und sieh mir bitte die späte Antwort nach, die Festtage waren einfach zu trubelreich. Eins möchte ich aber noch vorausschicken: Auch wenn Kritik sicher meist stärker auffällt, ist dir und dem Team hoffentlich nicht entgangen, dass der große Teil meiner Meinungsäußerung Lob an Lob reiht (Inklusive Begründung; häufig ist es auch für mich als Spieler viel einfacher, den Umstand auszumachen, der hakt, als direkt zu erfassen, warum etwas so gut funktioniert. Umso wichtiger finde ich das argumentierende Lob.)
Ich nehme mal an, du meinst meinen Absatz zur Handlung, also will ich lieber einen Verderberschutz einbauen.
Es sind vor allem zwei Punkte, in denen ich die Sternenkindsage unter ihren zuvor selbst erschaffenden Möglichkeiten spielen sehe.
Der erste ist schnell beschrieben, weil er per ja/nein-Feststellungen umrissen werden kann. Die Ereignisfülldichte (um ein makertaugliches Wort für spielinhaltebergende Events einzuführen) ist im letzten Fünftel spürbar geringer als in den vorangegangenen Spieletappen. Ich weiß, die Zeitnot. In der erzählerischen Wirkung fällt der Unterschied halt auf und für mich ins Gewicht. Zuvor schöpfte die Saga aus der Fülle ihrer kreierten Welt, zum Schluss wird sie einsilbiger. Das dichtgewobene Netz narrativer Einfälle, die mich in den vorangegangenen 4/5teln so schön umgarnten, wird loser, lückenhafter, teilweise gänzlich leer.
Beispiel 1: Im Sumpf wurden viele Klickinhalte mit der Wiederholungstaste erstellt. (Kontrast: Bibliothek der Drachenhalle)
Beispiel 2: Im Heerlager vor dem Finale standen Männchen sogar ganz ohne Text herum. (Kontrast: Heerlager vor der Landung auf Bergenthorn)
Der zweite Punkt betrifft die zuvor so reichhaltig ausgearbeitete Motivation der kriegerischen Kultur mit ihrem Ehrenkodex, ihrem klaren Feindbild, ihrer Selbstsicherheit und ihrer Verankerung in der eigenen Geschichte. Und das lasst ihr auf den interessanten Einfall zulaufen, den wölfischen Feind als frühere Brüder zu enthüllen.
Was ich dachte: Seelenfriedentrubel ob der Auflösung der Gewissheiten, die zuvor im Brustton der Überzeugung vom dramaturgischen Personal regelrecht verkündet und von euch so mühsam wie ertragreich als Wertewelt glaubwürdig in die virtuellen Köpfe platziert wurde.
Was ich spielte: Beinahe widerstandslose Akzeptanz des Umsturzes der gewohnten Freund-Freind-Welt und damit Verunsicherung der eigenen ethischen Verortung. Lediglich Swenja führte sich wie ein Mensch auf. Sollte sie stellvertretend für alle Nordleute den inneren Konflikt ausleben? Ich vermute das als eure Absicht, aber dafür stößt die Heldentruppe zu früh wieder auf andere Menschen, denen ich eben nicht angemerkt habe, dass diese gerade eine Sinnkrise erfahren. Und das ist schade um das erwachsene Thema, das ihr eurem Spiel ganz zu Recht zugetraut habt. Gewissheiten lösen sich auf. Man kämpft nicht immer nur gegen den bösen Magier, manchmal auch gegen den eigenen Kopf und - schlimmer noch - das eigene Herz. Mit dem Herz meine ich nicht nur die mögliche Liebe Haakis zu Swenja, sondern das Gefühl emotionaler Geborgenheit in vertrauten Ansichten ganz unabhängig von ihrer Triftigkeit. Feuilletonistischer Einschub: Denke nur an die aktuellen Irritationen derer, die sich von den momentanen gesellschaftlichen Veränderungen bedrängt und überfahren fühlen. Die zuvor mit so viel Hintergrund und Liebe gezeichneten Menschen eurer Sage muten in ihrer Willfährigkeit plötzlich leblos an. Eine einzige Swenja funktioniert bei euch deshalb nicht so gut, weil euer ganzes Spiel zuvor die NPCs eben gerade nicht wie Szenenfüller ohne eigene Antriebe behandelt hat. In der Kritik steckt natürlich das Lob über die erreichte Fallhöhe.
Arsons Wolfidentität war fast gar keinen Kommentar wert, diese Wende beinahe verschenkt.
Darum mein Wunsch nach einer narrativen Vertiefung des Schlussteils vor allen denkbaren anderen Arbeiten. Mit der nötigen Zeit sehe ich das als relativ einfach lösbar an, denn das erzählerische Vermögen, die Hinwendung zu euren Figuren und das Interesse am eigenen Stoff habt ihr ja überreich.
All die Leeren und Einsilbigen, die im Schlussteil aufwarten, könnten mit dem Konfliktstoff gefüllt werden. Punkt 1 wäre somit das passende dienende Element, um Punkt 2 zu lösen. Womit? Nur mit Monologen voller Weh? Mal ein aus der Hüfte geschossener Vorschlag: Im finalen Heerlager können die Helden Überzeugungsarbeit leisten. Haaki hat die sozialen Talente für die Spielmechanik, die Geschichte schreibt sich die Inhalte fast von selbst. Als übergreifende Klammer könte es sich ja so arrangieren, dass die Armee des Finales umso mehr Sterne ins Feld führte, je besser Haaki und die Seinen gewirkt hätten. Dann gingen Spiel und Handlung Hand in Hand.
Plötzlich sollen Soldaten mit den Wölfen zusammen kämpfen? Und die Wölfe schlucken das auch einfach so? Der Krieg mit all seinen Verlusten war vertaner Einsatz? Die Freunde, Geliebten, Söhne vergossen ihr Blut für eine Einbildung? Das ist doch praller Stoff.