Ein sehr eindrückliches Spiel mit einer tief eingegerbten Persönlichkeit, die derart oft an so vielen verschiedenen Stellen zum Vorschein kommt, dass ihr von eurer am Werke gewesenen Leidenschaft gar nicht hättet reden müssen. Die spürt man, sieht man, liest man. Vor allem: liest man. Das Spiel ist ganz sicher auch akustisch prächtig und grafisch mit allerlei Hinguckern bestückt (dazu später mehr), doch vor allem das Wort macht für mich die Saga aus.

Kein Grafikblender, vielmehr ein Buchstabenwüstling, der mit barock erscheinender Lust am Überfluss die Satzschlangen eine Windung nach der anderen nehmen lässt, dachte ich damals noch, als ich zum ersten Male Kontakt mit der Demo aufnahm. Bereits in den damaligen Tagen legte sich dieser Eindruck und wurde durch einen ganz anderen Blick aufs Spiel ersetzt.
Einmal unterstreicht die Textfülle durchaus den epischen Charakter eurer Sage, denn ihr lasst die Möglichkeiten der Epik aufscheinen, wenn eure Charaktere wiederholt mit- und übereinander sprechen, als wären sie schon ins Legendäre entrückt. So ein Stilbewusstsein ist zugleich ein selbstbewusster Ausweis, der dem Baukasten RPG Maker klar den Stempel seines Anwenders aufdrückt. In der Form gelingt das beileibe nicht jedem. Und indem ihr die Tonlage überzeugend sagenhaft haltet, schafft ihr euch auch erst die Möglichkeit zur gekonnten Brechung. Es gibt Humor. Guten Humor – nicht nur sitzende Pointen, eben auch warmherziges Lachen.
Genau darin sehe ich den eigentlichen Charakter eures Spiels. In meinen Augen hat es keine direkte Botschaft, denn die hat nur, wer sich als (Ober)Lehrer geriert. Aber euer Spiel hat eine Haltung, eine warmherzige, verzeihende, verständnisvolle. Die hat es in den spielerischen Möglichkeiten, die mich nie drängen, gut zu sein, die jedoch fast immer der Empathie eine Tür bauen. Die hat es aber vor allem im Wort. Denn das ist für mich der Meta-Sinn eurer Textboxlängen: Lange, teils sehr Dialoge stehen bei euch aus der Grundhaltung heraus, es lohne, sich für den Anderen zu interessieren.


Natürlich ist die Sternenkindsaga kein Roman, dafür nimmt sie mich zu sehr als Spieler ernst und rückt mich erst sehr spät in die eher passive Rolle des bloßen Ablaufbetrachters. Mir hat die Spielmechanik Spaß gemacht. Vor allem das am westlichen Rollenspiel orientierte Charaktersystem mit seinen unterschiedlichen Erkundungsmöglichkeiten und eben von mir selbst geschaffenen -unmöglichkeiten hat es mir angetan. Ihr habt da etwas auf die Beine gestellt, mit dem ich mir selbst eine Freude machen konnte, wenn es mir gelang, einen weiteren Türöffner freizuspielen. Sind alle Talente und Fertigkeiten auf Augenhöhe? Meiner Meinung nach nicht. Sind sie in Profispielen aber auch nicht, also was soll's. Von Sinnesschärfe hatte ich mir insgesamt noch (ein unersättliches „noch“) mehr versprochen, dafür haben mich die alten Schriften überrascht, die wohl mein dickster Fangapparat für versteckte Talentpunkte und dergleichen wurden.
Beim Kampf könntet ihr mit Gewinn nachträglich an zwei Punkten ansetzen. Das System ist in sich eigentlich rund und gerade zu Beginn habe ich mich mit Neugier wie Enthusiasmus auf neue Gegner gestürzt. Schnelligkeit hat Einfluss, die Kampffertigkeiten kann ich selbst wählen und mir dadurch durchaus unterschiedliche Möglichkeiten und regelrechte Taktikketten bauen und der Kampf hat ein gutes Tempo; die Mischung aus Ausführungsdauer und Informationsübermittlung stimmt. Allerdings drohte mir der Kampf durch die zu geringe Herausforderung (1) und seine Einbettung ins Charaktersystem (2) im späteren Verlauf doch spürbar weniger interessant zu werden. Die Gegner sind zu schwach, die eigenen Fähigkeiten teils zu mächtig. Außerdem fehlen mir Erfahrungspunkte als Kampfbeute. Die sind ein mächtiger Rollenspielmotivator und in der Sternenkindsaga fragte ich mich mehr als ein paarmal, warum ich die Falken/Krabben/Spinnen dort vorne eigentlich angehen solle. Mit winkenden 5 Talentpunkten als Kampflohn (stets, nicht nur mal so sporadisch) wäre ich ganz anders angespornt gewesen, diesen Bestandteil eures Spiels auch häufiger zu nutzen. Verdient hätte er es.

Und was ist mit der Handlung? Ich fand sie einnehmend. Das soll nicht abgehoben klingen oder überheblich, ich nutze vielmehr diesen Begriff, weil er genau mein Empfinden wiedergibt. Ich war in der Handlung drin, die wesentlichen Protagonisten waren mir auch dann präsent, wenn sie die letzte halbe Stunde keinen Auftritt hatten und der Auflösung, den Schlenkern, Hinweisen und dem Gefährtengekabbel sowie ihren Freundschaftsbekräftigungen wohnte ich mit Neugier und mit Sympathie bei.
Aber ganz ehrlich? Ihr habt euch im letzten Viertel eine dramaturgische Steilvorlage selbst vorgelegt und ich sehe durchaus, wie die Zeitnot verhinderte, ein Traumtor daraus zu machen. Ich habe ganz viele Wünsche, Anregungen und egoistische Präferenzen, wie es sich als Freund eines Spiels gehört, das man sich in all den Stunden mögend angeeignet hat. Doch eine Bitte überwiegt: Falls ihr die Zeit findet, versucht auch den Schlussteil erzählerisch an die Wärme, an die Fülle und das Interesse heranzuführen, mit dem er das übrige Spiel so verzaubernd bedacht habt.

Liebe Pixler, Grafiker, Schöngeister und Artisten des digitalen Pinsels, bitte grämt euch nicht, wenn ich erst jetzt mein Lob über euch ausschütte. Euer Spiel hat halt auch noch die anderen erwähnten guten Seiten. Und es hat dank euch so viele schöne Stellen, so viele verharrenswürdige Details und manchmal war ich fast ein wenig grimmig, wenn die Zwischensequenz weiterlief, obgleich ich doch noch gerne länger auf die Zeichnung oder die Pixelei geguckt hätte. Nur ein Vorschlag: Lasst die Pixelanimationen eine oder zwei Stufen schneller laufen. In der derzeitigen Form kann ich jede Animationsstufe einzeln betrachten, weil sie lange genug verharrt. Das stellt schön die hineingeflossene Arbeit aus, aber ihr habt qualitativ so gut gearbeitet, dass ihr euch vor der flüssigen Animation nicht zu scheuen braucht. Die sehen gut aus, ich habe es mal probiert.
Wer hat eigentlich die Musik zusammengestellt, ausgesucht, eingearbeitet? Ein großes Lob. Vor allem das Lied der Zwergentaverne ist ein großer Griff.

Was bleibt zu einem Spiel zu sagen, das euch nicht nur schenkte, sondern auch etwas abverlangte? Mit Sicherheit eines: Vielen Dank für die Sternenkindsaga.