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Thema: [Shadowrun] Runde 2 - Unterwegs in Köln (ohne Burg)

  1. #1

    [Shadowrun] Runde 2 - Unterwegs in Köln (ohne Burg)

    Nach über zwei Wochen nach der >Einstiegs-Einstiegsrunde< wird es endlich mal wieder Zeit, eine weitere Runde Shadowrun anzuleiten,
    Denn in unserer kleinen Gruppe besteht das Problem, dass es inzwischen viel zu wenige Zeitpunkte gibt, in welchen alle Spieler gleichzeitig anwesend sind. Daher haben wir uns entschieden, diese Runde direkt im Forum zu veranstalten, sodass jeder posten kann, wenn er die Zeit besitzt. Natürlich kann dadurch die Runde von Studen auf Wochen gestreckt werden, aber ein Experiment ist es wert, und es ist soweit die einzige Lösung. Also besser ein Rollenspiel als kein Rollenspiel.

    Als eine kleine Anmerkung: Sollte sich diese Runde als Erfolg erweisen, bin ich gerne bereit, ein bis drei Spieler mehr aufzunehmen, was wegen der praktischen Stresslosigkeit in Forenrunden keine Nachteile mit sich bringt. Im Gegenteil: Mehr Spieler sorgen für mehr Postings, und damit für mehr Input und auch mehr Abwechslung (diverse aktuelle Spieler haben starken Bedarf nach mehr männlicher Gefolgschaft. ).

    Spieler:
    - MeTaLeVeL mit Sportadeptin Liasanya aka Jet
    - Nerduin mit dem Geisteskranken Chuck
    - Nonsense mit Schwertadeptin Nuo'sza
    - truecarver mit dem Mobsterführer Sahin
    - Zitroneneis mit Magierin Kiyori

    Die Steckbriefe der Charaktere sind >hier< zu finden.

    Einleitung:

    Es ist der 2. November 2073. Eine Woche ist seit der misslungenen Übernahme des Frankfurter Sportstadions vergangen, doch auf JackPoint, News-Matrix und Trid, Thread, Talk! wird weiterhin von Berichten, Zeugenaussagen, Theorien und zugehörigen Themen berichtet. Die Namen der Helden geraten dafür immermehr in den Hintergrund, sodass selbst Spitzensportlerin Jet kaum noch als Beteiligte wiedererkannt wird. Alltag stellt sich ein, erste Schneeflocken fallen aus europäischen Wolken. Wo aber kein Weiß auf den Straßen zusehen ist, machen sich dagegen besonders viele SoyChoNikoläuse in Schaufenstern und AR-Holoreklamen breit; Konzernmänner dirigieren Drohnen das Anbringen von Dekorationen, und die ersten Zivilisten wechseln auf Winterreifen, wenn sie nicht gerade die flexiblen teuren Saeder-Krupp Frostheat-Reifen® ihr Eigen nennen können.

    Für Kiyori:
    Standort: Rhein-Ruhr-Megaplex, Stadtteil Köln. Es war absehbar, dass sich die konzernpräsenten Metropolen des Allianzlandes Nordrhein-Ruhr im Laufe der Jahrzehnte immer weiter zusammenwachsen, bis sie heute kaum mehr wie getrennte Städte behandelt werden, sondern als ein zusammenhängender immenser Metroplex an Wohn- und Industriegebieten mit einer Bevölkerungsmenge von 26 Millionen Einwohnern behandelt werden. Vorherrschend ist der deutsche AAA-Megakon Saeder-Krupp (der nebenbei ein wichtiger Sponsor von >Combat Biking< ist), was gerade den tiefen deutschen Westen zu einem Kerngebiet für Karossenobsession und Bedarf an Fahrzeugreparaturen und Pimping aller Arten macht.
    Kiyori, in moderner Mechanikerkluft, wartet auf ein einige Menschen und Metamenschen der unterschichtigen Nachbarschaft, die den ein oder anderen günstigen Ölwechsel oder Stoßdämpferprüfung nötig haben - wenn nicht sogar eine aufwendigere, heftige Reparatur? Ausmerzen von Einschusslöchern?
    Sie kann in der Ferne Sirenen der Streifenwagen vom Polizeikonzern Knight Errant Security ausmachen - doch sie stört sich nicht daran, da die Justiz konstant mit Gangs, ungehobelten Ghulen und Machenschaften der einflussreichen Gasperi-Familie beschäftigt ist, der aktuell auch die gestrige Niederbrennung einer Raffinerie vier Straßen weiter zugeschrieben wird.
    Wobei...ist es nicht ihr altbekannter humorvoller Nachbar Aley Dietski, der mit seinem klaffenden alten Mitsubishi aus der Richtung hertruckert?

    Für Jet:
    "Miss Dearing, sind Sie sich sicher, dass Sie solche Umkosten auch nur in Erwägung ziehen, jetzt, da nun die Frankfurter Veranstaltung ausfiel und uns nun mit reinen Ausgaben dastehen lässt?" Liasanya kann nach dem Vorfall im Stadion auch dem Frankfurter Flughafen nicht mehr trauen, weswegen sie einen Sicherheitsflug am Kölner Flughafen arrangierte und bis zum Eintreffen in zwei Tagen ein Hotelzimmer mietete. Sie wird jedoch auch ihren Manager konsultieren müssen, in welchen Veranstaltung sie die Verluste wieder einholen kann. Ihre 50.000 Nuyen Taschengeld machen da leider nur ein Bruchstück der Schulden aus.

    Nach wenigen Stunden Fahrt sind bereits die "Stratosphärenkratzer" des Megaplexsüdens Köln zu sehen. Industriegebiete mit Wind- und Solarkraftwerken, gewaltigen Fabrikhallen, systematischen Wohnarkologien und Schloten von Verbrennungsanlagen, Raffinerien und Schmelzen machen vom äußeren Eindruck her nahezu ein Dritttel der Stadt aus. Am Horizont reflektieren die förmlichen Glasmauern der regionalen Bürogebäude von Weltbanken, Industriekonzernen und Datenfirmen den gas- und schneewolkenbedeckten Himmel des Metroplexes. Etwas verborgen vor den Augen der Autobahnfahrer sind die zivilen Wohngebiete Kölns zu sehen - die begärtneten Suburbs der Mittelschicht, dahinter die grauen Wohnblocks der Arbeiterschaft, übergehend in verlassene Teile der abgesonderten Bevölkerung, darunter viele SINlose Versager der Gesellschaft, untertauchender Krimineller und depressiven Ghulen, die sich zwingen, nicht am Fleisch bedeutsamerer Menschen zu nagen.

    Als Athletin hoher Professionalität hat sich Jet nie richtig Gedanken über die Gesellschaftsschichten unter ihr gemacht, doch gerade in Industriekernen von weltbedeutsamem Niveau wird das Elend erkenntlich, mit dem sie sich ihr ganzes Leben lang nicht konfrontiert fühlen musste. Ihr versteckt-gepanzertes Taxi trifft im den Oberschichtsbereich Kölns ein, an deren Kontrollpunkten autogrammbettelnde Wachen das Taxi durchwinken. "Wir sind eingetroffen, Miss Dearing. Was soll Ihr nächstes Ziel sein?" Eine Stadt mit einer kulturellen Vielfalt, wie es nichteinmal das Tokio und New York vor 60 Jahren kombiniert hätten bereitstellen können, bietet sich Liasanya nun an. Doch just in dem Moment trifft ein Anruf eines unbekannten Kommcodes ein. Die ersten Zahlen werden vom Kommlink als Anruf aus dem Unterschichtsachtel registriert. Wer mag nur an ihre Nummer herangekommen sein und von einem solch niveaulosen Stadtteil aus anrufen?


    Für Nuo'sza:
    "PISLIKES GÓWNOHR!" - Die Söldnerin jagt dem dialektschmeißenden Kölner durch die Gassen des Arbeiterachtels hinterher, um ihn wegen seiner Involvierung in internationalen Anschlagsversuchen zu stellen und festzunehmen. Sie verfolgte ihn schon seit einem halben Tag von der Pariser Stammkneipe aus bis hin nach Köln. Denn ein Übeltäter mit großem Strafregister und Informationen über den Frankfurter Vorfall ist er definitiv eine Goldgrube, die es wert ist, geschnappt zu werden.
    Aber der halbvercyberte Verbrecher möchte keine Ruhe geben, und wirft unterwegs Mülltonnen um oder springt über zivile Fahrzeuge, um Nuo'sza das Verdienen ihrer Brötchen genüsslich und herausfordernd zu erschweren. Doch eine hartnäckige Dunkelelfin hängt keiner so leicht ab; Nuos Gerissenheit bringt sie sogar dazu, das Stahlseil einer Putzplattform noch im Rennen zu durchtrennen und sie in den einzigen Weg des Mörders stürzen zu lassen, sodass dieser gezwungen ist, die Hintertür eines indischen Bistros in der Gasse einzutreten und sich dort irgendwo zu verschanzen. Doch kann Verstecken eine Lösung gegen eine profesionelle Söldnerin sein?

    Geändert von relxi (11.01.2015 um 22:02 Uhr)

  2. #2
    Erschöpft aber zufrieden ging Nuo'sza ebenfalls auf die Hintertür des Restaurants zu. Sie musste jetzt nicht mehr hetzen, er saß in der Falle. Mit gestutzten Lippen ob des lästigen Terroristen, der ihr in den vergangene Stunden immer und immer wieder wie ein Fuchs durch die Finger geglitten war, trat sie in den engen Korridor ein und spitzte zunächst die Ohren. Das wäre ein guter Zeitpunkt, ihre um ein vielfaches schärferen Sinne einzusetzen, um ein unregelmäßiges Keuchen oder Ähnliches aufzuschnappen. Gleichmäßig ausatmend schloss Nuo'sza die Augen und konzentrierte sich ganz auf ihr Gehör.

    *Probe*

    "Ugh... ekelerregende Menschenküche. Bei diesen ganzen Dämpfen, Düften und Aromen vernebelt es sogar mir die Sinne, nuo.
    Dann eben ganz klassisch..."

    Entnervt bog sie in einen der Flure des Gebäudes ein, doch natürlich dauerte es nicht lange, bis ihr der erste Mitarbeiter entgegen kam und sich skeptisch vor ihr aufstellte. Könnte sogar der Chef sein, dachte sie sich.
    "Nichts zu suchen hier! Machen Sie sich raus, los los, nichts zu suchen hier!"

    Sie zog ihre rechte Augenbraue nach oben wie ein Spieler seine Marionette, und legte fragend den Kopf zur Seite.
    "Du verstehst wohl nicht recht, was hier gerade passiert, mein Kleiner...", er war einen guten Kopf kleiner als Nuo'sza, und das nutzte sie natürlich schamlos aus, "ich bin eine Söldnerin im Auftrag von Ares, und der sympathische Türentreter, der euch gerade beehrt, ein international gesuchter Terrorist, nuo. Du würdest also gut daran tun, mir nicht im Weg zu stehen, ja mir sogar behilflich zu sein...?"

    Abwehrend schüttelte er seinen Kopf und verschränkte die Arme.
    "Ja, und ich bin Gott von Indien. Schieben Sie schönen Arsch hier raus, dalli dalli!"

    Die Dunkelelfin schüttelte innerlich den Kopf. Hier musste etwas Überzeugungsarbeit geleistet werden. Normalerweise kein Problem, aber diese Hatz dauerte schon lange genug, so langam wollte Nuo'sza Ergebnisse sehen. Doch das gehörte nunmal auch zu ihrer Arbeit...

    *Probe*


    Ihre Augen fingen an, in einem bedrohlichen Rot zu leuchten, das Lächeln wich aus ihrem Gesicht und ehe der Restaurantbesitzer sich versah, wurde er von Nuo'szas Zeigefinger auf der Stirn an eine Wand gedrückt, ihren grimmigen Ausdruck direkt vor sich.
    "Ich mag es nicht, wenn andere nicht mitspielen... gerade, wenn es um solche Bälger wie Terroristen geht, nuo. Der obere Vorstand von Ares, der dir sicherich ein Begriff ist, bat mich in aller Diskretion, diesen Knirps aufzuspüren und aus dem Verkehr zu ziehen. Du bist ein kluger Mann, ja ein aufrichtiger Mann, das kann ich sehen... du willst dein Restaurant von Ärger fernhalten und der guten Sache nicht im Weg stehen, nuo...?"
    Sie fixierte ihn weiter, konnte die Nervosität in seinen Augen sehen, das war eine gute Entwicklung, weswegen ihr Blick unverändert säuerlich blieb.
    "Ich bin dazu im Stande, diesen Terroristen ruhig und diskret aus deinem Etablissement zu entfernen, nuo. Das ist für mich eine kleine Leichtigkeit, und weder dir noch deinem Restaurant passiert etwas. Kein Ärger mit Ares und keine... Unkosten, nuo.
    Klingt das nicht wirklich verlockend, ja? Aber wenn du mich weiter anschweigst, mein zitternder, kleiner Held, könnte ich, trotz meiner schier unendlichen Anmut und Güte, ungehaltener werden und eine Informations-Beschaffungsmethode anwenden, die wir Dunkelelfen nicht so gerne erwähnen, nuo. Bitte... sei lieb und sag mir am besten alles, was dich bedrückt, würdest du? Er hat sich hier versteckt, da er dich für dumm hielt, doch da hat er sich geirrt, nuo?"


    Er nickte übereifrig. Das Leuchten in Nuo'szas Augen erstarb, ihr bedrohlicher Ausdruck verwandelte sich in ein leichtherziges Grinsen und sie nahm den Zeigefinger von der Stirn des Mannes, der einen roten Punkt hinterließ.

    Er atmete tief durch und musste sich wohl ersteinmal sammeln, dann war er offenbar zum Reden bereit, mied aber ihren Blick, was Nuo'sza amüsiert verstehen konnte.
    "T-tut mir leid, dass ich nicht gesagt... wollte ja nicht Gesetz und große Konzern und schöne Dunkelelfin im Weg stehen, nein nein, bin kluger Mann, in der Tat. Gab gutes Trinkgeld, der Bursche...", zögerlich sah er auf, bemerkte zwar, dass Nuo'sza noch lächelte, suchte mit den Augen aber gleich wieder den Boden, "dürfen mich nicht verurteilen, habe nicht viel Geld, muss Familie ernähren. Wir brauchen jeden Credit. Er versteckt in Kühltruhe. Keller."

    "Ich verstehe. Das ist eine schöne Information, nuo. Ich danke dir dafür, du hast etwas Gutes getan."
    Nuo'sza setzte sich Richtung Kellertreppe in Bewegung, stoppte jedoch kurz, als sie an dem Mann vorbeilief, um ihm etwas ins Ohr zu flüstern.
    "Ich zeige immer meinen Dank, nuo. Und die Weißwölfin vergisst nie eine rechtschaffende Tat, ihr Segen für dein Restaurant wird dir sicher sein."
    Sie schob ihm ein paar Credit-Sticks in die Tasche und setzte ihren Weg dann fort.


    Im Keller-Kühlraum...


    Die Klappe der Kühltruhe wurde aufgerissen, der Terrorist wollte panisch aufspringen, als drei Finger ihn ins Gesicht stachen und ihn erneut in seine Liegeposition drückten. Als er die Augen öffnete, sah er die Dunkelelfen-Söldnerin mit einem Schmunzeln über sich stehen.

    "Huhu. Du lässt dir eine Dame ja wirklich lange hinterherlaufen, nuo..."

    Er strampelte und schlug um sich, kam aber nicht aus der Kühltruhe heraus. Es war nicht so, dass sie ihm mit besonders viel Kraft gegens Gesicht drückte - sondern an besonders empfindlichen Stellen, an denen ihre langen Fingernägel ihn nicht so leicht freigaben. Nach ein paar Sekunden gab er es auf und blieb resigniert liegen.

    "So schnell...? Nun konntest du so lange rennen und dann dieser enttäuschende Höhepunkt, nuo."
    Neckte sie ihn.

    "Was willst du, Holzhaut?!" Blaffte er sie an, gedemütigt von der erniedrigenden Situation.

    *Probe*

    "Oh, ich möchte alles. Sag mir etwas über dieses, sag mir etwas über jenes, denn mit jedem interessanten Stückchen steigt die Chance, dass du diese Kühltruhe nochmal verlässt, nuo."
    Etwas Sadismus, etwas Kaltblütigkeit, etwas Unbeschwertheit arbeitete Nuo'sza in ihren Tonfall ein. Dass sie ihn niemals schwer verletzen, geschweige denn umbringen würde, brauchte er ja nicht zu wissen.

    Einige Sekunden lang sah er ihr unsicher in die Augen, überprüfend, ob sie es ernst meinte oder er sich freilabern konnte. Zu Nuo'zas Glück kam er zu ersterem Schluss.
    "Aber du lässt mich dann gehen, ja...? Wenn ich dir etwas über die Sache in Frankfurt und... mehr erzähle?"

    "Ich werde dir keines deiner schönen, schwarzen Haare krümmen, das verspreche ich dir bei der Weißwölfin, nuo. Ich hö~re?"

    Nochmal stöhnte der junge Mann und rang mit sich, aber letztendlich fing er an, zu reden.
    "Ich habe in jüngerer Zeit an mehreren Anschlägen teilgenommen, größtenteils auf sportbezogene Personen. Wir sind ein größeres Netzwerk, verstehst? Habe aber nur ein paar mir bekannte Komplizen, auch alles nur kleine Fische. Die richtigen Verbrecher, die ihr wollt, kennen wir natürlich nicht..."

    "Weiter."
    Erwiderte Nuo'sza trocken.

    "Jaja... mensch... so eine Scheiße, das... jetzt hör auf so zu drücken, ich red ja schon... ngh...! Der Troll, der auch in Frankfurt zum Einsatz kam... hat mich gestern Nacht noch angerufen, als ich vor dir... hier nach Köln geflohen bin. Hat gesagt, ich solle mich mit einem anderen Attentäter treffen, der es auf eine berühmte Sportlerin abgesehen hat."

    Skeptisch kniff Nuo'za ihre Augenbrauen zusammen.
    "Warte, Kleiner... der Troll aus Frankfurt? Ich bezweifle das, nuo. Nachdem wir mit ihm fertig waren, ruft der niemanden mehr an."

    "Keine Ahnung!"
    Murmelte er nur.

    "Fein. Erzähl mir etwas Schönes über diese Sportlerin."


    "Sie... ist ne' Halbelfin. War glaube ich auch in Frankfurt. Schauspielern tut sie, aber ist eine Sportlerin. Hieß glaube ich... Himalaya oder so."


    Die Dunkelelfin nahm ihre Hand von seinem Gesicht und pfiff.
    "O~ho! Wenn das mal nicht etwas ist, das ich einen Zufall nennen würde, nuo! Das kleine Spitzohr, huh? Sicher bist du ein reumütiger Gentleman, der mir ihren Standort verrät?"

    Er tat es, und als er fertig war, wusste Nuo'sza alles, was sie für ihre nächsten Schritte brauchte.

    "KANN ICH JETZT GEHEN?"
    Brüllte er noch immer in der Tiefkühltruhe liegend.

    "Ich muss dir irgendwie meinen Dank zeigen, kleine Schwarzlocke... mach es dir gemütlich, ich lasse dich abholen, nuo."

    "Was zum-"

    Sie knallte den Deckel der Tiefkühltruhe zu und schob den Riegel vor. Über die erstickten Flüche und Morddrohungen beim Verlassen des Kellers konnte Nuo'sza nur vergnüglich summen.


    ...


    "Ja, er liegt in einer der Tiefkühltruhen dieses Restaurants. Sie können ihn gemütlich abholen, nuo. Nein, ich muss weiter, eine dringende Angelegenheit. Überweisen sie es einfach auf mein Konto. Ja. Nein nein, das ist in Ordnung, nuo. Vielen Dank."
    Zufrieden beendete die Teenagerin ihr Gespräch mit ihrem Kontakt bei Ares und steckte den Kommlink zurück in ihren Mantel.
    Nuo'sza atmete mit der Nase einmal tief ein und aus, lächelte und setzte sich rennend in Bewegung.
    Wer hätte gedacht, dass aus einer nervigen Verfolgung eine spannende Rettungsmission wird?
    Oh, manchmal LIEBE ich das Leben mit seinen pointierten Wendungen, nuo!

    Geändert von Holo (15.11.2014 um 18:12 Uhr)

  3. #3
    Nuo'sza rannte und rannte und rannte.

    Und wie sie so rannte mit ihrem fast schon gelähmten Dauergrinsen, könnte man meinen, übersah sie eine kleine, tückische Bohnendose auf dem Boden unmittelbar vor ihr. Es kam, wie es nicht anders kommen konnte: Ihr Fuß blieb daran hängen und Nuo'sza stürzte eindrucksvoll in den Dreck, flog im biblischen Ausmaß auf die Fresse und war wenige Sekunden später schon die Lachnummer der ganzen Straße. Weg war es, das dämliche Grinsen.

    "Auuu... was bei Holo war denn das, nu-"
    Sie konnte ihren Sprachfehler nicht beenden, da ein Auto in diesem Moment an ihr vorbeifuhr und sie mit der ganzen Liebe einer Pfütze eindeckte, die sie auf dem Gehsteig überrollte wie ein frischer Tsunami Tokio. Keuchend spuckte Nuo'sza das Brackwasser aus und versuchte ersteinmal, wieder hochzukommen. Hilfe hatte sie von niemandem zu erwarten, als Dunkelelfin, die hier keiner kannte. Im Gegenteil, überall blitzten Kameras vor belustigten Touristengesichtern auf.

    "Sieben Schwarzhöllen... was für eine elende-"
    Kleine Flüche bestrafte die Weißwölfin sofort, wie Nuo'sza im Nachhhinein feststellte, als ihre langen Finger am teilweise gefrorenen Weg abrutschten und ihr spitzes Kinn einmal mehr Bekanntschaft mit erstklassig hergestelltem Straßenteer machte.

    Vorsichtiger diesmal, doch schon deutlich zitternd wegen der durchnässten Sachen, erhob sie sich wieder. Die Dunkelelfin stand kaum aufrecht, da rannte ein junger Kerl an ihr vorbei, rammte sie und stürmte in eine Gasse. Sie schüttelte ihren Kopf vom Wasser frei und griff sich dann in die Manteltasche - Ihr Reiseportemonnaie war weg.
    "H-HEY, MOMENT MAL, NUO!!"

    So schnell sie konnte preschte sie hinterher, bog in die Gasse ein und hatte sich an vielen entgegenkommenden Bewohnern vorbeizudrängen, ehe sie unvorsichtigerweise ein Absperrband durchlief und den langen Flug durch einen offenen Gullideckel antrat, der mit einem herzhaften Platsch! endete.

    Wie es der Zufall so wollte, entleerten die Besitzer der umstehenden Marktstände ihre Bio-Abfälle genau in diesem Moment in jenen Gullideckel, wobei eine stattliche Masse zusammenkam. Ein paar Hunde hoben darüber sogar das Bein und ließen der Natur freien Lauf.


    Ja, heute war wirklich nicht ihr Tag, und das, obwohl er so erfolgreich angefangen hatte...

    Geändert von Holo (16.11.2014 um 14:05 Uhr)

  4. #4
    Und es war auch nicht der Tag für die Teufelsratten, die sich für den Winter häuslich in der Kanalisation einrichteten, nur, um von Nuo'szas wütendem Voranstürmen durch die engen subterranen Korridore vertrieben oder in abfließende Rohre getreten zu werden. Sie lief schon seit etwa einer halben Stunde durch die Kanalisation, sich dabei stets an den Augmented-Reality-Ortskarten ihres Commlinks zu orientieren und den Standort aufzusuchen, an welchem sie am ehesten Liasanya antreffen und warnen, wenn nicht sogar retten kann.
    Und schon fand sie auch schon einen Deckel, der ihr verspricht, beim Zielort im oberständischen Stadtteil Kölns herauszukommen. Sie sprang wie ein beutelustiger Tieger an die Leiter der Kanalisation, schubste hier und da einige kleine wandkriechende Riesennacktschnecken und Analysedrohnen beiseite, und grinste in Autorisierungskameras, bevor sie nach deutlichen und gestikreichen (auf einer Leiter etwas unangenehm) Erklärungen ihrer Mission endlich an die Oberwelt gelassen wurde. Um dort, nach vorsichtligem Drehen ihres Kopfes und Beobachten der Umgebung, festzustellen, dass ein vertrautes Gesicht gerade irgendwo in die Ferne starrt...Kiyori?

  5. #5
    Es schien ein Tag wie so viele andere in Kiyoris Leben.
    Am Morgen war sie mit leichten Kopfschmerzen, Übelkeit und einem widerlichen Geschmack auf der Zunge durch ein beharrliches Miauen geweckt worden, verschlafen aus dem Bett getorkelt und hatte sich noch beim Einfüllen des Katzenfutters in den kleinen, rosafarbenen Napf geschworen, nie wieder irgendetwas auch nur minimal Alkoholhaltiges - und sei es Orangensaft - anzurühren.
    Obwohl noch nicht einmal Mittag gewesen war, hatten sich bereits einige Nachrichten angesammelt, die Kiyori durchging, während sie sich die kalten Reste der Pizza vom Vorabend aufwärmte.

    Kiyo?
    Bist du immer noch eingeschnappt?
    Hör mal, ich finde das echt nicht in Ordnung!
    Ich mache mir Sorgen um dich, ja?
    Und ich habe keine Lust, dir immer alles aus der Nase ziehen zu müssen.
    Du bist da genau wie dein Vater!
    Melde dich mal bei mir.


    Seufzend hatte Kiyori die Augen verdreht.
    "Ja, Mama, zu Befehl, Mama", in ihren imaginären Bart gemurmelt.
    Langsam tat es ihr leid, ihrer Mutter überhaupt ein Souvenir von ihrem Frankfurt-Ausflug mitgebracht zu haben.
    Am Ende kam nie ein Dankeschön sondern immer nur Klagen über alles.
    Weil sie sich nicht fünfmal die Woche meldete, ihr Herz nicht auf der Zunge trug, sich noch keinen Mann geangelt hatte oder auch nur, weil sie nie Bilder ihrer Katze schickte.
    Bei allen Entscheidungen, die Kiyori jemals bereut hatte - der Auszug aus dem Elternhaus gehörte nicht zu ihnen.
    Mit zusammengepressten Lippen hatte sie sich der nächsten Nachricht gewidmet.

    Hey, Kiyori.
    Ich ... öh ... ich wollte fragen, ob mein Radio schon fertig ist, weil ... naja, ich brauche es halt morgen Nachmittag.
    Kann ich später mal vorbeikommen und es abholen?
    ...
    Ach, weißte was, ich, äh, ich mach’s einfach?
    Bin eh in der Gegend.
    Hab hier noch ’n paar Flaschen Bier da - schmeckt gar nicht so schlecht.
    ...
    Öh, du magst sowas doch, ne?


    Das Radio war schon seit dem vergangenen Nachmittag repariert gewesen.
    War insgesamt erstaunlich gut erhalten, hatte nur eine winzige, leicht zu behebende Macke aufgewiesen.
    Wobei Kiyori sich immer noch fragte, was ihr Nachbar mit dem alten Ding wollte.
    Er war ihr nie wie ein Antiquitätenliebhaber erschienen - oder wie jemand, der wusste, wie man daraus Geld machte.

    Die verbleibenden Nachrichten hatte Kiyori sich relativ desinteressiert angehört, eher, um sich von dem Geschmack der labberigen Gyros-Pizza abzulenken.
    Soy-Gyros.
    Die Ewigen Diskussionen ihrer Eltern zu diesem Thema waren ihr gut im Gedächtnis geblieben.
    Ihr Vater war ein vehementer Feind künstlicher Lebensmittel jeglicher Art gewesen, während ihre Mutter vor allem auf die Finanzen geschaut und gerne auf qualitative Ernährung verzichtet hatte, wenn es dafür der ein oder andere kleine Luxus erhalten geblieben war.
    Kiyori hatte indes auf beiden Seiten schon Entbehrungen hinnehmen müssen und festgestellt, dass man sich an alles gewöhnen konnte.
    Obwohl aufgewärmte Soy-Gyros-Pizza am Morgen schon einen Tiefpunkt darstellte - besonders für eine Frau, die vor kurzem unerwartet ein halbes Vermögen erlangt hatte

    Und nun stand Kiyori vor ihrer Garage und beobachtete gedankenverloren die vorbeiziehenden Menschen.
    Sie fühlte sich von ihrer gestrigen Kneipentour noch immer etwas ausgelaugt und glaubte nicht, dass sich daran noch viel tun müsste.
    Innerlich spielte sie schon mit dem Gedanken, die Arbeit für heute ruhen zu lassen - viel Kundschaft kam ohnehin nicht vorbei - und sich wieder hinzulegen.
    Doch nicht einmal dafür brachte sie heute die Motivation auf ...
    Aus der Ferne glaubte sie, einen ihrer Nachbarn zu erblicken, und wollte schon - eher aus Reflex, denn aus Wunsch nach Smalltalk - grüßend die Hand heben, als sie eine Bewegung aus den Augenwinkeln wahrnahm, die sie herumfahren ließ.
    Fassungslos schaute sie dabei zu, wie jemand aus einem Gully hervorkroch.
    Und sie hatte die ungute Ahnung, dieses Mädchen schon einmal gesehen zu haben ...

    Geändert von Zitroneneis (28.11.2014 um 23:46 Uhr)

  6. #6
    Keuchend und mit letzter Kraft zog Nuo'sza sich aus den kollektiven Nachbarschaftsresten über den Gulli und blieb zunächst einige Sekunden lang sitzen, um zu verschnaufen. Zum Glück, so dachte sie sich, war sie hier schon in einer weniger belebten Hintergasse, und konnte ohne übermäßig viele, unnötige Blicke Kraft tanken. Weniger glücklich war der Umstand, dass ihr guter, alter Ledermantel wie auch ihre Stiefel, Socken und Haare über und über mit Unaussprechlichem beschmiert waren und sie wie ein orkischer Puff nach der Happy Hour roch. Das geklaute Reise-Portemonaie machte die Situation ohnehin nicht nennenswert schöner, auch wenn darin nur ein paar Credit-Sticks gewesen waren. Wie immer zwang sich die Dunkelelfin trotz aller Umstände zu einem schiefen Lächeln.
    "Das ist nun wirklich kein Problem. Wo ich schon alles drinsteckte...
    War wohl schon in jedem schmutzigen Loch dieser Erde, was macht da ein Gulli mehr oder weni-HAASCHUH! Uhh..."
    , der Rotz lief ihr aus der Nase und ihre Beine mussten auch noch anfangen, zu zittern, "ja, fein... habe es verstanden, nuo. Mir ging es vielleicht schon mal besser, Weißwölfin. Jetzt hör auf, mich als deine Alleinunterhalterin zu missbrauchen..."
    Mühseelig schaffte es die zierliche Teenagerin wieder auf die Beine, war in ihrer Verfassung aber mehr ein Häufchen Elend denn eine edle Retterin.

    Was sagte der Schmutzfink doch gleich...? Das Attentat soll in zwei Tagen stattfinden, nuo. Da werde ich mir noch etwas Zeit erlauben können... wenn ich so vorm kleinen Spitzohr auftauche um sie zu retten, beende ich ihr Leben am Ende noch selbst...

    Nuo'sza sah sich, zitternd die Arme um sich geschlungen und mit katzenähnlichen Schlappohren, in alle Richtungen um, versuchte zu analysieren, wo man am schnellsten und unauffälligsten eine spontane Bleibe finden könnte, ehe ihr Blick auf eine kleine, offenstehende Garage nur wenige Fuß entfernt von ihr fiel. Ihre roten Augen weiteten sich sofort und sie hob den Zeigefinger, noch im gleichen Moment weitete sich auch das Gesicht der dort stehenden Person, wenn wohl auch eher in Entsetzen.

    "D-Diese Nase würde ich überall wiedererkennen!! Du bist die verschlossene Kiyori!"
    Offensichtlich wollte Holo ihren ebigen Sadismus wieder gut machen, und Nuo'sza nahm die Chance dankend an. Ohne zu Zögern spurtete sie in Richtung der perplexen Beschwörerin zu, warf sich genau vor ihr auf die Knie und legte die Hände in einer Gebetsgestik zusammen, um mit einem fäkalverschmierten, gezwungenen Lächeln zu Kiyori aufzusehen.
    "Es ist zwar eigentlich wirklich nicht meine Art, und mir ist das auch angemessen unangenehm, aber... du bist hier, und ich bin hier, nuo. Und das kleine Spi-ähem, Lisanya die Sportlerin, ist auch hier. Und wird bald umgebracht, wenn da nicht jemand was dreht, nuo. Ich gedenke, dieser jemand zu sein, aber es passiert erst in zwei Tagen, und ich bin gerade etwas... schmuddelig, also", sie versuchte das liebenswerteste, nur mögliche Gesicht aufzusetzen, das mit lange Verdautem in den Haaren möglich war, "es scheint, das ist dein zweites Mal, Kiyori. Bitte gewähre mir Unterschlupf, du wirst es nicht bereuen und ich verspreche dir, nach einer Dusche und ein paarmal Zähneputzen erzähle ich dir mehr, nuo!"

    Ein paar Sekunden peinliche Stille, als Nuo'szas gespielte Selbstsicherheit in sich zusammenfiel, und sie fast schon flehendlich ein jämmerliches "Bitte bitte?" hervorpresste.
    So viele doppelte Wodkas konnte man gar nicht trinken, wie man müsste, um diesen schwarzen Tag wieder zu vergessen.

    Geändert von Holo (28.11.2014 um 23:03 Uhr)

  7. #7
    Während Kiyori sich Hände vor Mund und Nase presste, um einen Würgereiz zu unterdrücken, und dabei zurückwich, fragte sie sich, womit sie das hier verdient hatte.
    Nicht nur war diese auf Anhieb schon nervige Elfe hier, vor ihrer Haustür aufgetaucht, gerade aus der Kanalisation gekrochen, wie eine Kreatur ihrer schlimmsten Alpträume.
    Die ihr anscheinend folgen wollte.
    In ihre Wohnung ...
    "So kommst du mir nicht rein!", brachte sie schließlich hervor.
    Rasch griff Kiyori, nun aus ihrem Schockzustand befreit, nach einem nahestehenden Wasserkanister und leerte ihn, mit so großem Abstand zu der stinkenden Elfe, wie es eben möglich war, über dieser aus.
    Vielleicht war es Einbildung, aber zumindest ein bisschen schien es gegen den Geruch zu helfen.
    Und das Gesicht wirkte auch schon sauberer,
    "Ich hole den Wasserschlauch ..."

  8. #8
    "Bbbllllfff!!"
    Die Dunkelelfin spuckte einen Strahl Wasser aus und schüttelte heftig ihren Kopf, um die Haare trocken zu bekommen. Aber die Niedergeschlagenheit und das Zittern hatten sich gelegt. Nuo'sza grinste zähnebleckend übers ganze Gesicht und wartete darauf, dass Kiyori zurückkam.
    "Das hätte doch wirklich deutlich schlechter laufen können, nuo."
    Summte sie fröhlich über dieses unverhoffte Treffen vor sich hin.

    Geändert von Holo (03.12.2014 um 10:02 Uhr)

  9. #9
    Noch auf dem Weg in ihre Garage spielte Kiyori mit dem Gedanken, sich einfach darin einzuschließen, heimlich in ihre Wohnung zu schleichen und die Elfe draußen sitzenzulassen.
    Was auch immer sie hatte - in der Aufregung des Mädchens und ihrem eigenen Schock über die Kreatur aus dem Abwasserkanal hatte die junge Mechanikerin nichts wirklich verstanden - es war nicht ihre Angelegenheit.
    Noch ist es nicht zu spät, dachte sie, als sie nach dem Schlauch griff. Noch kannst du dich verkriechen, dein Kätzchen schmusen und in deiner Wohnung verharren, bis sie von alleine verschwindet.
    Seufzend drehte Kiyori sich um und betrachtete die Elfe.
    So fröhlich.
    So arglos.
    Worüber zur Hölle freut sie sich jetzt?!
    Erneut seufzte Kiyori und trat nach draußen, den Schlauch in der Hand.
    Sie versuchte, nicht zu genau hinzuschauen und ganz besonders nicht darüber nachzudenken, während sie vorsichtig die noch verbleibenden Schmutzreste von dem Mädchen spülte.

    Schmunzelnd schob Nuo’sza sich die klatschnassen Strähnen vor den Augen zur Seite und sah zu ihrer Gönnerin auf, die nach wie vor nur einen verächtlichen Blick und kaltes, konzentriertes Wasser für sie übrig hatte. Aber immerhin war sie wegen Kiyori schon deutlich sauberer als noch vor zwei Minuten, weil diese sie nicht sofort zurück in den Gulli befördert hatte. Mit einem Tritt. Das war doch schon eine ganze Menge, dafür, dass sie sich erst einmal getroffen hatten.
    “Dankeschön, verschlossene Kiyori.”

    Äußerte Nuo’sza ehrlich. So eine Hilfe war in einer Stadt wie dieser alles andere als selbstverständlich. Vorallem, da sie in Köln überhaupt keine Kontakte hatte…


    Kiyori legte den Schlauch beiseite.
    “Weißt du, meinen Namen gibt es auch ohne Adjektiv”, brummte sie.
    Kritisch beäugte sie die Elfe.
    Immerhin sauber genug wirkte sie, um nicht eine dicke Schmutzspur hinter sich herzuziehen, wo auch immer sie hingehen würde.
    “Also ... was genau treibst du noch gleich hier?”

    Die Dunkelelfin hob den Zeigefinger, deutete erst auf Kiyori und dann auf sich.
    “Weißt du, meine großzügige Gönnerin, ich möchte keinesfalls noch mehr verlangen, aber für eine heiße Dusche würde ich jetzt die unaussprechlichsten Dinge tun, nuo. Mir ist…”, ein Schauer ging durch ihren Körper, so dass sie die Arme um sich schlang, und ihre Spitzohren wurden wieder schlapp, ”... ein kleinwenig kühl. Außerdem glaube ich…”, mit einem gespielten Lächeln wich sie dem Blick der Mechanikerin aus, und sah an sich herunter, ”...dass es mir unangenehm ist… hier so erbärmlich vor dir zu sitzen, auf offener Straße, und ein Gespräch zu führen.”


    Kiyori schnaubte leise.
    Dann deutete sie in Richtung ihres Wohnhauses.
    “Komm mit.

    Und du bist besser in einer Notlage.”

    Sie warf der Elfe einen scharfen Blick zu.

    “Oho… wie sie starren kann.” Flüsterte Nuo’sza sich zu und sank schon fast ein wenig zusammen unter dem Blick des deutschen Mädchens. Das kam nicht gerade oft vor. Mühselig erhob sie sich von der Straße und schlich ihr hinterher.


    Schweigend führte Kiyori das Mädchen in ihre Wohnung und deutete auf die Tür zum Badezimmer.
    “Ich warte.”

    Nuo’sza nickte und trat dann vorsichtig ins Bad ein. Es gehörte sich schließlich nicht, als Gast irgendetwas schmutzig zu machen.

    Als die Tür sich geschlossen hatte, begab Kiyori sich in die Wohnküche, wo sie sogleich von einem Miauen und einer weichen, samtigen Berührung an ihren Beinen begrüßt wurde.
    “Was denn, hast du mich vermisst?”
    Lächelnd beugte Kiyori sich herab und strich der Katze, pechschwarz bis auf einen weißen Brustfleck und goldgrünen Augen, über den seidigweichen Kopf.
    Das Tier schnurrte, strich weiter um die Waden seiner Herrin, ehe es schließlich zum leeren Futternapf huschte und der Mechanikerin einen erwartungsvollen Blick zuwarf.
    “Oh, mein Fehler”, seufzte Kiyori und holte aus dem Schrank eine Schachtel Katzenfutter hervor.
    “Hier, du Fressmaschine.”

    Als die Tropfen heißen Wassers an ihrem Rücken hinabflossen, gab Nuo’sza ein tiefes, entspanntes Seufzen von sich und sank an der Duschwand in Sitzposition zusammen. Der weite Weg von Paris bis in diese Stadt hatte sie doch merklich ausgezehrt, das Debakel am Ende war da nur die Spitze der Erschöpfung. Die Dunkelelfin wusste nicht, wann sie sich das letzte Mal so hatte gehen lassen. Holo sei Dank hatte sie jemanden gefunden, in jedem billigen Hotel hätte man sie in ihrem Zustand mittels des Sicherheitsdienstes entfernen lassen. Noch ein paar Minuten genoss sie die wohlige Wärme auf ihrem Körper, dann drehte sie den Hahn schweren Herzens ab, wickelte sich eines der bereitgelegten Handtücher um die Hüfte und torkelte schwerfällig aus dem Bad. Wie Nuo’sza feststellen musste, war sie kaum noch richtig bei sich. Fast zwei Tage ohne Schlaf hatten auch an einer nachtliebenden Dunkelelfin Spuren hinterlassen, die Dusche hatte ihr endgültig jeden Funken Antrieb genommen, so dass sie im Halbschlaf durch die Wohnung tapste und versuchte, Kiyori zu finden. Als die Söldnerin irgendwie in ein Schlafzimmer gelangt war, stolperte sie über die Bettkante direkt auf die dicke Federdecke und schlief sofort ein. Ein wenig murmeln noch, dann atmete sie ruhig und gleichmäßig.


    In der Wohnküche Kiyori nur, wie eine Tür ging.
    Und als sie dem Geräusch folgte, fand sie die Elfe vor, schlafend wie ein Baby.
    Einen Augenblick lang spielte Kiyori mit dem Gedanken, sie einfach aus dem Bett zu werfen.
    Aber diesen verwarf sie dann doch.
    Ihre Eltern hatten ihr Gastfreundschaft wohl zu sehr nahegelegt.
    “Wenigstens ist sie sauber”, murmelte Kiyori, ehe sie das Zimmer verließ - ohne die Tür völlig zu schließen - und sich ihrer Werkecke widmete.
    Es würde eine lange Nacht werden ...


    Als Nuo’sza langsam, nach und nach erwachte, sich ein wenig im Bett herumwälzte und anscheinend mit einem Kissen gekuschelt hatte, fiel ihr noch trüber Blick aus dem Fenster - Es war offensichtlich schon Abend. Gähnend rieb sie sich die Augen und setzte sich auf, um erstmal herauszufinden, wo sie überhaupt war.
    Ach richtig… die schweigsame und großzügige Kiyori, nuo. Es sieht aus, als wäre ich noch eine ärgerlichere Bürde gewesen und glatt auf ihrem Bett eingeschlafen…”

    Nuo’sza zuckte mit den Schultern, legte das Handtuch vorsichtig zusammen und zog mit einem leidigen Blick ihre stinkenden Sachen wieder an.
    “Mein schöner Mantel… der war teuer, nuo.”

    Zumindest war sie selbst sauber. Als Söldnerin war es auch nicht ungewöhnlich, mal ordentlich verdreckt zu sein. Abgesehen von ihrer Kleidung fühlte Nuo’sza sich rundum erholt und frisch, der Schlaf hatte ihr wirklich gut getan. Dafür musste sie sich unbedingt revanchieren. Leise verließ sie das Schlafzimmer und ging durch den dunklen Flur Richtung Küche, in der Licht brannte. Als sie vorsichtig um die Ecke lugte, sah sie Kiyori verträumt am Küchentisch sitzen. Nuo’sza betrat den Raum und setzte sich ohne große Scheu zu ihrer Gastgeberin.

    Kiyori zuckte leicht zusammen und legte rasch die alte Spieluhr beiseite, die man ihr zur Reparatur gegeben hatte.
    “Du hast ernsthaft dieses Zeug wieder angezogen?”, fragte sie mit gehobenen Brauen und gerümpfter Nase.

    Ohne eine Antwort abzuwarten, huschte sie in ihr Zimmer und kehrte mit ein paar schwarzen Sachen zurück, die sie seit Ewigkeiten nicht mehr getragen hatte.
    Wortlos legte sie diese vor der Elfe ab.

    Schon wieder bekam Nuo’sza Schlappohren. Irgendwie hatte sie das Gefühl, dieser Aufenthalt hier hatte sie der Beschwörerin gegenüber deutlich passiver gemacht, und würde es auch zukünftig. Das gefiel ihr gar nicht. Trotzdem nahm sie die Sachen mit einem dankbaren Nicken und verschwand nocheinmal kurz in den Flur, ehe sie Sekunden später zurückkam. Kiyoris gemütliche Sachen waren zwar wegen dem Unterschied ihrer Körpergröße etwas kurz, trugen sich aber ersteinmal ganz angenehm. Wieder setzte sie sich zu ihr.
    “Also ersteinmal möchte ich dir vielmals danken, schweigsame Kiyori. Das hat sehr geholfen, nuo.”

    Begann Nuo’sza das Gespräch in entspanntem Tonfall.


    Kiyori winkte ab.
    Sie hasste Smalltalk, hatte es immer schon getan.
    “Du hättest in dem Zustand sämtliche Kundschaft verjagt …”

    Sie musterte die Elfe eindringlich.

    “Abgesehen davon - was genau ist los?”


    “Das tut mir auch angemessen leid, wirklich. Aber großzügig warst du trotzdem, nuo. Und wie versprochen erzähle ich dir, was ich in Köln mache. Allerdings... du hast die großartige, wunderschöne und anmutige Nuo’sza Valatess vorhin in einer sehr... erbärmlichen Verfassung gesehen. Das ist mir etwas… unangenehm, nuo.”

    Sie drugste weiter herum, sah auf ihre Knie herab. Wenn es dann doch mal zu den seltenen Momenten kam, in denen Nuo‘sza sich für etwas schämte, wurde ihr Selbstvertrauen durch den Reisswolf gezogen.


    Kiyori hob die Brauen.
    “Was denn, bist du um deinen Ruf besorgt?”

    Es kümmerte sie recht wenig, dass Nussa - oder wie sie auch hieß - nun ein verletztes Ego hatte. Sie wirkte ohnehin nicht wie ein Mädchen, was Angst haben sollte, schmutzig zu werden.

    Nuo’sza hob den Kopf und verengte die Augenbrauen.
    Ruf? Oh nein, sicher nicht. Ich mag es nur nicht, wie eine Heuchlerin dazustehen, nuo.”


    Die Mechanikerin zuckte mit den Schultern.

    “Solange mich niemand bezahlt, werde ich schon nicht weitererzählen, dass du aus einer Kloake gekrochen bist ...”

    Ein breites Grinsen zeichnete sich auf dem Gesicht der Dunkelelfin ab.
    “Das hört sich schön an! In Ordnung, pass auf, schw… Kiyori.”


    Also erzählte Nuo’sza, wie sie den vielversprechenden Kleinganoven von Paris bis nach Köln verfolgt, ihn gestellt und ausgequetscht hatte. Was er über die Sache in Frankfurt gesagt hatte und dass Lisanya auf der Abschussliste stand. Dass Nuo’sza ihren Aufenthaltsort kannte, das Attentat in zwei Tagen stattfinden sollte und sie der Sportlerin den Hals retten wollte. Weil sie ihr etwas schuldete. Dass die Söldnerin es auch tat, um über Lisanya an einen vielversprechenden Fall zu kommen, an dessen Ende ein lukratives Honorar warten könnte, verschwieg sie der Mechanikerin vorerst. Es war auch unnötig, ihr das auf die Nase zu binden.

    Kiyori stöhnte leise.
    Da war man einmal hilfsbereit und dann das ...

    “Und du bist sicher, dass dir niemand gefolgt ist?”

    Sie legte die Stirn in Falten und erhob sich, stapfte grübelnd hin und her.

    Die Söldnerin winkte unbeschwert ab.
    “Keine Sorge, nuo. Und… was denkst du darüber? Hast du Interesse, dem kleinen Spitzohr den kleinen Hintern zu retten? Ich fürchte, ich muss nämlich gestehen, makellos wie ich bin, keine Magie zu beherrschen, nuo. Eine Beschwörerin wäre da sehr nützlich. 50:50, Kiyori?”

    Fragte sie die skeptisch Zurückstarrende mit hellem Tonfall.

    “Wie makellos du bist, habe ich gesehen”, knurrte Kiyori.


    Nuo’sza zuckte unter der Spitze zusammen, unterbrach sie aber nicht.

    Kopfschüttelnd schritt Kiyori zum Kühlschrank und griff sich eine Flasche Bier heraus, die billigste Plörre, die es zu kaufen gab. Kiyori war nicht immer wählerisch, was genau sie trank.
    Sie nahm einen tiefen Schluck, ehe sie sich wieder Nussa zuwandte.

    “Weiß unsere Freundin überhaupt, dass sie sich Feinde gemacht hat?”


    “Dann wären die Attentäter recht ineffektiv, denkst du nicht, nuo?”


    “So effektiv können sie ja wohl nicht sein”, gab Kiyori zurück. “Immerhin hat einer sich von dir fangen lassen.”


    Oho~, fährst du deine Krallen aus, kleine Beschwörerin?”

    Neckte Nuo’sza nun doch einmal grinsend zurück.


    “Nein”, seufzte Kiyori. “Ich mag Realismus.”

    Und spitze Kommentare beruhigten.
    Sie atmete tief durch.

    “Ich habe kein Interesse daran, diese Frau einfach sterben zu lassen.”

    “Ich nehme das als motiviertes, dankbares und leidenschaftliches ‘Ja bitte, lass mich helfen, das Leben des kleinen Spitzohres zu retten!’.”

    Strahlte Nuo’sza zufrieden.

    Als Kiyori das mit einem zerstörerischen Blick quittierte, wurde sie merklich kleinlauter.
    “In Ordnung, du bist einverstanden, nuo. Nur einverstanden. Das ist schön, dann haben wir eine Zusammenarbeit. Es freut mich, Kiyori. Was hältst du davon, wenn wir uns in etwa einem Tag dort treffen? Vielleicht möchtest du dich noch vorbereiten. Natürlich werde ich dich so gut es geht beschützen...”, Nuo’sza fuhr sich mit den Fingern durch ihr langes Haar, ”aber man weiß ja nie, nuo.”


    “Ich kann ganz gut auf mich selbst aufpassen.”

    Kiyori sog an ihrer Flasche.

    Abgesehen davon, dass es andere gab, die auf sie achtgaben.
    “Wann gehst du wieder?”


    Wie als hätte jemand das Signal dafür gegeben, suchte Nuo’sza mit den Augen ganz schnell wieder den Boden. Die daraufhin herrschende Stille war vielsagend und brutal. Half ja alles nichts, mit brüchigem Lächeln sah die Dunkelelfin zu ihrer Gegenüber auf.
    “Also… Holo sei meine Zeugin, das war so nicht geplant, nuo… aber ich kenne in Köln leider nicht wirklich jemanden, und man wird mich auch bei meinen üblichen Arbeitgebern eher ungerne aufnehmen, nuo. Zudem bin ich gerade, wie sagt man, pleite, darum hatte ich gehofft…”


    “... dass die verschlossene- nein, die gütige Kiyori dich hier pennen lässt?”
    Die junge Frau schüttelte unverständig den Kopf.
    Das Mädchen verhielt sich wie eine absolute Amateurin mit einem viel zu großen Ego.
    “... du kannst das Sofa haben.

    Für eine Nacht.
    Und das zahlst du mir später.”


    Nuo’sza hatte die Abfuhr quasi schon akzeptiert, als sie doch noch bleiben durfte. Mit Sofas hatte sie kein Problem, auf denen schlief sie oft.
    “Vielen Dank, gütige Kiyori.”

    Summte sie erleichtert. Die Dunkelelfin erhob sich, ging auf die Beschwörerin zu - Und deutete eine leichte Verbeugung an. Dabei tippte sie ihr mit dem Zeigefinger kurz auf die Nasenspitze.
    “Ich zahle garantiert und vergesse niemals eine Gefallen, nuo. Das war unser zweites Mal. Es wird sich für dich lohnen.”

    Dann zog sie sich in die Ecke mit dem Sofa zurück und murmelte sich auch sofort unter der Decke ein, nachdem sie sich entkleidet hatte - Morgen würde ein anstrengender Tag werden. Bevor Nuo’sza einschlief, dankte sie der Weißwölfin noch für die glückliche Wendung und die nützliche Partnerin, die sie ihr nach ihrem Ausrutscher beschert hatte. Das Ganze würde eine unterhaltsame Anekdote für Reeza werden, so viel war sicher.

    Kiyori verbrachte noch ein wenig Zeit damit, an der Spieluhr herum zu werkeln.
    Weniger aus Produktivität, sondern mehr, um ihren Geist wieder auf ein halbwegs ebenes Level zu bringen. Und sich zu fragen, worauf sie sich da wieder eingelassen hatte.

    Erst als Bastet auf ihren Schoß sprang, merkte Kiyori, dass sie nicht wirklich gearbeitet, sondern nur ein wenig hin und her geschraubt hatte.
    Nachdenklich strich sie der Katze durchs Fell.

    “Du hast Recht, wir sollten schlafen …”

    Sie hob das Tier hoch und trug es in ihr Schlafzimmer, setzte es auf das Bett.
    Schnell schlüpfte sie aus ihrer Kleidung und streifte sich ein ausgeblichenes und viel zu weites T-Shirt über, schlüpfte dann unter die Decke, spürte mit geschlossenen Augen, wie ein kleiner, warmer Körper sich an sie schmiegte, begleitet von einem dunklen kehligen Schnurren.
    “Ich weiß”, murmelte Kiyori, mit einem Mal sehr schläfrig.

    “Ich helfe ihr schon.
    Meine Ma würde mich umbringen, wenn ich nicht helfen würde, ihre Autogrammgeberin zu retten …”

  10. #10
    Sami Sahin lag ausgestreckt auf dem schmalen Bett, die Hände hinter dem Kopf verschränkt und starrte auf die sich verformenden Schatten an der Decke. Die Motoren vorbeifahrender Autos brummten laut unter seinem Fenster und wurden immer leiser während sie sich tiefer in die Nacht verzogen. Die Tatenlosigkeit machte ihm am meisten zu schaffen.

    Nachdem der Deal so grandios gescheitert war, gab es nicht viel für ihn zu tun, außer darauf zu warten, dass sich der Staub wieder etwas legte. Er hatte sich in einem baufälligen Slumloch verkrochen, das früher mal ein Sarghotel für Squatters gewesen war. Dieses Schlafzimmer muss das Größte im gesamten Gebäude sein, dachte Sahin. Hier muss der Gebäudeverwalter mit seiner Familie untergebracht worden sein, während die Gäste in ihren 1x1x2m großen 1-Mann-Kammern zusammengepfercht waren. Die Immobilie eignete sich als der perfekte Unterschlupf mit seiner Lage in dem malerischen, Junkie verseuchten Neumarkt, direkt im vergifteten Herzen von Köln. Es fügte sich nahtlos in die bröckelnden Reihen von Fixerbuden, illegalen Bordellen und versifften Fast Food Restaurants. Hier müssten die Knight Errants tief in die staatliche Kasse greifen und ein Heer mobilisieren um das ganze Gesindel in den Rhein zu treiben.

    Sahin schloss die Augen und versuchte sich Benitos Gesicht in Erinnerung zu rufen. Nur die Hälfte seines Kopfes wurde von der Straßenlampe beschienen als sich die zwei Gangleader samt Gefolgschaft auf dem Mauritiuskirchplatz trafen. Benito sah mitgenommen aus; in den tiefen Augenhöhlen saß ein verunsichertes, glanzloses Augenpaar, Sorgenfalten haben sich in die blass grüne Haut gegraben. Er sah aus wie jemand, der lange mit sich ringen musste um eine Entscheidung zu treffen, mit der er niemals ins Reine kommen würde. Hier vor der Sankt-Mauritius-Kirche sollte es endlich passieren. Zwei verfeindete Banden, die sich gegenseitig seit Jahren das Leben schwer machten, würden sich vereinen. Ein Kartell würde entstehen, das Köln fest in seinem Würgegriff hätte, sei es auf legalem Spielfeld oder im Untergrund. Yaban und die italienischen Colonias vereint, das bedeutete ein Ende der Turf Wars. Die Straßen Kölns wären fest unter der Kontrolle des Yaban Syndikats. Unter Sami Sahins Kontrolle.

    Benito hat sich selbst in diese Sackgasse hineinmanövriert, dachte Sahin. Ein auf den ersten Blick unscheinbarer Ork, dessen Körperbau zu schmächtig war, die Arme und Beine zu dünn, die Zähne zu stumpf, die Statur zu klein. Unter Seinesgleichen wurde er wie ein Hund behandelt, dessen Besitzer seiner peinlichen Gegenwart müde waren. Es muss der Napoleon-Komplex gewesen sein, der ihn zu dem gemacht hat, was er heute war. Sahin amüsierte der Gedanke. So unterschiedlich, wie es manche religiöse Fanatiker einem weiß machen wollten, sind wir und die Metas wohl doch nicht. Unter Benitos gnadenloser Führung wuchsen die Colonias zu einer einflussreichen Macht in den Kölner Slums. Sie kontrollierten Prostitution, Menschenschmuggel und besonders lukrativ zu der Zeit, den Waffenhandel.

    Zwei Dinge waren es, die die gefürchtete Bande vom Thron gestürzt und in Yabans Arme getrieben haben. Zum einen Benitos grenzenloser Hass gegenüber allem, was mit Gesetzesvollstreckung zu tun hatte. Er sah in den Polizei- und Sicherheitskräften nichts weiter als eine weitere Schikane, nur dafür da um seine Geschäfte und seinen Tag zu verderben. Er weigerte sich um die Knight Errants herumzutänzeln und den lokalen Bezirkskommissaren Zugeständnisse zu machen. Nachdem die offenen Handflächen sich genauso leer wieder zurückzogen wie sie sich ihm zunächst von oben herab entgegengestreckt hatten und viele Räder ungeschmiert blieben, entbrannte ein brutaler Straßenkrieg zwischen den Kölner Knight Errants und den Colonias.

    "I rather blow this fucking city to all hell than give those pigs a single nuyen!", soll er einst geschrien haben nachdem dank einer groß angelegten Razzia mehrere seiner Bordelle dichtgemacht und zahllose seiner Nutten aus dem Land abgeschoben wurden. Daraufhin haben seine Männer als Vergeltungsschlag einen staatlichen VIP Konvoi in die Luft gejagt. Mitten am helllichten Tag sausten wärmesuchende Raketengeschosse auf die gepanzerte Wagenkolonne zu. Ein erbitterter Straßenkampf entbrannte zwischen den Sicherheitskräften und einem Haufen bis an die Zähne bewaffneten Colonia Elite-Vanguards. Es stellte sich später heraus, dass der VIP seine ganze Familie mitgebracht hatte; die Frau, eine kleine Tochter, ein heranwachsender Sohn und der Familiendackel namens Danzel. Der zweite Raketentreffer löste ein Feuer im inneren der umgekippten Limousine aus. Die Paramedics mussten sechs entstellte Körper aus dem Wagen ziehen, wenn man den Fahrer mitzählt. Der Major Mark Woods höchstpersönlich hat öffentlich Rache für den Tod "eines treuen Freundes und patriotischen Kollegen" geschworen. Seitdem wartet die KE nur noch auf eine günstige Gelegenheit, um die Colonias hochzunehmen.

    Benitos zweiter Fehler stürzte seine Bande in einen Zweifrontenkrieg. Es begann mit einem Drive-By wie aus dem Handbuch. Schwarze Jeeps mit abgedunkelten Fenstern und verdeckten Nummernschildern fuhren vor einen angesagten Club in der Ehrenstraße und eröffneten das Feuer auf die vorm Eingang wartende Menge. Es dauerte nicht lange bis klar wurde, auf wen es die Schützen abgesehen hatten - Benitos Schwester, die an diesem Abend ihren Uniabschluss mit ein paar Freunden feiern wollte. Benito machte Yaban dafür verantwortlich und an seiner Stelle war diese Vermutung nicht abwegig, überlegte Sahin und drehte sich auf die Seite. Sein Rücken war taub von dem stundenlangen Daliegen. Selbst Anfer ließ sich zu passiv-aggressiven Bemerkungen verleiten. Er solle doch mal seine Bodyguards im Trainingsraum besuchen, merkte sie einmal an. Es tut ihrer Moral gut den Boss hin und wieder zu sehen. Anfer kann mich mal, dachte Sahin. Ihm war nicht nach irgendwelcher Bullshit-Gymnastik. Auch nicht nach der Gesellschaft anderer.

    Seine Gedanken wanderten wieder zu seinem allerersten Bandenkrieg. Es war wohl unausweichlich, dass die alteingesessenen Colonias mit den rasch aufsteigenden Neulingen von Sahins Trupp aneinandergeraten würden. Benito gab Sahin die Schuld an dem Tod seiner Schwester. Dieser Hosenscheißer-Kanake war es, der den Angriff befohlen hatte um zu zeigen was für ein harter Kerl er ist, muss sich Benito gedacht haben. An diesem Punkt soll er ohnehin nicht mehr klar bei Verstand gewesen sein. Der Konflikt mit den KE zermürbte ihn und seine Crew. Wenn man ständig gejagt wird, bleibt nicht viel Zeit für Business. Das Leben wird zu einem permanenten Versteckspiel, Paranoia beeinflusst irgendwann jeden Gedanken, jede Entscheidung. Sahin hatte das während seiner Zeit bei den Grauen Wölfen beobachtet. Männer, die bereits lange dieses Spiel spielten, verschanzten sich irgendwann in ihren hochgerüsteten High-Tech Elfenbeintürmen, umgeben von Armeen aus abgebrühten Veteranen, die keine Fliege ohne passende ID durchlassen würden.

    Der Tod seiner Schwester gab Benito schließlich den Rest. Er rief die restlichen Trupps aus ganz ADL zusammen und ließ sie nach Köln kommen. Zusammen zogen sie sich in einem großen Sozialwohnblock im Chorweiler zurück. Von dort aus entsendete er seine Killer-Commandos, mischte Clubs und Restaurants auf, die in Sahins Besitz waren, verübte Bombenanschläge, Brandstiftungen, entführte hochrangige Offiziere des Yaban Syndikats und forderte Sahin öffentlich dazu heraus endlich aus seinem Loch herauszukriechen und kein feiges, schwesternmordendes Arschloch zu sein. Oder so ähnlich.

    Sahin tat genau das Gegenteil. Es war nur eine Frage der Zeit, bis Benito erneut den Fehler macht und die Gewalt auf die feinen, sauberen Straßen der gutbetuchten Bezirke überschwappen lässt. Die KE würden mit voller Wucht zurückschlagen und in diesem Moment hätte Sahin seine Hunde von der Leine gelassen. Das hätte den Colonias den Rest gegeben. Er musste nur lange genug durchhalten, was sich schwieriger erwies als geplant. Um den finanziellen Schaden durch Anschläge im Zaum zu halten, räumte Sahin nahezu alle Lagerhallen und Geschäfte, die Yaban unterstanden.

    Der legale Handel war nicht nur für sich allein sehr ertragreich, sondern wandelte Geld aus illegalen Geschäften zuverlässig in lupenreinen Gewinn um. Als dieser nun dicht gemacht wurde, stoppte der Geldfluss in viele wichtige Taschen. Sahins Geschäftspartner und Untergebene wurden immer unruhiger. Sie versuchten Druck auf ihn auszuüben, er solle doch endlich in die Offensive gehen und den Geldhahn wieder aufdrehen. Einige gingen so weit ihm offen zu drohen und Sahin merkte sich den Namen von jedem einzelnen respektlosen Möchtegern-Badass. Sobald sich alles wieder beruhigt, wird er ein Exempel statuieren.

    Hatte Sahin sich nun verschätzt? Hätte er mit gleicher Wucht zurückschlagen müssen? Hätte er aus Köln erneut einen Kriegsschauplatz machen sollen, in der Hoffnung, über die größere und besser ausgerüstete Armee zu verfügen? Sahin sah sich gezwungen, einen Pakt mit dem Teufel einzugehen und die restlichen, noch nicht dahin geschmolzenen Reserven dazu zu verwenden, um die KE endlich zu einem Großeinsatz gegen die Colonias zu bewegen.

    Doch da kam der Anruf. Benito höchstpersönlich ersuchte ein Treffen. Er war bereit als Leader der Gang zurückzutreten und sämtliche Ressourcen den Yaban zu überlassen. "You win, motherfucker.", hat er zum Schluss gesagt und aufgelegt. Am nachfolgenden Tag bekam Sahin Besuch von „einem guten Freund aus Sizilien“. Ein aalglatter Typ in sündhaft teurem Anzug, der über alles Bescheid wusste und über den kein einziger Eintrag in der Cybersphere existierte, versicherte Sahin, dass die ehrenwerten Capos keine gemeinsame Zukunft mit Benito mehr sahen. Sie haben die Talente des jungen Sami erkannt und fanden seine Bereitschaft, als erstes das Business zu schützen und Widrigkeiten besonnen zu begegnen sehr vielversprechend. Für einen regelmäßigen Schutzbetrag kann Sami ohne Störungen wieder seinen Geschäften nachgehen…

    Draußen im Flur wurden die spitzen Absätze immer lauter und das rhythmische Geräusch auf dem nackten Linoleum riss ihn aus seinen Gedanken. Ist es schon so weit, fragte er sich. Anfer ist immer pünktlich, auch dieses Mal war keine Ausnahme. Sahin verschloss kurz die Augen und schüttelte den Müßiggang aus seinen Gliedern. Die Geschäfte warteten. Die Störungen wohl auch.

  11. #11
    Der Heizkeller der ehemaligen Squatter-Absteige diente als provisorischer Meeting Raum. Zwischen dem unüberschaubaren Gewirr an Rohren, die wie dicke Würmer in Wänden und Decken feststeckten, wurden ein ausklappbarer Stuhl und ein Tisch hingestellt, hinter dem Sahin Platz genommen hatte. Die täglichen Geschäfte liefen weiter und viele Probleme bedurften einer Entscheidung, unabhängig davon ob ein Haufen miesgelaunter, geisteskranker Streetgangers nach ihm wie besessen fahndete. Anfer kam herein und stellte sich mit ihrem Tablet neben den Tisch. Aus dem Augenwinkel bemerkte er, wie der Bildschirm des Geräts einen bläulichen Schein auf ihr Gesicht warf und die Gesichtszüge einer professionellen, strengen und konzentrierten Frau offenbarte. Sahin hatte keine Zeit den Gedanken weiter zu verfolgen, denn im nächsten Augenblick stolzierte auch schon sein erster Termin herein.

    Hubert Heinzl blieb mit einem zerstreuten Gesichtsausdruck vor Sahin stehen und beäugte argwöhnisch die ungewohnte Umgebung. Ein gebürtiger Bayer mit Bierbauch, einem fleischigen Gesicht mit ständig geröteten Wangen und buschigen grauen Augenbrauen. Er war zuständig für die Finanzen sämtlicher legalen Unternehmungen und ihm kam nicht nur die Aufgabe zu, die Bücher sauber zu halten sondern der ganzen Sache ein sauberes, freundliches Gesicht zu geben. Ein auf den ersten Blick angenehmer Onkel, der gerne mit kleinen Kindern herumalbert und den ganzen Stammtisch durch seine Anekdoten zum Lachen bringt. Doch hinter den lachenden Augen verbirgt sich ein unnachgiebiger, ehrgeiziger Geschäftsmann, der keine Fehler toleriert und das Spiel der Sympathie perfekt beherrscht.

    "Na da brat mir einer nen Storch." sagte er in seinem starken bayrischen Dialekt, "Es ist eine Schande, eine wahre Schande! Ein Mann wie sie, an einem Ort wie diesem. Eine Schande, sag ich!"

    "Machen sie sich keine Sorgen um mich, Heinzl. Das ist temporär."

    Doch so leicht konnte der Dicke seine gespielte Empörung nicht überwinden. "Kein Wunder, dass hier alles den Bach runter geht! Stellen sie sich vor, wenn gute und fähige Leute wie sie sich verstecken müssen. Dann regieren nur noch dumme Nichtsnutze da draußen. Ich habe zu meiner Frau gsacht, der Herr Sahin wird wissen was zu tun ist. Die werden ihn nicht so einfach unterkriegen. Oh nein, ihn bestimmt nicht. Dann höre ich, dass wieder Krieg herrscht und nein, meine Damen und Herren, das ist keine Übertreibung. Es ist Krieg! Jeder gegen jeden! Ich will zu Herrn Sahin, mich erkundigen ob er wohlauf ist, mit ihm das weitere Vorgehen bereden, doch man sagt mir er ist nicht zu sprechen. Immer wieder probier ichs und jedes Mal heißt es 'Er ist nicht zu sprechen.' Ja, sog amoi, sind die noch ganz bei Trost?"

    Sahin hatte die Arme auf dem Tisch verschränkt und stützte seinen Kopf mit der Hand. Heinzl wird eine Weile brauchen. Kann er nicht einfach 'Hallo' sagen wie normale Menschen, dachte Sahin. Erneut fiel ihm das bläulich glühende Gesicht Anfers ins Auge. Auch Sie schien mit nur einem Ohr hinzuhören. Ihre schlanken Finger tänzelten auf dem Display, das sich in ihren Brillengläsern spiegelte. Die tiefschwarzen Haare waren fest nach hinten gekämmt und zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, was ihr perfekt proportioniertes, olivfarbenes Gesicht betonte. Sie war die Second-in-Command, Sahins rechte Hand. Wollte jemand mit dem Boss direkt sprechen, musste er an Anfer vorbei. Sie entschied was Sahins Ohr erreichte und was seine Zeit nicht wert war. Auf den Straßen war sie berüchtigt für ihre kühle Distanziertheit und ihre Fähigkeit, Dinge in Gang zu setzen. Als Sahin gezwungen war unterzutauchen, war sie diejenige, die diese Zuflucht in letzter Minute organisiert hatte. Für die letzten fünf Tage schulterte sie praktisch die gesamte Organisation.

    "Sagen sie mir, Herr Sahin. Bitte sagen sie mir, wann werden sie uns denn wieder in München besuchen kommen?"

    Sahin brauchte eine Sekunde bevor er merkte, dass der Redeschwall aufgehört hatte. Heinzl schaute ihn erwartungsvoll mit seinem eingefrorenen Lächeln an.

    "Uns?"

    "Na mich und die alte Dame natürlich!"

    "Herr Heinzl", übernahm Anfer das Wort. Ihre Stimme war ruhig aber bestimmt.
    "Wir werden ihnen gerne Bescheid geben, sobald das möglich sein wird. Ansonsten schlage ich vor, wir kommen jetzt zur Sache. Es gibt viel zu tun für uns heute."

    Gerettet, dachte Sahin und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Was folgte war eine Zusammenfassung seiner finanziellen Situation. Wie erwartet waren die Zahlen dürftig. Immer noch pochten seine Manager darauf, die ursprüngliche Versorgung ihrer Läden wiederherzustellen. Mehr als die Hälfte der legalen Ventures mussten entweder dicht machen oder viele Artikel aus dem Sortiment nehmen. Vom Bandenkrieg kaum betroffen waren dagegen die kleinen Lokale und Clubs in den feineren Einkaufsmeilen Kölns. Hier war die KE Präsenz selbst für die Colonias ein Problem, die es sich zwei Mal überlegen mussten ob die Zerstörung eines Bistros die Konsequenzen rechtfertigen würde.
    Sahin überflog die Bilanzen und erlaubte Heinzl den Handel hier und da wieder in Gang zu setzen. Dieser tat zwar erfreut, doch Sahin konnte sehen, dass er nicht allzu glücklich war. Die meisten trauten sich nicht direkt gegen den Boss zu wettern, doch mit Heinzl, Sahins Sprachrohr und Schoßhündchen, hatten sie den perfekten Sündenbock, an dem sie ihren Frust auslassen konnten. Er würde zu hören bekommen, dass mehr gemacht werden müsse um den Schaden wieder aufzuwiegen. Man wird ihm damit drohen die Zahlung der Franchisegebühr einzustellen, was unterm Strich nicht mehr war als ein Bullshit-Name für Schutzgeld.

    "Sollen sie es doch versuchen.", entgegnete Sahin genervt.
    "Der letzte Schlips, der zu mutig wurde und auf dicke Hose machte treibt gerade Richtung Nordsee. Gib es ruhig so weiter an die Anderen. Sie alle reiten auf dem Rücken des Untergrunds und der hat sich gerade in einen wilden Stier verwandelt. Nicht diese White Collar Arschlöcher sondern ich bin derjenige, der zusehen muss, dass er nicht abgeworfen und totgetrampelt wird."

    Nachdem alles geklärt war, bedankte sich Heinzl auf umständliche Weise und verließ den Raum. Anfer tippte noch etwas in ihr Tablet und ging ebenfalls hinaus um den Nächsten herein zu rufen. Das ist wie in einem dieser stinkenden Chop Shops hier unten, ärgerte sich Sahin. Die Atmosphäre stimmt bereits, was fehlt ist nur noch ein blutverschmierter OP-Tisch in der Mitte und ein dubioser Kerl mit Kittel und Mundschutz.

    Es kamen mehrere hochrangige Leutnants sowie Informanten, die die Straßen nach allen möglichen Informationen abgrasten und nun Bericht erstatten sollten. Das Syndikat war immer noch intakt und bestimmt wird es noch weiter funktionieren, selbst nachdem ich bereits zerteilt auf dem Grund des Rheins liege, überlegte Sahin. Er klärte einige kleinere Dispute zwischen seinen Untergebenen und erhöhte oder verminderte die Präsenz der Yaban in den verschiedenen Stadtbezirken Kölns.

    So ging es weiter, bis der lange Tag sich irgendwann dem Ende zuneigte. Sahin konnte es kaum erwarten, hier endlich raus zu kommen und das lästige Brummen irgendeines Boilers so weit hinter sich zu lassen wie nur möglich. Es schien als hätten ihm die Meetings neue Energie verliehen. Er war voller Tatendrang, spielte sogar mit dem Gedanken Anfers Vorschlag zu folgen und im Trainingsraum ein paar Gewichte hin und her zu schieben. Immer noch sitzend hatte er seinen Fuß auf die Stuhlkante gestellt, sein Arm balancierte lässig auf dem angewinkelten Knie.

    "Nur noch einer übrig.", verkündete Anfer und verschwand wieder irgendwo im Flur um den Letzten herein zu bringen. Der ohnehin enge Raum schrumpfte noch ein Stück als die Gestalt ihn betrat. Der Kopf reichte fast bis zur Decke, er musste sich einige Male zur Seite lehnen um an den hervorstehenden Rohren vorbeizukommen. Gustav Deutsch drückte Sahins Hand und nahm eine lockere Habachtstellung an, das heißt Beine auf Schulterbreite und Hände hinter dem Rücken verschränkt.

    Gustav war einer der Wenigen, die damals Sahin folgten und die Grauen Wölfe verließen um einen Shadowrunner Trupp zu gründen. Er war auch derjenige, dessen militärisches Training und jahrelange Kampferfahrung dafür gesorgt haben, dass nahezu alle Jobs erfolgreich abgeschlossen werden konnten. Es waren insbesondere die High Profile Wetworks, die Yaban den wertvollen Respekt im Untergrund einbrachten. Nachdem die Organisation nicht mehr ausschließlich auf Runs angewiesen war und in andere Bereiche vordrang, konnte sich Gustav weiterhin als wertvolles Asset behaupten, sei es als Hitman oder Bodyguard für VIP's. Hin und wieder übertrug ihm Sahin delikate Operationen, die ihn oftmals durch ganz ADL führten.

    "Rühren, du alter Chummer.", sagte Sahin. Gustav entspannte sich ein wenig und ließ den Blick kurz durch den Raum wandern.

    "Da werden Erinnerungen wach. Habe mich mal vor den Albanern in einem Loch wie diesem hier versteckt. Fühlt sich an wie eine Ewigkeit."

    "Mussten sie dich vorher zusammenklappen damit du rein passt?"

    Gustav schnaubte amüsiert durch die Nasenlöcher. Seine Stimme war tief und rau, wie die eines Kettenrauchers.

    "Ich muss 11 gewesen sein.", erinnerte er sich.
    "Als kleiner Hosenscheißer konnte ich mich nahezu vogelfrei durch die Stadt bewegen. Süden, Norden - scheißegal. Deshalb greifen die Gangs gerne auf Kids zurück. Nach außen hin ein gut gekleideter, harmloser Junge der sich beeilt um nicht zu spät zum Unterricht zu kommen. Unter den Klamotten hat er aber Plastiktüten voll mit feinstem Kokain um den Bauch geschnallt. Und so lief ich von Club zu Club, von Hotel zu Hotel und brachte sauberen Schnee zu den Kunden, die es dann weiter an ihre anspruchsvollen Gäste vertickten."

    "Auch ein Weg sich das Taschengeld aufzubessern."

    "Ja, bis irgendjemand Wind davon bekommt und was vom Kuchen abhaben will. Die Territorien waren nämlich zwischen den Wölfen und Albanern aufgeteilt worden. Es gab keine Überschneidungen, es gab keinen Stress. Doch irgendein Drekhead aus deren Crew hat entschieden, dass für ihn die Regeln nicht mehr gelten. Hat mich auf meinem Botengang abgefangen und windelweich geprügelt. Meinte, ich solle ihm von jetzt an eine Gebühr bezahlen, damit ich seine Straßen benutzen durfte. Hielt mich für einen kompletten Idioten. Ich hätte damit natürlich gleich zu meinem Boss gehen sollen, aber die Abreibung konnte ich nicht auf mir sitzen lassen. Als er mich wieder bedrängte, lockte ich ihn in eine leere Gasse und verpasste ihm 3 Kugeln in die Fresse. Habe vorher noch so getan als wär ich verunsichert und würde zögern. Wie in den Filmen, weißt du? Um falsche Hoffnung zu geben? Stellte sich dann heraus er war der Schwager eines hochrangigen Offiziers bei den Albanern und die haben die Jagd nach mir eröffnet. Auf einen Efjährigen!"

    Gustav wandte langsam den Kopf hin und her, so als könne er es selber nicht glauben.

    "Und so lebte ich 2 Monate wie ein Troll in einer Höhle. Solange bis sich alles beruhigt hatte. Seitdem waren die nicht gut auf mich zu sprechen, stelle sich das einer vor. Fühle mit dir, Boss."

    "Tolle Geschichte."

    "Ich bin reich an lehrreichen Anekdoten, Boss. Aus dieser Geschichte hab ich gelernt, niemals jemanden umzulegen ohne ihm später die Zähne rauszuziehen und den Rest in Säure aufzulösen."

    "Ich nehme an, die Sache mit den verschwunden Nuyen hat sich aufgeklärt."

    "Ja. Habe die Credsticks bis nach Frankfurt verfolgt. Zwei mittelose unvercyberte Chipheads hatten mehr Glück als Verstand. Als unser Halbling einen Abstecher in sein lieblings Sexkaff machte und die Tasche unbeaufsichtigt ließ, haben Dick und Doof die Gunst der Stunde genutzt und sich das Ding geschnappt. Haben sich schnurstracks aus dem Staub gemacht, wollten irgendwo untertauchen. Es dauerte nicht lange bis sie sich einen Decker gesucht haben damit er die Dinger für sie knackt. Sind an Einen von uns geraten, der sich sofort bei mir gemeldet hat. Den Rest kannst du dir denken. Was soll ich mit dem Zwerg machen, Boss?"

    Ihn nochmal als Kurier einsetzen bestimmt nicht, dachte Sahin.

    "Ich benötige seine Dienste nicht mehr."

    Gustav nickte. Er hat den Wink verstanden.

    "Was auch immer gerade bei dir noch so ansteht…"

    "Bereits gecancelt, Boss."

    "Gut. Ich brauche dich hier in Köln. Lass dir von Anfer eine Bleibe organisieren und warte auf Anweisungen. Ein Informant wird sich bei dir melden und dann wirst du wissen was zu tun ist."

    "Aye. Darf ich fragen was eigentlich vorgefallen ist? In den Straßen wimmelt es nur mit Cops und Gangers."

    Sahin kaute an seinem Daumennagel. Das hat er sich in den letzten fünf Tagen hier angewöhnt. Eine Zeitlang war der Raum erfüllt von leisem metallischen Rattern und dem geisterhaften Geräusch von zirkulierendem Wasser irgendwo hinter den Wänden. Plötzlich stand er wieder vor der St. Mauritius Kirche. Es war eine sternenlose Nacht. Der Platz wurde von einer einzigen Straßenlampe beleuchtet. Das Licht brannte in den Augen und Sahin wandte seinen Blick ab. Benito stand auf ohne ihn direkt anzusehen und kam näher. Beide hatten Bodyguards bei sich, Sahin fünf, Benito drei. Als er durch den Lichtkegel schritt, bemerkte Sahin sein mitgenommenes Gesicht. Er blieb nur wenige Meter vor Sahin stehen.

    "Here we are now.", sagte Benito schließlich.

    "Hast du die deutsche Sprache verlernt?"

    Benito spuckte auf den Boden und fing an auf und ab zu gehen, die Arme in die Hüften gestemmt, seinen Blick auf den Boden gerichtet. Die Bewegungen hatten immer etwas affektiertes, als wäre er ein jugendlicher Möchtegerngangster, der vor seinen blöden Freunden imponieren musste.

    "You see the three fuckers over there?", sagte er ohne stehen zu bleiben und nickte leicht mit dem Kopf in Richtung seiner Leibwächter.

    "Nicht zu übersehen. Wie viele hast du auf den Dächern?"

    Benito streckte seine Hand aus und sein Zeigefinger und Daumen bildeten eine Null.

    "I don't buy it, asshole.", sagte Sahin und erinnerte sich an das Zeichen, das er seinen Scharfschützen geben würde um Benito und seine Männer innerhalb von wenigen Sekunden mit Blei vollzupumpen. Der Andere zuckte nur die Achseln und kratzte sich am Hinterkopf. Die Geste hatte etwas Verzweifeltes.

    "Da ist niemand sonst, Mann.", sagte er nach kurzem Schweigen.
    "Nur ich und diese Clowns hinter mir. You know what they gonna do to me once we leave here?"

    Sahin warf einen Blick hinter Benito. Die drei Männer waren bis an die Zähne vercybert, mit modifizierten voll-automatischen SCARs im Anschlag. Anscheinend verstanden sie kein Englisch oder es war ihnen egal, was ihr Boss vom Stapel ließ.

    "They gonna kill me, man. Straight up fucking kill me and there ain't nothin' I can do about it. I'm fallen from grace. Hundefutter, nicht mehr, nicht weniger. Ich wette der Sizilianer war auch schon bei dir, nicht wahr? ••••••• hat bestimmt gesagt, dass du die neue Bitch der Capos sein wirst und sie mit mir fertig sind. Nur eine Frage der Zeit bis sie mich abservieren. Good riddance."

    "Ich hoffe es macht dir nichts aus, wenn ich nicht gleich in Tränen ausbreche. Weißt du wie viel Geld mir dein Kreuzzug gekostet hat? Kann mir nur vorstellen wie viel deine Bosse verloren haben."

    Mit nur einem Schritt stand Benito direkt vor Sahin, Ihre Gesichter nur wenige Zentimeter voneinander entfernt. In seine Augen brannte es lichterloh.

    "Your money!? Dein scheiß Geld?", schrie er.
    "Ich scheiße auf dein Geld, ich ficke dein Geld mit meinem Schwanz bis es Löcher hat, du blöder Hund! Wird Geld mir meine Schwester zurück bringen, hm? Wird es alle 24 Kugeln aus Sofias Körper rausziehen und sie wieder lebendig machen? Das ist meine Familie, um die es geht! Meine scheiß Familie, du Dreckskanake! Pezzo di merda!"

    Außer Atem spuckte er wieder auf den Boden. Sahin hörte, wie seine Bodyguards ihre Waffen in Position brachten und hob eine Hand um sie wieder zurückzupfeifen. Er hatte bereits eine gründliche interne Untersuchung veranlasst, um herauszufinden ob tatsächlich einer aus seinen eigenen Reihen zu ehrgeizig geworden war und auf eigene Faust losgezogen ist. Doch selbst Gustav stieß irgendwann auf Sackgassen und bisher hat er immer alles rauskriegen können. Aber versuch das mal einer Benito zu verklickern.

    "Und wenn ich dir sage, dass ich nichts damit zu tun hatte."

    "Dann sage ich dir, dass du full of shit bist!"

    "Was willst du dann von mir?", fragte Sahin resigniert.

    "Sag mir einfach die Wahrheit, Mann. Nur zwischen mir und dir. Between you and me. Du hast gewonnen, ich hab verloren, okay? Sag jetzt einfach die Wahrheit damit ich friedlich ins Gras beißen kann."

    Sahin verlor die Geduld.

    "Ich habe sie nicht erschiessen lassen, wie oft zum Teufel soll ich dir das noch sagen? Warum sollte ich überhaupt meine Geschäfte und meine Leute in einen Bandenkrieg hineinziehen und alles aufs Spiel setzen was ich aufgebaut habe?"

    Benito schüttelte trotzig den Kopf.

    "It was you, man. I know it was you!"

    "Außer deinem blöden Gerede hast du keinen einzigen Beweis."

    "Beweise, ja? Das willst du, Beweise? Wie wärs mit den macchine, die deine kleinen figli di puttana gefahren haben? Sie alle kamen aus deiner Scheune!"

    "Wovon sprichst du?"

    "Die Autos, Mann. Die schwarzen Jeeps ohne Nummernschilder. Ein Vögelchen hat mir alles gezwitschert. Du denkst du bist der einzige mit Kontakten, eh amico? Aber ich spiele dieses Spiel länger als du! Ich habe Augen und Ohren überall. Die Autos kamen aus Amerika, sie wurden von einem deiner Leute nach Deutschland verschoben und in einem deiner Shops frisiert! Willst du sagen das war Zufall, hm?"

    Das war neu, aber wenn man darüber nachdenkt nicht allzu prekär. Nachdem die Autos neu lackiert sowie mit neuen ID's ausgestattet wurden, verließen sie die Werkstatt entweder in Richtung Autohaus oder sie wurden direkt zum Kunden transportiert. Was man dort mit ihnen anstellt ist nicht mehr Sahins Problem. Er nahm es sich trotzdem vor, Anfer den Auftrag zu geben einige Nachforschungen anzustellen. Die Yaban hatte sehr wenig mit Autoschieberei zu tun, hauptsächlich für den eigenen Gebrauch und in Form exotischer Geschenke für hohe Tiere in den Kons. Es dürfte nicht besonders schwerfallen den Shop und den Schieber ausfindig zu machen.

    "Benito, hör mir jetzt zu. Es hätte sonst wer sein kö…"

    Und genau in diesem Augenblick brach die Hölle los.

  12. #12
    Für Nuo'sza und und Kiyori:
    Für Kiyori waren es unangenehme Versuche, einzuschlafen. Nuo'szas Gestank hat die gesamte Wohnung verseucht, und gab selbst der Katze keine Ruhe, die sich auf dem noch so kuscheligen Bett herumwälzt, übersensibel auf den Geruch aus Ausscheidungen, Chemieprodukten und Medikamentresten der millionen bürgerlichen Körper- und Geistbeschwerden reagierend.
    Und nicht nur der Gestank machte das Einschlafen unmöglich: Es erschien auch noch eine Nachricht auf Kiyoris Kommlink, Herkunft von einem unbekannten Absender. "Treffpunkt zweite Gasse der Südstraße der Raffinerie, aber pronto." Die Raffinerie muss die nun Abgebrannte von heute Morgen gewesen sein, vier Straßen weiter südöstlicher Richtung. Es war womöglich die Paranoia, welche die Nachricht auslöste und Kiyori nun Schemen außerhalb des Hauses sehen ließ.
    War es Knirschen des Fußbodens, das vom Wohnzimmer herkam? Vollkommen unmöglich, Kiyori hat doch Linoleumböden. Es kann also nur eine Art leichtes Schnarchen sein, das von Nuo'sza kommt. Ach, putzige kleine Angeberin. Noch so edel wirkend schnarchen sie letzten Endes doch alle wie Könige. Und ist es das Surren von zwei Fliegen, die es sich im Wohnzimmer bequem machen wollen? Zumindest die Katze wird darauf aufmerksam, und läuft pirschartig in Richtung Flurtür, um dann bettelnd daran zu kratzen und zu Kiyori herüberzumiauen.
    Aber sie hat nun ein anderes Problem, das ihre Aufmerksamkeit auf sich zieht. Mit einem plötzlich verspannten und gereizten Gesichtsausdruck spürt sie die Energien dreier Flammenonis, die eine provokante Aura von sich geben und gerade vom Südosten her kommen. Wieder mal Stress, und das auch noch so spät in der Nacht. Typisch Köln.

    Für Sahin:
    Niemandem war in der Situation klar, warum die erste Salve an Schüssen überhaupt fiel. Die Kirche stand an einer mannshohen Mauer, über welche Gestalten in schweren Jacken kletterten und sofort das Feuer aus Maschinenpistolen und Sturmgewehren heraus eröffneten. Die pfiffigsten der Leibwächter konnten italienische Gesichtszüge ausmachen, bevor sie unter schlachtgleichem Beschuss entweder quer über den Platz in Deckung zwangen, oder mit Gegenwehr aus allen Rohren niedergestreckt wurden.

    Die Angreifer waren keine unterblichen Bestien. Doch ihre Offensive war geprägt von Motivation und Grund, dass die Leibwächter beider Seiten schnell im Keim erstickt wurden. Benito hat es just in diesem Moment bereut, dass er keine Scharfschützen aufstellen ließ, und wurde als Schmächtling von der schieren Schusskraft der Sturmgewehre zu Boden gepresst, sein Blut sich mit dem der acht anderen Leibwächter mischend.

    Aber nur Sahin hatte keinen Bock darauf, auf einem öffentlichen Platz eine Blutspende zu hinterlassen. Zwei Angreifern jage er je drei explosive Kugeln seines berüchtigen Revolvers ins Herz, um dann an der straßengewandten Wandseite ins Stadtinnere Kölns hineinzuflüchten. Er trug keine Wunde davon - er war jeden Moment über angespannt und erwartete sogar einen Angriff wie diesen, wenn auch von unbekanntem Absender. Außerdem waren Benitos Leibwächter die fünf Versager, die der Mauerseite zugewandt gewesen sind, und somit die ersten Kugeln abfangen durften. Das gab Sahin alle Zeit der Reaktion, sodass er nun im Gebüsch hinter der Kirche mehrere Sekunden der Sicherheit sein Eigen nennen konnte und seinen Revolver wieder durchladen konnte. Doch dazu sollte es nicht kommen.

    An seinem Hinterkopf spürte er den Druck eines ungewöhnlich warmen Pistolenlaufes, und eine im Gegensatz dazu eiskalte Stimme: "Hinknien." Nur lebt Sahin für den Rausch des Stresses, und schwang seinen Körper genau im Moment des Hinkniens um die Waffe, um sie
    aus der Hand des Angreifers zu stoßen und gleich im selben Atemzug einen Kinnhaken zu verpassen, um die Gestalt in Panzerweste zurückstolpern zu lassen. Es war ein einfacher gut rasierter Mensch mit brauen Haaren unter einem weißen Helm, der nun einen Gegenschlag mit einem elektrischen Handschuh leisten wollte - die sich die Hand von einem Pfeil durchbohren zu lassen, der davor die Straßenlaterne durchschlug und die Hand jetzt an einen breiten Baum des Grüngeländes tackerte. Und noch bevor der Kerl schreien konnte, schlug Sahin kräftig mit seinen Fäusten bis zur Bewusstlosigkeit zu.

    Die kleine handgeschriebene Notiz, die im transparenten Pfeil beinhaltet war, fiel ihm nicht auf, da er schon wieder von einer zweiten Person abgelenkt wurde, die diesmal unbewaffnet an sahin heranschleichen wollte. Doch seine Ohren sind nicht die schlechtesten gewesen, und er konnte schon seinen Revolver heben und zielte auf den schwarzhaarigen Elfen mit silberner Marke auf der Brust, der sich geschmeidig und stresslos wunderte: "Dein Revolver hat unmöglich eine siebte Kugel."
    Und schon wusste Sahin, dass dieser Kerl seine Zeit nicht wert gewesen ist. "Wenn du nichtmal einen modifizierten Cavalier Deputy vor beiden schiefen Augen erkennen kannst...dann zumindest eine Kugel!", und er drückte ab, um sofort nach dem siebten und letzten Schuss der Kammer weiterzurennen.
    Der Kerl geriet ins Taumeln, doch sein Gesicht blieb unversehrt. Ein Schild aus unbekannter Energie wehrte den Schuss für ihn ab, doch er konnte nurnoch Sahin hinterherblicken. Sehen, wie er hinter der nächsten Ecke abgebogen ist, und die italienischen Angreifer des Platzes über die Straße rennen, als hätten sie den Ablauf ihres Angriffes genauestens geplant und erreicht, was sie erreichen wollten.

    Der Inspektor entstaubte seine blätterbehaftete Kleidung und nahm den Pfeil an sich, dessen Botschaft er aufrollte. Um dann mit gehobener Augenbraue einen Anruf per Kommlink zu wählen, welcher der letzte seines Lebens gewesen sein dürfte. Drei Sätze später würde sein durchlöcherter Kopf auf dem Asphalt aufschlagen und die Leitung am anderen Ende ein "Oh shit.", von sich geben, bevor das Gerät unter Hallen von KE-Sirenen für immer erstummte.

    Es gab kein Licht mehr, das den Schatten der Gestalt hätte werfen können, die sich nun mit blutiger Brustwunde vom Tatort davonrappelt. Doch hätte es noch eines gegeben, so hätte man die Umrisse eines sehr schmächtigen Orkes erkannt...

    Geändert von relxi (29.12.2014 um 15:04 Uhr)

  13. #13
    "Hat man denn nie seine Ruhe?", war, was sie aufgeregt fauchte, als nun auch noch Jets Kommlink einen eingehenden Anruf ankündigte. In ihr brannte der Stolz, diesen nicht entgegen zu nehmen, doch auch die Neugier, es zu tun, welche nach einem kurzen Kampf gewann.

    "Wer ist da?", fragte sie scharf nach, als sie den Anruf beantwortete, doch die Stimme am anderen Ende schien unbeeindruckt von ihrem Tonfall.

    "Guten Tag, Frau Dearing. Der Anruf mag ihnen merkwürdig vorkommen, doch das sei ersteinmal dahingestellt. Sie drohen Gefahr, einem Anschlag zum Opfer zu fallen. Sobald es einen Moment gibt, in welchem sie keine Deckung haben, werden mehrere Schüsse in ihre Richtung fallen. Sollten Sie Schutz in geschlossenen Räumlichkeiten suchen, werden Sie verfolgt. Wir geben unser Bestes, den Anschlag hinauszuzögern und ihnen Zeit für ein Unterkommen in einem sicheren Ort zu geben, der nicht unter Leitung von Konzernen oder Verbrecherorganisationen steht. Dabei sollten Ihnen Ihre Kontakte weiterhelfen können, denn jeder falsche Anruf von unserer Seite aus kann Sie noch weiter in Gefahr bringen. Wir werden Ihnen Näheres über die Situation berichten, wenn Sie si-"

    Und dann meldete das Kommlink einen Verbindungsabbruch, ließ die Schauspielerin verwirrt zurück. "W-was?" Ihr gefiel es nicht, so spärlich informiert zu sein, und auch gefiel ihr nicht, nun funktionieren zu müssen, stellten Fahrten wie diese doch eigentlich eine seichte Erholung im engen Zeitplan dar.

    *Probe*

    Sie hatte sich kaum gesammelt, da marschierte ein grüner Smiley seine Bahnen fröhlich lachend über den Desktop und verwirrte sie damit erneut. Er zog das Fenster eines dateigefüllten, dreidimensionalen Ordners offen, der seltsamerweise nicht zum internen Matrixknoten ihres eigenen Kommlinks führte. Es schien Kontakt zu einem fremden Kommlink hergestellt worden zu sein, ohne dass Lia irgendwas dafür getan hätte oder wenigstens wusste, warum es passiert war. Allein das machte ihr Angst, was ein Umstand war, der auch weiterhin bestehen bleiben sollte, zeigte ihr das Kommlink nun doch an, dass es einem Hackerangriff zum Opfer fiel, der jedoch wenigstens abgewehrt werden konnte. Die erste gute Nachricht in einer Reihe von Miseren.

    Ihre übliche Schlagfertigkeit vermissend dachte sie fieberhaft darüber nach, welcher Kontakt sich anbieten würde, um ihr Schutz zu gewähren. Eine Antwort fand sie schnell. An offizielle Kanäle wie ihren Manager brauchte sie in dieser Situation nicht einmal denken, da war sicher alles dicht. Zudem befand dieser sich noch am anderen Ende der Welt und über das Kommlink wollte sie nun garantiert nicht handeln. Es gab nur eine Möglichkeit, die ihr augenblicklich etwas Beruhigung spendete; Sami Wan und der Orden.

    "Ich möchte bitte zur Niederlassung der nahegelegendsten Jedi-Gemeinde!", sprach sie dann laut und deutlich, die Furcht in ihrer Stimme möglichst galant versteckend. "Das wird ja wohl möglich sein!", fügte sie noch hinzu, mehr, um sich selbst zu beweisen, dass sie sich ihrer Art nicht entledigen ließ. Denn von der toughen, intelligent-charmanten Powerfrau, für die sie sich selbst hielt, war momentan gefühlt nur wenig übrig. So gut sie mit der echten Bedrohung im Stadion umgegangen war, so schwierig gestaltete sich dies mit einer abstrakten Bedrohung, die sich bislang nur über dieses fürchterliche Gerät und einen nichtssagenden Anruf bemerkbar machte. So schwierig, dass es ihr nicht mal gelang, den Buzz auszumachen, den dies für ihre Karriere bedeuten könnte.

    Geändert von MeTa (05.01.2015 um 13:32 Uhr)

  14. #14
    "Das ist doch Wahnsinn!", rief Anfer außer Atem während sie versuchte mit Sahin Schritt zu halten. Ihre hohen Absätze klackerten hastig auf dem Flur und sie musste sich anstrengen, um nicht über eine Unebenheit zu stolpern und hinzufallen.

    Nachdem Gustav gegangen war, blieb Sahin noch einige Minuten auf seinem Stuhl sitzen und starrte gedankenverloren in das Dunkel des Kellers hinein. Anfer hatte sich zu ihm gestellt und wartete auf Anweisungen. Sie kannte solche Momente nur zu gut und wusste, dass Sahin hin und wieder die Außenwelt um sich herum abschaltete um nachzudenken. Daraufhin würde er sie mit irgendetwas beauftragen; mal möchte er jemanden ganz bestimmtes sprechen oder er verlangte nach Informationen, von denen er glaubte, sie würden ihm helfen eine Entscheidung zu treffen.

    Umso mehr verwundert war sie, als er plötzlich aufsprang, sie ansah und mit einer Stimme sagte, die keinen Widerspruch duldete: "Es gibt einen gottverdammten Maulwurf bei uns. Er weiß wo ich bin und was tue. Damit ist Schluss. Ich werde ihn finden und ihm persönlich die Klöten abschneiden. Wo ist mein Wagen?"
    Anfers Augenlider flatterten als sie versuchte das alles zu verarbeiten.
    "Ähm, den hat man auf dem, äh, Parkplatz hingestellt, hier um die Ecke..."
    Noch bevor sie den Satz beenden konnte, war Sahin bereits zur Tür hinaus.

    Rasch schritten sie durch den engen, schwach beleuchteten Flur. Anfer hat schnell begriffen, was ihr Boss da gesagt und vor allem was er mit alledem gemeint hatte. Er will auf eigene Faust losziehen, um die undichte Stelle in seiner Organisation zu finden, kam ihr der Gedanke. Dabei braucht er nur den Fuß auf die Straße zu setzen und schon wird er von Gangern umzingelt sein wie eine Fleischkeule im Haifischbecken.
    "Ich kann Knecht oder Gül schnell eine Nachricht hinterlassen.", redete sie auf Sahin ein, der nicht daran dachte, seinen Schritt zu verlangsamen, "Sie werden ein paar ihrer Leute zusammentrommeln und dich begleiten. Als Geleitschutz!"
    "Nein, Anfer. Du hältst dicht, verstanden?", versetzte Sahin. "Keiner soll darüber wissen bis ich ein paar Antworten habe. Es sind neue Players auf dem Spielfeld aufgetaucht und sie wissen so gut wie über alles Bescheid. Zuerst der Anschlag auf ein Familienmitglied eines Bandenbosses, dann der Angriff während unseres geheimen Treffens. Alles scheint im Zusammenhang zu stehen, als würden die Angriffe auf etwas bestimmtes hinauszulaufen. Wenn ich rechtzeitig herausfinden will, aus welcher Richtung der Gestank kommt, dann kann ich niemandem vertrauen."
    "Aber das ist doch Selbstmord! Wenn man dich alleine irgendwo erwischt?"
    "Dann sollten die lieber gut vorbereitet sein."
    "Sami!"

    Als er auf die Straße hinaustrat, hat ihn die frische kühle Nachtluft fast zurücktaumeln lassen. Zu lange habe ich mich in dem stickigen Zimmer verschanzt und Däumchen gedreht, dachte er sich und fühlte sich in seiner Entscheidung endlich aktiv zu werden und zum Angriff überzugehen nur bekräftigt. Er lief mit Anfer im Schlepptau durch eine lange und dunkle Gasse, die zur Rückseite des Gebäudes führte. Hier befand sich eine große asphaltierte Fläche, die einmal vor langer Zeit tatsächlich als Parkplatz gedient haben könnte. Als diese Gegend immer mehr verfiel und sich außer Junkies und Gangers keiner hierher traute, wurde dieser Platz zum Müllhaufen und notdürftigen Schlafplatz für die Obdachlosen und die Süchtigen. Sahins Männer haben einen ganzen Tag gebraucht, um das Gesindel aus ihren Zelten fortzutreiben und den ganzen Dreck, der sich hier über Jahre angesammelt hatte, wegzuschaffen. Direkt an der angrenzenden Hausmauer wartete Sahins schwarzer McLaren P1 auf seinen Besitzer. An dessen Motorhaube lehnte einer von Sahins Männern und saugte an seiner Kippe. Als er merkte, dass seine zwei Vorgesetzten auf ihn zuliefen und keine Anstalten machten abzubiegen oder stehen zu bleiben, entfernte er sich ruckartig von dem Wagen, schmiss die Kippe weg und versteifte sich wie ein Soldat beim Morgenappell.

    Sahin stieg in den Wagen und senkte das Seitenfenster, weil Anfer bereits Anstalten machte daran zu klopfen.
    "Nur ein Vorschlag.", sagte sie, "Ein einziger und dann lasse ich dich in Ruhe."
    "Du hast 10 Sekunden."
    "Wenn du niemanden aus dem Inneren willst, fein. Ich kann jemanden von außerhalb organisieren, der dich begleiten könnte. Einen Söldner, Runner, was auch immer. Jedenfalls einen Experten, der weiß was er tut und dir Rückendeckung geben kann."
    "5.", sagte Sahin und ließ den Motor kurz aufbrüllen.
    "Ich kenne jemanden, der absolut saubere Runner vermittelt.", fuhr Anfer unbeirrt fort, "Lupenreine Backgrounds, makellose Laufbahn. Geld spielt keine Rolle. Verdammt Sahin, werd bitte vernünftig. Was glaubst du wie vielen Kugeln du noch ausweichen kannst bevor dich endlich eine trifft?"
    Er warf ihr einen Blick zu. Hätte jemand anders sich so weit aus dem Fenster gelehnt, hätte er solche Worte recht schnell wieder bereut. Anfer war die Einzige, die ihm so ins Gewissen reden, ja fast schon herausfordern durfte. Und sie wusste bisher immer, wann der richtige Zeitpunkt dafür war.
    Nach einer kurzen Pause sagte er: "Mach deinen Anruf. Aber die Sache bleibt unter uns. Ich werde nur mit dir und Gustav in Verbindung bleiben, das muss reichen. Nein, warte. Versuch Spyder dranzukriegen, er soll sich bei mir schnellstmöglich melden. Habe das Gefühl, dass ich ohne einen Decker nicht weit kommen werde."
    "Abgemacht.", sagte Anfer und konnte die Erleichterung in ihrer Stimme nicht verbergen.

    Sahin drückte aufs Gaspedal und binnen weniger Sekunden leuchteten die roten Rücklichter ein letztes Mal auf, ehe sie in der alles verschlingenden Dunkelheit Kölns verschwanden.

  15. #15
    Eine Woche ist seit dem Anschlag vergangen, eine Woche seit dem sie ihm das Angebot machten. Gutes Geld für Terroristenköpfe. Seit einer Woche noch immer keine Spur der Hintermänner.

    3 Uhr morgens, Chuck schaltet durch die Trid-Kanäle. „Ist Ihr Leben -//- SCHEISSE, VERD -//- bringen wir’s endlich zu Ende -//- Mit dem neuen Ares Holzhäcksler 2000“ Er schaltet das Mistding aus, hat noch nie was Interessantes gebracht. Gelangweilt geht er durch die Kontaktliste seines Kommlinks und ruft die erste Nummer an. In einem Hamburger Oberschichtsviertel klingelt es zweimal bevor er auflegt und die zweite Nummer anwählt. Wieder klingelt es zweimal in einer modernen Villa in Blankenese. Er starrt auf den Bildschirm. 39 Kontakte, 34 davon mit derselben Nummer und dem Namen „Doc“. Er ist gerade dabei einen vierzigsten Kontakt hinzuzufügen, als der Link anfängt zu klingeln. Chuck lässt die Nachricht aufnehmen, er ist gerade nicht in der Laune zu sprechen. Er hört die Nachricht ab, sie ist von seinem 35. Kontakt, seinem Mann für Geschäfte. Endlich hat er wieder was zu tun, eine Spur führt nach Köln

    9 Uhr morgens. Chuck öffnet 5 Dosen Katzenfutter und stellt sie auf den Boden, er schreibt einen Zettel „Bin in Köln. Kann dauern. Katzen sind gefüttert.“ und legt ihn auf den Küchentisch. Er packt die große Tasche, lieber zu viel als zu wenig, er leert noch ein paar Packungen Munition in die Tasche. Er sucht sich noch etwas zu essen aus dem Kühlschrank, fügt dann auf dem Zettel „Mehr Soy-Knacker kaufen“ hinzu. Zum Abschied streichelt er noch Sir Purrius, er war schon immer irgendwie sein Liebling, und macht sich auf den Weg nach Köln.

    Mittag in Köln. Ein Anruf von Kontakt Nr. 35. Der Mann soll sich in einem indischen Restaurant verstecken. Perfekt, Geld verdienen und ausgeben an einem Ort. Er parkt sein Motorrad ein paar Straßen vom Restaurant. Chuck macht sich unbemerkt von hinten an den Inder ran (Probe) und umgeht dabei jede Kamera. Er öffnet die Hintertür und betritt ungesehen das Gebäude. Marty sagte er hat sich im Keller verschanzt, Chuck steigt die Treppe lautlos herab. Nur wenige gute Verstecke tuen sich ihm auf. Eine Kiste voller alter Comichefte fällt ihm ins Auge, beim durchwühlen der solchen stolpert er über einen elektrischen Zünder wie er beispielsweiße für C4 benutzt wird. Er scheint defekt zu sein, darunter ein großer Kabelsalat mit RFID-Croutons und noch mehr feuchte Comichefte, völlig unleserlich und entwertet. Banause. Chuck zieht sein spezialangefertigtes Katana und macht sich auf den Weg zum Versteck des Terroristen.

    Er öffnet die Kühltruhentür in einem schnellen Ruck. Die Truhe ist leer. Wusste der Bastard von ihm? Ist ihm eine Kamera entgangen? Chuck geht einen Schritt zurück und dreht sich dem Raum zu, als der Ork mit Rutheniumpolymerklamotten bekleidet und bewaffnet mit einem aufgedröselten Kabel auf ihn zustürmt. Nur einen Herzschlag bevor ein Stecker Chucks Kopf trifft reißt sein Katana die Brust des Orks durch dessen Bomberjacke auf und wirft ihn zu Boden. Er kauert sich über die flach atmende Brust des Terroristen und hält seine Klinge an dessen Kehle. „Irgendwas, das du mir über Frankfurt erzählen möchtest?“ (Probe) Die Lippen des Orks bleiben fest verschlossen. Chuck holt seinen Kommlink heraus, vergleicht das Bild der Zielperson noch einmal mit dem Blutenden und beginnt zu filmen. „Den Fans nichts zu sagen? Auch gut.“ Langsam und mit Nachdruck zieht er sein Schwert durch den Hals des Wehrlosen und enthauptet ihn. Chuck beendet die Aufnahme und durchsucht den leblosen Körper nach neuen Hinweisen auf verbleibende Terroristen (und Wertsachen).

    Wie ein Schatten verlässt er das Restaurant wieder durch den Hintereingang und kehrt zu seinem Motorrad zurück. (Probe) Dort entledigt er sich seine blau-weißen Extremsportschutzanzug und zieht sich einen dunkelblauen Hoodie an, bevor er zu Mittag indisch essen geht.

    Gerade erst bekam Chuck eine Portion… gelber Reispampe mit Fleisch(?)stückchen, als ihn Maschinenpistolenfeuer aufschrecken lässt. Er blickt über seine Schulter, direkt vorm indischen Restaurant entschieden sich 4 Idioten dafür ein Taxi zu durchsieben. Sie zogen sich Tiermasken über, wie in den Comics von `68, inspiriert von den Tiermaskenmördern, die damals aktiv waren. Und jetzt kommen die auch noch aufs Restaurant zu. Drei der Maskierten gehen vorbei, die Gasse am Restaurant weiter. Der Panda bleibt kurz vorm Inder stehen bevor er in den Mexikaner gegenüber eintritt. Es dauert nur wenige Bissen lang bis das Gebäude in die Luft fliegt und die überraschend stabilen Scheiben des Inders verstaubt. Nach dem sich der Staub legt entdeckt Chuck eine bekannte Gestalt neben dem Taxi stehen: Liasanya, die Sportlerin die er beim Frankfurter Anschlag kennen lernte, die trotz des Kugelhagels und der regnenden Trümmer keinen Kratzer zu haben scheint.

    Geändert von Nerduin (11.01.2015 um 22:03 Uhr)

  16. #16
    Kiyori stieß einen leisen Fluch aus und rollte sich aus dem Bett - vorsichtshalber in die entgegengesetzte Richtung des Fensters.
    Ihre Gedanken rasten, während sie in Rekordzeit ihre Kleidung überstreifte und es auch nicht versäumte, ihre Butterfly-Schwerter zu greifen.
    "Du kannst später spielen, Bas", raunte sie ihrer Katze zu. "Versteck dich erstmal."
    Noch leicht benommen durch den jäh unterbrochenen Schlaf taumelte die junge Frau ins Wohnzimmer und huschte in geduckter Haltung hindurch, bis sie vor dem Sofa mit der schnarchenden, selbsternannten Edelsöldnerin zum Halt kam und diese unsanft mit dem Ellbogen anstieß.
    "Wach auf!"
    Sie warf dem Fenster einen unruhigen Blick zu, als könne jeden Moment etwas oder jemand hindurchbrechen.
    Und irgendwo befürchtete sie das auch ...
    Ich werde wirklich schon paranoid ...
    Verdammte Scheiße!
    Das nächste Mal, wenn Ma von irgendwo ein Autogramm will, sag ich nein!

    Erneut stieß Kiyori das Mädchen an und zischte leise:
    "Wir haben eine Einladung!
    Und womöglich gleich Besuch!"

  17. #17
    Nuo'sza wurde von irgendetwas unsanft angestoßen, woraufhin ihre langen Ohren auf und ab zuckten, einen weiteren Effekt hatte das allerdings nicht auf ihren friedlichen Schlaf. "Wach auf!" zischte ihr jemand zu, aber auch das erreichte sie nicht. Sie drehte sich von der Stimme weg und murmelte sich grinsend noch etwas tiefer in die Decke ein. Speichel tropfte ihr aus den Mundwinkeln. "...nicht noch... mehr Mohn... kuchen... Reeza... hihihi. Ich bin doch... schon völlig voll, nuo..." Die Dunkelelfin kaute an ihrer Decke herum, bis irgendetwas Flauschiges begann, über ihren Körper zu schleichen. Unruhig wälzte Nuo'sza sich etwas hin und her, wenige Sekunden später wurde sie ein weiteres Mal angestoßen.

    "Wir haben eine Einladung!
    Und womöglich gleich Besuch!"

    Kiyoris Stimme war es nicht, die Nuo'sza ihre rotleuchtenden Augen plötzlich reflexartig aufreißen ließ, vielmehr das vage, widerliche Gefühl, das eine Dunkelelfin niemals verwechseln würde. Sonnengeister... Nuo'sza drehte ihren Kopf, um sich umzusehen, das Erste, was ihr dabei wortwörtlich ins Auge sprang war eine pechschwarzer Katze, die ihr mit etwa vier Millimetern Abstand ins Gesicht starrte, lauernd auf ihrer Brust sitzend. Skeptisch befreite sie ihre Arme aus der Wärme der Decke und hob das Tier mit beiden Händen hoch, um es sich genau anzusehen. Nuo'sza verengte ihre Augenbrauen, lächelte aber. "Netter Versuch, du kleines Flauschohr, aber ich bin kein Katzenfan, nuo. Dein Fresschen wirst du dir bei deiner kleinen Besitzerin holen müssen." Sie schmunzelte amüsiert ob ihrer 'Im Ernst?'-artigen Augenreaktion, und erst als sie sie auf dem Boden absetzte, sah sie besagte Kiyori hinter dem Sofa kauern.
    "Oh, guten Abend, großzü-"

    "Ja ja, spar dir das. Und über das mit der kleinen Besitzerin reden wir noch. Aber nicht jetzt!", Kiyoris Tonfall wurde wieder agressiver, als sie mit ihren Augen unruhig die Fenster durchging, "versteck dich, das hier könnte gleich hitzig werden!"
    Auch Nuo'suza fing sich durch ihre Sinne wieder und sprang beherzt neben Kiyori hinters Sofa. Die Präsenz der Sonnengeister innerhalb Kölns, die es zweifelsohne auf dieses Haus abgesehen hatten, ekelte sie an; jeder Millimeter ihres sonnenverabscheuenden Körpers zog sich zusammen, als würde man mit dem Fingernagel über tausend Tafeln kratzen. Trotzdem war sie hellwach, wenn auch nur in Unterwäsche. Ihre Kleidung und ihr Rapier lagen einige Meter entfernt auf dem Wohnzimmertisch. "Ich schätze nicht, dass du Näheres über diesen potentiellen Besuch weißt, so als Beschwörerin, nuo?" Flüsterte Nuo'sza der Mechnikerin zu, während sie vorsichtig zum Tisch herüberkroch " 'Treffpunkt zweite Gasse der Südstraße der Raffinerie, aber pronto.' Das wurde mir gerade geschickt. Ohne Absender." "Natürlich." spottete Nuo'sza. "Natürlich." nickte Kiyori einverständig. "Eine Sekunde später sind diese... Flammenonis aufgetaucht, die hier gleich Ärger machen werden. Das ist alles." "Sonnengeister." Korrigierte die hologläubige Dunkelelfin Kiyori beim Vorwärtskriechen. "Was bitte sind Sonnengeister?" Fragte diese kurzangebunden. Japanischer und holoistischer Glaube trafen hier ungebremst aufeinander.
    "Also, im Holois... ach, gerade nicht so wichtig eigentlich, nuo. Was könnten sie wohl von uns wollen?"
    Kiyori zückte ihre Waffen."Ich weiß nicht. Aber willst du sie vielleicht fragen, wenn sie hier sind?"

    Nuo'sza schüttelte heftig den Kopf.
    "Klingt nicht schön, nuo. So sehr ich den Anblick des Mondes und der Nacht ansich schätze und liebe...", Nuo'sza griff erleichtert nach ihrem Rapier, den sie sofort aus seiner Scheide befreite, "...so sehr brauche ich meinen Schlaf, nuo. Ich kann es gar nicht leiden, wenn man mich dabei stört, ganz besonders, wenn es... Sonnengeister sind. Da werde ich richtig ungemütlich!"
    Sie stützte sich auf ein Knie, das Leuchten ihrer Augen pulsierte vor angeborenem Hass gegenüber den flammenden Geschöpfen, die jede Sekunde hier sein würden, und hielt ihren Rapier im Anschlag bereit.
    Wenn sie Kiyoris Wohnung niederbrennen wollen... kann ich mich wohl gleich ein bisschen revanchieren, nuo.

    Geändert von Holo (04.02.2015 um 19:54 Uhr)

  18. #18
    Ginge es nach dem Willen der Feuerkreaturen, so wäre Kiyoris Haus der neue Mittelpunkt der Kölner Feuerpanik. Doch die Geister müssen sich gerade einem anderen Problem stellen, mit dem bis zu diesem Moment niemand rechnete.
    Nuo'szas Zähnefletschen hörte sich gar hallend in dem viel zu stillen Wohnzimmer an, wurde aber dann von Automatikgeschossen außerhalb des Hauses, hinter dem Schlafzimmer, zugelärmt. Kiyori wird klar, dass sowohl die Geister als auch die Fenstergestalten gerade von einer Situation abgelenkt werden, die den beiden Kämpferinnen eine gute Menge Schweißtropfen erspart.
    "WARUM LEBST DU NOCH!", dringt mit dialektreicher Stimme ins Wohnzimmer, die unter hochkallibrigem Kugelfeuer wahrscheinlich auf schmerzhafte Weise unterdrückt wird. Nou'sza und Kiyori rennen ans Schlafzimmerfenster heran und stellen sich an die Wände, auf die Straße dahinter spickend. Kiyori erkennt den schwarzen Wagen, der nach rasendem Tempo ins Bremsschleudern gerät, als einen McLaren P1 wieder. Ein Revolver ragt aus dem Fenster und gibt einen letzten Schuss ab, welcher in einer astralen Leere resultiert - als ob eine starke Manipulation des Manas wie aus der Welt ausradiert wurde.

    Sahin steigt aus dem Wagen und bewundert sein Werk. Drei Mafiosi liegen sterbend auf dem Boden. Einer lehnt an der rot bespritzten Hauswand und stöhnt. "Schieb dir deinen Mond in den Arsch...", war neben literweise Blut das letzte, was dem recht unitalienischen Südländer aus dem Mund fiel. Um einen Maulwurf weniger muss sich Sahin nun Gedanken machen. Nur wundert er sich, warum ihn ein unnatürlich warmes Gefühl umgibt, bevor er feststellt, das drei große Funken um seinen herumschwirren, und langsam das Wachsen beginnen. Aus dem Augenwinkel bemerkt er ein feuriges Leuchten beim Mafiosi, der bauchwärts neben Kiyoris Sperrmüllhaufen und Schlafzimmerfenster landete, und nun das Zucken beginnt und sich aufrichten möchte. Ein Magier? Ein Stressfaktor mehr, der den dreien den Schlaf verderben möchte?

  19. #19
    Der Körper des Mafioso richtete sich langsam auf, als wäre er ein Vampir der bei Nachtanbruch aus seinem Sarg steigt. Kleine seltsame Funken tänzelten um seine Schläfen und um seine schlaff herabhängenden Arme. Die Augen waren farblos, die Gesichtszüge eingefroren zu einer schmerzverzerrten Grimasse. Darin war nichts Menschliches mehr zu erkennen. So war das nicht geplant, dachte Sahin. Die Hülsen fielen klirrend auf den Boden, als er die Trommel leerte und mit einstudierter Bewegung nachlud.

    *klack* *klack* *klack* *klack* *klack* *klack*

    "Ich habe mich wohl nicht deutlich genug ausgedrückt, als ich dich das erste Mal mit Blei vollpumpte.", sagte Sahin und richtete den Lauf auf die besessene Marionette.
    "Ich wiederhole mich zwar ungern, aber für dich mache ich eine Ausnahme."

    Er hatte noch nicht einmal die Zeit ein überraschtes Gesicht aufzusetzen als das Unwesen plötzlich wenige Zentimeter vor ihm stand, die gepeinigte Visage nun deutlich zu sehen; eine Maske aus tiefen Falten, Blut und einem halbgeöffneten schwarzen Mundloch. Ein eisenharter Griff umschloss Sahins Arm. Mit unmenschlicher Kraft wurde sein Körper herumgerissen und gegen die Hauswand geschleudert. Mülltonnen fielen krachend um und erbrachen ihren stinkenden Inhalt als er gegen sie aufschlug. Sahin ballte seine rechte Hand ein paar Mal zur Faust um sicher zu gehen, dass sich die Waffe nicht mehr darin befand. So war das wirkich nicht geplant, wiederholte er. Um den Kopf des schwebenden Untoten waberte das nun heller gewordene Licht. Es verlieh ihm beinahe etwas Heiliges. Kleine zuckende Blitze penetrierten ständig seine Schläfen, griffen wie Tentakel tief in sein Gehirn.
    Sahin blinzelte. Binnen des Bruchteils einer Sekunde hatte der Ghoul bereits die Distanz zwischen ihnen verringert und blickte von oben auf ihn herab.

    "Schöne Scheiße.", konnte Sahin noch hervorbringen ehe ein Hagel aus Tritten und Hieben auf ihn niederprasselte. Unerklärbare Kräfte, herbeigeschworen aus nicht nachvollziehbaren Sphären der Existenz flößten einem toten Körper Leben ein um Sahin den Arsch zu versohlen.

    Wenn nicht die sinnesbetäubenden Schmerzen wären, hätte er diesem Umstand sicherlich etwas mehr Anerkennung geschenkt.

    Geändert von truecarver (01.03.2015 um 00:37 Uhr)

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