Zitat Zitat von Enkidu Beitrag anzeigen
@Dio: Etwas problematisch bei deinen Ausführungen zu dem, was ein RPG ist oder was es grundsätzlich ausmacht, finde ich, dass das ziemlich viele Sachen sind, deren Intensitätsgrad auch nicht exakt definiert werden kann und somit mehr oder weniger Auslegungssache ist. Oder, um in dem Zusammenhang noch einen anderen Blickwinkel einzuwerfen: Wenn das alles gesetzlich festgeschrieben wäre, würden es die Entwickler wirklich schwer haben mit Innovation, oder dem Auf- und Durchrütteln etablierter aber ggf. irgendwann altmodischer Konzepte.
"Rollenspiel" ist doch kein Qualitätssiegel, oder eine Güteklasse. Jemand entwickelt ein Spiel, und entweder ist es ein RPG, oder irgendetwas anderes. Fertig. Die können so innovativ sein wie sie wollen, aber wenns am Ende kein RPG mehr ist, und sie ein RPG machen wollten, dann haben sie was falsch gemacht. Ist es eben ein Shooter, ein Adventure, oder was auch immer. Das sollte nichts und niemanden ausbremsen.
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Aber den Blick mal von dem Negativbeispiel FFXIII wegbewegend, hätte ich nicht notwendigerweise etwas dagegen, wenn ein Spiel etwas aus den von dir genannten Punkten streichen oder radikal anders machen würde, und es wäre aller Wahrscheinlichkeit nach für mich dennoch weiterhin ein Rollenspiel.
Ok, dann formuliere eine Definition für Rollenspiele, die meine entweder ergänzt oder erweitert oder einschränkt. Wenn du auch erklären kannst, worauf du deine Annahme stützt (ich gehe von Wort und Ursprung aus), und das nachvollziehbar machst, habe ich kein Problem damit.
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Allerdings sollte es dann doch auch für dich logisch nachvollziehbar sein, dass das für die meisten anderen nicht so ist (obwohl viele die Problematik mit dem Spiel durchaus erkennen), oder?
"Manche Menschen sind doof"; "Wer doof ist, sieht das anders" | "Es ist logisch gültig, dass das manche Menschen anders sehen.". Das ist Logik.
Ich kann es nachvollziehen, dass andere (oder die meisten) zu einem anderen Ergebnis kommen, aber ernstnehmen kann ich es nicht wirklich, weil es mir in den meisten Fällen viel zu beliebig wirkt, was wie eingestuft wird. Und das liegt weniger an FFXIII als an dem Umstand, dass ich in einer ähnlichen Sache ("Was sind Sportspiele?") ca. ne Woche jeden Tag in die Bibliothek gelatscht bin um für Genres in Videospielen einen halbwegs brauchbaren Ansatz zu formulieren der wegkommt von allzu schwammigen Kriterien, und sich stärker stützt auf das, was für das Spielerlebnis relevant ist. Ich bin da auch für andere Ideen offen, auch für epistemische (z.B. was es für ein Spiel der unmittelbaren Wahrnehmung nach ist), aber auch da müssen Leute sich die Mühe machen, ihren Anschauungsprozess gründlich darzulegen und dürfen es nicht willkürlich halten. Ich komme da vielleicht etwas streng rüber, aber ich nehme es nunmal ernst.

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Wann es nicht mehr ausreichen sollte, obwohl so ein Aspekt nicht völlig fehlt, finde ich eben wie besprochen unheimlich schwer festzulegen.
Natürlich können Elemente stärker oder schwächer ausgeprägt sein, aber wenn man versucht, diese Elemente wieder auf das Grundprinzip zurückzuführen, dann sieht man doch, ob sie in ihrer Implementierung relevant sind oder nicht.
Als Beispiel: Gibt es NPCs? Ja. Kann man mit ihnen Interagieren? Ja. Muss man mit ihnen Interagieren? Nein.

Wenn es vorkommt, dass etwas formal vorhanden ist, aber letztlich unerheblich ist oder nicht maßgeblich zum Spiel beiträgt, also den Spieler nicht fordert oder weiterführt, dann ist es doch unsinnig, sozusagen "blind" zu entscheiden. In FFVII gibt es Chocoborennen, aber obwohl man ein Rennen im Spiel gewinnen muss, würde man bestenfalls zu dem Schluss kommen, dass es Rennelemente gibt, und nicht, dass es ein Rennspiel ist, weil es nur in sehr geringem Maße notwendig ist, und darüber hinaus auch nur in geringem Maße den Spieler weiterführt. Wenn man besonders viel Zeit invenstiert, kann man zwar ein paar Substanzen und Items bekommen, aber im Gesamten betrachtet bleibt es ein Gimmick, das man auch vernachlässigen kann.

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Vieles gilt nur über einen Großteil des Spieles, oder grob gesagt drei Fünftel davon, aber eben nicht für die gesamte Länge. Wo will man da eine Grenze ziehen?
Ich finde, ein Großteil des Spieles ist als ein Großteil der entscheidendere (mehr als die Hälfte). Man könnte darüber streiten, ob das Ende des Spieles nicht wichtiger ist, weil all der optionale Content im Endgame bzw. Postgame liegt. Das wäre angemessen. Allerdings sind das auch alles Dinge (Paradigmen, Crystarium, Accessoires), die sich allein auf die Kämpfe beschränken. Nur damit das deutlich wird: Mir gehts nicht vordergründig darum, dass es in der Hinsicht linear ist. Ich habe ja auch gesagt, ich würde FFXIII nicht als Action-Adventure bezeichnen, wobei die Kämpfe durch den Break-Zustand sehr viel stärker formalisiert sind, als in den anderen Teilen. Dass man wenig Möglichkeiten hat, seine Charaktere anzupassen, bzw. diese für lange Zeit sehr eingeschränkt sind, ist zwar mehr als gar nichts, aber das ist letztlich auch nicht der Knackpunkt. In jedem Shooter kann man sich Waffen aussuchen oder anpassen, und das meistens von Beginn an, aber dadurch werden das auch keine RPGs. Wie schon gesagt, Elemente mit Bezug auf das Spielprinzip evaluieren, und dann schauen, obs notwendig ist oder nicht. Ich würde auch ein Spiel als RPG bezeichnen, das ganz ohne Kampfsystem auskommt. Z.B. wären "The Sims" so ein Spiel, bei dem man vieles von dem, was ich über RPGs gesagt habe anwenden könnte, und am Ende würde ich dort aufgrund des Interface zu einer anderen Entscheidung kommen, weil man als Spieler eher noch eine Ebene über dem Charakter steht, und nicht der Charakter selbst ist, Spielprinzip also mehr aus der Verwaltung von Abläufen besteht als der umittelbaren Interaktion mit der Umwelt.

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Mit allem, was ab Kapitel 11 kommt, was angesichts der Größe der verbleibenden Orte schon noch eine Menge ausmacht, findest du nicht, dass FFXIII auch mehr als 0 ist?
Insofern, als dass es auch in und ab Kapitel 11 (von den Statuen abgesehen) keine Interaktion gibt, man keine Orte bereist oder gar sich in einer Welt als Person bewegt, sondern eher das Kapitel durchschreitet um dann in Kapitel 12 wieder den nächsten, linearen Abschnitt vorgesetzt zu bekommen, schon.

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Ist es nicht viel mehr andersherum, dass der Spieler (lange) sklavisch an das vorgegebene Szenario gebunden ist, also sich nur innerhalb dessen bewegen kann? Einen großen Unterschied, ob mir ein FFI sagt "Geh zu der Höhle!" und ich dafür erst einen Bergpass überqueren muss, oder ob Lightning in XIII nach Eden will und man dafür erstmal irgendwo anders durch muss, sehe ich allerdings nicht.
Wenn sich der Spieler bewegt, dann tut er was. Wenn er sich im Szenario bewegt, dann tut er was darin. Das heißt, wenn ich mit dem König spreche, und der mich irgendwo hinschickt, dann bewege ich mich in dem Szenario, weil ich weiß, die Welt steht vor dem Untergang, ich will die Welt retten, der König ist ein wichtiger Typ und kann mir helfen, also realisiere ich, dass ich mit dem sprechen und tun sollte, was der mir sagt. Dass Szenario ist ja nicht ausschließlich die Geschichte, sondern auch die gesamte Spielwelt, die Situation in der sich der Spieler befindet. Sich innerhalb dessen zu bewegen, heißt, dass man bewusst und gezielt etwas tut, auch wenn es sich nur darauf beschränkt, im Schloss die Treppe hochzugehen. In FFXIII bleibt man aber davon isoliert, denn man sieht nur in Cutscenes, wie die Charaktere reden, dann landet man auf einer Map, und die läuft man durch. Wenn man die Cutscenes nicht gesehen hat, weiß man nichtmal, von wo nach wo man läuft. Insofern kann ich mich als Spieler nicht als Figur, als Person in dieser Welt, wahrnehmen, weil ich mich gar nicht in der Welt bewege. Ich laufe von A nach B und bekämpfe Monster. Ich werde in keiner Weise darin eingebunden, in Erfahrung zu bringen, was ich tun soll, oder wo ich hinmuss, es geht stur geradeaus bis zur nächsten Cutscene. Wie gesagt, die entscheidende Frage lautet am Ende, was der Spieler da eigentlich tut. Und auch wenn man sich mit den Charakteren identifizieren soll, und deren Motive zu den eigenen machen soll, bin ich nur in diesen Charakteren, wenn ich diese Maps durchlaufe und Monster verhaue. Vergleich das mal mit den "komplexen" Vorgängen aus FFI, wo du vor jedem Dungeon und nach jedem Fortschritt erstmal irgendwo hingehst und mit Leuten redest, damit du Keyitems bekommst, damit du ne Ahnung kriegst wo du hinmusst, etc. Bei FFI kann ich erkennen, dass ich mich in dieser Welt, in diesem Szenario bewege. Ich weiß auch, was ich da mache. Bei FFXIII bin ich als Spieler völlig außen vor, es geht nur darum, die Map und den Boss zu bestehen. Wie es weitergeht, wo es weitergeht, und warum überhaupt, ist nicht mehr Teil des Spielens. Was das noch ein bisschen rettet ist vielleicht der Datalog, und wenn du das als Argument aufführen willst, dann kannst du mir echt nicht mehr weismachen, dass FFXIII als Rollenspiel eine 3/5 verdient hätte.

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Das ist einfach schlechtes Spieldesign, aber imho kein Genre-erschütternder Faktor. Wie du schon erwähntest, gibt es ja diverse RPGs die es ähnlich machen
Es ist eine Struktur, die ich einfach nicht dem RPG-Genre zuordnen würde. Der Knackpunkt ist es nicht, in FFXIII ist es, wie gesagt, die Spitze des Eisberges, wenn man so will. Prinzipiell spricht wohl nichts dagegen, dass es Level-Caps gibt, aber es ist doch eigentlich der Idee zuwider, dass man als Spieler die Freiheit besitzt, sich mittels seiner Figur auszugestalten und etwa das zu lernen oder das Level zu erreichen, welches man verfolgt, während es in Action-Spielen durchaus üblich ist, dass die Möglichkeiten des Spielers vom Spiel her erweitert werden. In Action-Spielen geht es in erster Linie darum, dass man Befehle mit Präzision und Timing eingibt, dass man Sprünge richtig ausführt, oder etwa in Ratchet&Clank seine Waffen gezielt einsetzt und nach Situation wechselt, und wenn man den nächsten Abschnitt erreicht hat, dann kann man ne neue Waffe kaufen, oder man kriegt einen Super-Sprung oder was auch immer. Level-Caps sind vielleicht nicht exakt dasselbe, man könnte ja auch sagen, wo man Zauber nur kaufen kann statt sie zu lernen, ist auch im gewissen Sinne eine Einschränkung gegeben, und das Spiel gibt einem vor, wann man stärker wird, aber in der reflektierenden Betrachtung wird da wieder deutlich (würde ich behaupten): bei Action-Spielen ist man unbedingt darauf angewiesen, in RPGs ist das Kampfsystem dagegen nicht unbedingt alleiniger Kern des Spieles. In FFXIII ist es das allerdings zweifellos, und eben da fällt es so schwer ins Gewicht, dass der Fortschritt beschnitten wird.

Zitat Zitat von Narcissu
Das ist ein Punkt, der mir an Final Fantasy XIII auch nicht gefallen hat, aber andere Spiele gehen doch analog vor.
Weil andere Spiele etwas genauso falsch machen, wirds ja nicht richtiger. Letztlich betrachtet man jedes Spiel einzeln, schaut was dort wie funktioniert und wie es am Ende zu gewichten ist. FFXIII ist ja auch kein Präzedenzfall.

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Zwar summieren sich diese graduellen Unterschiede, aber das ist für mich trotzdem keine klare Abgrenzung, mit der ich eine Exkommunizierung des Spiels aus dem RPG-Genre rechtfertigen könnte.
Dann grenz es doch mal ein. Was ist für dich denn jenseits der Grenze? Such dir ein Spiel aus, das man als RPG bezeichnen könnte, das aber aus deiner Definition rausfällt, und erkläre mir warum, vielleicht verstehe ich dann besser, was für dich wesentliche Unterschiede sind. Also jetzt nicht mit Tetris kommen, ein bisschen streitbarer solls dann doch sein.

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Ist ein Mensch mit nur einem Arm noch ein Mensch? Ist ein Mensch ohne Arme und Beine noch ein Mensch? Ist ein Mensch, der nicht sprechen und sich nicht bewegen kann noch ein Mensch? Ist die Oma mit der künstlichen Hüfte schon ein Cyborg? Final Fantasy XIII mag zwar in vielerlei Hinsicht ein verkrüppeltes RPG sein, aber für mich beinhaltet es trotzdem noch genug genretypische Elemente, um es als RPG zu bezeichnen.
Mal außen vor, dass der Vergleich etwas gemschmacklos ist: Bleib bitte aus der Bioethik raus, wenn du ernsthaft in Frage stellst, ob Menschen mit künstlichen Gelenken oder amputierten Gliedmaßen noch als Menschen anerkannt werden sollen.