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können. Ich weiß, dass das Thema lange nicht so trocken ist, wie es klingt, aber ich bin da definitiv nicht kompetent
Jo ich war damals auch ganz erstaunt. Eigentlich ist das Thema sogar recht cool, weil es sich auch so um Fragen der Originalität und Authenzität geht. Auch dieses Spannungsfeld zwischen Original und Übersetzung, das moderne Literatur zum Beispiel auch hat. Also die allgemeinen Perspektiven sind wirklich interessant, aber ist halt wie auch bisher bei den anderen Arbeiten, dass ich dabei wenig Eigeninteresse für eine konkrete Textarbeit mitbringe und mir deshalb auch nie Fragestellungen einfallen. Ich muss halt wieder eine konstruieren

Die Kudrun selbst ist ein Sonderfall, weshalb ich es auch so cool fand, dass meine Dozentin genau diesen Text für ihr Seminar ausgewählt hat. Im Gegensatz zu den Nibelungen oder anderen Werken die aus verschiedenen Quellen in der Regel überliefert sind und die Edition die Herausforderung hat diese verschiedenen Lesarten der Nibelungen zu einer Edition zu kondensieren, ist die Kudrun nur ein einziges Mal überliefert. Und da wird es interessant.
Man kann sich nämlich jetzt fragen: Wenn es nur einmal überliefert ist, dann ist doch eigentlich alles klar? Der Editionsweg spricht hingegen Bände. Obwohl es den Text nur in einer einzigen Fassung gibt, gibt es zig Editionen, die sich alle irgendwie unterscheiden und mal und mal weniger viele Eingriffe an dem Text vornehmen.
Ich stehe daher derzeit bei einer Meta-Frage, die mich dann eben viel mehr interessiert. Wie ist es unter den Umständen überhaupt zu rechtfertigen an dem Text überhaupt herumzudoktern. Das würde aber primär vom Text selbst weggehen und ich würde stattdessen eine Methodikdiskussion in der Hausarbeit abreiten. Aber eine einfache Antwort gibt es darauf auch nicht. Denn gerade die ersten Sätze der Kudrun zeigen, dass es doch auch Eingriffe gibt bei denen man sagen kann, dass sie vielleicht nicht unbedingt notwendig sind aber doch tatsächlich erkennbare Fehler beheben, die man so vielleicht nicht unbedingt stehen lassen sollte.

In den ersten Versen heißt da nämlich:
es wuchs in Eyrelande ein richer kunic her
geheißen was er Ger

...

Tatsächlich wie man dann nur ein paar Zeilen später erfährt, ist aber nicht von Ger die Rede sondern von seinem Sohn Sigibant, weshalb die Stelle inhaltlich und logisch falsch ist und auch die Melodik ist da seltsam gestört, weshalb man schon in den ältesten Editionen ergänzt:
es wuchs in Eyrelande ein richer kunic her
geheißen was er sigibant, sein vater der hieß ger


Und hier muss ich sagen, dass ich solche Ergänzungen, sofern eben markiert, durchaus als statthaft empfinde. Aber andere Editoren gehen eben noch viel weiter dabei. Aber wie gesagt. Das würde vor allem auf eine Meta-Diskussion herauslaufen und sich weniger an einem konkreten Text orientieren. Nur hin und wieder eben auf die Kudrun beispielhaft verweisen, weil durch das Seminar da die Überlieferungsgeschichte natürlich jetzt sehr transparent ist.