Es würde für unsere Ohren geradezu lächerlich klingen zu sagen, dass in der Bücherei demnächst auch die Ausweise kontrolliert werden. Nach der Logik, die ich manchmal unterstellen würde, wären Twilight und Harry Potter (zumindest die Heiligtümer des Todes) vermutlich dann ab 16 gelistet. Ich bin wie gesagt kein großer Freund davon die szenische Darstellung eben dafür zu verdammen, dass es eine szenische Darstellung ist. Ich weis nicht.
Die Vergewaltigung war jetzt auch nur ein Beispiel. Übrigens wäre die Marquise von O. dann aus dem Rennen, wäre mit sexueller Gewalt dann vermutlich erst ab 18 zugänglich, wird aber an einigen Schulen auch mal im Unterricht behandelt, wenn ich mich recht erinnere ^^ Mord und Totschlag haben wir sogar in gefühlt jedem zweiten klassischen Stoff. Ödipus hat Inzest und Vatermord zu bieten, Werther Selbstmord, Faust paktiert mit dem Teufel und hurt herum, Romeo und Julia auch Totschlag, Selbstmord, Nibelungenlied voll mit Blut und es gibt eine Vergewaltigung, die Liste lässt sich sicher fortsetzen.
Wie gesagt das Medium halte ich für nicht so aussagekräftig. Reden wir nicht gerade von Gewaltfantasien wenn wir über auffällige Persönlichkeiten reden? Die Fantasie kann, denke ich, auch ganz gut selbst die nötigen Bilder erzeugen, wenn wir allein den Text lesen. Aus selbigem Grund stand ja auch das gedruckte und in Massen verbreitete Buch seinerzeit in der Kritik bezgl. der Leseschwemme und dem Verfall der Sitten und der Moral durch die dortigen Geschichten. Wir erzählen immer noch die gleichen Geschichten in neuen Varianten eben mit den Mitteln neuer Medien. Es ging immer darum die Erfahrung so plastisch wie möglich zu machen und wurde immer wieder kritisiert ohne das die Menschheit völlig verkommen wäre.
Man darf gerne aufpassen, aber das Medium selbst per se unter Verdacht zu stellen halte ich für fragwürdig und für ebenso fragwürdig halte ich es pauschal eben zu sagen, dass das Spiel aus sich heraus jeweils die Intensivierung zum schlechteren hin vollführe. Entsprechend halte ich es für notwendig das Eltern den Medienkonsum ihrer Kinder begleiten aber ihn nicht allzu strikt begrenzen und schon gar nicht auf dem einen Auge blind, in dem sie sich einzig allein an die Einstufungen halten als wären das GEsetze und damit eben einer bewussten Medienrezeption aus dem Weg gehen. Aus dem gleichen Grund hielt ich auch das Streichen des Wortes ••••• aus Kinderbüchern für völlig idiotisch. So lernt man nie einen souveränen Umgang mit diesen Themen.
Überhaupt wisst ihr eigentlich, was man Michael Ende seinerzeit so alles vorgeworfen hat, als er es gewagt hat seine Unendliche Geschichte zu veröffentlichen? Seine Schrift galt als jugendgefährdend, weil sie Eskapismus befördere und damit den Weg zurück in den Nationalsozialismus ebne. Er wurde mit Alfred Rosenberg verglichen.Auf diese wahnwitzige Idee würde heute niemand mehr kommen. Was als jugendgefährdend gilt, unterliegt somit eben auch immer einer gesellschaftlichen Brille. In den USA werden wohl vor allem sexuelle Inhalte egal welcher Art besonders anrüchig sein, Gewalt hingegen wohl weniger. Bei uns ist aus historischen Gründen vor allem Gewalt ein Thema. Tod ist ein generelles Tabu, weil es zu unangenehmen Gesprächen mit Kindern führt, ebenso wie die Tatsache das Menschen nunmal auch Menschen umbringen.
Ein eher durchwachsenes Beispiel (weil es hier wirklich um ein Spiel geht, dass ich frühestens ab 16 Jahren jemanden zumuten würde) wäre hier dieses Video von LeFloid zu einer Folterszene aus GTA 5:
Auch wenn er nicht immer ne Leuchte ist, hat er an der Stelle, finde ich, einen guten Punkt und kann es gerade was die Reaktionen angeht, auch gut rüberbringen (und die Zuschauer die ihm geschrieben haben, waren sicherlich nicht alle 18+ sondern gemessen an seinem üblichen Zuschauerschnitt sicher eher mehr oder weniger weit darunter ^^), dass auch jüngere Spieler durchaus in der Lage sind zu abstrahieren, die Gewalt nicht einfach aufzunehmen, sondern sie, was wünschenswert ist verabscheuenswürdig zu finden und eben auch nicht weiterspielen zu können und genau hier auch der reflexionsprozess einsetzt, in dem genau diese Zurschaustellung zugemutet wird (und wie gesagt, das wäre hier so ein Fall, wo ich die USK durchaus für angemessen erachte). Mal unabhängig davon, dass viele dieses Spiel nicht hätten Spielen sollen und die Eltern gut daran getan haben, zeigt sich aber hier, dass man durchaus auch mit diesen Stoffen in Kontakt kommen kann ohne sich allein daraus seelisch zu zerstören, sondern viel mehr der Moment kommt, in dem man das Ganze entsprechend auch hinterfragt. Man kann Fiktion und Wirklichkeit trennen, nicht immer, aber ich halte die Fälle in denen es schiefgeht, für statistisch auch nicht so relevant. Was überwiegt ist eine Mischung aus Entsetzen zu gleich entsprechender Verarbeitung und ich denke nicht, dass es negativ ist, wenn damit auch eine frühe (nicht zu frühe) Auseinandersetzung stattfinden kann. Tod, Gewalt, aber auch Fantasie, Narration und auch einfach nur unpolitisches Abenteuer, Retter der Welt sein machen jenseits irgendwelcher Ideologien auch unsere Wirklichkeit und unsere Sehnsucht aus.