Zitat Zitat
Könnte ein Mann nicht auch vor der gleichen Frage stehen? Sich um das Wohl der Kinder zu sorgen ist doch zunächst mal eine Frage des Mitgefühls.
Eben. Es gibt einfach Sachen, die man mit Männlichkeit oder Weiblichkeit assoziiert, und wenn man sich keine Gedanken darüber macht, neigt man durchaus dazu, auf die übliche Aufteilung zurückzugreifen. Das ist ja auch einer der Hauptgründe, feministisch (oder antirassistisch, oder... ) an Charaktere heranzugehen: Man lernt, individuelle Charaktere und Konventionen voneinander zu trennen. Natürlich kann man sie danach auch wieder zusammensetzen - ich hab nix gegen Katiis großbrüstiges Frauchen am Herd - aber es ist eben eine bewusste Entscheidung auf Basis des individuellen Charakters, nicht einfach eine gesellschaftliche Selbstverständlichkeit, von der man als Autor ausgeht, ohne darüber nachgedacht zu haben.

Wobei das mit dem Waisenhaus alles andere als außergewöhnlich ist; der Mann als Beschützer der Schwachen ist jetzt nicht gerade ein unübliches Bild. Der Punkt hier ist eher das Betreuen. Das ist tatsächlich extrem selten.

Gucken wir doch mal aus dem Handgelenk heraus, welche geschlechtsmäßig vorbelasteten Konzepte eher selten oder vorrangig als Parodie (!) benutzt werden. Sozusagen eine Liste von Klischees.
  • eine Frau, die mit technischer Versiertheit wirklich aktiv etwas Zentrales gebacken kriegt (man denke an Lucca aus Chrono Trigger)
  • ein einfühlsamer, empathischer Mann als Hauptcharakter, ohne betonte No-Bullshit-Mentalität oder Gefühlskälte
  • eine asexuelle attraktive Frau, oder eine, deren Sexualität nicht ausgespielt wird; alternativ sogar eine zentrale unattraktive Frau, deren Unattraktivität nicht im Mittelpunkt steht
  • ein männlicher Hauptcharakter ohne ein starkes oberflächliches Gefühl von Stolz oder Ehre (man denke an Vash aus Trigun, in einem gewissen Sinne als konstruktive Parodie!)
  • ein Mann, der auf Gewalt verzichtet oder wenigstens ernsthaft von der Spielwelt dafür belohnt wird (!), es zu versuchen, und (teilweise) Erfolg damit hat
  • ein männlicher Hauptcharakter, der viel Wert auf sein Äußeres legt, ohne dass ein Witz daraus gemacht wird
  • eine Frau in einer zentralen Rolle, die eine schlechte Mutter/Vertrauensperson ist und trotzdem als sympathisch dargestellt wird
  • ein Mann, der nicht bereit ist, sich für Frau/Kind zu opfern und trotzdem als sympathisch dargestellt wird
  • ein Charakter, der tiefgründig mit Angehörigen des anderen Geschlechts interagiert, ohne dass irgendwann die Beziehungs-/Sexkarte gezogen wird
  • eine sympathische Frau, die total auf etwas Bestimmtes fixiert ist, ohne sich Gedanken um ihre Mitmenschen zu machen
  • über schwule Charaktere müssen wir denk ich nicht reden

Muss man irgendwas davon machen? Gott, nein! Hangelt man sich abermals an Klischees und Vorstellungen entlang? Natürlich! Aber man kann ruhig mal drüber nachdenken, warum all das so selten ist. Und nein, ich denke nicht, dass sich irgendeines dieser Konzepte schwierig umsetzen lässt. Man muss höchstens etwas umdenken. Aber eigentlich nicht mal viel.