Zitat Zitat von La Cipolla Beitrag anzeigen
Eine Hoffnung/Befürchtung, die ich bei allen Projekten teile: Dass sie sich a) auf diesem ominösen "Old-School" ausruhen, und b) sich in diesem Rahmen zu sehr den Fans und Backern anbiedern.
Die Angst teile ich bei Tides of Numenera, weil man da so wenig bisher gesehen hat. Wie du sagst, ist das Anbiedern bei den Fans gefährlich, gerade wenn es um Kultspiele wie dieses geht, weil auch Kultspiele manchmal ziemlich große Patzer machen. Mir persönlich wurde ja Planescape: Torment dadurch versaut, dass ich ständig irgendwo gelesen habe "Builds, die nicht komplett auf Charisma, Intelligenz und Weisheit gehen, sehen nur ca. 10% des Spiels" und so weiter.

Bei Pillars of Eternity hingegen mache ich mir keine Sorgen. Ich weiß zwar nicht wie es auf Something Awful oder solchen Foren aussieht, aber in Obsidians PoE Forum gibt es längst nicht so viele Hardcore-Nostalgiker, wie man zunächst denken würde. Der Grundtenor dort ist, dass das Spiel definitiv modern und innovativ sein darf. Und die Entwickler verteidigen ihre Entscheidungen in den meisten Fällen recht stur. Es gab z.B. einen kleinen Aufschrei über die Attribute in PoE - anscheinend ist ein System geplant, bei dem es kein "Stärke"-Attribut für Kämpfer und "Intelligenz"-Attribut für Magier gibt, sondern eines, wo es nur "Macht" (d.h. sowohl physische als auch magische Kampfstärke) gibt und eben jedes Attribut für jeden Charakter irgendwie interessant ist. Das stieß bei den alten D&D-Fans natürlich nicht auf Begeisterung, aber die Entwickler haben geduldig erklärt, warum sie das so machen wollen und welche Vorteile es hat. (Es kann allerdings sein, dass sich im Detail noch etwas ändert - und ich muss sagen, mir wäre das auch recht, denn ein Magie-und-Nahkampf-Attribut will mir nicht so recht in den Kopf vom Konzept her. Machen meine Muskeln Magie?)

Meine größte Sorge bei allen RPGs, die da gerade in Entwicklung sind: Dass ich mittlerweile zu casual bin, und diese Spiele alle zu sehr hardcore sein wollen. Das ist für mich etwas leicht Anderes als die Sorge, dass es zu oldschool werden könnte, aber prinzipiell natürlich damit verwandt.
Ich gebe z.B. ganz ehrlich zu, dass für mich Parties aus 6 Leuten, die ich allesamt befehligen muss, einfach zu viel sind. Das heißt immerhin: sechsmal Erst- und Zweitwaffe, Schild, Helm und Rüstung etc. ausrüsten. In Shops und beim Looten also an die 30 verschiedene equippte Gegenstände im Kopf haben um zu vergleichen, welche Items sich lohnen - oder sehr viel Rumgeklicke und sehr viel minutiöses Vergleichen von irgendwelchen Stats. Im Kampf und generell im ganzen Spiel brauche ich außerdem einen kompletten Überblick über die Fähigkeiten meiner Chars, muss bei allen darauf achten, dass sie genug Leben haben und genug Tränke im Gepäck... naja ich denke ihr versteht was ich sagen will. Mir ist es häufig schon passiert, dass ich dachte "zu Anfang nehm ich lieber erstmal nen einfachen Charakter, einen Kämpfer oder so", um dann festzustellen dass ich ja trotzdem einen Magier und einen Druiden in meiner Truppe habe, für die ich jetzt aber entsprechenderweise kein Tutorial bekommen habe.
Ich bin super gespannt auf Pillars of Eternity, aber wenn ich gezwungen werde diese Art von Micromanaging zu machen, dann werde ich verzichten müssen. Ich hoffe wirklich, dass es eine KI geben wird, die mir in der Beziehung ein bisschen unter die Arme greift. Klassisches Beispiel: wenn mein Rogue z.B. einfach mal automatisch die Gänge nach Fallen absucht, ohne dass ich ihm das sagen muss; und wenn meine Party dann außerhalb des Kampfes automatisch um gefundene Fallen herumläuft. Oder dass der Rogue sich tendenziell im Kampf hinter die Gegner stellt und der Magier von den anderen beschützt wird. Mit solchen kleinen Kniffen wäre mir schon sehr geholfen.

Die letzten Tage habe ich übrigens mal wieder Underrail weitergespielt und hatte damit ziemlich viel Spaß, auch wenn das Spiel wirklich super-hardcore ist momentan (und evtl. auch so bleiben wird). Wie gesagt, Fallout-Fans sei das Spiel wärmstens ans Herz gelegt, sowohl das Gameplay als auch das Setting sind sehr ähnlich. Und die Story ist bisher durchaus zweckmäßig und interessant.
Interessant finde ich auch das XP-System: Während es einen klassischen Modus gibt, ist der angedachte Standard nun der, dass man "Oddities" als Loot findet, welche einem dann XP geben. Das sind kleine Gegenstände, die ein bisschen Hintergrund zur Welt geben und beim Aufnehmen verschwinden und in XP verwandelt werden. Das heißt faktisch, dass man dieselbe Anzahl Erfahrungspunkte bekommt, ob man nun sämtliche Gegner umschleicht oder ob man sie allesamt niedermetzelt - solange man am Ende den einen Schrank aufmacht und dort die Oddity findet, erhält man die für diese Quest angedachten XP.
Was für einen Unterschied im Gameplay das macht, ist offensichtlich. Gerade habe ich einen größeren "Dungeon" hinter mir, der aus drei Levels bestand - im zweiten davon waren lauter tödliche Wachroboter, für die ich absolut nicht ausgerüstet war. Also bin ich die ganze Zeit vor ihnen weggeschlichen, habe die Lüftungsschächte benutzt und habe versucht, den Kameras auszuweichen. Leichter gesagt als getan, aber ich hätte es fast ganz geschafft. Nur am Ende, als ich mitten im Level bei der Leiche mit dem Schlüssel stand, wartete ich zu lange. Die Kamera sah mich und sofort fuhren drei Roboter in meine Richtung. Aber kein Problem - ich hatte alles, was ich brauchte. Also scherte ich mich nicht um die Roboter, sondern rannte zu der Luke ins nächste Level.
Es macht einfach einen Riesenunterschied, ob man ein Level betritt mit dem Gedanken "wenn ich hier fertig bin, muss alles tot sein, sonst maximiere ich nicht meine XP" oder mit dem Gedanken "wie kann ich am besten mein Ziel erreichen, ohne mich unnötig in Gefahr zu begeben oder meine spärlichen Ressourcen zu verschwenden?". Und gerade bei Spielen, die einen nicht mit Geld und Items überhäufen und deren Setting sowieso Ressourcenknappheit predigt, ist letzteres meiner Meinung nach deutlich zu bevorzugen.
(Der letzte Teil des "Dungeons" bestand übrigens darin, dass man zusammen mit den anderen Wachen ein Nest eines der gefährlichsten Monster findet. Die Wachen rufen "schnell, versiegelt den Eingang!", aber ich hatte die Option einzuschreiten und mit meinem Überzeugen-Skill zu sagen "hey kommt schon, lasst mich da reingehen und ein bisschen umsehen, vielleicht finde ich etwas Nützliches!". Ich hielt meine Klappe.)