Bullshit!. Die Story war kompletter
Bullshit. Und sie war
Großartig. Stellt euch alle bullshittigen Movie-Twists vor, die M. Night Shyamalans krankes Hirn ersonnen hat und noch ersinnen wird und multipliziert sie mit einhundert. Es gibt Stories, die gehen mit ihrem Bullshit zu weit, und dann gibt es Stories wie Professor Layton VS. Phoenix Wright, Ace Attorney, die surfen auf einer gigantischen Bullshit-Flutwelle ins Zimmer, und schubsen mit der geballten Kraft der Welle und des Surfbretts ein kleines Kind vom Balkon nur, um ihm den Lutscher zu klauen und stellen sich anschließend, Surfbrett und Lutscher noch in der Hand, vor die aufblitzenden Pressekameras, zeigen grinsend das Victory-Zeichen und rufen: "Seht her, was ich Großartiges und Lobenswertes vollbracht habe!".
Der Plot ist so abstrus konstruiert, dass die letzten zweieinhalb Spielstunden beinahe vollständig ohne Input des Spielers im Visual-Novel-Modus ablaufen, in der das Spiel seine allumfassende Auflösung abliefert. Übrigens, kein Witz, ich habe mindestens alle zehn Minuten ein paar mal laut "Bullshit!" gerufen, und das mitten in der Nacht!
Man kann sagen, dass das Spiel eher ein "Professor Layton"-Spiel denn ein Phoenix Wright ist. Der Plot hat all die Versatzstücke, die auch ins Finale eines jeden Professor-Layton-Spiels gehören: Roboter, künstlich erschaffene Städte, "Magie" die wie Magie aussieht und später durch Maschinen erklärt wird (die jedoch nie und nimmer solche aufwendigen Effekte erzeugen könnten), Giftpflanzen sowie sonstige Naturgifte sowie die softeste aller soften SciFis.
Es ist auch noch in anderer Hinsicht eher ein Professor-Layton-Spiel: Der gute Professor ist überpräsent. Er stielt Phoenix' Spotlight während der Hexenprozesse, kennt immer schon die Antwort vor allen anderen Protagonisten (und lässt es trotzdem zu, dass man ein Game Over kriegt, wenn man seinen vagen, kryptischen Anspielungen nicht folgen kann) und wenn er nicht da ist fragen alle Charaktere ständig: Wo ist
Poochie Layton? Des weiteren ist er ehrlich gesagt ein ziemliches Arschloch während des letzten und des zweiten Hexenprozesses gegenüber Phoenix. Ich meine jetzt nicht, weil er (im letzten Prozess) ein Inquisitor ist, dieser Teil ergibt Sinn (und war extrem vorhersehbar), aber diese süffisante und hinterfotzige Art, mit Phoenix zu sprechen hat ihn mir in diesem Spiel extrem unsympatisch gemacht. Das ist schade, da er in seinen eigenen Spielen gar nicht so ist. Im Gegenzug ist es leider auch nicht so, dass Phoenix etwa besonders viele Rätsel lösen dürfte, er löst vielleicht 20% der relevanten Rätsel in der Story, während der Professor mindestens 2-3 mal so oft am Zug ist. Dementsprechend habe ich natürlich die Chance genutzt, wenn ich mit Layton einen Beweis präsentieren durfte (ganze drei Mal im Spiel) und es immer versaut. Zu sehen, wie sehr sich Phoenix freut war mir ein echtes Vergnügen.
Die
Nebencharaktere sind ebenfalls allesamt Layton vom Charadesign und der Persönlichkeit, dafür sind die
für den Plot wichtigen Charaktere alle Ace-Attorney-Stil. Anders verhält es sich bei den Dialogen, die beinahe komplett Ace-Attorney-Stil sind. Der Unterschied zu Laytons Dialogen? Hm, wie soll ich es sagen... Also, beide Spiele benutzen Unhöflichkeit als Comedy. Dabei ist die Unhöflichkeit in Layton eher naiver Natur (die Leute verstehen nicht so ganz, dass sie sich wie die letzten Geier aufführen), während in Phoenix Wright die Charaktere sich eher so benehmen, weil sie auf andere Charaktere ganz gezielt herabsehen. Das Evil Gloating mancher Charaktere kommt auch aus Ace Attorney.
Inquisitor Flamberg bleibt leider weitgehend blass während des gesamten Spiels, was nicht nur an seiner
entsetzlich monotonen Sprachausgabe liegt. So ziemlich die einzigen charakterbildenden Szenen laufen im Hintergrund ab und können anhand seines Schreibtisches beobachtet werden (der auch sehr Ace-Attorney-mäßig gestaltet ist).
Die
übrigen deutschen Synchronsprecher sind ein gemischter Haufen. Der Synchronsprecher von Phoenix ist mMn nicht ganz so passend, geht aber mit etwas mehr Elan an die Sache ran wie der Rest (ich bin überzeugt, das Spiel hatte null Dialogregie). Maya hingegen klingt meistens viel zu alt, was aber auch eher daran liegt, dass die Sprecherin viel zu viel "Stimme" in den Charakter legt, denn in leiseren Szenen klingt sie gar nicht so schlecht. Ebenfalls zu alt ist die Sprecherin von Gloria. Ich weiß nicht, ob die kleine Gloria den gleichen Synchronsprecher hatte, denn als Kind klingt sie extrem gut. Layton und Luke sind gewohnt gut gesprochen. Beim neuen Charakter Sophie werden sich die Geister scheiden. Ihre Stimme passt zu ihrem Charakter und klingt mMn auch meistens sehr gut, allerdings ist die Ausführung gelegentlich etwas arg holperig, vor allem, wenn sie längeren Text am Stück sprechen muss.
Mein Persönliches Highlight: Der Schöpfer, gesprochen von niemand anderem als Detlef Bierstedt, der deutschen Synchronstimme von George Clooney!
Ebenfalls ein gemischter Haufen:
Die Rätsel und Prozesse . Ein Rätsel ganz am Anfang, bei dem man Blütenblätter an einer Blume ordnen soll liefert nicht alle Informationen. Es sagt: "Jedes Blütenblatt soll neben einem anderen mit der gleichen Form oder Farbe sein". Es gibt aber hier mindestens eine Lösung, die nicht funktioniert, nämlich, indem man die Blütenblütter lediglich nach der Form anordnet und die Farbe komplett außer acht lässt (heißt ja schließlich "oder").
Auch in den
Hexenprozessen gibt es so ein ärgerliches Beispiel. Ich habe gerade eine wichtige Information über Gegenstand B erfahren, der mit Gegenstand A zusammenhängt. Rein logisch könnte ich nun Einspruch gegen eine Aussage einlegen, indem ich einen von beiden Gegenständen präsentiere. Ich präsentiere also Gegenstand B.
Falsch!, das Spiel will Gegenstand A haben. Nun könnte man argumentieren, dass die Kausalkette zu Gegenstand A näher ist als zu Gegenstand B. Fair enough -
oder wäre es zumindest, würde Phoenix nach seinem Einspruch nicht als allererstes Gegenstand B erwähnen, bevor Gegenstand A auch nur Ansatzweise diskutiert wird.
Insgesamt sind die Hexenprozesse allerdings wesentlich einfacher gestrickt als ein übliches Ace-Attorney-Game. Die Lösungen sind entweder vollständig offensichtlich oder reines Guesswork von Seiten des Spielers, was durch die unklaren Antwortmöglichkeiten der deutschen Version leider oftmals erschwert wird. Außerdem gibt es auch hier Bullshit: Ganz zum Schluss wird man aufgefordert, ein Motiv für Gloria zu präsentieren. Das Spiel lässt nur eine Auswahlmöglichkeit gelten, obwohl alle drei Antworten zutreffen, obwohl sie sicher unterschiedlich stark gewichtet sind - wieder wäre es fair enough, würden die falschen Antworten nicht ein "Das ist vollkommen falsch und unmöglich und unglaubwürdig etc) hervorrufen.
Was gibt es sonst noch zu sagen? Vielleicht dies, eine Kuriosität des Spiels sind Storyrätsel, die man nicht wirklich lösen kann. Man probiert so lange rum, bis das Spiel von alleine abbricht und/oder Dialoge liefert, die erst neue Möglichkeiten freischalten. Das wäre ärgerlich wären sie nicht so verdammt selten. Gerade mal zwei Stück gibt es davon im Spiel.
Andererseits hat mich die Geschichte um Sophie und Nora ernsthaft berührt, auch, wenn ich dem Vater dringend raten würde, mal auf Wikipedia nachzulesen, was zum Geier eigentlich ein Psychater ist. Er als gottverdammter Boss eines Pharmakonzerns sollte eigentlich besser wissen, dass man die Wahnvorstellungen seiner Tochter nicht heilt, indem man sie glauben macht, sie wären real. Verdammt, weißt du denn nicht, was
Gaslighting ist? Du bist doch Autor!
Mein Fazit: Ich reg mich in erster Linie auf, weil ich das Spiel echt mag. Gerade deshalb kann ich den Bullshit aber nicht ignorieren. Ich würde dem Spiel
7/10 geben. Es war eine tolle, extrem emotionale Reise, und ich werde die Welt aus dem Spiel echt vermissen (zum Glück gibt es noch ein bisschen DLC). Allerdings hat
Phoenix Wright: Ace Attorney 5: Dual Destinies fast alles, was dieses Spiel getan hat, durchgehend besser gemacht - das einzige, was ich an PLVSPRAA lieber mag sind (Teile des) Soundtracks, die erweitere Sprachausgabe (davon hatte PR5 ja fast nix) sowie die flüssigen Animationen (die in PR5 absichtlich auf Retro gestaltet wurden).