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Bei mir kommt da noch das Wissen hinzu, dass ich absolut nicht die einzige Person bin, der es gerade schlecht geht. Mir geht es nicht einmal annähernd so schlecht, wie anderen Menschen. Und das bringt mich zusätzlich in einen inneren Konflikt mit meinem Selbst, das hinter meiner Stirn ständig davon faselt, ich solle mich doch endlich mal zusammenreissen. Toll, wenn man so voll und ganz hinter sich steht....
Das hätte ich geschrieben haben können. Genau so geht es mir dabei. Man fühlt sich letzendlich noch schuldig, weil man sich mies fühlt, obwohl es einem objektiv "gut" geht, sprich genug zu essen usw. Und ich denke, da ist man selbst so ein Mensch, der Depressionen immer noch als hypochondrisch sieht. Das beruht wohl immer noch auf der Aussage, reiche Menschen seien glücklicher. Das ist imo totaler Quatsch. Ob es einem gut oder schlecht geht, hängt doch nicht davon ab, wieviel Geld man auf dem Konto hat. Und wer das glaubt, ist imo einfach nur total oberflächlich.
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Da hast du Recht. Es ist eine Tatsache, dass in Depression und Melancholie besser denken kann. Naja, vielleicht nicht besser. Auf eine andere Art. Klarer, kritischer. Sogar der eigene Gedankengang in so einer Zeit ist später schwer wieder nachzuvollziehen. Vielleicht sollte man daher wirklich mehr aufschreiben. Gestern, ich saß gerade vor dem Fernseher und sah mir Malcolm mittendrin an, habe ich nebenbei ein paar Gedanken auf Papier gekritzelt, unter anderem auch: Nur in der Einsamkeit können wir mit uns selbst ins Reine kommen. Vom Moment unserer Geburt an werden wir stets von jemandem geliebt und beschützt, aber wenn es uns schlecht geht, fliehen wir vor der Liebe und der Vertrautheit in einen Zustand der Einsamkeit und Melancholie. Nur dort können wir unsere Probleme unverzerrt erkennen.
Also da stimme ich dir nicht so ganz zu. Ich sehe das eher so:
In der Depression ist man ein völlig anderer Mensch. Man sieht die Dinge einfach ganz anders. Dinge, die man normalerweise gar nicht schlimm findet, erscheinen unüberwindbar, man sieht alles wie durch ein Schwarz-Weiß-Bild, alles ist dunkel und grau.

Durch diesen neuen Blickwinkel ist es aber möglich, Dinge realistischer zu sehen, man erkennt, dass man sich in gewissen Punkten getäuscht hat. Aber es gibt auch Probleme, die einem im Zustand von diesen Depressionen, als wesentlich schlimmer erscheinen, als sie sind. Man sieht sie im falschen Verhältnis. Und das ist imo auch nicht gut.

Andererseits gibt es imo auch noch so eine andere "Brille". Ich schreibe jetzt mal gar nicht, welche Farbe sie hat, weil das wahrscheinlich bei jedem Menschen anders ist. Durch diese Brille sind viele Probleme gar nicht so schlimm, man fühlt sich einfach wohl, sprich der Zustand des "Bäume ausreißens". Nur hat man dadurch auch nicht immer den richtigen Blick auf die Probleme und verkennt diese so manchmal. Diese "Brille" hast du ja auch in deinem Post beschrieben, als die Liebe und Vertrautheit, die wir seit unserer Geburt haben.

Was ich also damit sagen will ist, man ist niemals objektiv. Mal sieht man die Probleme recht realistisch, oft aber auch anders. Das kann dieses "Schwarzweiß-Bild" sein oder diese andere "Brille", manche nennen sie auch "rosarote Brille", wobei die meistens nur bei der richtigen Liebe verwendet wird. Es ist einfach wichtig, dass man alle Phasen druchlebt, um seine probleme aus anderen Blickwinkeln zu sehen. Nur so kann man sie imo richtig lösen. Ansonsten stimme ich dir zu. Du schreibst ja auch selbst, dass man im Zustand der Depression eine andere Denkweise hat.
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Nun ja. Es gibt depressive Menschen, die ihre Depressionen vollständig verdrängen und sich durch alles mögliche ablenken lassen, um nur nicht nachdenken zu müssen. Soviel ich weiß, nennt man das aus Sissi-Syndrom (nach der Kaiserin). Man sieht ihnen nicht an, wie schlecht es ihnen geht, aber genau das ist das gefährliche daran: Sie wollen es oft selbst nicht wahrhaben -bis zum Zusammenbruch.
Das hört sich fast manisch-depressiv an. Falls jemand nicht weiß, was das ist, manisch-depressiv sind Menschen, die sehr stark zwischen Depression und Manie hin- und herwechseln, also zwischen größter Depression und dem Gegenteil, also ungebremster Fröhlichkeit. Diese Menschen verdrängen das Schlechte und schaukeln sich so hoch, dass sie Realitätsverlust haben. Sie glauben alles schaffen zu können (Bäume ausreißen) und verlieren so den Bezug zum wahren Leben und ihren Problemen. Und irgendwann, nämlich dann, wenn sie erkennen, dass eben nicht alles so super läuft, fallen sie in die tiefsten Depressionen zurück. Afaik ist das dann so ein ewiger Wechsel. Nur was man darin sieht, ist im Prinzip auch das, was der "normale" Mensch kennt. Den Wechsel zwischen guter Stimmung und schlechter, nur halt viel stärker.

Also sind wir im Endeffekt alle psychisch-krank, nur nicht so extrem, dass es behandelt werden muss. Aber die Grenzen sind fließend und ein unerwarteter Schicksalsschlag kann eine psychische Krankheit immer verursachen.

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Ich schätze allerdings, das diese Art der Depression nicht durch seelische Unausgeglichenheit ausgelöst wird, sondern aus physischen Gründen und erst durch die Verdrängung verschlimmert wird.
ich denke, dass man das gar nicht so pauschalisieren kann. Natürlich spielen körperliche Faktoren eine Rolle. So wurde längst irgendetwas im Gehirn festgestellt, dass damit in Zusammenhang steht. Ich denke aber, dass alle psychischen Probleme aus mehreren Faktoren entstehen. Einerseits das körperliche (also die Gene, bei denen ja auch schon die Veranlagung für Krankheiten drin ist), dann die ganzen Einflüsse während des Aufwachsens, also Erziehung, äußere Einflüsse und Erlebnisse, und zuletzt plötzliche Schicksalschläge.

Imo kann jeder psychisch-krank werden. Es gibt halt Menschen, die von vornerein ein höheres Risiko haben, und andere, die erblich kaum vorbelastet sind und dennoch krank werden. Und das Verdrängen hat imo nichts mit der Form der Depression zu tun, sondern eher mit dem Menschen selbst. Und da spielt dann wieder die Kindheitseinflüsse eine Rolle, die den Charakter ja größtenteils prägen.
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Hm, das ist ein guter Ansatz, der Sache auf die Spur zu kommen. Mir geht es nämlich gerade im Sommer häufig so. Meist am Ende der Sommerferien -und es liegt nicht daran, dass die Ferien bald zu Ende sind. Vielmehr könnte es an den vielen Dingen liegen, die ich in diesen Ferien wieder einmal nicht geschafft habe. Wieder einmal die ganzen Ferien als Single verbracht, Italienisch im Selbststudium begonnen, aber nicht über den Satz "Es ist ein schöner Tag mit diesem Blauen Himmel" hinausgekommen, etliche Bücher im Bücherschrank vergammeln lassen und stattdessen vor dem Fernseher gehockt...Wieder ein Sommer weniger, an dem man das hätte tun können, was man schon immer mal tun wollte -und nicht getan hat.
Achtung! Jetzt kommt meine tolle Psycho Analyse, am besten nicht lesen! Ich sehe darin diesen Manie-Charakter. Du hattest tolle Erwartungen an den Sommer, all die Dinge, die du dir vorgenommen hast. Du sahst dich perfekt italienisch können und hattest all die Dinge geschafft, die du dir vorgenommen hattest. Und dann kam die Bilanz. Und in dem Moment ist dann vielleicht deine "Manie-Vorstellung" der perfekten Sommerferien zusammengebrochen. Ich habe den Eindruck, dass es zumindest bei mir so ist. Ich habe mir Dinge vorgenommen, doch viele hat der grausame Ferien-Alltags-Faulheits-Trott nicht zugelassen. Und ich merke, dass ich im Endeffekt nur zu Hause rumgesessen habe und faul war. Es ist einfach eine Enttäuschung.
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Die Zerrissenen und Exzentriker sind mir am liebsten.
Mir auch, ich mag keine Menschen, die immer gut drauf sind. Wiegesagt, man braucht imo beide "Ansichten" der Welt. Bei solchen Menschen (also den "Zerissenen und Exzentrikern) öffne ich mich auch viel mehr, weil ich weiß, dass sie das viel eher nachvollziehen können. Sonst hätte ich auch kaum soviel intimes von mir preisgegeben, aber ich weiß ja, dass es hier gut aufgehoben ist.

Btw, schönes Gedicht. @ Galadriel: Poste mal was selbstgeschriebenes, falls du etwas hast, was du veröffentlichen kannst. Ich würde mich freuen.