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Thema: Sex in Geschichten, Lesen & Schreiben

  1. #1

    Sex in Geschichten, Lesen & Schreiben

    Yeah, Schundheftzeit! (Oder doch nicht? )

    Das Thema ist ganz allgemein Sex in Geschichten, egal ob als Leser oder als Schreiber, egal ob als Genre oder als Szene in Roman XY. Ich bilde mir ein, wir hätten das schon mal irgendwo gehabt, aber zu so einem Thema kann ein eigener Thread wohl nicht schaden. Hier ein paar Diskussionsansätze, die ihr natürlich nicht alle direkt aufgreifen müsst; sie stehen einfach nur hier, damit wir ein paar mögliche Richtungen haben.
    • Was haltet ihr von Sex in Büchern? Cool? Okay? Lieber nicht? Was sind eure Erfahrungen als Leser?
    • Benutzt ihr als Autoren Sex? Wenn ja, wann, und warum, und vor allem wie? Wenn nein, warum nicht?
    • Wie steht ihr zu Sex als Genre? Lest ihr Erotikkram / würdet ihr ihn lesen, schreibt ihr ihn vielleicht sogar?
    Und falls jemand noch einen spezifischen Aufhänger will: Wir sind hier gerade über einen sehr interessanten englischsprachigen Text des Autors Sam Sykes gestolpert, einfach ein paar lose Gedanken zum Thema Literatur & Sex (speziell in der Fantasy). Wer Bock hat, kann ja mal reingucken, liest sich gut.


    Have fun! <3

  2. #2
    Sex in Literatur ist ein unheimlich schweres Feld und man kann es (fast) nie richtig machen.
    Die größte Problematik die ich sofort sehe, wenn ich über Sex-Szenen in Literatur nachdenke, ist die Frage ob die Zielgruppe das gerade überhaupt will.
    Ein paar Meter von mir entfernt liegt ein Buch, geschrieben von einer britischen Prostituierten. Das Buch soll ihr alltägliches Leben behandeln, was es auch tut... nur die Art ist merkwürdig. Zwischen all den vielen Sachinformationen, der Normalität des Lebens finden sich einfach vollkommen deplatzierte Sexszenen.
    Ganz bestimmt würde mir igendwer in dem Punkt widersprechen und das Gegenteil behaupten. Zwischen all den tollen geilen Szenen liegen so nutzlose und langweilige Infos zu ihrer Person rum.

    Ganz allgemein gesprochen habe ich nichts gegen solche Szenen, ich begrüße sie aber auch nicht direkt. Grund dafür ist, dass ich noch nie eine wirklich gut umgesetzte Szene gelesen habe. Entweder wird Sex als Aufhänger für "folgenschwere" Konsequenzen benutzt (und abseits davon existiert Sex nicht) oder, vor allem in Fantasyromanen, um die kleinen Nerds ordentlich an die Buchreihe zu fesseln.
    Tendenziell hoffe ich aber mal auf eine halbwegs vernünftige Umsetzung, Umschreibung und/oder Formulierung zu stoßen.

    Wenn ich selbst mehr schreiben würde, bzw. so viel schreiben würde wie ich gerne selbst hätte... ich bin mir unsicher. Manchmal habe ich Ideen in die Richtung die ich gerne aufschreiben würde, letztlich wüsste ich jedoch nicht ob die Szene selbst in eine Geschichte integrieren würde oder es eher bei Andeutungen belasse.

    Und damn... ich lese Erotikkram und das mit größter Freude. Das liegt aber eher daran, dass ich mich unheimlich gerne über die diversen Formulierungen amüsiere. Es sind nichtmals die unbeholfenen und hölzernen Sätze die ich so toll finde. Ich finde es herrlich köstlich wenn ein Autor meilenweit übers Ziel hinausschießt und sich Metaphern aus den Fingern saugt, die nichtmals mit 15 Interpretationen um die Ecke erotisch werden.

  3. #3
    Ich habe einen Grundsatz gelesen, an den halte ich mich: "It's all about sex, except sex."
    Durch die Freudsche Psychoanalsyse ist alles zu einem Symbol für Sex gedeutet worden. Das dürfte der Tatsache geschuldet sein, dass Sex in Literatur vor dem 20. Jahrhundert kodiert werden musste (auch wenn Balzac und de Sade z.B. deutlich älter sind), um nicht zensiert zu werden. Diese Kodierung hängt bis heute nach. Lange Gegenstände sind Phallussymbole, Gefäße sind das weibliche Pendant.
    Richtiger Sex ist dann wesentlich mehr als nur Sex. Es sei denn, man liest Pornos. Die Beziehung zwischen zwei Charakteren wird herausgestellt, vertieft, vielleicht zeigt sich dort erst ihre wahre Natur. Alle Assoziationen, die man mit Sex haben kann - positive wie negative -, schwingen mit. Sexszenen des Sex wegen sind wie Kämpfe bei Dragon Ball Z.

    Zitat Zitat
    Was haltet ihr von Sexszenen in Büchern? Cool? Okay? Lieber nicht? Was sind eure Erfahrungen als Leser?
    Ich habe hauptsächlich gute Erfahrungen gemacht, aber auch noch keine wirklich ausgedehnten Sexszenen gelesen. Kein Problem damit.

    Zitat Zitat
    Benutzt ihr als Autoren Sexszenen? Wenn ja, wann, und warum, und vor allem wie? Wenn nein, warum nicht?
    Dafür habe ich keine Richtlinie. Ob zwei Figuren Sex haben, die erste gemeinsame Wohnung beziehen oder ein Kleinganove einer Seniorin die Handtasche klaut - alles hat irgendwann seine Zeit. Sex ist auch keine so große Sache, dass sie zwangsläufig ein Wendepunkt in der Handlung sein müsste.

    Zitat Zitat
    Wie steht ihr zu Sex als Genre? Lest ihr Erotikkram / würdet ihr ihn lesen, schreibt ihr ihn vielleicht sogar?
    Kommt drauf an, was damit gemeint ist. Lady Chatterley will ich definitiv lesen, aber die Grabbeltisch-Romane, mit Conan der Barbar-Verschnitten auf dem Cover? Muss ich nicht haben. Höchstens, um mal zu erfahren, wie die so sind.

    Den Text von Sam Sykes muss ich wohl nochmal lesen. Oder zweimal. Ich habe das Gefühl, dass er viel zu sehr in seinem Genre feststeckt. Und das ich eine viel zu große Abneigung gegen Genreliteratur habe.

  4. #4
    Das Problem bei Sexszenen sind für mich vor allem die peinlichen Beschreibungen. Ich meine sowas wie "ihr Busen bebte" und so weiter, diese furchtbaren Groschenroman-Formulierungen.
    Aber das gleiche Problem habe ich auch mit Kampfszenen in billigen Fantasyromanen. Eigentlich immer, wenn der Autor eine "Filmszene" ohne die Geschichte vorantreibende Dialoge im Kopf hat und diese detailliert beschreiben möchte, aber nicht gut genug dafür ist. Warum klappt es aber anscheinend häufiger bei Kämpfen als bei Sex? Naja, bei Kampfszenen gibt es zwei Vorteile: erstens kann ein Autor auf Dinge zurückgreifen, die in anderen Werken funktioniert haben. Der Autor hat fast garantiert eine Vielzahl von Kampfszenen in anderen (guten) Büchern gelesen und dabei indirekt seinen eigenen Stil verfeinert - das ist bei Sexszenen oft so nicht gegeben. Zweitens gibt es eben den klaren Konflikt von Leben oder Tod, der Interesse bei den Lesern hervorruft. Und ich denke, dass man so etwas auch bei einer Sexszene braucht - irgendeinen Konflikt, irgendeinen Grund, warum das gerade interessant sein soll.

    Ich glaube, dass Jugendliteratur deswegen tendenziell gute Beschreibungen von Sex beinhaltet. Weil es da häufig um den Konflikt des Erwachsenwerdens und des Entdeckens der eigenen Sexualität geht, und die Szenen oft eine gewisse Angst und eine gewisse Ehrlichkeit haben. Es ist einfacher, die Szene etwas bedeuten zu lassen bzw. der Leser ist eher dafür empfänglich.
    Oder sage ich es mal so: Es gibt Genres, in denen Sexszenen eher "zuhause" sind als in anderen Genres. Ich glaube niemand hier wird sagen, dass Sexszenen in Liebesromanen ganz prinzipiell problematisch wären. Es hängt klar immer von der Umsetzung ab aber in einem Liebesroman oder einem Roman über eine Affäre ist das ja ein ganz zentrales Thema und das Problem liegt allein in der Qualität, nicht in der Frage warum die Sexszene überhaupt existiert. In Fantasy-, Kriminal- oder Sci-Fi-Romanen hingegen muss erst der entsprechende Rahmen geschaffen werden - die Frage "warum ist das hier gerade wichtig?" muss beantwortet werden, sonst kann die Szene nicht funktionieren. (Der erste Abschnitt meines Posts bezieht sich dementsprechend auf Sexszenen in solchen Genres.)

    Und ja... generell glaube ich: Damit ich eine Sexszene gerne lese, muss sie extrem persönlich sein (wenn wir mal annehmen, dass sie tatsächlich romantisch/erotisch sein soll). Ich habe viele solche Szenen gelesen, die sehr bildlich beschrieben wurden, aber den Leser wie eine Kamera in einem Film als voyeuristischen Beobachter teilhaben lassen. "Sie nahmen die Missionarsstellung ein. Er drang in sie ein. Ihr Busen bebte. Sie stöhnte leicht." Das funktioniert nicht. Ich kann aber auch nicht genau sagen, wie es besser gehen würde. "Sexszene" impliziert ja, dass man schon eine Weile lang dabei ist und das Ganze nicht einfach mit "sie liebten sich auf dem Sofa" abhandelt und dann zum Pillow Talk übergeht (was ja die "elegante" Art wäre, wie ich sie aus einigen Literaturklassikern kenne).
    Alles was mir einfällt, ist irgendwo humorvoll-distanziert. Weil Sex eine lustige Sache ist, gerade wenn es persönlich wird. Wenn man meine persönlichen Gedanken, während ich Sex habe, niederschreiben würde, wäre das zum Schreien komisch. "Er liebkoste sie, so gut er konnte, doch er war sehr abgelenkt von dem Schamhaar, das ihn unangenehm im Gaumen kitzelte."

    Das würde mich übrigens interessieren, fällt hier jemandem eine längere Sexszene aus einem Literaturklassiker ein, der nicht aus dem Genre der erotischen Literatur ist? (Mir fällt gerade "Ulysses" ein aber da wird Sex, wie auch alles andere, eben sehr humorvoll-distanziert beschrieben.)

  5. #5
    Oh Gott, neben den ganzen Hochglanzmeinungen von Leuten die sich auskennen, braucht es unbedingt noch die schmutzige Straßenmeinung eines einfachen Konsumenten wie mich:

    Ich. mag. Sexszenen!
    So einfach wie es klingt. Dabei ist es mir eigentlich vollkommen egal wie sie geschrieben sind, denn mein Kopfkino richtet es sowieso passend für mich an und ein, deswegen stören mich auch Formulierungen eher weniger, bzw. können sogar helfen die Szene für mich zu visualisieren.

    Wenn es um eine eher romantische Liebesgeschichte geht, finde ich seichte Formulierungen a'la das von Schattenläufer angesprochen "ihr Busen bebte" absolut in Ordnung.
    Bei Sexszenen deren Inhalt der eher raueren Natur zuzuordnen sind, ist "Dirty Talk" beispielsweise absolut passend.

    Kurzum: Ich persönlich finde ausformulierte Sexszenen sehr wichtig, weil sie für mich persönlich auch durchaus viel über den Autoren, die Welt und vor allem die Charaktere verraten.
    Wenn ich lese wie der rechtschaffen gute Paladin eines Fantasyromans im Bett zum "Tier" wird, dann ist die Figur für mich sofort vielschichtiger, genau wie beispielsweise der fiese Schwarzmagier als behutsamer Liebhaber an Sympathie gewinnt. Außerdem kann gerade so etwas "alltägliches" wie eine Sexszene eben viel über die Welt verraten, beispielsweise über die Art wie beispielsweise Elfen oder Zwerge Sex haben oder wie Sex in einer dystopischen Zukunft funktioniert.

    All das klappt bei mir besser mit ausformulierten und gut beschrieben Szenen deutlich besser als mit einer vagen Andeutung.

  6. #6
    Ich sehe das zwiegespalten: Einerseits, um es mit Daens Worten zu sagen, mag ich Sexszenen, andererseits, um es mit Gendreks Worten zu sagen, gibt es viel, was sie für mich umgehend versauen kann. Gute Beispiele von FAIL sind für mich "Sex as reward" (ich sag nur The Witcher für PC, oder eben auch das, was Sykes beschreibt), inhaltsloser (!) Sex in einem Text, der sich sonst auf die Handlung fokussiert (man merkt schon, wenn der Autor einfach mal Sex beschreiben wollte), inhaltsschwerer Sex, der den Mittelweg zwischen "zu inhaltsschwer" und "zu viel Sex" nicht gebacken kriegt, und ohne Konkurrenz ganz vorn mit dabei, ein Bruch im Schreibstil. Wer ein ganzes Buch nüchtern angeht und dann plötzlich zu "sein pulsierender Schwanz" übergeht, macht imho eindeutig was falsch (und seltsamerweise, hab ich den Eindruck, passiert das ziemlich oft - jemand meinte mal, wir hätten kein ausreichend normatives Vokabular für Sex). Das hat natürlich nichts mit den Dialogen und ähnlichem zu tun; die Charaktere können so oft "FICK MICH DU ••••!" schreien, wie sie wollen, aber der Erzähler sollte konsistent bleiben.

    Gendreks Punkt - die Frage, ob die Zielgruppe das will - ist echt gut, und geht glaub ich auch die Frage an, warum Sexszenen für viele Leute so schnell schiefgehen können. Das ist schließlich auch bei allen anderen Aspekten der Literatur interessant, aber bei Sex kommt eben dieses Intime, "peinliche" dazu. Sykes hat es sehr gut zusammengefasst:
    Zitat Zitat von Sam Sykes
    When you get down to it, sex is embarrassing. It’s a moment of extreme emotional vulnerability (usually, anyway), where both characters are at their rawest. It’s an awkward, gangly mess of limbs and exchange of fluids and grunts and everything you say is stupid but it doesn’t matter because hormones. I inwardly groan whenever anyone complains about Joe Abercrombie’s sex scenes being embarrassing because he’s writing about broken people trying to feel normal; it’s supposed to be embarrassing.
    Ich finde, das gilt tatsächlich nicht nur für Sex. Eine besonders emotionale Szene (etwa eine Aussprache mit den Eltern) kann denselben Effekt haben, ebenso schön wie "peinlich" zu sein, und wird nicht zuletzt deshalb oft mit einem Witz oder einer Unterbrechung beendet, einfach, um die Spannung wieder abzubauen.
    Das heißt als Konsequenz: Wenn der Leser eine solche Szene nicht will, sei es jetzt Sex oder was anderweitig Intimes, kann das ernsthaft störend sein, ebenso wie eine Sexszene, die einem nicht gefällt. Ich finde aber, dass einen das, sofern man nicht ganz bewusst Hardcore-Sellout-Mainstream-Literatur schreibt, auf keinen Fall davon abhalten sollte, entsprechende Szenen einzubauen, sofern sie denn passen. Gute Literatur ist imho immer auch irgendwie aufrüttelnd, verwirrend, irgendwo subversiv, und da gehört sowas auch dazu. Ganz davon abgesehen, dass man es eh nicht jedem recht machen kann (speziell bei so einem Ding).
    Auch interessant ist in dem Kontext Schattenläufers Kommentar zur Jugendliteratur, der imho einfach mal stimmt: Ich weiß noch genau, wie einerseits anziehend, andererseits aber auch abstoßend ich entsprechende Darstellungen immer fand. ^^ Die Szenen sind insofern oftmals "gut", dass sie sehr genau wissen, was sie tun - niemand schreibt Pornographie für Kinder, und bei bewusster Jugendliteratur (ich denke mal, hier ist nicht zuletzt "Bildungsliteratur" gemeint) gibt es auch immer entsprechende Hintergrundgedanken.

    Zitat Zitat von Gendrek
    Entweder wird Sex als Aufhänger für "folgenschwere" Konsequenzen benutzt (und abseits davon existiert Sex nicht) oder, vor allem in Fantasyromanen, um die kleinen Nerds ordentlich an die Buchreihe zu fesseln.
    Ist aber auch ne dünne Linie. Weil, wenn der Sex nicht zum Inhalt beiträgt (heißt, Konsequenzen & Charakterisierung), was bleibt dann noch außer dem Schauwert? Gegen den ich übrigens nicht habe; Sex funktioniert bekanntlich nicht nur bei kleinen Nerds. Vielleicht ist es auch einfach ein kleiner Widerspruch, der sich nicht ganz auflösen lässt.

    Zu vage vs. ausformuliert: Kommt drauf an. Wenn in einem Buch allgemein viel ausformuliert und ausgiebig beschrieben wird, kann (oder sollte?) man das auch bei Sex tun. Wenn das Buch auch sonst vage und fokussiert ist, kann eine detaillierte Sexszene total fehl am Platz sein. Das ist auch das, was ich oben mit "Sex in einem Text, der sich sonst auf die Handlung fokussiert" meinte - es muss eben passen. Ach ja, und wenn man bewusst einen Erotikaspekt haben will (und der auch zum Rest des Buchs passt), kann man sich natürlich austoben.
    Noch ein Kommentar zum Schreibstil: Das "Lächerliche" an vielen "Schundheften" ist glaub ich immer der Versuch, die Einschränkungen der Konvention, der Moral hinter sich zu lassen. Und weil es immer so überdeutlich ist, wenn es jemand ein ganzes Buch lang versucht, dem Leser (der das Buch genau deshalb gekauft hat) klarzumachen, dass er nicht bloß hingabevoll etwas versucht, kann das fast nur schiefgehen.

    @Owly: Ja, man muss bei Sykes' Text etwas Transferleistung betreiben, wobei gerade dieser Genreblick auch irgendwo interessant ist.

    Zitat Zitat von Schattenläufer
    Das würde mich übrigens interessieren, fällt hier jemandem eine längere Sexszene aus einem Literaturklassiker ein, der nicht aus dem Genre der erotischen Literatur ist? (Mir fällt gerade "Ulysses" ein aber da wird Sex, wie auch alles andere, eben sehr humorvoll-distanziert beschrieben.)
    Mir ist auf Anhieb keiner eingefallen, aber ich hab keinen Zweifel, dass es in jüngerer Zeit da mehr als genug gibt. Schnitzler hat ein paar Sachen, die zwar nicht explizit werden, aber 100 Seiten lang um das Explizite herumtänzeln. Allgemein wäre die Decadénce wohl ein guter Startpunkt, wenn man sowas sucht. Die mochten ja "ekligen Kram", hat mir die Uni beigebracht. ^^ Wenn du Coelho schon als Klassiker zählst - der hat auch einiges.

  7. #7
    Zitat Zitat von La Cipolla
    Ich finde, das gilt tatsächlich nicht nur für Sex.
    Genau das ist das Problem, das ich mit dem Text habe. Natürlich sind Figuren "verwundbar", wenn sie intime Momente erleben. Aber jeder Moment ist potenziell intim. Die körperliche Bloßstellung beim Sex ist immer auch eine emotionale, eine gedankliche, ansonsten würde sich der Sex in sich selbst ergehen.
    Ich lese momentan Stoner und der Sex darin ist so erbärmlich beiläufig wie ein Mittagessen. Nicht ausführlicher beschrieben, so stoisch wie der Rest und so offenlegend. Die Hauptfigur ist schon durch Alltäglichkeiten bloßgestellt, da mutet der flüchtige Sex mit einer Affäre schon an, als könnte er sie über das Menschsein hinausheben.

    Die Zielgruppenfrage stellt sich zwar nur bei Genreliteratur, aber feuilletonistischer Kram ist ja auch nicht davor gefeit, Leser mittendrin zu verprellen. Passiert ist mir das allerdings noch nie und dabei gehöre ich eindeutig zur prüderen Sorte. Entweder weiß ich, worauf ich mich einlasse, oder ich gehe auf Blindflug. Dann scheitert es aber nie nur an einer Szene. Ich könnte mir vorstellen, dass ich an Lolita oder Uhrwerk Orange keinen Spaß hätte. Den Beschreibungen nach würde ich Uhrwerk Orange nach ein paar Seiten wütend an die Wand klatschen.

    Jugendliteratur finde ich deshalb schwer zu beurteilen, weil die Grenze so fließend ist. Harry Potter und Panem sind ja kaum mehr als solche zu bezeichnen, und Statistiken besagen, das etwa die Hälfte als Jugendbücher von Erwachsenen gekauft werden. Ich habe letztens Die Sprache des Wassers gelesen. Aber bis auf die jugendliche Hauptfigur und die Tatsache, dass der Inhalt von Jugendlichen verarbeitet und verstanden werden kann, wüsste ich nicht, wodurch sich das Buch nunmal als Jugendbuch ausweist. Zu Sex kommt es darin nicht, aber wenn er genauso behandelt worden wäre, wie der Rest, hätte wohl kein Jugendlicher was zu monieren. Da gebe ich dir definitiv Recht, La Cipolla, der Ton sollte beibehalten werden.

    Zitat Zitat
    Ja, man muss bei Sykes' Text etwas Transferleistung betreiben, wobei gerade dieser Genreblick auch irgendwo interessant ist.
    Eher, um meine Vorurteile zu schüren. Der Blick ist so losgelöst von der sonstigen Literatur, dass ich mich fragen muss, wieso er nicht aus deren Erfahrungsschatz schöpft, statt die Erkenntnisse jungfräulich zu gewinnen.

    Zitat Zitat
    Das "Lächerliche" an vielen "Schundheften" ist glaub ich immer der Versuch, die Einschränkungen der Konvention, der Moral hinter sich zu lassen. Und weil es immer so überdeutlich ist, wenn es jemand ein ganzes Buch lang versucht, dem Leser (der das Buch genau deshalb gekauft hat) klarzumachen, dass er nicht bloß hingabevoll etwas versucht, kann das fast nur schiefgehen.
    Ich glaube eher, dass die Sprache nicht ihren Zweck erfüllt. Blumige Sprache, reich an Metaphern und Vergleichen, eignet sich nicht für einen stumpfen Akt. Das ist eher gut, um Sex als transzendentales Erlebnis zu beschreiben, als religiöse Sache. Und da das schnell im Verdacht steht, melodramatisch zu sein, kann man mit blumiger Sprache nur verlieren. Außer natürlich bei der Zielgruppe, die in Erotikromanen die erwachsene Fortsetzung der Romantik und der Backfischliteratur sieht.


    Würdet ihr folgenden Satz schon als Sexszene begreifen? Er sah sie an, sie sah ihn an, aber erst, als sie Nacken an Nacken ineinander verschlungen lagen, sahen sie sich richtig.

  8. #8
    Ich denke, was eine gute Sexszene ausmacht, ist nicht die Beschreibung des eigentlichen Vorgangs. Das lässt sich fast immer auf "Rein, Rauf, Runter, Raus" herunterbrechen. Was eine Sexszene interessant macht, ist das drumherum. Wenn ich z.B. eine Inzestgeschichte schreibe, ist es nicht mit einem "die Frau, die ich gerade rammelte war übrigens meine Schwester" getan. In diesem Beispiel würde mich interessieren, warum es zwischen den beiden gefunkt hat, was sie über das gesellschaftliche Tabu denken, usw. Die Beschreibung der sexuellen Handlungen ist dann zwar nett (sofern sie gut gemacht ist), aber da kann ich mir auch auf irgendeiner entsprechenden Seite ein kleines "XXX gets fucked hard" Filmchen ansehen, das bietet dasselbe und in bewegten Bildern statt als einfachem Text.
    Das soll ich nicht heißen, dass ich ein Problem damit habe, wenn es einfach nur darum geht, das zwei Leute innerhalb einer Geschichte Sex haben, aber wenn es eine Wirkung erzielen soll, ist die Beschreibung des Geschehens vor dem eigentlichen Akt das Wichtigste. In den seltensten Fällen wird die Situation sein "Und dann hatte ich aus irgendeinem Grund Sex." Das Warum ist das Interessante. Warum sind die Personen erregt? Wurde eine der beteiligten Personen von der anderen verführt? Sind irgendwelche Gefühle im Spiel, wollen sich die Beteiligten einfach nur amüsieren oder zwingt sich gar einer dem anderen auf? In welcher Beziehung stehen die beteiligten Charaktere überhaupt zueinander? Und so weiter. Wenn das gut gemacht ist, brauch ich nicht mal mehr was darüber zu lesen, wie er sein Y in ihr X steckt. Im Gegenzug, wenn der Hintergrund wegfällt, nützen auch noch so viele Xe und Ys nichts, um die Geschichte noch erotisch zu machen, dann bleibt nämlich nur noch Fleischklopfen.

    Hm, das war jetzt mehr zum Thema Erotik als zum Thema Sex. Andererseits, was bleibt vom Sex, wenn man die Erotik entfernt? Womit ich wieder am Anfang des Beitrags wäre .

  9. #9
    Zitat Zitat
    Würdet ihr folgenden Satz schon als Sexszene begreifen? Er sah sie an, sie sah ihn an, aber erst, als sie Nacken an Nacken ineinander verschlungen lagen, sahen sie sich richtig.
    Gute Frage. ^^ Wo kommt das jetzt her?
    Um auch zu antworten ... so la-la. Es ist natürlich a) sehr minimalistisch beschrieben und b) sehr pragmatisch angelegt, zumindest wenn die Szene größer als nur dieser eine Satz ist; sofern sie nicht größer ist, müsste man glaub ich erst einmal allgemein fragen, wo überhaupt eine "Szene" anfängt. Es kommt also auch ganz stark auf das Umfeld an. Wenn es davor bspw. ein bisschen Bettgespräch/Vorspiel gibt, wäre es für mich durchaus eine Sexszene, aber wenn ein anderer Aspekt im Mittelpunkt steht, reicht der Satz nicht aus, um mir das Ganze als solche zu verkaufen. Aber wie gesagt, wir begeben uns schon ziemlich stark in Definitionsangelegenheiten. Letztendlich geht es ja meistens nicht nur um den Sex an sich, man könnte also die entsprechenden "Sexszenen" alternativ immer auch "zwischenmenschliche Szenen" nennen, oder so. Wenn es dem entsprechenden Gespräch hilft.

    Zitat Zitat
    Ich glaube eher, dass die Sprache nicht ihren Zweck erfüllt. Blumige Sprache, reich an Metaphern und Vergleichen, eignet sich nicht für einen stumpfen Akt. Das ist eher gut, um Sex als transzendentales Erlebnis zu beschreiben, als religiöse Sache. Und da das schnell im Verdacht steht, melodramatisch zu sein, kann man mit blumiger Sprache nur verlieren. Außer natürlich bei der Zielgruppe, die in Erotikromanen die erwachsene Fortsetzung der Romantik und der Backfischliteratur sieht.
    Hm, ich würde viele Darstellungen von Sex aber eindeutig irgendwo zwischen den Extremen "stumpf" und "transzendental" einordnen, gerade wenn sie gut sind. Dann wiederum gibt es ja auch viele, viele Sexszenen, die gerade aufgrund der stumpfen Sprache so komisch rüberkommen.

  10. #10
    Ich erfreue mich in der Fiktion IMMER an Sexszenen - wenn sie denn realistisch und naturalistisch gehalten werden. Alles andere finde ich überflüßig.

    >>> Ein Negativbeispiel <<<

  11. #11
    Ich empfehle "Die Truhen des Arcimboldo". Einfach mal googlen:
    https://www.google.de/#q=die+truhen+des+arcimboldo
    Da findet man Rezensionen. Da kamen irgendwelche SM-Spiele im Vatikan drin vor, so weit ich mich erinnere. Hatte das damals zufällig gekauft auf so nem Tisch mit reduzierten Büchern weil ich dachte das sei vielleicht was Interessantes mit Kirchenkram usw.

  12. #12
    Zitat Zitat von Owly Beitrag anzeigen
    Würdet ihr folgenden Satz schon als Sexszene begreifen? Er sah sie an, sie sah ihn an, aber erst, als sie Nacken an Nacken ineinander verschlungen lagen, sahen sie sich richtig.
    Nein, das wäre mir zu "philosophisch" - das wäre für mich - salopp gesagt - das wortbildende Vorspiel zur Sexszene, beispielsweise der erste Kuss oder eben die Gefühle nach dem Akt.
    Damit ich es als Sexszene wahrnehme, sollte tatsächlich der Akt beschrieben werden, weil ich - wie oben schon geschrieben - auch in der Art wie man liebt und wie man Sex hat, viel über die Charaktere erfahren kann.
    Die für mich perfekte Sexszene beginnt schon bei den Beschreibungen WAS die Leute zum Sex oder zum Verführen an Kleidung tragen, wie sie sich zurecht machen, wie sie den Raum vorbereiten oder wie sich die erotische Spannung langsam aufbaut. Danach kann der Akt als Solches gerne explizit beschrieben werden wenn es denn dazu taugt ETWAS zu vermitteln. Ein "Rein, raus, rein, raus" das sich immer wiederholt bringt mich als Liebhaber einer Geschichte nicht weiter. Die detaillierte Beschreibung einer ungewöhnlichen Sexualpraktik hingegen mit der Beschreibung von meinetwegen "Furcht" oder "Lust" hingegen bringt mich den Chars näher und ist so für mich eine gute Quelle und Gelegenheit, sie weiter kennenzulernen.

  13. #13
    Das größte Problem an 50 Shades of Grey ist jedoch die vollkommen verzehrte Darstellung der BDSM-Kultur. In dem Buch wird an ein völlig falsches, fehlinterpretiertes und unverantwortliches BDSM Verhalten herangetragen welches mit den tatsächlichen Regeln und Strukturen überhaupt garnichts zu tun hat.
    Hinzu kommt natürlich der dilettantische Stil der Autorin, die ständigen Wiederholungen der absoluten und unumstößlichen Schönheit (Christian ist ja SO. SCHÖN! des Hauptprotagonisten und der in keinster Weise mehr menschlich wirkenden Konstruktion der Protagonistin (abhängiger, dümmer und naiver ist da nur Bella Swan).

    @Liferipper: Schön ausformuliert und zum größten Teil vollste Zustimmung, die Hintergründe und Implikationen der handelnden Personen sind immer sehr interessant zu erfahren . Auch wenn man den reinen Akt auf sehr viel mehr ausweiten kann als "Rein Raus, Rein Raus". Das ganze kann man wirklich sehr schön und in verschiedenste Richtungen ausschmücken.

    Zitat Zitat von Owly
    Würdet ihr folgenden Satz schon als Sexszene begreifen? Er sah sie an, sie sah ihn an, aber erst, als sie Nacken an Nacken ineinander verschlungen lagen, sahen sie sich richtig.
    Das ist garnicht mal so leicht zu beantworten. Es ist einerseits ganz klar eine Andeutung auf den Akt, aber die Ausrichtung geht ja viel tiefer. Als eine Szene würde ich das ganze noch nicht sehen, dafür ist es ja nur ein Satz aber ausgeweitet auf mehr Zeilen in der Art kann die "Sex-Szene" die ja angedeutet wird als schönes Podest für etwas "wertigeres" dienen.
    Also... jein ?

    Zitat Zitat von La Cipolla
    Ist aber auch ne dünne Linie. Weil, wenn der Sex nicht zum Inhalt beiträgt (heißt, Konsequenzen & Charakterisierung), was bleibt dann noch außer dem Schauwert? Gegen den ich übrigens nicht habe; Sex funktioniert bekanntlich nicht nur bei kleinen Nerds. Vielleicht ist es auch einfach ein kleiner Widerspruch, der sich nicht ganz auflösen lässt.

    Zu vage vs. ausformuliert: Kommt drauf an. Wenn in einem Buch allgemein viel ausformuliert und ausgiebig beschrieben wird, kann (oder sollte?) man das auch bei Sex tun. Wenn das Buch auch sonst vage und fokussiert ist, kann eine detaillierte Sexszene total fehl am Platz sein. Das ist auch das, was ich oben mit "Sex in einem Text, der sich sonst auf die Handlung fokussiert" meinte - es muss eben passen. Ach ja, und wenn man bewusst einen Erotikaspekt haben will (und der auch zum Rest des Buchs passt), kann man sich natürlich austoben.
    Noch ein Kommentar zum Schreibstil: Das "Lächerliche" an vielen "Schundheften" ist glaub ich immer der Versuch, die Einschränkungen der Konvention, der Moral hinter sich zu lassen. Und weil es immer so überdeutlich ist, wenn es jemand ein ganzes Buch lang versucht, dem Leser (der das Buch genau deshalb gekauft hat) klarzumachen, dass er nicht bloß hingabevoll etwas versucht, kann das fast nur schiefgehen.
    Und da haben wir den Knackpunkt warum Sexszenen (fast) immer in die Hose gehen (höhö). Sex wird oft als Mittel zum Zweck benutzt um irgendeinen Handlungspunkt voranzutreiben oder einen neuen Handlungsstrang entstehen zu lassen, außerhalb davon, also um eine Mechanik zu bedienen, gibt es Sex entweder nicht ODER Sex ist nur da um da zu sein. Das finde ich irgendwie problematisch, denn wenn ich Sex als reines Zweckmittel benutze ihn aber sonst völlig ignoriere dann zerstört das vollkommen meine Suspension of Disbelief. Wenn ich ihn nur als Schauwert benutze dann fehlt der Inhalt.
    Das ist insofern problematisch, dass man es nur verflucht selten und schwer hingebogen bekommt um an diesen beiden Punkten vorbeizuschwimmen. Einerseits darf Sex in Geschichten nicht nur zu einem einzelnen Zahnrad im Getriebe werden, andererseits aber auch nicht vollkommen bedeutungslos sein.

    Was Formulierungen angeht... klar, ein Stilbruch sollte nicht vorkommen, das ruiniert ganze Szenen und Kapitel. Aber es sollte ja nicht so schwer sein ein paar Formulierungen zu finden die einerseits nicht so wirken als hätte der Autor mit hochrotem Kopf über der Szene gehockt und andererseits nicht so, als wäre man auf einem spirituellem Trip bei dem man mit lustigen Mittelchen nachgeholfen hat .
    Leider ist da wohl aber auch das Problem die Sprache an sich... Deutsch ist halt eine sehr mechanische Sprache die viel Wert auf genauste Differenzierung legt :/.

  14. #14
    Hm. Ich sehe das mit der Sprache irgendwo ein, möchte es aber in dem Kontext (zumindest als ernst zu nehmende Begründung für irgendwas) nicht so recht annehmen. Das mag ein kleiner Aspekt sein, aber gute Erotik geht definitiv auch auf Deutsch, und Schlechte genau so gut auf Englisch. Da würde ich mich nicht zu lang dran aufhängen.
    Sonst ja. ^^

    @Itaju: Meinst du natürlich/naturalistisch in der Beschreibung, oder in dem, was tatsächlich abgeht? Dein Beispiel würde ja für beides herhalten. Wenn es um Zweiteres geht, würde ich aber einlenken wollen.

    Btw.



    Na, Daen, Sexszene oder nicht? (Die Frage ist übrigens zur Hälfte ernst gemeint.)

  15. #15
    Ich denke mal du hast das falsche Video verlinkt... ^^

    Eine Szene in der humoristisch auf (so etwas wie) Sex Bezug genommen wird, ist keine Sexszene.
    Genausowenig wie es eine Actionszene ist wenn zwei Soldaten über das Abfeuern ihrer M16 sprechen.

  16. #16
    Ich finde Sex ist ein zu fundamental wie gewöhnlicher Bestandteil von Beziehungen als nicht fundamental (und gleichermaßen gewöhnlich) beschrieben zu werden.

    Inhalt sollte dabei den größeren Focus bekommen als die stilistische Ausarbeitung. Letztere ist mir nicht so wichtig, da Worte eh kaum an das Medium Sex herankommen (aus demselben Grund lese ich auch keine Musikkritiken). Ich muss aber zugeben, dass es Autoren gibt, die das Thema besser oder schlechter angehen.

    Oh, noch etwas aus meiner literarischen Mottenkiste. Ein Auszug aus meinem Roman. Sex kommt nicht direkt vor, wird aber thematisiert. Bin auf eure Kommentare gespannt.


    Zitat Zitat
    Obwohl mein Atem immer noch zittert, kehrt mit jedem weiteren Zug etwas Ruhe zwischen meine Rippen zurück. Ela hingegen ist bereits vollständig still. Sie küsst meine Kehle und gleitet mit ihren Finger an meiner Hüften entlang.
    Mit einem Schmatzen trennen sich unsere Körper. Ich falle auf den Rücken und betrachte das Karomuster an der Decke.
    Hat uns das etwas gebracht?
    In der Nähe meiner Schulter findet Ela einen Platz für ihren Kopf. Mit der Rückseite ihres Zeigefingers streicht sie über meine Bartstoppeln.

    Ich habe einmal gehört, dass die Sprache der Eskimos für jede Form von Schnee ein eigenständiges Wort besitzen soll.
    Wäre es nicht schön, wenn es für jede Form von Sex einen eigenständigen Begriff gäbe?
    Man könnte seinen Partner mit einem einzigen Wort fragen, ob man gemeinsam ‚spontanen, ungezwungen Sex’ haben möchte - und der Partner würde dann unter diesem Wort nicht selbstverzehrenden sehnsuchtsvollem Sex’ verstehen. Wenn der eine von ‚verzweifeltem Sex’ spricht, könnte es der andere nicht fälschlicherweise mit ‚schmutzigem Sex’ verwechseln. Niemand könnte ‚Schmusesex’ und ‚Sex, der Ecken und Kanten hat’ durcheinander bringen. Es gäbe keine Missverständnisse mehr und vielleicht würden dann auch Ela und ich über dieses Thema sprechen.

    Die Taschentücher liegen immer noch angebrochen in der obersten Nachtischschublade bereit. Ein Wunder, dass ich noch weiß, wo wir sie aufbewahren.
    Ela verlässt das Zimmer ohne ein Wort. Durch die Zimmerwand dringt das gedämpfte Geräusch von auf ihrer Haut prasselndem Wasser zu meiner Bettkante. Ich rolle das Kondom in Papier ein und lege es auf den Nachtisch.
    Hätten wir eben mal lieber den Film zu Ende geschaut.

    Geändert von Itaju (28.01.2014 um 20:06 Uhr)

  17. #17
    Zitat Zitat von Itaju Beitrag anzeigen
    Oh, noch etwas aus meiner literarischen Mottenkiste. Ein Auszug aus meinem Roman. Sex kommt nicht direkt vor, wird aber thematisiert. Bin auf eure Kommentare gespannt.
    Rein persönlich finde ich das auch DAS keine Sexszene ist, sondern eher eine Szene die eine Beziehung beschreibt in der erklärt wird dass die beiden Partner gerade Sex gehabt hatten.

  18. #18
    Explizite Sexszenen gibt es auch, aber die sind ähnlich nüchtern wie die Beschreibung hier, aber die find ich nicht so gut, deswegen bekommt ihr die hier nicht zu lesen. ^^

  19. #19
    Zitat Zitat von Owly Beitrag anzeigen
    Würdet ihr folgenden Satz schon als Sexszene begreifen? Er sah sie an, sie sah ihn an, aber erst, als sie Nacken an Nacken ineinander verschlungen lagen, sahen sie sich richtig.
    Ich würde hier ebenfalls mit "Jein" antworten, die Einschränkungen allerdings nicht in puncto "Sex", sondern ebenfalls bei der "Szenen"-Begrifflichkeit machen. Wenn ich den Satz gedanklich in Bilder umdichte - wozu mich der Ausdruck "Szene" ja verführt -, bin ich mir nicht sicher, ob ich lediglich ein Foto, eine Abfolge von Fotos oder tatsächliches Bewegtbild sehe, alle drei Varianten scheinen mir möglich. Selbst wenn es sich aber um Bewegtbild handelte - und ich verwende hier film-wissenschaftliche Analogien - wäre meine Definition eher "Sequenz", im Sinne einer ruhigeren, nur sanft oder leicht beweglichen Einstellung. Für eine ganze "Szene" fehlen mir doch die - geschnitten wirkenden - unterschiedlichen Justierung innerhalb des "Films".

    tl;dr - Bewegtbild-Sex oder Sex-Sequenz ja, Sex-Szene eher nein.


    Ansonsten ist das ganze ohnehin ein furchtbar interessantes Thema, auch wenn es mir jetzt schwer fällt, mitten in der Diskussion einen Ansatz zu finden. Ich werde einfach bestimmte Zitate nehmen und mich von diesen aus selbstständig bewegen, dabei vermutlich auch verlieren. ^^

    Zitat Zitat von La Cipolla Beitrag anzeigen
    • Wie steht ihr zu Sex als Genre? Lest ihr Erotikkram / würdet ihr ihn lesen, schreibt ihr ihn vielleicht sogar?
    Sex als Genre - davon ausgehend, dass es allein stehendes Genre ist und nicht innerhalb eine Genre-Verbindung existiert - hat für mich keinerlei Reiz. Das kann ich nicht näher erläutern, es ist einfach so. Jede erzählte Geschichte, die mich in irgendeiner Art und Weise unterhalten soll, muss eine Triebfeder haben. Sex oder Erotik reicht für mich als Triebfeder nicht aus. Objektiv hat Sex als Genre wahrscheinlich eine Daseinsberechtigung, auch wenn sie mir nicht ganz nachvollziehbar erscheint. Um an dieser Stelle Daens Vergleich zu verwenden...

    Zitat Zitat von Daen vom Clan Beitrag anzeigen
    Eine Szene in der humoristisch auf (so etwas wie) Sex Bezug genommen wird, ist keine Sexszene.
    Genausowenig wie es eine Actionszene ist wenn zwei Soldaten über das Abfeuern ihrer M16 sprechen.
    Ähnlich sehe ich das auch, was mich vor die Frage stellt, ob ich Sex als Genre überhaupt "ernst" oder wahrnehmen kann. Wenn ich beispielsweise einen intensiven Shootout literarisch darstellen möchte, ist die gesamte Geschichte nicht dem Genre "Shootout" zuzuordnen, da es sich dabei lediglich um einen Bestandteil von Genres wie bspw "Action" oder "Western" handelt. Eine Sexszene oder auf andere Art und Weise schriftlich dargebotene Erotik ist für mich genau so wenig Genre, sondern eben Bestandteil von oder Stilmittel innerhalb von einer Geschichte, deren Genre zB "Liebe" (romantische, innige Sexszene), "Krimi" (Rape oÄ) oder sonstwas ist.

    Möglicherweise vernachlässige ich beim Verfolgen dieses Gedankenganges, dass auch Erotik Triebfeder und füllendes Thema einer ganzen Geschichte sein kann. Ich für meinen Teil habe aber bislang noch keine Geschichte gelesen (oder gesehen), in der dies für mich der Fall war.

    Zitat Zitat von La Cipolla Beitrag anzeigen
    • Was haltet ihr von Sexszenen in Büchern? Cool? Okay? Lieber nicht? Was sind eure Erfahrungen als Leser?
    Das wiederum ist natürlich wesentlich schwieriger zu beantworten.

    Ich könnte mich nun ewig mit der Frage auseinandersetzen, was eine gute Sexszene ausmacht. Einige Punkte wurden im Laufe der hier stattfindenden Diskussion ja auch genannt:

    - Sie soll angemessen beschrieben sein. Alberne Metaphern, Analogien, bildhafte Vergleiche und Co. zerstören die Erotik und auch den Flow, wenn nach jedem dritten Wort eine dreißigsekündige Denkpause folgt, in der man überlegt, was der Autor mit der jeweiligen Textstelle hat ausdrücken wollen.
    - Sie soll nicht mit dem Schreibstil des restlichen Buches brechen (es sei denn, dieser Stilbruch ist intentioniert)
    - Sie soll kein Selbstzweck sein
    - Sie soll mehr als nur Stilmittel sein
    - uvm

    Da erscheinen einige Punkte wichtiger, während andere vernachlässigbar wirken. Ich zum Beispiel finde Sex in der Kunst als Selbstzweck ganz fürchterlich und ärgere mich jedes Mal tierisch. Das geht soweit, dass ich schon fast aus Prinzip dazu neige, das Lesen eines Werkes abzubrechen, obwohl es mir ansonsten doch gefallen hat. Was wiederum ein intentionierter und was ein dilettantisch verursachter Stilbruch ist, weiß oft wohl nicht mal der Autor selbst. Und sämtliche Szenen sowohl dem Gesamtwerk der Geschichte als Stilmittel unterzuordnen und gleichzeitig auch für sich selbst stehen zu lassen, ist ohnehin die Mammut-Aufgabe eines jeden Texters, egal ob in Bezug auf Sex oder jedes andere Element.


    Nun habe ich mit dem Thema als Lesender nur vage Erfahrungen, als Schreiberling doch mehr und vor allem bewusster.

    Ich oute mich; ich spiele mit einer Freundin / Bekannten hin und wieder Chat-Rollenspiele, bei denen sie in die Rolle einer Protagonistin und ich in die Rolle eines Protagonisten schlüpft. Diese Hauptcharaktere streifen gemeinsam an einem losen von uns festgelegten Plot entlang durch eine von uns entworfene Welt, die sich an unterschiedlichste Genres (Endzeit, Sci-Fi, Superheroes) orientiert und dabei sowohl mit Genre-Klischees arbeitet als auch eigene Ideen einbringt. Vorkommende "NPCs" werden aufgeteilt oder gemeinsam gespielt. Die Idee ist, sich innerhalb dieser Welten nach beidseitiger Lust und Laune austoben zu können und eine angenehme Mischung aus kohärent erzählter Geschichte und Spaß im Moment zu erleben. Ich komme langsam zum Punkt: Die Charaktere erleben dabei - je nach Art der gebauten Welt und Geschichte - von Alltagssituationen bis zu Ausnahmesituationen alles.

    Die essentiellen Phasen innerhalb der erzählten Geschichte werden logischerweise ausgespielt, wobei es völlig uns und dem Moment obliegt, was wir denn als akut essenziell betrachten. Jetzt bin ich da, wo ich sein sollte: Sofern wir beide Interesse daran haben und die Situation innerhalb des Plots es gerade erlaubt (also kein: "I'm SO sorry, that your brother died getting bit by that zombie still staring at us... wanna have some fun?"), gibt es auch detailliert ausgespielte Sex-Szenen. In diesem Fall liegt der Fokus gerade beim ersten (erotischen) Kontakt der Charaktere auf der Entwicklung, Alternierung und Förderung einer Beziehung, bestimmten Aspekten der gegenseitigen Vertrauensverhältnisse und anderen gesamtgeschichtlich relevanten Dingen, ABER natürlich auch und vor allem (who am I kidding?) um den Moment und die - teils unschuldige, teils nicht unschuldige - Lust am gemeinsamen Erleben der Erotik. In diesem Fall ist der Sex das, was er meiner Meinung nach in der Literatur eigentlich nicht sein sollte, was ich aber in diesem speziellen Fall wiederum in Ordnung finde, da ich mich während des Spielens nicht als Schriftsteller, sondern eher als Schauspieler fühle und die gespielten Szenen nicht den Zweck erfüllen sollen, irgendwann von irgendwem gelesen zu werden, sondern lediglich den eskapistischen Gedanken des Eintauchens in eine andere Welt vollenden.

    Von da aus kann ich weiter gehen: Inzwischen haben wir nicht mehr nur eine grundsätzliche Begabung zum kreativen Schreiben, sondern ebenfalls einiges an Erfahrung, was das Ausspielen solcher Stellen angeht. Eigentlich klappt es gut, trotzdem erwische ich mich immer wieder dabei, dass es mir an Tagen, an denen das schwarze Loch meine Kreativität aufsaugt, schwer fällt, niedergeschriebenen Sex meinen eigenen Vorstellungen entsprechend gut, realistisch, sexy und ansprechend auszuformulieren, was ich zum Teil - Cipo hat das hier irgendwo angesprochen - darauf schiebe:

    Zitat Zitat von La Cipolla Beitrag anzeigen
    kein ausreichend normatives Vokabular für Sex
    Das empfinde ich tatsächlich als ein großes Problem insbesondere der deutschen - aber auch zum Teil der englischen - Sprache, auch wenn Cipo Recht hat, wenn er sagt:

    Zitat Zitat von La Cipolla Beitrag anzeigen
    gute Erotik geht definitiv auch auf Deutsch, und Schlechte genau so gut auf Englisch.
    Sehe ich auch so, dennoch machen diverse Aussparungen im Erotik-Vokabular beider Sprachen - Deutsch mehr, Englisch weniger - einem Autor von Sex-Texten das Leben schwer. Leidenschaftliche, härtere, schmutzigere Szenen brauchen einen "Schwanz", während es nur um die "Erregung" geht, wenn es inniger, sanfter, romantischer zugeht. Und damit habe ich dann auch fast schon mein gesamtes Wissen über die verschiedenen Bezeichnungen des männlichen Geschlechtsteils abgegeben. Klar gibt es "Glied", "Penis" und Co, aber ich bin verdammt nochmal ein sehr infantiler, noch nicht ganz 24-jähriger Nerd, der blöd zu kichern anfängt, wenn er eben "Glied" oder "Penis" hört. Ich erinnere mich da gerne zurück an eine längst vergangene Zeit in der fünften oder sechsten Klasse, in der wir im Biologieunterricht eine ganze Schulstunde lang Begriffe für Penis und Scheide an die Tafel schrieben und selbst nach dem Pausenklingeln noch nicht fertig waren. Das war wirklich beeindruckend, es gab sicher bis zu 50 verschiedene Begriffe für die Private Parts von Mann und Frau, aber der deutlich überwiegende Großteil bestand eben nicht aus "Rawr"-, sondern aus "OLOLOLOLOL"-Begriffen.

    Das selbe Problem gibt es im Übrigen auch, wenn es um die weibliche Brust geht. Ich finde Nippel super, aber das Wort "Nippel" möchte sich in meinen Ohren einfach nicht sinnlich anhören. Alternativen? Warze? Alter, ich möchte nicht an Warzen denken, wenn es um Nippel geht. Wer sich diese Begrifflichkeit ausgedacht hat, dem gehört 50 Shades of Grey vorgelesen - nein, ich möchte schöne, sinnliche oder wenigstens "geil" versaute Begriffe für das, was ich sinnlich oder geil versaut finde. "Knospe" ist da noch das einzige, was mich anspricht, aber wenn ich mehr Zeit an der "Knospe" verbringen will, wiederholt sich die "Knospe". Und ich bekomme Warzen vor Ärger über meinen eigenen grausigen Schreibstil.

    Fazit: Es gibt so viele unterschiedliche Formen von Sex. Spontanen, ungezwungenen Sex, sehnsuchtsvollen Sex, verzweifelten Sex, schmutzigen Sex, Schmusesex, Sex, der Ecken und Kanten hat (© by Itaju) und so viel mehr. Aber es gibt so wenig Begriffe, um diese breite Spanne an Sex abzudecken. So bleibt einem schließlich fast nur, diese Dinge zu umschreiben. Und dann wirft man sich vor, man würde nicht direkt genug sein, nicht so prägnant schreiben, wie im Rest des Werks der Fall. Im Casual-Chat-Rollenspiel ist das zu verkraften, doch wenn ich mich auch innerhalb eines Romans mit gewünscht expliziten Szenen auseinandersetzen möchte, stoße ich in jedem Fall auf literarische Schwierigkeiten, die mir weder die nächste Actionszene, noch das geschwisterliche Heart-to-heart, noch irgendwas anderes in der Form bereitet.

    PS: Ich halte deinen text, Itaju, im Gegensatz zu Daen auch für eine Sexszene, wenn sie natürlich auch nicht explizit ist. Und sie gefällt als Auszug, definitiv (auch wenn der Gesamtkontext natürlich fehlt).

  20. #20
    Zitat Zitat von Daen vom Clan Beitrag anzeigen
    Eine Szene in der humoristisch auf (so etwas wie) Sex Bezug genommen wird, ist keine Sexszene.
    Schon klar. Der gesamte Humor kommt halt genau daher, dass das Video wie eine Sexszene funktioniert, obwohl es letztendlich überhaupt nichts mit Sex zu tun hat. Das fand ich einfach ganz lustig und passend bei dem ganzen Definitionskram. ^^

    Metalevel, der Text hat mich gerade total zum Schmunzeln gebracht. Kenn ich so auch streckenweise, die Probleme beim Schreiben. Auch im Englischen, da fühlt es sich für mich nur nicht ganz so seltsam an, weil mein Sprachgefühl nicht dermaßen tief im Kopf verankert ist.

    Itajus Textausschnitt ist ziemlich großartig. <3 Und btw. imho auch nicht sonderlich nüchtern, nur eben stilsicher und nicht so auffällig blumig und metapherverrückt wie viele andere Sexszenen - was wahrscheinlich auch der Grund für deine Erklärung/Rechtfertigung war? Zumal der "casual" Aspekt, der da in der Sprache liegt, scheinbar ja auch noch inhaltlich relevant ist. Die Details wirken auch passend, sofern der restliche Text das ähnlich macht. Sag bescheid, wenn du Testleser brauchst. ^^
    Nur kurz zur Erklärung meiner Frage: Was das Inhaltliche angeht, wäre ich vorsichtig, gerade Sex in ein "Muster" pressen zu wollen. Durch die Mischung aus "voll wichtig!" und "total intim!" gibt es wahrscheinlich dermaßen viele Varienten von Sex (von ALL THE SEX bis hin zu NO SEX AT ALL), dass jede Bewertung über die Natürlichkeit und den Realismus einer Sexszene irgendwo ... schwierig ist. Dann würde ich lieber fragen, welche Probleme die entsprechende "unrealistische" Sexszene durch ihre Seltsamkeit mit sich bringt - Eskapismus? Fragwürdige Rollen- und Beziehungsbilder? Eine Störung im Charakteraufbau? Da kann richtig viel bei rauskommen, glaube ich, Realismus hin oder her.

    Insofern finde ich auch die Frage nach "Ist das eine Sexszene?" etwas irreführend, inzwischen. Sie umgeht halt den eigentlichen Punkt ("Erfüllt die Szene ihre Rolle?"), sofern man seine eigenen Texte nicht bewusst ins Erotische schiebt. Wobei auch Erotik bekanntlich ganz ohne tatsächlichen Sex funktionieren kann, und auch dazwischen gibt es alle möglichen Abstufungen (ich sag nur Soft- und Hardcore). Oder anders gefragt ... was ist der Vorteil einer klaren Definition?

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