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@N_Snake:
Du pickst aber genauso sehr Rosinen, wenn du deutsche Arbeitsbedingungen nennst, während wir über Polen reden (und die meisten großen Studios auch generell nicht in Deutschland sitzen), und wenn du von deinen Erfahrungen auf „alle großen Firmen“ extrapolierst. Es gibt halt Unterschiede, wie du selbst sagst, und die Nuancen spielen hier eine Rolle. CD Project hat bspw. mehrmals Werbung damit gemacht, auf Crunch verzichten zu wollen, und das ist das spätestens der Moment, bei dem für mich „dreist“ ins Spiel kommt. Sich einem ausbeuterischen System unterordnen ist eine Sache, aber so tun, als würde man es anders halten, eine komplett andere. Dass 6-Stunden-Wochen u.ä. bezahlt werden, ist für mich auch nicht wirklich ein Argument, sondern eine absolute Selbstverständlichkeit.

In dem Sinne kommt aber immer auch dazu, dass „Es ist überall so!“ imho ein seeehr schwaches Argument ist - vor allem bei Branchenführern, die in ihrem individuellem Geschmack von Gewinnstreben den Ton vorgeben. Die wortwörtlich einzige Begründung für dieses Argument kann Konkurrenz sein, und diese Begründung kaufe ich keinem Konzern ab, der Millionen an Gewinn einfährt. Die Frage ist hier nicht, ob der Verein erfolgreich ist, sondern WIE erfolgreich er ist - was okay ist, bis Leute darunter leiden.

Ich finde, das wird auch deutlich, wenn wir in dieser Diskussion hier alle Wert darauf legen, dass wir von „großen“ Studios, Konzernen u.ä. reden. Dass es selbst im mittelgroßen Indie-Bereich oftmals anders läuft (nicht immer und nicht meistens, ist denk ich klar, oder? Crunch kennen die natürlich genauso sehr), solang man Erfolg hat, zeigt ganz deutlich, dass es hier um Entscheidungen geht - denn was die Kleinen stemmen können, würden die Großen schon lange schaffen, und wer was anderes glaubt, lässt sich verarschen, entweder von den Firmen selbst oder von der Mythologie des finanziellen Systems.

Das ist am Ende des Tages auch mein Hauptpunkt: Natürlich geht es anders. Vielleicht fährt man dann weniger Gewinn ein, vielleicht ist man nicht mehr die reichste Firma Polens. Aber solange man die Entscheidung trifft, dass all das ein bisschen menschliches Leid wert ist, solange werde ich auch ein Problem damit haben.

Deswegen habe ich bei dem Punkt ja die deutschen Verhältnisse in Klammern gesetzt, um zu verdeutlichen, dass in Deutschland nochmal ein spezielles Wirtschafts- und Sozialsystem vorherrscht.

Mein Punkt sollte auch eher in die Richtung gehen, dass das Thema differenziert betrachtet werden sollte m.E.: "Crunching" bzw. (unentlohnte) Mehrarbeit ist kein Problem der Videospielbranche. Alle großen (Tech-)Unternehmen bedienen sich dessen. Ob Du einen Samsung-, LG- oder Sony-TV hast; eine Switch, eine Xbox oder eine Sony-Konsole; MACs, Windows-PCs; Smartphones etc. - alle diese Produkte sind mit den von Dir angeprangerten Verhältnissen in Verbindung zu bringen.

Im weiteren: Jede Beratung, die Du in einer Bank in Anspruch nimmst, fußt auf diesem Prinzip. Jeder Einkauf bei Discountern. Und im weiteren Sinne fast jedes Produkt von Unternehmen, die nur durch die Arbeit von z.B. externen Beratern und Wirtschaftsprüfern existieren und funktionieren. Ich verstehe Deinen Ansatz absolut, ich finde nur bedenklich, dass einzig und allein innerhalb der Gaming-Branche so zu handhaben und dann nur bei bestimmten Produkten. Im Prinzip dürftest Du mit der Einstellung gar nicht konsumieren.

Sehr gut verstehe ich Deinen Punkt, was die Kommunikation von CD-Project Red anbelangt. Aber auch hier sehe ich, dass zwar zurückgerudert wurde, die angefallenen Überstunden aber zumindest entlohnt werden.

Aber auch hier sehe ich es so: Wenn sich das Unternehmen den Mitarbeitern gegenüber fair aufstellt, dann halte ich persönlich es für tragbar und auch legitim, den Arbeitgeber in arbeitsintensiven Phasen zu supporten und die sog. Extrameile mitzugehen. Das wirst Du kennen, das kenne ich und das kennt wahrscheinlich ein jeder von uns, der in einem Angestelltenverhältnis ist.

Wie gesagt: Ich verstehe Deine Kritik oder grds. die Kritik an "Crunching" (wobei die Definition hier klar sein muss m.E.), ich wollte nur zum Ausdruck bringen, dass das ein generelles Thema in unserer heutigen Arbeitswelt ist und auch nicht erst seit gestern und dass man in meinen Augen drauf schauen muss, wie der Modus operandi tatsächlich aussieht.