Coole Diskussion.


Ich sehe noch zwei wichtige Themen!

Zitat Zitat von Master
Sich jetzt aber auf CD Projekt Red einzuschießen ist meiner Meinung nicht unbedingt förderlich, den die Thematik der Überstunden im Bezug auf Cyberpunk wurde vorrangig von "Journalisten" aus den USA aufgebauscht und ideologisch instrumentalisiert. Gemessen am bisherigen Verhalten von CD Projekt, die sich in vielen Dingen relativ fair gezeigt haben (GOG Kundenservice, die Einigung zu den Nachzahlungsforderungen von The Witcher-Autor Andrzej Sapkowski und zuletzt die Bezahlung der Überstunden) würde ich sie nicht zu übelsten Firmen dieser Welt zählen.
Zitat Zitat von Knuckles
Abgesehen davon wissen wir alle nicht, was hinter den Türen von CD Projekt Red abgelaufen ist, was es für Vereinbarungen es gab etc. pp.
Fakt ist aber, dass eine solch eine Story im Zusammenhang mit einer so erfolgreichen Firma und einem solch erwarteten Game bei vielen Seiten für hohe Klickzahlen und damit Werbeeinnahmen sorgt. Kann man daher auch den Journalisten vorwerfen, dass sie daraus Profit schlagen. Und dann kommt es natürlich noch dazu, wer darüber berichtet und in welchem Zusammenhang. Denn wenn ich eine Sache kritisieren muss, dann wie viel Schwachsinn ich im Zusammenhang mit Cyberpunk 2077 inzwischen gelesen habe.
Das ist ein guter Punkt, auch ganz ohne "aber" etc.

Aber (8D) es gibt auch einen inhaltlichen Grund: Die mächtigsten und auch die BESTEN Unternehmen haben natürlich – frei nach Uncle Ben! – die größte Verantwortung. Wenn Indie-Entwickler XY auf Crunch verzichtet, ist das cool, aber wenn CD Project auf Crunch verzichtet, wird das auf die gesamte Branche ausstrahlen. Umgedreht wird sich aber auch kaum jemand genötigt fühlen, seine Betriebspraktiken zu ändern, wenn selbst die gefeierten Branchen-Oberhäupter damit durchkommen und sogar noch verteidigt werden.
Ist derselbe Grund, aus dem JK Rowling regelmäßig angegriffen wird, sei es für Satanismus oder Transfeindlichkeit: Sicher, ihr Name bringt Klicks und Geld, aber sie hat halt auch ein paar (hundert?) Millionen Fans, und damit einen großen Einfluss. Natürlich kritisiert man da lieber sie als irgendeinen drittklassigen Schmuddelautor, der VIEL schlimmere Dinge tut.

Und um das noch mal zusammenzubringen: Es kann gut sein, dass CD Project im Vergleich mit, kA, bspw. Ubisoft, EA oder irgendeinem chinesischen Mobile-Game-Anbieter DEUTLICH besser dasteht. Aber die mag ja auch niemand so riiichtig. CD Project dagegen ist für viele immer noch der "Strahlemann", der nette Entwickler von nebenan. Und wenn sie dieses Image weiter aufrechterhalten wollen, ist es wichtig, dass sie a) sich so verhalten, und zwar nach HÖHEREN Maßstäben als die unbeliebten anderen, b) aber auch von den Medien und von uns, also ihren Fans, darauf festgenagelt werden. Sonst sind sie irgendwann einfach ein neues Ubisoft.

Sachen wie Crunch sind wie gesagt NICHT unvermeidbar. Natürlich behauptet jede Firma, dass sie XY tun muss, um zu überleben, aber wenn wir ehrlich sind, wissen wir alle, dass es immer andere Entscheidungsmöglichkeiten gibt. Wenn eine Videospielfirma (nicht unbedingt CDP – die sind da ziemlich nice!) bspw. zehn verschiedene Arten der Monetarisierung in ein einziges Spiel stecken kann, kann sie auch ein bisschen mehr darüber nachdenken, wie man Crunch vermeiden kann. CD Project kriegt sogar eine persönliche, ganz praktische Empfehlung von mir, komplett kostenlos: Wenn sie ihre Spiele 10% kleiner planen – 27 Stunden statt 30 Stunden! 135 Stunden statt 150 Stunden! – ohne die Ressourcen zu reduzieren, wird es NIEMANDEM negativ auffallen. Und das meine ich wörtlich.


Das führt auch zum nächsten guten Punkt.

Zitat Zitat von Ὀρφεύς
Mir geht es ähnlich mit gewissen Unternehmen innerhalb der Lebensmittelindustrie.
Habe Jahre in diesem Zweig gearbeitet und was ich da alles erlebt habe dreht einen den Magen um (wortwörtlich).
Hat dafür gesorgt, dass ich von manchen Unternehmen gar nichts mehr kaufen.
Zitat Zitat von N_Snake
Im weiteren: Jede Beratung, die Du in einer Bank in Anspruch nimmst, fußt auf diesem Prinzip. Jeder Einkauf bei Discountern. Und im weiteren Sinne fast jedes Produkt von Unternehmen, die nur durch die Arbeit von z.B. externen Beratern und Wirtschaftsprüfern existieren und funktionieren. Ich verstehe Deinen Ansatz absolut, ich finde nur bedenklich, dass einzig und allein innerhalb der Gaming-Branche so zu handhaben und dann nur bei bestimmten Produkten. Im Prinzip dürftest Du mit der Einstellung gar nicht konsumieren.
Jaaa. Ich weiß doch, was Sonic immer sagt ...


Zwei Punkte dazu:

1. Es gibt einen klaren Grund, dass ich speziell CD Project kritisiere und nicht, äh, Loreal oder die deutsche Polizeigewerkschaft (die es mit Sicherheit mehr verdient hätten): Ich mag Videospiele. Ich mag West-Rollenspiele. Ich mag sogar Cyberpunk – das Genre UND das Pen & Paper! Es ist ein Gebiet, das mir am Herzen liegt, und von dem ich ein biiisschen Ahnung habe, und deshalb finde ich es wichtig, genau und kritisch hinzuschauen. Loreal und die Polizei überlasse ich ... wer auch immer sich für sowas interessiert.

2. Ich führe noch mal die Antwort zu Knuckles' letztem Post etwas weiter aus: All das ist doch keine binäre Entscheidung mit "YES" oder "NO"! Niemand kann die Welt allein ändern, und niemand muss die Welt allein ändern. Das heißt auch: Niemand muss sich perfekt verhalten, um die Welt zu ändern. Selbst wenn ich eine Kleinigkeit in einem meiner Hobbies ändere – sagen wir, ich poste ein mittelmäßig abschreckendes Meme über Lootboxen! – und sonst alles in meinem Leben genauso hart scheiße mache wie davor, ist die Welt ein kleines bisschen besser geworden (... vielleicht).
Vielleicht nicht das beste Beispiel, aber woher kommt denn die Idee, man dürfe eine Sache nur kritisieren oder besser machen wollen, wenn man IMMER. AUSNAHMSLOS. ALLES. kritisiert und perfekt macht?

That being said, wir haben definiTIV weitreichende systemische Probleme, die weit über die Videospielindustrie hinausgehen, und die man vielleicht als großes Ganzes behandeln sollte ... (Careful! You're very close now ... ) Aber wenn wir schon davon ausgehen, dass sich selbst in dieser EINEN Branche, die wir mögen, bei diesem EINEN Unternehmen, das wir mögen, und seiner Kommunikation über EIN bestimmtes Spiel, das wir wahrscheinlich mögen werden, NICHTS ändern lässt ...? Dann können wir uns auch gleich hinlegen und sterben, so statisch und unveränderlich böse muss die Welt sein.


Ich komme euch hier aber auch gerne entgegen:
Natürlich darf man auch mal ansprechen, was CDP richtig machen, und man darf auch im guten Glauben an das Ganze herangehen: Ich denke nicht, dass die Chefs zynische hyperkapitalistische Arschlöcher sind, und ich gehe auch davon aus, dass sie ehrlich Crunch vermeiden wollten. Außerdem spielen die polnische Mentalität und die wirtschaftliche Realität Polens mit Sicherheit auch noch eine große Rolle, die gern außenvor gelassen wird. Aber all das das schließt sich ja nicht aus. Die gehen ja nicht pleite, wenn ein paar Menschen im Internet Stunk machen. Umgekehrt: Es hat einen greifbaren Effekt! Der Versuch, auf Crunch zu verzichten, kam SICHERLICH nur durch die Kritik. Und ich bin mir sicher, dass von diesem Versuch schon so einige Mitarbeiter sehr real profitiert haben, auch wenn er letztlich gescheitert ist.
Ich kann dann auch wieder ein gutes Review posten, wenn ich das Spiel in nem Jahr oder so spiele und mag – wie schon bei Witcher III –, und damit ein paar neue Leute auf das Spiel ansetzen. Ich kann aber auch im selben Review dafür sorgen, dass die Crunch-Sache nicht vergessen wird, damit man beim nächsten Spiel vielleicht noch ein bisschen besser plant.

Ich sehe darin keine echte Gefahr, aber viele echte Möglichkeiten.







Und eine schnelle Ergänzung hierzu:

Zitat Zitat von Rusk
Crunch gibt es abseits der Videospielindustrie zuhauf, fragt mal Leute wie mich die in der Gesundheit- und Pflegebranche arbeiten. Und was ist so schlimm daran, wenn man, wo das Spiel nur mehr ein paar Wochen zur Veröffentlichung hat, jeder sich zusammenreißt und das Projekt fertigstellen will? Da spielt auch die Teammentalität eine große Rolle, CD Projekt ist nicht EA oder Ubisoft. Kennt ihr das nicht, wenn ein Projekt kurz vor Ende euer und das eures Teams letzte Reserven braucht, damit das Ding endlich fertig wird? Das nennt man auch Ehrgeiz, man muss nicht immer ausgebeutet werden.
Wenn wir von vier Freunden reden, die vor dem großen Spiel noch mal alles geben, um als Underdogs ihre alten Erzfeinde zu besiegen, ist das cool. Bei einem kleinen Indie-Studio, dessen Fortbestehen am nächsten Spiel hängt? Okaaay geht natürlich klar. Aber wenn wir von einer Firma von 1000+ Angestellten reden, ist es in meinen Augen tatsächlich NUR NOCH a) Ausbeutung und b) vor allem schlechtes Management. Schließlich wird sonst alles durchgeplant in diesen Firmen. Firmen sind keine Personen, Firmen haben keinen Ehrgeiz und Ehrgeiz ist ein persönliches Gefühl, das aus dem Individuum heraus erwächst. Wenn du aber als Chef einer Firma deinen Erfolg zwingend (!) darauf aufbaust, dass deine Leute alle "ehrgeizig" genug sind, um mehrere Wochen lang 6 Tage die Woche zu arbeiten, möchte ich definitiv nicht in deiner Firma arbeiten. *schulterzuck*
Das darfst du aber gerne anders sehen – Du wärst offensichtlich nicht allein in der Branche.