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Thema: Vater unser

  1. #1

    Vater unser

    Hallo Atelier,

    ich habe es nach wie vor noch nicht aufgegeben mit dem Schreiben. Unten eine kleine Übungsgeschichte, die ich schnell in einer halben Stunde aufgeschrieben habe. Vielleicht findet sich ja jemand, der mir eine Rückmeldung darauf geben kann. Würde mich freuen







    Folter. Vergewaltigung. Erniedrigung.
    Welch Marter er auch durchlitten hatte, seinen Willen hat ihm niemand brechen können. Doch als an diesem wunderschönen Frühlingsmorgen des Jahres 1997 sein Mobiltelefon klingelte, brach für ihn erneut eine Welt zusammen.
    “Ja? Hier ist Valentino.”
    Kurze Pause. Er hörte nur ein Schnaufen. Dann meldete sich jemand.
    “Hier spricht dein Vater. Ich bin heute rausgekommen.”
    Vor Schreck ließ er beinahe das Telefon fallen. Sein Herz wurde von einer eisernen Faust umschlossen, durch sein Gehirn jagten Blitze purer Angst. Er konnte nichts sagen.
    “Ich bin auf dem Weg zu dir, mein lieber Valentino. Ich komme, zu dir und deiner Familie!”
    Seine Stimme klang bedrohlich, dunkel, apokalyptisch. Er war ein absolut degenerierter Psychopath. Die hatten ihn rausgelassen! Lebenslange Verwahrung, da waren sich Richter und Verteidiger doch einig gewesen!
    “Bleib weg von uns”, keuchte Valentino und dann entglitt ihm das Telefon tatsächlich. Mit einem scheppernden Geräusch zerschellte es auf dem Bordstein. Er war gerade auf dem Weg nach Hause, hatte in der Bäckerei um die Ecke Brote und Croissants gekauft. Seine Nachbarn hatten ihn freundlich gegrüßt, die Leute auf der Straße nickten ihm zu, lächelten oder redeten kurz mit ihm, jeder kannte hier jeden. Aber niemand kannte seine Geschichte.
    Wie angewurzelt blieb er stehen, seine Gedanken versanken in einem schwarzen Strudel aus perversen, kranken und vor allem schmerzhaften Erinnerungen. Das durfte nicht sein! Fünfundzwanzig Jahre war es her, seit ihn sein Vater beinahe entmenschlicht hatte. All die Jahre hatte Valentino nur mit Hilfe seiner Frau und später den gemeinsamen Kindern den Alltag überlebt. Anfänglich war es besonders hart gewesen. Alpträume, Angstzustände und Psychosen, Panikattacken auf offener Straße und traumartige Phasen ohne Erinnerung gehörten zu seinem Leben wie die Arbeit als Architekt, die er so sehr liebte.
    Mit der Zeit hatte er gelernt, diese Dinge zu verdrängen, diesen belasteten Teil seines Gehirns abzuschalten, aber mit diesem Telefonat brach alles wieder an die Oberfläche. Seine Knie zitterten und wurden weich, Herz und Lungen arbeiteten wie Motoren. Stöhnend hielt er sich die Seite und brach beinahe zusammen. Kalter Schweiß bildete sich auf seiner Stirn.
    “Papa! Was hast du?”, fragte Eliane, seine kleine Tochter, die über den Rasen auf ihn zugerannt kam. Selbstverständlich konnte er es ihr nicht sagen, sie war noch viel zu jung, um begreifen zu können, was ihr Papa in der Vergangenheit erlebt hatte.
    “Mäuschen”, presste er hervor. “Papa geht es nicht gut. Lauf zurück ins Haus und hol Mama bitte.”
    Eliane betrachtete ihn mit einem prüfenden, ernsten Blick, wurde gleich darauf aber wieder fröhlich. “Mama kann gerade nicht kommen. Es ist ein alter Mann da. Er hat nach dir gefragt.”
    Wie vom Blitz getroffen zuckte Valentino zusammen. Er war schon hier!
    Es war, als hätte jemand einen schrecklichen Schlund geöffnet, in den Valentino hinein gesogen wurde. Grauenhafte Erinnerungen peinigten seine Seele, zerrissen sein Herz in tausend Fetzen und ließen entsetzliche Übelkeit in ihm aufkeimen. Er schrie wie am Spieß.
    Erst blickte Eliane fragend und fing dann an zu weinen. Valentino musste ihr mit seiner Reaktion schreckliche Angst eingejagt haben.
    “Wer ist dieser Mann?”, fragte sie schluchzend und blickte mit tränenverschleierten Augen zu ihm auf.
    “Ich weiß es nicht”, antwortete er mit einer Stimme, die alles nur noch schlimmer machte. “Ich kann es dir nicht sagen.”
    Langsam machte er ein paar wackelige Schritte. In seinem Kopf war die Hölle. Verschwommen erkannte er die Umrisse seines Hauses, es schien unendlich weit weg zu sein. “Warte hier”, sagte Valentino zu Eliane. So schnell es ging überquerte er den Rasen. Es dauerte ewig, doch schließlich schaffte er es und stützte sich kurz an der weißen Hauswand ab. Eliane stand immer noch am selben Ort und blickte ihm nach.
    In der Nähe lag ihr kleines Gärtchen und seine Frau hatte an diesem ehemals wunderschönen Morgen ein wenig gejätet und alles wieder auf Vordermann gebracht. Nach ihren vierwöchigen Ferien in der Karibik war das auch dringend nötig gewesen. Eine armlange, kleine Spitzhacke lag vor ihm auf dem Boden. Er hob sie hoch, wiegte sie in der Hand und machte sich auf den Weg um das Haus herum.
    Keinen klaren Gedanken konnte er mehr fassen, in ihm drinnen wütete ein Sturm. Alles ging wie von selber, jeder Schritt, das Öffnen und Schließen der Tür, das Schleichen durch den Hausflur, er konnte sich nicht mehr kontrollieren und nichts dagegen tun. Im Haus war es totenstill.
    Plötzlich hörte Valentino Geräusche aus der Küche. Jemand redete leise und schnell, so als wollte er nicht, dass andere es mitbekamen. Das musste er sein!
    Neue Wogen der Angst brachen über ihm zusammen, schnürten seine trockene Kehle zu und machten ihn schwach und wehrlos. Aber das durfte er nicht zulassen! Ein letztes Aufbäumen seines verlorenen Ichs, das war alles was er brauchte. Schreiend und mit dem Gesichtsausdruck eines Wahnsinnigen stürzte Valentino in die Küche, die Spitzhacke zum tödlichen Schlag erhoben.
    Er hieb auf ihn ein, immer und immer wieder, bis das Blut spritzte und kein Leben mehr in ihm war.

    Der alte Greg saß am Frühstückstisch und goss sich den ganzen Kaffee über sein frisches Hemd. Vom Nachbarsgrundstück kreischte eine Frau, es klang so schrecklich als würde sie von jemandem bei lebendigem Leibe gehäutet. Selbst über die Entfernung von guten hundertzwanzig Metern konnte er hören, dass sie Todesangst und Höllenqualen litt. Sofort informierte Greg die Polizei und eine Stunde später erfuhr er, was sich zugetragen hatte. Valentino, Vater von drei Mädchen, hatte seine ganze Familie abgeschlachtet. Nur seine kleinste Tochter, Eliane war ihr Name, hatte das Massaker überlebt.

  2. #2
    Hmmmmm, gibt mir gerade nicht so viel.

    Ich dachte erst, die Metaphern (und Gedanken des Mannes) wären etwas abgegriffen, aber in dem Kontext ist das vielleicht gar nicht völlig unpassend.

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