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Legende
*pang!!*
Seine Hände zitterten beim Halten seiner Pistole, aus der sich langsam die Rauchfahne seines letzten Schusses rausschlich. Nicht weiter schlimm, in ihrem Schuppen hatten sie ja noch Munition. Aber das war gar nicht so wichtig, angesichts der Tatsache, was sich gerade vor Nikis Augen abgespielt hatte. Gelähmt vor all dem, was hätte passieren können, was noch passieren konnte und vor allem, was gerade passierte, stand er da und bewegte die Pistole mit seinen beiden Händen langsam nach unten, mit dem Zeigefinger am Abzug verbleibend.
Etwas durchströmte seinen Körper, mit dem er nicht zurecht kam. Es paralysierte ihn, gleichzeitig ließ es ihn jedoch nimmermüde an allen Nerven seines Körpers zusammenzucken. Er wusste nicht, was er tun sollte. Er wusste nicht einmal wirklich, was er gerade tat. Er wusste nur, dass durch ihn dieses abscheuliche Wesen auf ihr lag und er es so schnell wie möglich aus dem Blick haben wollte. Er warf seine Waffe weg und eilte ihr zur Hilfe.
"Geh von ihr runter, du Mistvieh!!", schrie er und schob es mit aller Kraft, die er besaß, weg.
Unbeholfen befand er sich kniend neben ihr und wusste nicht, was er tun sollte. Also er wusst es schon, doch er wusste nicht genau wie und in welcher Reihenfolge. Doch diese Mühe konnte er sich tatsächlich sparen, denn sie öffnete wieder ihre Augen und sah in sein hundeelendes Gesicht, welches sie so schon so oft gesehen hatte.
"Alles okay, mein Kleiner...?", fragte sie ihn und umstreichelte mit ihrer Hand sein Gesicht.
"I... Ich... ich will nicht..."
"Ich bin so froh, dass du hier bist... hier und jetzt... und ich hatte mir so viele Sorgen gemacht..."
"K-Kannst du aufstehen...? G-Geht es dir gut? B-Bitte, sag mir, d-dass es dir gut geht... bitte..."
Er flehte sie an wie ein armer Bettler, der um das Nötigste kämpfen musste, ohne etwas ausrichten zu können. Die Tränen seiner Verzweiflung rannen über die Wange und fielen von dort aus direkt auf den Boden und zersprangen dort gewaltsam in tausend Stücke. Das Gefühl von Furcht verwandelte sich in ein unbändiges Feuer der Wut und erlosch beim Anblick ihres schmerzbesetzten Gesichtes in einen schwindenen Rauch, als würden alle Hoffnungen mit diesem weggehen. Sie zeigte ihm die Wunde an ihrer Schulter, doch als hätte er nicht schon das Gefühl gehabt, die Situation, in der er sich befand, realisiert zu haben, traf es ihn nochmal wie ein heftiger Schlag auf dem Kopf. Er beugte sich noch weiter vor, fast schon einer unterwürfigen Gebetshaltung ähnlich, und flehte sie nochmals an.
"Ich... ich liebe dich...", sagte er zu ihr... "...b-bitte... geh nicht weg..."
"Sag das nicht... du machst mich so traurig... da fühle ich mich fast schon schuldig..."
"Ich... ich hasse es... ich hasse alles...", fing er mit einer unruhigen Stimme an zu reden, "ich hasse dieses Vieh, das dir das angetan hat... ich hasse diese Waffen, die wir von nun an benutzen müssen, um zu überleben, ich hasse diese Welt, in der wir hier leben, ich hasse mein GOTTVERDAMMTES LEBEN!"
Er umschloss ihre lose Hand und schaute ihr wieder ins Gesicht. Doch entgegen aller Erwartungen war es kein Gesicht, erfüllt von Hass und jeglicher Abscheu gegenüber allem, was ihm weh tat. Es war ein Blick, gezeichnet von Demütigung und Entkräftung, behaftet von der Frage, was überhaupt noch einen Sinn ergab.
"W-Wenn du jetzt gehst... w-wen soll ich dann lieben? W-Was bleibt mir noch übrig? I-Ich kann kein Leben führen, welches nur aus Hass besteht..."
"Niki...", setzte sie an zu reden und nahm ihre andere Hand zu seinen hinzu, "...b-bitte... lass es nicht zu, dass dein Leben nur von Hass bestimmt wird, werde ich gleich nicht mehr da sein... ein Leben ist so viel mehr wert, wenn du es nicht nur darauf beschränkst, es einer anderen Person zu widmen... natürlich ist es eine schöne Sache... eine... ganz schöne Sache... aber es gibt so viele andere schöne Dinge auf dieser Welt... bitte vergiss das nicht..."
Mit letzter Kraft drückte sie ihn ganz fest an seinen Händen. Eine letzte Träne floss aus ihrem Auge heraus, bevor sie ihren letzten Wunsch aussprach.
"N-Niki... v-versprich es mir... bitte..."
"J-Ja, ich verspreche es d-dir...", ohne lange zu überlegen.
"...Niki...", sagte sie wieder und lächelte dabei schmerzensschwer, "ich bin... so stolz auf dich... du bist so groß geworden, weißt du das...?"
"B-Bitte, ich..."
Und bevor er seinen Satz überhaupt anfangen konnte, riss der Tod sie gewaltsam aus seinen Händen, als ihre ganz schwach wurden und langsam an seinen Armen herunter glitten. Er hatte es jeden Moment erwartet und doch war er in diesem Augenblick völlig perplex und nicht in der Lage, auch nur einen einzigen Gedanken klar zu erfassen. Er saß da nur noch auf seinen Knien vor ihr und betrachtete ihr Antlitz, wie sie aus der Welt schied... ein Bild, welches sich für immer in seiner Erinnerung einbrennen sollte.
"...i-ich... ich liebe dich... A-Alexis... ich liebe dich..."
Die einzige Person in seinem Leben, der er etwas bedeutete, war nun fort. Die einzige Person im Leben, die ihm etwas bedeutete, ebenso. Und so zerbarst ein ganzes Jahrzehnt, in welchem er durch die halbe Erdkugel wanderte, in welchem er vielen kräftezehrenden Gefahren, Lügen und Intrigen ausgesetzt war, in welchem er nach dieser einzigen Person gesucht hat, die ihm in Prinzip überhaupt etwas bedeutet hat, in noch nicht einmal einer Sekunde.
Denn Alexis war nun tot.
[Fortsetzung folgt...]
Geändert von Ligiiihh (09.11.2013 um 01:33 Uhr)
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