Nach den nervzerreißenden letzten Tagen hatte es eine Weile gedauert, bis die Gruppe wieder zur Ruhe gekommen war und man sich langsam Gedanken machen konnte, wie es weitergehen sollte. Für Dolores war die Sache ganz klar - sie wollte ihre Tochter finden und ihr wenigstens ein Mal die Dinge sagen, die sie verdiente, aber nie zu hören bekommen hatte. Natürlich hieß das gleichzeitig, dass sie Abschied nehmen musste, und bei einigen fiel es ihr tatsächlich schwer. Nichts desto trotz wollte sie sich so schnell wie möglich auf ihre Suche begeben.
Dolores bedankte sich bei allen, die ihr Leben in der letzten Zeit auch für sie aufs Spiel gesetzt hatten, ganz besonders bei Fritz, mit denen sie auch gemeinsame Erlebnisse geteilt hatte - auch Matt hätte sie gerne ein paar Worte des Dankes gesagt, aber er war irgendwie plötzlich verschwunden gewesen und nie mehr wiedergekommen. Der Abschied von Niki fiel ihr auch besonders schwer, am liebsten hätte sie ihn einfach mitgenommen, aber er hatte wenig überraschend andere Pläne. Besonders wichtig war auch ein Gespräch mit Léo, denn sie war die einzige, die wirklich wusste, wo Barbara sich bis vor kurzem aufgehalten hatte und sogar ein wenig ihr Leben mit ihr geteilt hatte. Durch diese Informationen würde es um ein Vielfaches einfacher werden, ihre Tochter zu finden.
Als Dolores schließlich alles Wichtige erledigt und selbst schon ihre sieben Sachen zusammengepackt hatte, konnte sie es nicht mehr länger hinauszögern. Auch von Celina musste sie sich verabschieden, und diese saß gerade bei David und unterhielt sich angeregt mit ihm. "Darf ich euch beide kurz stören? Ich möchte mich nur von Celina verabschieden.", sprach sie die beiden ungewohnt kleinlaut an und nickte David entschuldigend zu. Ihm hatte sie schon gesagt, dass sie ihn als Anführer durchaus für fähig hielt und ihm Alles Gute gewünscht. Was aber sagte man zu einem Menschen, der mehr als ein paar Worte der Dankbarkeit verdient hatte? "Ich denke es ist am besten, wenn ich sofort aufbreche, auch wenn ich nichts dagegen gehabt hätte, noch mehr Zeit mit euch zu verbringen.", sagte sie zu Celina und lächelte. "Ich muss meine Tochter so schnell wie möglich finden, man kann ja nie wissen, wie viel Zeit einem wirklich noch bleibt und nun muss ich die Gelegenheit beim Schopf packen. Du hast doch bestimmt auch das ein oder andere neue Ziel vor Augen?"
Celina hörte Dolores aufmerksam zu.
Sie hatte geahnt, dass es so kommen würde.
Insgeheim hatte sie gehofft, noch etwas mehr Zeit mit der rothaarigen Dame verbringen zu können.
Wahrscheinlich war das auch der Grund gewesen, warum sie noch nicht mit ihr über die Zukunft gesprochen hatte.
Ein wenig traurig war Celina bei dem Gedanken, ihre Freundin nun wohl zum letzten Mal zu sehen.
"Ja, das stimmt. Ich werde mit Shelley und David", ein sanftes Lächeln legte sich auf ihre Lippen, "nach einer Gelegenheit suchen nach Amerika reisen. Vielleicht werden wir Texas erreichen und dort beim Wiederaufbau helfen."
Ein wenig unkomfortabel fühlte Celina sich schon.
Sie wusste nie so recht, was man bei Abschieden sagen sollte.
"Dolores... ich hoffe wirklich, dass du deine Tochter findest", brachte sie schließlich ernst hervor.
Dolores spürte, dass Celina diesen Wunsch voller Ehrlichkeit aussprach und sie nickte dankbar. Eine kurze, unangenehme Pause setzte ein, in der sie überlegte, ob sie wirklich sagen sollte, was ihr auf dem Herzen lag. "Celina... auch wenn unsere Wege sich vielleicht nicht besonders lange gekreuzt haben, hatte ich doch ein bisschen das Gefühl, wieder eine Tochter zu haben." Sie lachte verlegen und irgendwie war ihr plötzlich ganz heiß vor Scham. Es lag ihr einfach nicht, jemandem so etwas zu sagen. "Ich war wahrscheinlich eine schlechte Mutter für mein richtiges Mädchen. Ich bin froh, dass ich jetzt nach ihr suchen kann, aber ohne dich hätte ich vielleicht gar nicht so schnell erkannt, was es eigentlich heißt für jemanden Sorgen zu wollen ohne ihm einen gewissen Weg aufzuzwingen." Wieder lachte sie verlegen. "Ich war wirklich keine besonders gute Mutter." Kurz fragte sie sich, ob sie es jetzt überhaupt sein konnte, aber für solche Zweifel war später noch genug Zeit. "Jedenfalls, danke für alles und viel Glück auf deinem weiteren Weg." Für einen kurzen Moment ließ sie ihre Arme etwas unbeholfen herumschlackern, weil sie nicht sicher war ob nun eine Umarmung angebracht war. Aber wann wenn nicht jetzt? So umarmte Dolores Celina also doch ungewohnt herzlich und mit einem melancholischen Gefühl des Abschiedes in ihrem Herzen. "Du wirst bestimmt noch viel erreichen, auch in dieser Welt. Oder gerade in dieser. Zweifle bloß nie an dir!"
Celina erwiderte die Umarmung herzlich.
Dies war wahrscheinlich das allerletzte Mal, dass sie ihre mütterliche Freundin sehen würde.
„Danke“, erwiderte sie leise. Es war ein gutes Gefühl, dass jemand an sie glaubte, auch wenn sie selbst sich häufig genug einfach nutzlos fühlte.
Als sie sich wieder von Dolores löste, fügte sie hinzu:
„Ich … ich kann nicht beurteilen, ob du früher eine gute Mutter warst oder nicht.
Aber ich glaube, dass sich deine Tochter bestimmt freuen wird, dich wiederzusehen.
Egal, was vorher war.“ Weißt du das, weil du deine Alte selbst vermisst? Vielleicht …?
Jetzt stahl sich ein breiteres Lächeln auf ihren Mund.
Sie sollte ihn nicht einfach halten.
Manchmal musste man eben aussprechen, was man dachte.
„Und ich für meinen Teil habe unsere gemeinsame Zeit miteinander genossen.
Und die Umstände ändern nichts daran, dass ich froh bin, dir begegnet zu sein, Dolores.“
Nach einer kleinen, nachdenklichen Pause fügte sie noch hinzu:
„Ich wünsche dir alles Gute.“
Später, als Dolores schon längst gegangen war, saß Celina alleine am Waldrand. Traurig, Prinzessin? Willst du mich etwa trösten? Nicht wirklich. Ich bin nur immer wieder aufs Neue fasziniert, wie du in jeder Situation lieb lächelst. Das ist schon ziemlich unheimlich. Ich freue mich für sie, deshalb habe ich gelächelt. Jaaaaaaa, sicher. Deswegen sitzt du auch niedergeschlagen hier, anstatt mit deinem Lieblingsanführer zu turteln oder mit der Krankenschwester über Zukunftspläne zu schwärmen. Ist ja gut!
Ich bin traurig.
Ich mag keine Abschiede.
Und?
Ich kann ihr doch trotzdem Glück wünschen und mich für sie freuen? Yo, kannst du. Es ist nur komisch, dass du immer so sehr aussprechen willst, was du denkst – und dann doch nur die unverfänglichen Dinge sagst. Ich kann eben nicht alles sagen. Außerdem stimmt alles, was ich gesagt habe. Und das waren ohnehin die wichtigsten Dinge.
Sie richtete sich auf, denn sie sah wie David winkend auf sie zuhielt. Und alleine bin ich auch nicht. Da ist es nicht so schlimm, jemanden zu vermissen. Hach ja, die Macht der Liebe und der Freundschaft … Und wenn das nicht reichen würde, hätte ich noch immer dich, Will. Aw, wie süß …
Ob es so gut war, selbstreflektierende Gespräche mit einer Wahnvorstellung zu halten, wusste Celina nicht.
Aber geschadet hatte es bisher offenbar nicht und besser fühlte sie sich auch.
Und für den Augenblick war das mehr als genug.
Vielleicht würde sie eines Tages ja auch mit realen Menschen gut und unbefangen über solche Dinge reden können.
Und wer konnte schon wissen, ob sie Dolores nicht doch eines Tages wiedersehen würde?
Schließlich zog Dolores - bepackt mit einem dicken Brief von Léo, der neben mit Buntstiften geschriebenen Seiten auch ein paar Zeichnungen enthielt, die für Dolores eigentlich nur nach Gekrakel aussahen. Aber die Kleine hatte sich offenbar bei jeder etwas gedacht, zumindest stand überall genauestens, für wen das Bild war und es half Dolores auch, sich die Namen der Leute zu merken, nach denen sie suchen musste. Vermutlich war "Onkel Alistar" am einfachsten auszumachen, der hatte immerhin ein eigenes Schiff und war der Beschreibung nach keine unauffällige Figur. Selbst wenn Clover nicht mehr bei ihm war, würde er Dolores bestimmt weiterhelfen können.
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Wenige Monate später
Dolores versuchte, ihren missbilligenden Blick mit einem leichten Hüsteln zu verbergen. Sie hatte gerade die Bar betreten, die offenbar "Onkel Alistar" gehören musste und hatte alle Mühe, nicht wieder umzudrehen. Ja gut, es hatte eine Apokalypse gegeben und Bars waren nie besonders Dolores' Fall gewesen, rein objektiv gesehen war das hier eigentlich kein allzu schlechter Ort.
"Kann ich Ihnen helfen, Ma'am?" Wie aus dem Nichts stand ein Mann mit Stoppelbart und leichter Alkoholfahne - dies musste ohne Zweifel "Onkel Alistar" sein - vor ihr, der sie äußerst misstrauisch ansah. "Hab Sie hier noch nie gesehen." Dolores sah sich um und fragte sich, warum er sie bei der Menge an Leuten - die Bar war recht gut besucht - sofort erblickt hatte. "Entzückend, dass Sie mich das fragen. Ich wollte mich gerade danach erkundigen, ob eine Frau namens Clover hier ist? Sie tritt doch manchmal hier auf, oder nicht?" Dolores versuchte ihr süßestes Lächeln aufzusetzen, aber Alistars Miene blieb unverändert. "Sie ist nicht zu verkaufen." Dolores schnaubte entrüstet. Ja, sie sah durch die Reiserei nicht mehr völlig frisch aus, auch ihr Haar hatte verdächtige, einzelne graue Härchen zum Vorschein gebracht, aber so schlimm war es nun auch nicht. "Wie bitte? Sehe ich wirklich so aus, als würde ich Menschenhandel betreiben, Sie..." "Ich gebe einen Dreck darauf wie Sie aussehen, Ma'am. In diesen Zeit hält man am besten jeden für einen Kriminellen. Woll'n Sie was zu trinken? Weiß nicht, ob Clover heute noch kommt. Sie tritt nicht mehr so oft auf." Sein Blick wurde etwas weicher und wirkte bedauernd. "In Ordnung, ich komme später noch einmal vorbei. Aber vorerst gebe ich Ihnen noch etwas, damit sie mich nicht für eine verrückte Alte halten." Sie kramte in ihrer Tasche auf der Suche nach Léos Brief. Es war noch nicht an der Zeit, Alistar zu sagen wer sie war, sonst bestand die Gefahr, dass Barbara sie vielleicht gar nicht sehen wollte. Sie schien ja noch irgendwo hier auf diesem Schiff zu sein, also suchte sie am besten einfach noch eine Weile und würde, sollte sie kein Glück haben, in die Bar zurückkehren. "Ah, da ist er ja." Sie hielt Alistar den dicken Umschlag mit einem ehrlichen Lächeln entgegen. "Am besten öffnen Sie ihn gleich, dann sind Sie vielleicht nicht mehr so grummelig. Bis später dann."
Nach einiger Zeit auf dem Schiff kam Dolores der Gedanke, dass sich wirklich ungewöhnlich viele Leute hier aufhielten. Léo hatte erzählt, dass es gar nicht so einfach werden würde, hineinzukommen, aber anscheinend hatte sich die Lage geändert. Wahrscheinlich waren die Zeiten so schlecht geworden, dass man auf Gäste auf der Durchreise angeweisen war, oder ihnen einen sicheren Platz bieten wollte. Das war bestimmt auch der Grund, warum der Ire in der Bar so misstrauisch gewesen war. Oder vielleicht war er auch immer so gewesen, sie kannte ihn nicht und-
Ein roter Haarschopf stürmte an ihr vorbei, eine Strähne streifte kaum ihren Arm, und Dolores war sofort klar, dass sie gerade von ihrer eigenen Tochter überholt worden war. Diese schien aufgeregt nach jemandem zu suchen - es war doch nicht möglich, dass sie doch schon von ihrer Ankunft erfahren hatte? Als Dolores ihr eiligen Schrittes folgte merkte sie, dass Clover von zwei Jungs begleitet wurde, bei denen es sich laut Léos Beschreibung vermutlich um Noah und Josh handelte, die ebenso ziemlich nervös wirkten.
"Ist es wirklich wahr? Es gibt Neuigkeiten über Léo?" ,rief Clover schon von weitem Alistar zu, der unverkennbar völlig aufgelöst den Brief des Mädchens in den Händen hielt. Natürlich, es ging um Léo. Es musste eine ziemlich große Sache sein, vollkommen aus dem Nichts eine Nachricht von ihr zu erhalten. Dolores beschloss, die Szene aus sicherer Entfernung zu beobachten, jetzt war wirklich nicht der Moment, dort hineinzuplatzen.
Gerade stieß noch ein junger Mann zur Gruppe - dies war bestimmt Ian, der nun Seite an Seite mit Clover den Brief las. Ihre Tochter vergrub das Gesicht in den Händen und auch der junge Mann, der sie nun in den Armen hielt, schien berührt zu sein. Selbst Alistair hielt nun völlig seelig die beiden Jungs fest an sich gedrückt und diese kleine Gruppe war wie in einer unsichtbaren Blase das harmonischste, was Dolores seit langer Zeit gesehen hatte. Alleine die Nachricht, dass es Léo gut ging (gemeinsam mit ein paar Hinweisen, was sie vorhatte und dass sie sich alle wiedersehen würden), schien für sie alle gerade das wichtigste auf der Welt zu sein. "Wir werden weiter nach ihr suchen.", grummelte Alistar schließlich, aber mit einem glücklichen Lächeln im Gesicht. Clover nickte heftig und umarmte nun auch ihn. "Ich bin so froh, dass es ihr gut geht." Schließlich fiel sie auch noch Josh und Noah um den Hals, und dann blickte sie alle Beteiligten mit einem Ausruck in den Augen an, dass es Dolores einen kleinen Stich gab. Sie kannte diesen Blick. Vielleicht nicht von sich selbst, aber von Mr. Williams, von Ethan und von anderen Familien, die im Village gelebt hatten. Vielleicht hatten sie gar nicht die Wahrheit verleugnet und sich vorgegaukelt, dass es eine heile Welt gewesen war. Für sie war es wirklich die heile Welt gewesen, weil das einzig Wichtige war, seine Liebsten um sich zu haben. Und dann war es egal, was wirklich draußen vor sich ging, denn man hatte das Gefühl, trotzdem alles schaffen zu können.
Etwas zog an ihrem Ärmel und Dolores bemerkte, dass einer der Jungs urplötzlich neben ihr aufgetaucht war und sie aus großen, braunen Kulleraugen ansah. "Entschuldigung, aber meinem Bruder ist aufgefallen, dass Sie schon eine Weile hier stehen und uns anstarren." Dolores blickte panisch zu Clover, die aber noch ganz vertieft mit Ian und Alistar sprach. Der andere Junge starrte allerdings unbehaglich zu ihr. "Verzeiht mir, ich wollte nicht unhöflich sein... oder gruselig." Sie lachte beschämt. "Sind Sie die Frau, die den Brief mitgebracht hat?" Dolores nickte. "Aber verrate es niemandem. Ich bin nur der Bote, der offensichtlich viel zu auffällig nachsieht, ob die Nachricht in den richtigen Händen gelandet ist." Josh... oder Noah, wer auch immer das da war, nickte als würde er sie gut verstehen. "Wenn du schon hier bist, weißt du zufällig, wo ich Papier und Stift herbekomme?"
Es dämmerte bereits, als Dolores erneut die Bar des Iren betrat und bereits von Klängen begrüßt wurde, von denen sie nicht gedacht hätte, dass sie sie jemals wieder hören würde. Auf der Bühne stand Clover und sang - es war irgendein fröhliches Lied, das sie mit so einer aufrichtigen Freude vortrug, dass Dolores wusste, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Sie legte einen Brief - diesmal ohne Zeichnungen und mit fein geschwungener Schrift - auf den Tresen. Sie wusste Alistar würde ihn gleich finden und ihn später bestimmt Clover geben. Und selbst wenn nicht - ihre Tochter würde es auch überleben. Ihr ging es gut. Das war das Wichtigste. Sie hatte in all der Misere ein eigenes Leben aufgebaut, das in solchen Zeiten wahrscheinlich kaum glücklicher sein konnte. Kurz dachte Dolores an die Worte von Celina. Aber ich glaube, dass sich deine Tochter bestimmt freuen wird, dich wiederzusehen. Egal, was vorher war.“ Das stimmte wahrscheinlich. Aber was war danach? Konnte man Jahre des Unverständnisses einfach auslöschen, nur weil die Welt untergegangen war? Sie und ihre Tochter waren wahrscheinlich nicht mehr als zwei Fremde, die eben auch noch verwandt waren. Vielleicht war es feige, aber gleichzeitig auch das Beste für Clover, davon war sie überzeugt. Sie hatte eine ganz eigene "Familie" gefunden. Sie brauchte keine alte Mutter, mit der es nur zu verwirrenden Gesprächen über unterdrückte Gefühle kommen würde.
Dolores sah mit einem Lächeln zu ihrer Tochter, unterdrückte eine winzige Träne, von der sie nicht wusste ob es eine traurige oder eine freudige war, und ging aus der Bar. Ich bin stolz auf dich. Ich liebe dich.
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5 Jahre später
Es war finstere Nacht und nur eine Art Laterne erleuchtete den kleinen Steg, vor dem ein Schiffskutter lag. Der Seemann leuchtete unangenehm in Dolores' Gesicht, um sie mustern zu können. Nach einer Weile rief er "Hey Cap, so ne alte Schachtel fragt, ob wir se mitnehm'. Sieht harmlos aus und hat zwei Balgen dabei." Aus der Dunkelheit hörte man Schritte, die von klobigen Stiefeln stammen mussten. Dolores zog die Mädchen, die sie bei sich hatte, instinktiv näher an sich heran. "Cap", was wohl so etwas wie der Kapitän des Schiffes sein musste, sah selbst im spärlichen Licht im Gegensatz zu seinem Kumpanen etwas freundlicher aus. "Also, Madame, was treibt Sie zu so später Stunde zu Gesindel wie uns?" Er lächelte, aber seine Augen drückten Misstrauen aus. "Sind nicht Ihre Kinder, nich'?", fügte er mit einem Blick auf das dunkelhäutige Mädchen, das bei ihr war, hinzu. Dolores schüttelte den Kopf. "Ich bin Dolores Williams, ich wohnte eine Zeit lang in der kleinen Siedlung hinter dem Hügel." Sie deutete in die Dunkelheit, obwohl unmöglich zu erkennen war, ob dort überhaupt irgendetwas außer Schwärze lag. "Aber Sie wissen ja, wie das heutzutage ist. Es war anzunehmen, dass... nun, dass man besser von dort verschwinden sollte. Die Mädchen habe ich aufgenommen, schon bevor ich hergekommen bin. Wir sind schon viel gereist. Ich passe auf sie auf und lehre sie alles was ich weiß, damit sie später auch alleine in dieser Welt überleben können. Das ist meine Aufgabe - Kindern eine mögliche Zukunft zu bieten." Sie blickte den Mann mit der Mischung eines stolzen und forschenden Blickes an. Es fühlte sich an wie eine Ewigkeit, doch nach einer Weile nickte "Cap". "Iosif, pack dein Zeug, du ziehst für eine Weile um." Er wies Dolores und die Mädchen mit einer einladenden Geste an, an Bord zu kommen. "Ich habe auch eine Tochter. Ihr werdet euch bestimmt gut mit ihr verstehen." Und zu Dolores sagte er etwas leiser: "Schön zu wissen, dass sich noch jemand um die Kinder kümmert. Sie müssen unsere Welt immerhin wieder aufbauen, wenn es so weit ist." Er lachte aus tiefer Kehle und schon bald darauf legte das kleine Schiff ins Ungewisse ab.