Zitat Zitat
Das heißt indem ich von meinem Recht zur Wahl zu gehen gebrauch mache, entmündige ich mich zum Teil? Wenn ich wähle, darf ich nicht klagen über die gewählten Volksvertreter? Verstehe ich dich da richtig?
Kritik und Beschwer ist immer erlaubt. Widerstand in gewissen Grenzen auch. Es geht ja auch darum den Volksvertretern zu zeigen, dass man seine Meinung geändert hat oder aber eine Regelung für falsch hält und so nicht unterstützt, auch wenn gemeint würde, dass eine Mehrheit dafür votiert. Allerdings muss ich mir den Schuh anziehen, dass ich dadurch das ich nur wähle (es geht hier um die Verhältnisse) weniger Verantwortung trage (aber doch ein ganzes Stück) als die armen Teufel die im Bundestag sitzen und die Entscheidungen tatsächlich treffen müssen. Der Bürger ist in der bequemen Position zu sagen: Die Politiker haben es verbockt, aber das greift eben zu kurz. Wir müssen erstens sehen, dass die eben mehr Verantwortung mit ihren Entscheidungen tragen als jeder Einzelne von uns trägt. Gleichzeitig tragen wir dadurch das wir wählen dafür die Verantwortung das genau diese Politiker im Bundestag sitzen und in der jeweils geltenden Stärke. Weshalb Eigenengagement so wichtig ist. Entweder sich selbst wählen zu lassen oder vorab genau drauf zu schauen welche Liste, welches Programm oder welchen Politiker man mit der Erststimme direkt wählt. Aber es ist dann eben vermessen zu sagen: Die politische Klasse ist verrottet oder ich kann ja doch nichts ändern, wenn ich weder wählen gehe noch selbst versuche mich in einer Partei oder parteilos politisch zu engagieren. Verantwortung lässt sich bspw. auch durch Demonstrationen oder Vereins- oder Bürgerbewegungsarbeit zurückgewinnen. Die jedoch die kein Recht haben sich zu beschweren sind eben diejenigen, die sich bewusst von der Verantwortung für eine Sache freimachen und dann anderen, die die Verantwortung übernehmen den schwarzen Peter zuschieben. Passiert auch in der Politik bspw. wenn sich die vergangene Regierung Merkel von der Verantwortung für Entscheidungen freikauft, in dem sie diese Aufgabe einfach dem Bundesverfassungsgericht überweist. Ich denke da hättet ihr es auch für heuchlerisch gefunden, wenn sie dann im Nachhinein die Entscheidung der Verfassungsrichter kritisiert hätte, obwohl sie vorher die Möglichkeit gehabt hätte ein eigenes Statement abzugeben.

Zitat Zitat
Verstehe ich dich da richtig: Wenn ich z.B. die Grünen wähle, aber die CDU und SPD bilden eine Regierung, habe ich es dann verdient von Schwarz/Rot regiert zu werden?
Noch so ein Punkt. Es besteht ein Unterschied zwischen dem Staat als solchem, seinen Gewalten als Einzelteile und vor allem der Regierung als Teil der Exekutive. Der Staat ist mehr als die Summe seiner Teile und im Endeffekt sind wir nicht das Volk sondern wir sind der Staat. Die Regierung und das gesetzgebene Parlament übernehmen zwar einen Teil der Staatsgestaltung sind aber nicht der einzige Maßstab. Staat ist auch Gesellschaft, sind die Normen und Werte, ist das Verhalten und Selbstverständnis der Institutionen, sind unsere Gesetze und Sozialsysteme ist generell die Art wie wir Zusammenleben und Miteinander umgehen. Je nach dem wie wir uns für das Gemeinwesen engagieren Vorbild sind und andere mitnehmen können oder Werte und Normen die wir als erstrebenswert halten zu bewahren oder durchzusetzen versuchen ringen wir um die Art wie dieser Staat ausgestaltet ist. Eine aber tatsächliche nur eine Möglichkeit dieser Beeinflussung ist die institutionalisierte Politik sprich Regierung und Parlament. Diese Politik gibt den von ihnen abhängigen Organen Leitlinien des Handelns vor. Damit ist sie wohl auch einer der einflussreichsten Akteure bei der Gestaltung des Staatswesens allerdings da wir in einer Demokratie leben auch immer verbunden, mit unter aber zeitverzögert, mit den Interessen, die sich im Volk abbilden. Wenn ich also von Bürger spreche, meine ich nicht unbedingt Individualschicksale wie dich und mich (ich bin mit schwarz/rot auch nicht gerade zufrieden) aber so doch eine deutliche Tendenz zu einer Regierung unter Führung der CDU und damit eine bewusst gewollte oder unbewusst vorgenomme Unterstützung der Werte für die die CDU steht. Wenn diese Werte Koalitionen mit Grünen oder Linken unmöglich machen, aber eine Alleinregierung nicht möglich ist, ist das Wahlauftrag offenbar der, dass eine Regierung mit den Sozialdemokraten gefunden werden soll, da es dort zumindest Kompromisse gibt. Sprich die Wähler beider Parteien können dank gewisser Übereinstimmungen bei manchen Werten eine Koalition tolerieren. Entsprechend haben wir uns damit entschieden das diese Werte zumindest für die kommende Legislatur auch unseren Staat bestimmen sollen. Nicht jeder Einzelfall hat damit den Staat den er selbst verdient, aber die Bürgerschaft als solche. Wenn sie eine andere Regierung will, muss sie sich bei den nächsten Wahlen mit einer entsprechenden Mehrheit zusammen finden.

Was jetzt die Sache mit dem Staat angeht, den die Bürger verdienen: Wir als Gesamtheit bestimmen schon maßgeblich durch unsere Regierung in was für einem Staat wir leben wollen. Aber natürlich reproduziert die Regierung bloß Normen und Werte, weil unsere Wahl dadurch ja geprägt ist. Und auch eine Regierung selbst kann auch nicht alles im Staat direkt beeinflussen. Der Staat kann nicht vorschreiben das man gebrechlichen Menschen Sitzplätze freiräumen muss. Wenn wir wollen, dass sich eine derartige Norm durchsetzt müssen wir uns aktiv auch dort einbringen und selbst anfangen es einfach zu tun, anstatt zu verlangen oder darauf zu vertrauen, dass Staat ein Gesetz erlässt oder Bewusstsein erst durch Kampagnen schafft. Der Kern meiner Aussage ist: Wir bestimmen maßgeblich sei es durch Wahlen oder durch unser persönliches Verhalten oder Engagement darüber wie der Staat situiert ist und daher ist von uns eben auch immer abhängig wie der Staat ist, in dem wir leben. Wenn wir einen Mutti-Staat bekommen haben, dann haben wir es zuvor darauf angelegt. Wenn ihr ihn loswerden wollen, müssen wir ebenso etwas dafür tun. Wenn wir nur herumsitzen, dann finden wir uns mit den Zuständen so wie sie sind ab und damit verdienen wir auch den Zustand in dem wir uns befinden. Aber wie gesagt das ist eine Perspektive, die auf die gesamte Gesellschaft gerichtet ist, der Einzelne selbst ist da keine Größe. Er ist jedoch die entscheidende Größe wenn es darum geht die Veränderungen anzustoßen. Bewegung geht immer erst von einzelnen Gliedern aus, die die anderen Glieder in Bewegung versetzen.

Zitat Zitat
Naja es gibt da so eine Regelung, dass wenn durch Bauarbeiten Umweltbeeinträchtigungen entstehen, diese durch Ausgleichsmaßnahmen kompensiert werden können. Vermutlich konnten die abgeholzten Bäume durch Baumpflanzungen in der Nähe kompensiert werden. Oder etwas ähnliches. Ansonsten wären die Umweltschutzverbände vermutlich sturm gelaufen.
Sollten sie auch. Die Partkflächen sollten ja verschwinden, um die Baugrube auszuheben in dem der unterirdische Bahnhof entstehen sollte. Wenn der Bahnhof eingebaut ist, wird das ganze Ding wieder zugeschaufelt, die Parkflächen werden wieder hergestellt und die Bäume neu gepflanzt. Problem: An einem solchen ausgleich waren die Protestierer nicht interessiert. Die alten Bäume sollten gar nicht erst fallen. Es ging nicht um Bilanz sondern um genau diese Bäume.

Zitat Zitat
Allerdings gilt diese Einsicht für 1 Monat bzw. 4 Wochen.
Die Pläne können auf Antrag auch über diese öffentliche Präsentation hinaus eingesehen werden, auch während der Bauphase. Öffentliche Bauprojekte sofern es nicht einen speziellen Geheimhaltunsbedarf gibt (wie beim Bau des neuen BND-Hauptquariers) müssen, soweit ich weis, stets transparent sein. Aber generell war der Tenor der Aussage auch der, dass, wenn man mit einem Projekt als solchem unzufrieden ist, diesen Unmut schon in der Planungsphase äußern kann und sollte. Wer sich erst hinstellt, wenn die Bagger tatsächlich rollen und feststellt, dass das ja jetzt wirklich gebaut wird, der hat dann aus meiner Sicht kein Recht sich über den Bau als solchen zu beschweren. Wer Betrug, Kostenexplosionen, Fehlverhalten von Architekt, Bauträger oder Aufseher anprangert oder deren Verhalten im Umgang mit der Bürgerbeteiligung der kann dies durchaus zurecht tun. Aber es sollte sich eben jeder fragen, ob er hier nicht mit dem Finger auf andere zeigt, obwohl er ihn auch mal auf sich selbst richten könnte. Ich bin mir durchaus bewusst, dass in vielen Fällen Bürgerbeteilungsprozesse mehr Lippenbekenntnisse sind (Ausbau des Flughafens in Frankfurt zeigt das ja auch), aber man muss sich auch als Bürger Kritik gefallen lassen, wenn man die Möglichkeiten, die man zumindest gehabt hat, nicht auch genutzt oder Warnungen, die es gab, ungehört verhallen lässt. Die ungehörten Warnungen sind natürlich auch etwas das sich die Politiker gefallen lassen müssen. Mir geht es ja auch gerade darum zu zeigen, dass es nicht damit getan ist, den Finger aus einer eigenen bequemen Position heraus zu erheben.

Beim Thema Steuern sehe ich auch keine großangelegten Demos gegen Steuerverschwendung oder für Schuldenabbau oder Weiteres. Ich verstehe diese Kritik an der politischen Klasse auch so, dass man selbst ohne in die Politik gehen zu müssen auch einmal direkteren EInfluss auf das Geschehen nehmen möchte. Gehört werden möchte. Da wäre praktisch eben eine Demo oder eine Kundgebung eine solche Sache. Wenn ich es nicht schaffe dort eine entsprechende Menge Leute zur Teilnahme zu bewegen, dann kriege ich die Leute in der Regel auch nicht zum Unterzeichnen einer Petition oder zur Teilnahme an einer Volksabstimmung. Es gibt diese Mittel aber eben diese direkten Mittel bedürfen einer starken aktiven Beteiligung, um wirklich wirksam zu sein, weil nämlich auch nur so sichergestellt wird, dass da Entscheidungen von einer relevanten Mehrheit und nicht von Partikularen herbei geführt werden. Das sehe ich aber nicht. Ich sehe da eher das die Leute mit der Verantwortung die sie bei der Wahl übernommen haben, für sich entschieden wohl schon genug getan haben. Eine bessere Möglichkeit als engagierte Einzelperson Einfluss auszuüben ist dann wirklich selbst in die Politik zu gehen. Will man ohne Parteien etwas bewegen, muss man entweder im ganz Kleinen wirken oder eben die Massen mobilisieren. Alles ist auf seine Art anstrengend. Man sucht nach einem Weg schneller Mitbestimmung ohne wenig Aufwand, aber das gibt es einfach nicht.