Bitter weinend und zusammengesunken blickte Francisco Javier auf ein Bild aus glücklicheren Tagen. Seine persönliche Vergangenheit seines Berufes ausblendend, blieb in seiner Seele nur Platz für seine Familie, von der er wusste, dass sie tot sein musste. Zärtlich strich er mit dem Finger über das Gesicht von Leo, die lächelnd in die Kamera lachte und sein Herz krampfte sich so fest zusammen, dass er meinte, sich vor Trauer und Verzweiflung übergeben zu müssen.
Nun, da er alles verloren hatte, wofür sollte er noch weiterleben, fragte er sich und war fast froh, als er die Stimme des Hais schreiend vernahm, der sie alle zum letzten Gefecht rief und die verräterischen Zivilisten zum Teufel fluchte, die die Rakete nicht abgefeuert hatten. Francisco konnte es ihnen nicht verübeln. Er hatte sich in den Raum geschlichen und den Kontakt aufgenommen und nur über den Tank geredet. Der Tank war wichtig, er sollte gesichert werden und verhindern, dass in Zukunft weitere Familien so herzzerreißend auseinandergerissen wurden wie es mit der Seinen passiert ist. Er besah sich die kleine Pistole in seinen Händen und war versucht, sie sich an den Kopf zu halten und einfach abzudrücken. Aber er scheute sich davor, wusste er doch das seine kleine Leo vom Himmel aus auf ihn heruntersah und sich seinetwegen geschämt hätte. Also lud er die Waffe durch und marschierte mit tränenverschleiertem Blick und Furcht in den Augen zusammen mit den schlecht ausgerüsteten Soldaten in ihre Verteidigungslinie. Nur 400 Meter entfernt befand sich ein Waffenlager, ausgerüstet mit den besten Waffen, doch dazwischen befanden sich hunderte von Zombies und so hätte das Lager auch auf dem Mond sein können. Er schluckte schwer, als die Tür zerbarst und die Untoten wie die Welle in einem zerstörten Wassertank auf sie zugeschwappt kam, eine Welle aus klaffenden Mündern und gierigen Klauen. „Familie.“, war das letzte Wort, das Francisco Javier Arriano-Felix dachte, bevor er seine Waffe durchlud und zu schießen begann.
Krachend durchlief ein Zittern den ganzen Komplex als die Trägerrakete gestartet wurde und der Treibstoff sich heftig zischend entflammte und das grelle Feuer als Stichflamme umstehende Untote bis auf die Knochen schwarz brannte.
Ein letzter heftiger Knall, ein sachtes Vibrieren, als das Metalldach des Silos sich surrend zur Seite schob und die Spitze der Rakete nun in den weißen, schneewolkenbedeckten Himmel zeigte.
Nathan, Lexi und Shelley rannten gerade aus dem Komplex, als sie hinter sich die Rakete zur Rettung der Menschheit in den Himmel steigen sahen, einen feurigen Schweif hinter sich herziehend. In amerikanischen Filmen hätten die drei nun vielleicht salutiert oder gejubelt, doch nach dem überstandenen Kampf grinsten sie sich nur dreckig, abgekämpft und siegessicher an und rannten dann weiter in die Richtung in der sie die anderen Überlebenden vermuteten.
Sie hatten alles richtig gemacht, der Rest wäre nun Aufgabe des Schicksals selbst.
Bald schon waren sie auf die anderen Überlebenden gestoßen und kurz schnürte sich ihnen die Kehle zusammen…
Sie sahen Ivan daliegen, tot, wie schlafend, doch eine schwarze Masse lief als feines Rinnsal aus seinem Mund. Er war kurz davor gewesen, sich in einen Zombie zu verwandeln und hatte nun den ewigen Frieden gefunden.
Erst als sie schon lange draußen und geflohen waren, begab es sich dass der Monitor noch einmal flimmernd aktiviert wurde und ein blutüberströmtes, hassverzerrtes Gesicht des Generals zu sehen war, den sie „Hai“ nannten. Seine Stimme überschlug sich vor Hass und wollte erst enden, als sich abgebrochene Zähne in seinen Hals bohrten und verweste Arme ihn nach unten drückten.
Könnte „Adam“, der Untote im Tank, nur seine Augen öffnen und wäre sein Verstand in der Lage zu begreifen, was er da gerade sah, dann wäre er sicherlich erstaunt gewesen vom Anblick der Erde von oben. Dem stillen, dem toten Planeten, dessen Brandherde von verheerten Städten immer noch wie traurige Überreste eines Lagerfeuers glimmen und ihre dünner werdenden Rauchsäulen in den Himmel spien. Und er würde sich fragen, was dort tausendfach im Wasser des Pazifiks schwamm, zu klein, um es mit bloßem Auge zu erkennen.
Stane Tolek war ein brillianter Biowissenschaftler. Er hatte vor der Apokalypse in Oslo einen Lehrstuhl innegehabt und einige aufsehenerregende Bücher und Artikel für Fachzweitschriften geschrieben. So war wahrscheinlich das Militär auf ihn aufmerksam geworden und hatte in einer japanischen Firma namens Tokyotech empfohlen. Und mit einem fürstlichen Gehalt versehen, hatten sie ihn schließlich nach Texas geschickt, genauer gesagt nach Corpus Christi, wo er 5 Jahre lang im modernsten Labor der Welt arbeiten konnte und seltsame DNS-Sequenzen unter militärischer Geheimhaltungsstufe aufschlüsselte und neu sequenzierte.
Und nun saß er hier. In brüllender Hitze in einem kleinen Bunker, fernab von jeder Zivilisation und weder die Stadt, noch das Labor konnte er durch das Hitzeflimmern ausmachen. Er war müde und gelangweilt und zwang seinen Blick doch immer wieder in den Himmel und auf die spiegelnde Wasseroberfläche der Baffin Bay. Es war sein zweiter Tag als Späher und insgesamt das vierte Mal in zwei Jahren. Seit die Katastrophe die Welt vernichtet hatte, hofften sein Team und er, dass ein Wunder geschah und eines der vielen Notfallprotokolle aktiviert werden würde. Dann würde man ihm bio-organische Masse schicken und daraus würde er vielleicht das Heilmittel gegen die Untotenseuche mit seinen Kollegen zusammen herstellen können. Doch das Wunder war bis jetzt nicht eingetreten. Und dann sah er plötzlich eine Reflektion am Himmel und kniff die Augen zusammen. Hektisch tastete er nach dem Fernglas um seinen Hals als zuckte heftig zusammen, als es scheppernd an seiner Bunkertür rumorte. Alarmiert fuhr er auf dem Absatz herum und griff nach seinem Baseballschläger, doch das Scheppern und Krachen hörte nicht auf. Und dann hörte er eine Stimme. Eine menschliche, eine unbekannte Stimme.
Er öffnete die Tür und sah ein ausgemergeltes, sonnenverbranntes asiatisches Gesicht. Und weit hinten im Sand der Baffin Bay und der North Padre Island Seashore liegend, ein Boot, abgewreckt und fast zerstört. Und davor lagen leblos zwei Menschen, eine Mann und eine Frau.
„…dringend Hilfe, die Frau ist schwanger und verletzt und fast verdurstet!“, riss ihn die Stimme des asiatischen Mannes aus seinen Gedanken. Stane blinzelte schnell, dann griff er geistesgegenwärtig nach seinem erste Hilfekoffer, dem Rest seines Wasserbeutels und eilte dem jungen Mann hinterher, hielt auf die beiden am Boden liegenden zu, erkannte von fern nur rote Haare und wahrscheinlich irische Wurzeln.
Stane Tolek war es, der diesen drei Menschen das Leben rettete und als Dank ein Scharfschützengewehr von dem Asiaten geschenkt bekam. Als dieser sich mit „Sheng“ vorstellte und die Beiden sich die Hände schüttelten, schlug unbemerkt von allen Vieren hinter ihnen in der Baffin Bay der Tank mit Adam in das Wasser der Bay ein – perfekt berechnet und perfekt abgeschossen, auf jeden Fall zu sehen gewesen, wäre Stane auf seinem Posten geblieben.
Tief grub der Tank sich nach 10 Metern Wasser in den Schlamm der Bay ein und Dunkelheit umfing Adam. Es sollte nicht weniger als 20 Jahre brauchen, bis der Untote in unruhigem Schlaf wieder Tageslicht sah. Doch das ist eine andere Geschichte.
Ende von Staffel 2
Geändert von Daen vom Clan (17.10.2013 um 19:54 Uhr)