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Legende
Lange hatten sie debattiert. Hier im letzten Teil ihrer Reise. Zuerst war es leise geworden, fast keiner von ihnen wollte reden. Zu sehr hatten die Eskapaden der letzten Tage auf ihnen gewirkt. Zu frisch waren die Erinnerungen an all die Freunde die sie verloren hatten, und vielleicht sogar noch verlieren würden. Es war verständlich warum es so leise war. Die Geräusche des Labors dominierten. Der Tank, aus dem immer noch ein leises Blubbern kam, der Wind der durch die verlassene Anlage zog. Es wurde kalt, langsam brach die Nacht herein, nicht, dass man das im ständigen Zwielicht des Labors ausmachen konnte. Für die Gruppe war die Nacht längst eingebrochen. Schon vor Jahren und es würde nur an ihnen liegen, wenn für die Menschheit ein neuer Tag anbrechen würde. Nur an ihnen. Die gesamte Zukunft von Homo Sapiens in den Händen von fünfzehn Personen.
Doch dann kamen die Meldungen durch das Radio. Zuerst der General, der all dies verursacht hatte. Seine Stimme müde, selbst er wusste im Inneren was er angerichtet hatte, doch seine Worte zeigten keine Reue. Er wollte nur eine neue Gelegenheit die Schlacht von vorne beginnen zu lassen. Seine Kampftruppe würde ihm einige Jahre Zeit kaufen. Ja, aber sonst? Welche Rettung war von diesem Mann für die Menschheit zu erwarten? Keine, das war ihnen allen klar. Nur eine von ihnen wollte unbedingt den Soldaten helfen, nicht für den General, sondern für ihren Vater. Der sich selbst gemeldet hatte. Ihr Gesicht war voller Tränen, die arme Leocardia, sie hatte die Hoffnung bereits aufgegeben. Und musste nun wieder akzeptieren, alles zu verlieren.
Die zweite Meldung waren Zivlisten. Verzweifelt, in Panik. Es war eine Gruppe genau wie sie. Keine schwere Bewaffnung, wenig Nahrung. Auch sie hatten die letzten Wochen damit verbracht um nicht weniger zu kämpfen, als das blanke Überleben. Sie mussten über Leichen gehen, sicher. Für Moral bleibt in diesen Zeiten wenig Platz. Sie waren gezeichnet vom Überlebenskampf. Nur die stärksten konnten da draußen überleben, und selbst dann war es kein Leben. Nur ein in die Länge gezogener Tod. Ein Tod, der langsam aber sicher ihre gesamte Spezies in die Knie zwingen würde. Sie zu retten wäre nobel, selbstlos, doch es würde nichts ändern. Vielleicht konnte man auch gar nichts ändern. Wenn das Schicksal gesprochen hatte, konnte man nur nicken. Doch die Gruppe im Labor in China sah das anders. Sie wollten ihre Zukunft ändern.
Und da kam auch die Meldung von Leocardias Vater. Es gab noch eine Hoffnung. Eine letzte Hoffnung für ein Heilmittel und es war genau vor ihrer Nase. Der grünlich leuchtende Tank. In ihm die wohl einzige Person die immun war gegen diese Seuche. War er überhaupt ein Mensch oder gar eine genetisch gezüchtete Kreatur? Das war ihnen im Moment herzlich egal, die wichtige Nachricht hatten sie alle verstanden, das Ding muss nach Texas. Die genauen Koordinaten hatten sie auch. So hatten sich auch drei gefunden.
War es egoistisch, dass sie sich entschlossen, die Rakete auf sich selbst abzufeuern? Vermutlich. Doch in solchen Zeiten war Moral nicht unbedingt eine klare binäre Sache. Sie würden sich damit auch mehr Zeit verschaffen den Tank in sein Ziel zu befördern, ein Ziel das absolute Priorität hatte, so war die Gruppe überzeugt. Vielleicht war der Gedanke, dass sie Tausende Leben indirekt opfern würden, auch schon fast gewönlich. Nathan erinnerte sich an die ersten Tage des Ausbruches. Nur mit einem Haar war er von New York entkommen. Millionen die starben, innerhalb von Stunden. Kein Krieg den die Menschen begannen hatte je solche Ausmaße, war es da so unverzeihlich, dass sie sie sich ans Sterben und Sterben lassen gewöhnt hatten? Vielleicht würden zukünftige Generationen sie verdammen, doch heute war niemand der ihnen die Leviten laß. Außer einem kleinen Mädchen, das still in sich weinte, als sie langsam verstand, dass die einzige Person die von ihrer Familie übrig war, sterben würde.
Nathan wollte sie trösten, doch er wusste, dass nichts was er ihr sagen könnte ihre Trauer linden könnte. Es stach ihm ins Herz, er wünschte sich plötzlich er hätte sich anders entschieden, wollte seine Stimme für ungültig erklären. Doch die Würfen schienen gefallen. Er müsste wohl mit seiner Schuld leben.
„Wäre wohl nicht das erste Mal.“ Er musste an den Soldaten im Gemeindezentrum denken, an den Pirat auf der Insel. So oft hatte er andere getötet. Niemals gewollt, niemals durch direktes zutun, doch das war egal.
Doch all das lag hinter ihm. Sein ganzes Leben lag hinter ihm. Das jetzt war wichtiger. Der einfache Finanzmanager konnte jetzt über das Überleben von Milliarden entscheiden. Es würde wohl in die Geschichtsbücher eingehen. Nur, waren sie die Helden oder die verrückten die alles aufs Spiel gesetzt hatten? Der heutige Tag würde wohl darüber entscheiden.
Langsam machte sich der Rest der Gruppe auf zu gehen. Es gab eigentlich keinen Zeitdruck, aber sie sollten wohl losgehen, bevor die Nacht einbrach. Viele hatten etwas zu sagen, und Nathan hörte oft nur mit halbem Ohr zu. Er konzentrierte sich ganz auf die Aufgab vor ihm. Doch als er eine Stimme hörte, horchte er auf.
Es war Jul.
"Leute, ich denke, wir sollten uns nicht mehr allzu lange Zeit lassen. Nathan, Gabriel und auch Lexi haben sich bereit erklärt den Tank startklar zu machen, damit er zu den Wissenschaftlern nach Amerika geschickt werden kann. Ich hoffe, es gelingt ihnen und er kommt heil dort an, damit bald ein tatsächliches Heilmittel zur Verfügung steht." Sie sah zu Nathan und nickte ihm zu.
Und er nickte ihr zurück. Ob er sie wieder sehen würde?
"Leute, lasst uns mithelfen, die Welt vor ihrem endgültigen Untergang zu retten. Und aktiv daran teilnehmen, sie anschließend wieder aufzubauen. Dafür ist es notwendig, dass wir schleunigst hier abhauen, und die Rakete hier auf uns selbst abfeuern. Ich werde das übernehmen. Danach überlassen wir den dreien das Feld."
Es gab wohl niemanden, dem Nathan mehr damit vertrauen würde als ihr. Er hoffte nur, dass sie nicht zu viel Zeit damit verbraten würde, er wollte, dass zumindest sie, dass hier überleben konnte.
Und damit machte sich die Gruppe auf und Nathan, Gabriel und Lexi traten vor den Tank.
„So, weiß einer von euch jetzt wie man Ding in eine richtige Rakete verwandelt? Der Wissenschaftler sagte was von ‚Notfallsystem‘.“, brachte Nathan und sagte damit eigentlich das Offensichtliche, dass sie keine Ahnung hatten wie sie hier anfangen müssten.
Sie wussten, dass sie nicht mehr viel Zeit hatten. Die Rakete würde jeden Moment starten, allein der Lärm, würde vermutlich die Zombies aufregen, hier her locken.
Ein Handbuch konnten sie auf die Kürze nicht finden, und die ganze Datenbank hier danach zu durchsuchen schien nach Wahnsinn. So fingen sie also an, dass zu tun, was echte Männer (und Frauen) taten, die keine Gebrauchsanweisungen brauchten. Auch nicht für geheime Labor-Notfallsysteme: Sie suchten nach der erstbesten Möglichkeit und drückten, pressten, zogen was das Zeug hält. Hier ein Hebel? Dort ein paar große Knöpfe? Hein großer Schalter mit einem noch größeren „WARNING! DANGER!“ drauf? Nichts war vor ihnen sicher.
Zuerst passierte sehr lange nichts, die meisten Teile der Anlage waren ausgeschaltet, einige mal sprangen einige Sicherungen und beinahe hätten sie sogar die Anlage zum Brennen gebracht. (Gut, dass das Zeug in den Biohazard Kanistern Feuer gut löschte, puh!)
Doch schließlich, war es gefunden: Geschickt neben dem Tank versteckt, war ein geheimes Fach, direkt auf dem Boden und nur durch sehr feine Schlitze erkennbar. Ein leichter Druck darauf und der Deckel hob sich hinauf und zeigte eine Konsole darunter, am Boden. Darauf war auch alles sehr klar geschildert. Scheinbar hatten die Errichter dieser Anlage einen Sinn für Praxis.
Nathan beugte sich über die Konsole und studierte sie kurz.
„Gute Nachrichten und Schlechte. Welche zuerst?“, fragte er.
„Denkst du wir sind hier in einem verdammten Film?! Sag was Sache ist.“, wies ihn Lexi unwirsch zurecht.
Nathan war enttäuscht, er wollte das schon immer mal sagen.
„Die Aktivierung von diesem Notfallsystem ist einfach. Nur den Knopf hier drücken. Aber das ganze dauert zehn Minuten, macht vermutlich einen Heiden Lärm“
„Na und? Bis dahin sind wir längst in Sicherheit.“
„Wir schon, aber den Tank können wir dann vergessen. Die Untoten schnappen sich alles was nur nach Mensch aussieht. Und das Ding da, kommt denen gerade zurecht, würd ich meinen.“
„Also was? Dann bleiben wir hier, und laden eben ein paar dieser Zombie-fucker ein. War bisher ja nie anders.“
Nathan sah sich noch einmal um. Nun, da nur noch die Drei im Labor waren, wirkte es sogar noch verlassener. Hier würde es enden. Die Entscheidung fallen.
„Das war also. Hier und jetzt wird sich das Schicksal der Menschheit entscheiden… Stunde null… D Day … The final count…“
„Nathan…“
„Okay, okay.“
Und er drückte den großen roten Knopf.
Ein schrillender Alarm brach in der gesamten Anlage los. Es absolut ohrenbetäubend. Die vorher im Dunkeln gehüllte Anlage leuchtete plötzlich hellrot, vermutlich auch von außen weit sichtbar. Das ganze wurde dann auch von einer automatischen Meldung begleitet.
„Emergency evacuation system activated! Launch imminent! T minus 10 minutes. Emergency evacuation system activated! Launch imminent! T minus 9 minutes 58 seconds. Emergency …”
Geändert von Mivey (16.10.2013 um 22:41 Uhr)
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