Jul stand vor dem großen Glaskasten und starrte auf… die Person? Das Etwas? Sie wusste nicht genau, wie sie das Wesen darin bezeichnen sollte. Auf jeden Fall schlief es, was ein beruhigender Anblick war. Offenbar bekam es etwas, das diesen ruhigen Schlaf ermöglichte.

Aber war nicht von einem Heilmittel die Rede gewesen? Sollte es das sein? Die Lösung für die Rettung der Menschheit? Die Zombies einfach nur ruhig zu stellen? Jul verzog ein wenig enttäuscht den Mund. Sie hatte auf ein tatsächliches Heilmittel gehofft. Etwas, das eine Rückverwandlung ermöglichte, oder zumindest den Ausbruch verhinderte, eine Art Impfstoff. Aber das hier? Oder war das nur ein Teil des großen Ganzen? Alleine würde sie es vermutlich nicht heraus finden.

Jul blickte sich im Raum um. Wo waren eigentlich die Wissenschaftler? Sie hatte gehofft hier welche anzutreffen, die sich mit der Entwicklung des Heilmittels beschäftigten. Aber bis auf den schlafenden Untoten im großen Glaskasten und die Mitglieder ihrer Truppe war der Raum menschenleer. Sie steckte die Hände in die Taschen der Regenjacke, die sie auf der Wanderung von der Heather hierher übergezogen hatte. Ihre Finger spielten wieder mit dem Glücksbringer. Seit sie diesen in Zhanjiang gefunden hatte, hatte sie ihn ständig in ihrer Tasche und nahm ihn mehrmals am Tag – oft gar nicht bewusst – in die Hand. Auch jetzt bemerkte sie dies zunächst gar nicht, bis ihr Blick auf Shelley fiel. Jul durchzuckte es. Shelley. Als sie sich für die Gruppe in Gefahr gebracht hatte um die Schleusentore zu öffnen hatte sie zum ersten Mal mit dem Anhänger gespielt und gehofft, dass Shelley nichts passierte. Und auch in den letzten Tagen hatte sie ihn immer wieder in den Fingern, verbunden mit dem Gedanken, dass sie es schaffen mögen. Und offensichtlich hatten sie es geschafft. Sie waren an ihrem Ziel angekommen, wenn auch nur an einem vorläufigen. Sie holte das Armband aus der Tasche und betrachtete es. Zum ersten Mal nahm sie es genauer unter die Lupe. Die Kette an sich war nichts Besonderes. Sie war dunkel-goldfarben, schien aber nicht echt zu sein, zudem war sie schon ziemlich abgegriffen. Der kleine Anhänger hingegen hatte etwas. Es war eine kleine goldene Figur, ähnlich dieser typischen chinesischen Glückskatze, wirkte allerdings weitaus weniger kitschig. In den Bauch war ein kleines glitzerndes Steinchen eingelassen. Ob es wertvoll war, vermochte Jul nicht zu sagen, sie hatte sich nie sehr für Schmuck interessiert. Aber diesen hier fand sie einfach nur schön.

Sie legte sich das Band ums Handgelenk und schüttelte den Kopf. Nein, das sah einfach nur lächerlich aus. Sie war definitiv kein Schmuck-Typ. Aber vielleicht jemand anderes? Ihr Blick fiel erneut auf Shelley, die nur wenige Meter neben ihr stand. „Äh, Shelley“ sprach sie diese nach einem kurzen Räuspern an. „Sieh mal, dieses Armband habe ich in Zhanjiang gefunden. In dem Haus, in dem ich auch die Landkarte mitgenommen hatte. Ich habe es bisher noch niemandem gezeigt und immer in meiner Tasche gehabt. Aber… naja, ich denke, es ist zu schade um nur in der Tasche getragen zu werden und deshalb… uhm… also… willst du es haben? Mir steht kein Schmuck und ich denke, an dir könnte es ganz gut aussehen.“ Sie ließ ein leichtes Lächeln über ihr Gesicht huschen. Würde Shelley ihr Geschenk annehmen?