Edge Geschichten sind für mich welche, bei denen düstere Themen eingebaut werden in einem unverhältnismäßig übertriebenen Maß, eine oberflächliche, unreflektierte Behandlung bekommen und / oder Charaktere sinnlos grausam behandelt werden. Häufig ist das Ziel zu schocken. Gelegentlich kommen Charaktere vor, die kaum nachvollziehbar handeln. Edge Stories haben daher auch das Potenzial, sehr wild zu sein und das ist ein faszinierender Aspekt, ebenso wie das Verlangen danach zu sehen, was Autoren sich noch so alles abgefucktes aus dem Arsch ziehen.
Über die letzten Monate hab ich in ein paar reingelesen, daher ein Paket von dreien davon: Maria no Danzai, Kasane und Boy's Abyss.
Maria no Danzai [1-2]:
Marias Sohn wurde durch Mobbing in den Selbstmord getrieben und sie hat sich nun geschworen, an den Tätern Rache zu nehmen. Dafür infiltriert sie die Schule als Schulschwester (sie hat sich komplett umoperieren lassen und eine neue Identität angenommen... xD).Bisher nicht viel übersetzt, aber Kapitel 1 verdichtet den Edge bereits so sehr, da wäre Mahou Shoujo Site stolz drauf. Wenn man hier ernsthaft eine Story über Mobbing hätte machen wollen, dann hätte man es nicht so präsentiert, aber daher ist das hier ja auch edgy. Bisher nicht besonders empfehlenswert, werde mir aber noch ein paar Kapitel geben. Es gibt auch nicht so viele Revenge Stories mit der Mutter als Hauptcharakter.![]()
Kasane[1-53]:
Kasane ist eine begabte Schauspielerin, aber potthässlich. Sie wird von ihren Mitmenschen als "Monster" bezeichnet und gemobbed. Das alles ändert sich für sie, als sie einen Lippenstift von ihrer verstorbenen Mutter bekommt. Dieser hat die Fähigkeit, das Gesicht mit einer Person zu tauschen, die sie küsst. Ihr erstes "Opfer" ist eine schöne Mitschülerin die sich mit ihr angefreundet hat. Sie ist aber nur eine von vielen, die ihr im Laufe der Zeit zum Opfer fallen werden, denn Kasane gelüstet es nach nichts mehr als endlich schön zu sein und im Rampenlicht zu stehen.
Kasane ein Psychothriller in dem Sinne, dass einerseits nicht auffliegen darf, was Kasane macht, sich auf der anderen Seite immer mehr Lügen aufstapeln und sie immer mehr Leute hintergehen muss. Vom edge Gehalt ist es meiner Meinung nach eher Mittelmaß. Es passiert Shit, aber der hat in der Regel einen Kontext in der Story und es häuft sich nicht sinnlos an.
Der Manga wirkt zunächst sehr oberflächlich. Die Fixierung von Kasane auf Schönheit, wird kaum negativ kommentiert. Aus ihrer Perspektive ist das vielleicht verständlich, aber hier ist der Punkt – sie ist vor allem innerlich hässlich. Sie redet es sich schön, dass sie das Leben anderer stehlen darf, weil sie es viel besser nutzen kann – und dass alle Mittel dafür Recht sind. Vielleicht wollte man die Leser die Schlüsse ziehen lassen, aber eine so starke Nachricht unkommentiert stehen zu lassen kann auch die falsche Botschaft senden. Man denke daran, dass es Leute gibt, die unironisch Lights (Death Note) Form von Gerechtigkeit für cool und richtig halten. Zumindest gibt es gelegentliche Einblicke in Kasanes Psyche und da sind immer wieder kleinere Veränderungen zu sehen, aber an ihrem Verhalten hat das dennoch nichts geändert.![]()
Der interessanteste Charakter ist wohl Noriku, die quasi als Kasanes Gegenspielerin aufgebaut wird. Sie hat einigen Shit durchgemacht und ist die Antithese zu Kasane.Dialoge kommen mir ein wenig holprig vor. Die Zeichnungen sind weder von den Hintergründen noch den Charakteren besonders interessant.![]()
Ein positiver Aspekt ist definitiv, dass die Theateraufführungen auch immer in Relation mit den Charakteren gesetzt werden. Ich denke von den dreien ist das hier noch die Geschichte mit dem meisten Potenzial und die, die noch am ehesten langfristig eine sinnvolle Nachricht rüberbringen könnte. Wie viel das wert ist kann sich jeder selber überlegen *g*
Boy's Abyss[1-137]:
OK, das hier ist der big cheese of edge, weswegen mir die Idee für den Post kam. Um gleich die Baseline klarzumachen: Der vernünftigste Charakter im Manga
Reiji ist jemand, der sich damit abgefunden hat sein Leben ewig in dem kleinen Kackdorf zu verbringen, in dem er geboren wurde. Bis er auf sein Lieblings Idol in einem Supermarkt trifft, welche sein Leben mit der Frage, ob er sich nicht zusammen mit ihr umbringen möchte, auf den Kopf stellt. OK, der letzte Teilsatz ist übertrieben, denn Reiji bleibt für über 100 Kapitel komplett apathisch und wird unironisch als ein "leeres Gefäß" bezeichnet. Wie dem auch sei, der Selbstmord geht schief und er wird von seiner Lehrerin – die einzige(!) in der Story, die am Leben zu hängen scheint – gerettet.
In Boy's Abyss wird so oft von (Selbst-)Mord gesprochen, man würde denken es ist nichts anderes als mal kurz den Müll rauszubringen. Es ist die schwierige Art von Trash in dem Sinne, dass hier irgendwo interessante Konzepte drin sind, aber unter zu viel Edge begraben ist. Die Charaktere ergeben auch nur Sinn, wenn man selber mit einer stockfinsteren Weltsicht sympathisieren kann, bei der Selbstmord nicht nur eine legitime, sondern eine erstrebenswerte Lösung für Probleme ist. Dass dies eine potenziell sehr schädliche Nachricht ist brauche ich wohl nicht groß zu diskutieren.Alle Charaktere haben sämtliche Schrauben locker und liefern sich nen Wettbewerb darin, wer verrückter ist. Wenn ein Charakter am Anfang noch normal ist, kann man sich sicher sein, dass er irgendwann gefickt wird. Und dann im Zuge davon jemand anderen ficken wird (manchmal wörtlich), so dass ein Kreislauf des Fickens entsteht. Fast jeder relevante Charakter bietet Reiji an, einen aus Büchern romantisierten (!!!) Selbstmord mit ihm zu begehen, um ihren Problemen zu entkommen. Das alles wird verwoben mit einer Geschichte darum, dass es Menschen gibt die "Abgründe" sind aus denen andere nicht entfliehen können und Reiji wohl so ein Attraktor sei. Leider macht der Manga es nicht deutlich, wieso sich irgendwer zu ihm hingezogen fühlen sollte, so lethargisch er ist. Vielleicht ist der Punkt aber auch, dass es irgendwo eine Art "höhere Gewalt" ist, die Leute zu ihm zieht? Ich persönlich denke, dass jemand irgendwas ins Wasser gibt oder Störsignale die Leute nicht schlafen lassen, so dass alle in dem Dorf verrückt werden.![]()
Die Geschichte ist repetetiv. Charaktere machen Wandlungen durch, fallen aber dann doch wieder tiefer als vorher. In einem Kapitel entkommt Reijis Halbbruder unter Hilfe der Lehrerin aus den Fängen der Mutter, aber ich gehe stark davon aus dass er wiederkommt. Charaktere überleben immer ganz knapp. Zusätzlich ist sie noch repetetiv auf einer Mikroebene – Charakter A erzählt B etwas, was er C bereits erzählt hat – beide reagieren mit der shocked Pikachu Face. Und so hat man wieder mal die doppelte Seitenzahl gefüllt. Dass in jedem zweiten Kapitel von Tod gesprochen wird, sich aber kein Hauptcharakter tatsächlich das Leben nimmt, liegt wohl eher daran, dass man den Manga lange weiterführen wollte.Ist der Manga denn abgrundtief schlecht? Wenn ich das ernsthaft finden würde hätte ich wohl nicht so viele Kapitel von gelesen *g*![]()
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In der ersten Hälfte ist eine gewisse Suspense da, weil sich erst nach und nach rausstellt auf welche Art jeder Charakter kaputt ist und wie das andere beeinflusst. Die düstere Ästhetik wird auch ganz gut rübergebracht.
Im Kern sind auch interessante Konzepte da: Die Furcht davor, in ein kleines, eingeschworenes Dorf geboren zu werden, und sein Leben lang dort festzusitzen. Dass, selbst wenn man ausbrechen möchte, sich Mächte gegen einen verschwören und einen halten, bis man irgendwann keine Energie mehr hat und sich in Lethargie ergibt. Dass Familie und enge Nachbarn zu Halt aber gleichfalls zu einem Gefängnis werden können. Dass es einen Kreislauf gibt aus dem Leid entsteht, und Eltern die unter schlechten Bedingungen aufgewachsen sind auch potenziell ihre Kinder nicht richtig erziehen.
Manche Charaktere werden gut genug dargestellt in ihrer Funktion (!) für die Story. Reijis Mutter war als Teenager ein cute Anime Girl, so dass man inmitten der ganzen Trauerklöße ihre Anziehungskraft erkennen kann. Das Idol ist so distanziert, dass man erkennen kann, wie sie als Fremdkörper hier eindringt und die Dinge ins Rollen bringt.
Und dann gibts noch die Lehrerin - der geilste Charakter der Story. Yandere ist ein Konzept, was mehr oder weniger gut umgesetzt werden kann.
Viele Sachen die hier passieren wurden in anderen Geschichten besser gemacht. Abgefuckte Beziehungen hat man in Trail of Blood (Mutter und Sohn) oder Scum's Wish (Liebhaber). Kaputte Charaktere, die sich gegenseitig Konkurrenz machen darin, wer schrecklicher ist, hat Happy Sugar Life – und das erlaubt sich sogar n gewisses Augenzwinkern. Denn, wenn Boy's Abyss eine Sache ist, dann todernst in seinem puren Edge.
N ganz witziges Detail? Boy's Abyss erstes Kapitel kam lediglich 2 Monate vor dem ersten von Oshi no Ko heraus. Die beiden wurden wohl auch damals zusammen erwähnt, weil beide "nen düsteren Take auf die Idol Industry darstellen". Ayo, ne, nicht wirklich hier
Also, was ist die Take Home Message? Der Manga hat ne ziemlich coole Yandere!