Von Giovannis Insel (2014) hatte ich mir mehr erhofft. War nicht schlecht, aber irgendwie hat mir da eine Entwicklung, Message und Katharsis gefehlt. Schien an einigen Stellen gerne Grave of the Fireflies sein zu wollen, ohne je dessen Tiefe, Dramatik und feine Charakterzeichnung zu erreichen. Einige Einzelszenen wie das Singen in der Schule haben mir sehr gefallen, aber sobald die Hauptfiguren von der Insel runter sind, geht die Handlung in den trostlosen Leid-Modus und verläuft mehr oder weniger im Sande. Das Ende versagt später völlig darin, irgendwelche liegengelassenen roten Fäden zu einem richtigen Abschluss zu bringen. Außerdem waren mir die Sachen mit der "galaktischen Eisenbahn" etwas zu kitschig umgesetzt.

Ich vermute, meine Eindrücke haben unter anderem damit zu tun, dass die Geschichte auf wahren Begebenheiten beruht, aber wie lose oder genau man sich da an Augenzeugenberichten oder den Geschichten von echten Menschen als Vorbilder orientiert hat, kann ich nicht sagen. Das Leben ist nunmal kein Kinofilm, da gibt es für vieles keine zufriedenstellende Auflösung, aus einschneidenden Erlebnissen gewinnt man nicht automatisch immer irgendwelche tieferen Erkenntnisse. Was wir hier haben ähnelt mehr einer Biographie aus den ersten Jahren der Nachkriegszeit und weniger einer runden Erzählung. Trotzdem hätte man zum Schluss nicht so unheimlich viele brennende Fragen zu den Figuren offen lassen müssen.

Auch kam ich mir ein wenig über den Tisch gezogen vor (naja, hab über Amazon Prime geschaut, von daher kein Verlust), da auf IMDb die folgende völlig irreführende Beschreibung eingestellt ist: A dramatic yet heart-warming story of cross-cultural friendship among children in the aftermath of WWII - Das kann ich so nicht unterschreiben. Herzerwärmend ist der Film eigentlich nur selten, oft eher traurig oder angespannt. Und der Teil über interkulturelle Freundschaft ist lediglich eine Nebenhandlung, die nicht intensiver erforscht und ab der Mitte durch den Wechsel des Settings sogar völlig vergessen wird. Schade, denn so ein Film hätte mich wesentlich mehr interessiert. Tanya lernt man in den paar Szenen so gut wie gar nicht kennen :-/

Darüber hinaus fand ich die übermäßige politische Vorsicht was Geographie und Grenzen angeht störend. Schon klar, der Film wollte niemandem auf die Füße treten, wenn es nicht unbedingt sein muss. Aber ein Großteil der Geschichte spielt nunmal auf Shikotan. Dass nicht einmal im Prolog oder Epilog ihr Status erwähnt wird (oder auch der von anderen großen Inseln der Unterpräfektur Nemuro, die sich Russland in den letzten Tagen des Krieges unrechtmäßig gekrallt hat), erschien mir sehr unglaubwürdig, da dies die Charaktere bei dem Besuch in ihrer annektierten, verlorenen Heimat nach all den Jahren garantiert beschäftigt hätte. Ich bin was die Rückgabeforderungen angeht zwar gewiss parteiisch (Come on - 4 km bis Hokkaido, 7100 km bis nach Moskau! Zumal die Habomai-Inseln heute praktisch unbewohnt sind), aber so meine ich das bezogen auf den Film gar nicht: Auch da hätte man einen versöhnlichen Ton anschlagen können. Doch dass diese offensichtliche Problematik überhaupt nicht ernsthaft thematisiert wird, obwohl sich Junpei und Kanta bei der Vertreibung fragen, ob sie jemals zurückkehren werden, halte ich für eine gewaltige Drehbuch-Schwäche.

Anders ausgedrückt und grob gesagt: Giovannis Insel schneidet massig potentiell interessante und schwierige Themen an, aber macht dann nicht viel daraus und belässt es dabei. Ein für meinen Geschmack gerade im späteren Verlauf zu tristes Kriegsdrama, das ab und zu erkennen lässt, wie toll es mit anders gesetzten Prioritäten hätte werden können.