-
Ritter
So... und was nun, Prinzessin? Irgendein edelmütiger Seeräuber in Sichtweite, der einer holden Maid in Nöten beistehen möchte? Und am Ende zusammen romantisch in den Sonnenuntergang segeln?
Sonderlich einladend war der Ort in der Tat nicht.
Hier herrschten raue Sitten.
Sichtlich betrunkene Männer saßen in Gruppen beieinander, während nüchterne finstere Blicke durch die Gegend warfen.
Prügeleien waren wohl ebenfalls keine Seltenheit und man schien hier auch gerne mal zur Pistole zu greifen.
Viele Frauen trieben sich hier nicht herum. Und sie waren, bis auf vereinzelte, misstrauisch dreinblickende Ausnahmen, wohl kaum anständiger Natur.
Es war wohl eine gute Idee, dass Celina sorgsam darauf geachtet hatte, den Großteil ihrer Haut zu bedecken und über den schönen Mantel Dereks mittlerweile recht mitgenommene Lederjacke gelegt zu haben. Das gab ihr das richtige, abgewetzte, bunt zusammengewürfelte Äußere, genau passend zu einer Bewohnerin der Pirateninsel.
Zumindest hoffte sie das. Und warm war es unter mehreren Schichten Kleidung auch.
Die Push-ups, die du in der Heather gefunden hast, helfen nicht.
Oh Will, sie sorgen eben dafür, dass alles halbwegs ordentlich aussieht. Denkst du, ich hätte Lust, die ganze Zeit mit der gleichen Wäsche herumzuspazieren? Außerdem sind die ganz schön bequem…
Prinzessin, ich hoffe nur, dass das nicht Teil unserer Verhandlungen wird…
Nun, diese Sorge ist wirklich unbegründet…
Bis auf einige vereinzelte Blicke schenkte man Celina glücklicherweise keine Beachtung, somit konnte sie in Ruhe nach einem passenden Kandidaten Ausschau halten…
In einer Ecke stehend, beobachtete sie den Platz. Jemand mit ehrlichem Gesicht musste es sein, der außerdem nicht allzu ärmlich aussah. Sie wollte ja niemanden ausnehmen, selbst Kriminelle nicht, die es garantiert tausendfach verdienten.
Ein wenig Schweiß rann Celinas Stirn herunter.
Diese Jacke…
Na gut, hier am Rand würde man ohnehin wenig auffallen. Kurzzeitig nur im leichten, feinen Mantel dazustehen konnte nicht schaden.
Ohne diese irritierend warme Jacke war ihre Konzentration gleich viel besser. Der junge Mann dort hinten sah perfekt aus für ihren Zwecke, bestimmt ein richtiger Naivling. Sie könnte ihm ja eine tragische Geschichte von einem armen, kranken Geschwisterkind erzählen. Und der Obstkorb war sehr voll, wenn er die Früchte selbst erntete…
„Na, Süße, was machste denn ganz allein hier?“
FUCK!
Toll gelaufen, Prinzessin!
Erschrocken blickte Celina zur Seite und sah einen großen, breitschultrigen Mann mit dreckigem Grinsen vor sich.
Eh, was nun?
Großartiger Zeitpunkt, um zu überlegen!
„Wasn los, Schätzchen? Haste dich verlaufen?“ Das Grinsen wurde breiter und der jungen Frau stieg eine Alkoholfahne entgegen. „Ich kenn mich hier gut aus – is bestimmt Schicksal, dass wir uns hier treffen.“
Da war in der Tat keine Zeit zum Überlegen. Elegant trat Celina einen Schritt näher, lächelte charmant und begann das wohl peinlichste Manöver, das ihr einfiel:
„Oh, oui, oui, Monsieur, es müss sein la destinée!“, sprach sie mit dem besten französischen Akzent, den sie zustande bringen konnte. „Isch nämlisch broche ein Monsieur, der weiß ein Weg.“
Was zum…!?
Dieser Herr sieht nicht allzu gebildet aus, Will. Er versteht bestimmt kein Französisch.
Ihr Urteil schien nicht vollkommen falsch zu sein, denn der Mann schaute sie verblüfft an.
„Aha russisch, wa? Bist noch nich lang hier, was?“ Die Anzüglichkeit kehrte aber sofort in sein Gesicht zurück. „Willste gut sprechen lernen, Süße? Bin nämlich ’n verdammt guter Lehrer. Mach das auch ganz umsonst für so ’ne Schnecke wie dich.“
Klappt ja wunderbar…
„Oh, wie sympa, Monsieur! Mais, isch nischt ’abe keine Zeits pour lernen Sprache. Puisque, isch müss sein bei mein Chef promte. Aber isch ’abe nischt kenne keine weg. Ünd mon Chef nischt mag keine Warten, aussi. Et il est so wütont wenn er mich sieht parler mit ein andere Mann. C’est ne pas très bien.“ Bei diesen Worten strich sie sich betonend über ihren Mantel. „Ünd er ’at geschenken der bel manteau an moi. Also isch nischt kann machen ihn warten pour moi. Er werden beaucoup wütend ünd suchen für misch.“
Zufrieden sah Celina förmlich, wie die Zahnräder im Hirn des Mannes zu rattern begannen.
„Äh… wer is ’n dein Chef?“
„Incroyable! Dü nischt kennst wirklisch mein Chef? Mais, er ist wischtige personne in diese Ort!“
„Ah… echt? Ähm, wie heißter denn?“
„Oh, er ’at schwierig anglais nom…“
Die Augenbrauen des Piraten zogen sich zusammen. Das war dann wohl doch ein bisschen zu viel des Guten. Celina sollte sich schnell rausreden, bevor…
„Ah, da bist du ja, Schätzchen! Wo hast du gesteckt, verdammt nochmal!?“
Erschrocken fuhr Celina herum – und blickte einem vertrauten, wenngleich unerwarteten Gesicht entgegen.
Die ältere Frau wandte sich dem Mann zu. Ein Paar kalter graublauer Augen durchbohrte ihn förmlich. „Das Mädchen gehört zu mir, Großer. Und wir finden uns ganz gut allein zurecht.“
Einen Moment lang zögerte der Pirat, bevor er seine Schultern hängen ließ und sich dann wegdrehte. Anscheinend war dieser Todesblick zu viel für ihn. „Okay, is ja schon klar. Habs verstanden. Wollt ja nur mal wissen, ob ich helfen kann, weil hätt ja sein können.“
„Wie du siehst, kannst du nicht. Komm, Kleine!“
Noch immer perplex befolgte Celina den barschen Befehl, und sei es nur, um diesem eiskalten Blick zu entgehen.
Die Frau mittleren Alters zog sie an der Hand an einigen Wellblechhütten vorbei und dann hinter einige Mauerreste. Hier, wo sicher selten jemand vorbeilief, unterzog sie Celina einem prüfenden Blick.
„Was für eine Überraschung. Dich hätte ich hier beim besten Willen nicht erwartet.“
„Uh, es ist ein wenig kompliziert.“
„Davon gehe ich aus, wenn jemand wie du hier wie ein Wesen aus einer Feenwelt frei herumläuft und mit einem grausam verfälschten französischen Akzent mit irgendwelchen Kerlen rumspielt.“
„Das war nicht ganz, was ich vorhatte. Ich bin eigentlich mit anderer Absicht hier und dieser Kerl wollte dann eben… naja.“
Die Frau stieß einen entnervten Seufzer aus und wischte sich einige Strähnen ihres braunen Haars aus dem Gesicht. „Sei froh, dass das nochmal gutgegangen ist. Es ist gefährlich hier, besonders für hübsche junge Mädchen wie dich. Ich selbst verbringe nie besonders viel Zeit hier.“
„Bist du oft hier?“
„Manchmal, zum Handeln. Habe ein paar Kontakte hier, obwohl ich nicht stolz drauf bin. Und wie du hier reingekommen bist, frage ich lieber nicht.“
Celina lächelte mild. „Das ist auch nicht nötig. Ich werde ebenfalls nicht lange bleiben.“
„Das ist auch gut so“, ein zynisches Lächeln umspielte die Lippen der Schmugglerin. „Außer, du willst eine Stelle im Free Fux, da suchen sie immer… Dienstleisterinnen. Die Löhne dürften nur nicht ganz deinen Vorstellungen entsprechen. Ehrenamt eben.“
„Ich wollte eigentlich nur nach einem anständigen Handelspartner suchen.“
„Kann lange dauern, wenn man sich nicht auskennt, Schätzchen.“
„Aber ich habe doch dich gefunden.“
„Ich, meine Liebe, befinde mich im Aufbruch. Man wartet am Schiff bereits auf mich.“
„Bitte, es ist nicht viel. Nur einige wenige Nahrungsrationen. Vier oder fünf.“
Die Frau runzelte die Stirn. „Soso… das ließe sich vielleicht sogar auftreiben. Was bietest du denn, Liebes? Du wolltest bestimmt nicht einfach nur mit deinem pseudo-französischen Charme bezahlen?“
Erleichtert griff Celina in ihre Tasche und zog ein paar Arbeitshandschuhe heraus. Im Village hatte diese ab und an verwendet, um Früchte zu pflücken – aber der Zustand war beinahe wie neu. „Sie sind sehr handlich, wenn es um Arbeiten geht, die etwas Geschick erfordern.“
Die Frau nickte langsam und ein warmes Lächeln machte sich auf ihren Lippen breit. „Also gut. Deal.“
Etwas weniger gut ausgerüstet, doch dafür mit einer recht angenehm gefüllten Lebensmitteltasche stand Celina vor einem versteckten Ausgang.
„Ich nehme an, dass du einen Plan hast, Schätzchen? Ich will dich nicht damals gerettet haben, um dich hier sitzen zu lassen.“
Ernst erwiderte Celina: „Es gibt noch andere. Ich kann sie jetzt schlecht alleine lassen, dafür schulde ich ihnen zu viel.“
Und habe sie zu lieb gewonnen.
„Aber vielleicht kannst du mit uns…“
Energisch wurde sie unterbrochen. „Nein, Schätzchen. Ich habe eigene Pläne und mein Leben sieht momentan ganz gut aus. Und ich werde mich garantiert keiner Gruppe wildfremder Menschen anschließen.“
„Nun… dann verabschieden wir uns wohl wieder voneinander?“
„Heh, würde mich nicht wundern, falls wir uns bald wiedersehen. Ich habe in der letzten Zeit festgestellt, dass die Welt erschreckend klein ist.“ Bei diesen Worten verdunkelte sich das Gesicht ein wenig. „Ja, sehr klein sogar… wie auch immer, ich verschwinde jetzt. Celina, pass auf dich auf, okay?“
Ein letztes Mal nickte die Schmugglerin ihr zu, bevor sie von dannen zog.
Erfreut von der unerwarteten Begegnung und der erfolgreichen Ausbeute (und dem Mantel), kehrte Celina zu den anderen zurück.
„Ich habe etwas zum Essen mitgebracht!“, rief sie fröhlich in die Runde.
Warte, Prinzessin!
Huh?
Da drinnen ist eine Kekspackung - die wird nicht abgegeben!
[Celinas Geschick -1, Gruppennahrung +5]
Geändert von Zitroneneis (18.09.2013 um 03:21 Uhr)
Berechtigungen
- Neue Themen erstellen: Nein
- Themen beantworten: Nein
- Anhänge hochladen: Nein
- Beiträge bearbeiten: Nein
-
Foren-Regeln