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Ritter
Was? Was?
Alles war unfassbar schnell gegangen. Erst meldete sich Alice und teilte allen mit, dass sie gebissen wurde. Dabei schuldete Shelley ihr doch noch eine Massage.
Dann trat Lexi auf den Plan und fragte die Gruppe nach ihrem Foto. Sie hatte es ihr doch zurückgegeben, oder? Ja, ganz sicher. Als Antwort zuckte sie nur kurz mit den Achseln.
Und dann wurde es erst richtig krank. Gabriel trat, gefolgt von Grumpy Grams und der kleinen Hispanierin auf das Deck der Heather und... winkte ihr mit einem Brett an... nein, IN der Hand zu.
„Shelley? Könntest... könntest du mir... uhh... helfen?“
Und dann ihr Einsatz. "WAS?"
Sie hatte keine Ahnung, wie sie sich ohne passendes Werkzeug DARUM kümmern sollte, doch dann...
"Das ist'n Medizinkoffer voller... naja, Medizinscheiß. Kannste irgendwas damit anfangen?", sagte Lexi verwirrenderweise und zog einen... naja... Medizinkoffer aus Shengs Sporttasche. "Ja, per-perfekt, danke!", sagte sie, wunderte sich noch über das viel zu perfekte Timing und sah im Hintergrund ein kleines, unorthodox herumirrendes, mexikanisches Mädchen, dem Blut aus einem Ohr lief. Was war hier verdammt noch mal los?
Durchatmen, Shelley. Sie tat genau das. Überraschenderweise half es. Und sie war verdammt froh, auf der Heather so gut und viel geschlafen zu haben, als noch alles... "in Ordnung" war. "Okay, Gabe. Komm mit!", sagte sie, aufmunternd lächelnd, den Koffer in der einen und Gabriels gesunde in der anderen Hand. "Leo? Leo? Du kommst mit!" Das Mädchen schien nach wie vor verwirrt, doch sie folgte den beiden schließlich auf dem Weg in das Innere von Heather. In Shelleys kleinem, notdürftig eingerichtetem Zimmer kamen sie dann unter. Die Amerikanerin räumte ihre Sachen vom Bett und deutete darauf. "Setzt euch!"
Die beiden gehorchten und Shelley besah sich aus nächster Nähe Leos Ohr, fand außerdem - versteckt in ihrem dichten, langen Haar - eine Platzwunde am Kopf, bevor ihr Blick das noch viel fürchterlicher aussehende Brett an Gabes Hand musterte, das offenbar mit einem dicken Eisennagel mit eben dieser verbunden war. Sie blickte in sein Gesicht und schüttelte den Kopf, ging dann ein Schritt zurück, öffnete den Koffer, stellte ihn auf den kleinen Beitisch neben dem Bett und besah sich die wirklich enorm nützlichen Instrumente.
"Ihr macht mich echt krank!", fing sie dann mit - vor Verärgerung sogar etwas zitternder - Stimme an. "DU!", sagte sie und drehte sich zu Leo, funkelte sie an, wie eine Mutter ihr Kind, wenn sie etwas ausgefressen hatte. "Ist ein tolles Spiel, oder?", fragte sie sarkastisch. "Mal eben so an ein paar Zombies vorbeirennen und... a-a-ach, weißt du was? Du verstehst eh nicht, was ich sage, oder?" Die Kleine sah sie zwar an, doch in ihrem Blick lag eher etwas Schwammiges, als wäre sie gar nicht wirklich anwesend und würde in einem Tagtraum stecken.
"Na gut, Kleine!" Ich geb' dir später irgendwann eine Standpauke. Jetzt tut das Gemeckere deinem Kopf sicher nicht gut!", stellte sie fest, zwang sich zu einem Lächeln und wischte der Mexikanerin das Blut vom Ohr, bevor sie mit etwas Wasser das Haar der Kleinen anfeuchtete, um einfacher an die nun auch ausgespülte Wunde kommen zu können. Mit der kleinen, unaufdringlich strahlenden Lampe aus dem Medizinkoffer untersuchte sie ihre Pupille auf Reflexe. Das Ergebnis war so gerade zufriedenstellend, doch eine leichte Gehirnerschütterung war wahrscheinlich.
"So, jetzt hör mir mal zu, Leo!", sagte sie und blickte wieder ernster drein. "Ich VERBIETE dir, dich in den nächsten Tagen anzustrengen, okay? Wenn ich dich sehe und dich zu viel bewegst, werd' ich echt sauer." Hatte ein Kind, das genau so lange wie sie in der Apokalypse steckte, überhaupt Respekt vor solchen Aussagen. Kurzerhand bückte Shelley sich und durchsuchte ihren Beutel nach dem Kittel, zog ihn sich über das Top. So sah sie doch gleich wie eine echte Ärztin aus. Eine Ärztin, vor der Kinder Respekt hatten. "Also... du musst ganz viel Ruhe halten, ja Leo? Am besten suchst du dir ein hübsches Bett und ruhst dich lange aus. Und wenn du draußen bist, streng die Augen nicht zu sehr an, guck nicht in die Sonne. Hey, vielleicht hat ja irgendwer 'ne coole Sonnenbrille für dich, häh? Ich hatte mal so eine mit rotem Rand, aber die hab ich leider nicht dabei." Konnte das Mädchen überhaupt ansatzweise folgen? Shelley musste es zusammenfassen. Kurz und knapp. "Ins Bett, Leo! Ruhe, Sonnenbrille, nicht anstrengen! Und jetzt raus hier, okay?" Das Mädchen nickte und sagte irgendwas auf mexikanisch. Das Wichtigste schien sie wohl verstanden zu haben, denn sie verließ das Zimmer.
Und jetzt die Abrechnung. Kaum hatte Leo die Tür geschlossen, war Gabriel dran. Nichts mit französischer Revolution. Er würde ihr zuhören. Und er würde ein schlechtes Gewissen haben, weil dieser Typ gar nicht anders konnte. "Du bist so ein netter Typ!" Der Vorwurf, den sie in ihre Stimme packte, wollte so gar nicht zu den Worten passen. "Du bist der netteste Mensch, den ich nach den Zombies kennengelernt habe." Ein wenig ärgerte sie sich ja. Komm endlich zum Punkt, Shel.
"Das Problem mit euch supernetten Menschen..." - fuhr sie schließlich fort und kramte dabei wieder einmal die Flasche mit dem Alkohol aus einem ihrer guten alten Jutebeutel - "... ist, dass man euch mag und dass ihr immer glaubt, allen helfen zu müssen. Das ist toll..." - der halbe, restliche Inhalt der Flasche wurde über das Brett und das Nagel-Loch in Gabriels Hand gekippt, sie hoffte, dass es brannte "..., wenn wir nicht in einer fucking Zombieapokalypse wären, in der Helfen heißt, dass man sein scheiß Leben riskiert, Arschloch." Und dann beugte sie sich weit über, griff an das Gelenk der Bretthand und drehte die Hand etwas, um sich das Loch genauer besehen zu können. Gott - es floss jedenfalls eine Menge Blut aus der Wunde. Das war schon mal kein schlechtes Zeichen.
"Okay, der Kopf steckt im Brett und der Nagel ist relativ glatt, kein Rost oder so. Ich kann ihn also einfach raus ziehen!", sagte sie, immer noch in einem deutlich verärgerten Tonfall. "Ich hab eine Wunde in der Form noch nie genäht, aber ich denke, das passt schon. Die Haut in der Handinnenfläche ist flexibel, also... ja, das krieg ich hin!" Langsam aber stetig klang ihre Stimme doch etwas besorgter, der Ärger wich. Das Meckern hatte aber auch gut getan, obwohl es in ihren Gedanken irgendwie vernichtender ausgesehen hatte. Den Alkohol, einen passenden Verband, ein sauberes Handtuch und ihr medizinisches Nähset legte sie in Griffnähe und atmete dann tief durch. "Ich zieh' jetzt einfach am Brett. Halt den Arm gerade und zieh vorsichtig, nicht zu doll. Bei Drei gibt es einen Ruck!"
Sie stellte sich mit festem Griff auf den Boden und fasste an das Brett. "Eins..." - sie sah Gabriel in die Augen - "...zwei..." - Der Griff wurde fester, sie hatte Angst, aber es musste ja sein - "...DREI!" Sie zog mit einem Ruck am Brett, konzentriert darauf, es gerade herauszuziehen. Ihre Handfläche schmerzte aus Solidarität selbst, als sie das schmerzerfüllte Brüllen des sonst so hartnäckigen Franzosen vernahm. Und dann stolperte sie auch schon ein paar Schritte zurück, fing sich gerade so, das blutige Brett samt Nagel in ihrer Hand halten, während Gabriel sich das Loch in seiner besah, durch das man aufgrund des wahrhaften Blutschwalls aber nicht mal hindurchblicken konnte. Shelley warf das Brett achtlos bei Seite und ging zügig wieder zum Verletzten, nahm das Handtuch und wickelte es um die Hand, drückte eine Weile zu und ließ es ausbluten, sah ihn dabei wieder an, fast etwas hämisch grinsend. "Ich hoffe, das hat weh getan!", sagte sie, wenn auch eher, um ihren eigenen Schock zu überspielen. "Und ich hoffe, es hält dich davon ab, das nächste Mal wieder dein Leben bei so einer Scheiße zu riskieren!" Das war eine ziemlich scheinheilige Aussage, wenn man bedachte, dass sie vor einigen Tagen noch mit einem Deko-Speer über - oder mehr auf - einen großen Felsen gesprungen war, nachdem sie eine Horde Untote vom Rest der Gruppe weggelockt hatte. Aber das hier war wirklich ernst. Gabe hatte sich verletzt. Kein Kratzer, keine winzige Platzwunde. Ein Loch in der Hand. Und auch Alices Biss zeigte wohl, dass niemand hier unverwundbar war, auch wenn ihre Flucht bislang ganz passabel gelaufen war.
Nach einer ganzen Weile - in der sie nur still dagesessen hatte und gelegentlich überprüfte, ob das Bluten bereits nachgelassen hatte - war es dann schließlich so weit. Ein weiteres Mal desinfizierte sie die Wunde mit ihrem lieben Alkohol, hoffend, dass es noch rechtzeitig genug war und er sich keine Entzündung eingefangen hatte. Doch danach sah der Nagel glücklicherweise nicht aus. Sie hielt die nahezu leere Flasche vor die Augen des Franzosen. "Siehst du. Viel öfter kann ich damit nicht mehr behandeln. Also überleg's dir genau, bevor du das nächste Mal Lust auf Risiko hast!" Sie lächelte inzwischen wieder und nahm anschließend das Nähwerkzeug, versorgte so seine Wunde und blickte nur wenige Sekunden später zufrieden auf das deutlich sichtbare X in der gedehnten Haut der Hand, die sie in ihrer hielt, während sie den Blick in das Gesicht des Untermieters von Hugh Jackman wieder aufnahm.
So richtig entscheiden konnte sie sich jetzt nicht, ob sie grinsen oder lächeln sollte. Und so Recht sie mit ihren Sorgen doch hatte - irgendwie war es ja doch noch gut gegangen. "Sorry, du bist kein Arschloch!", ließ sie ihn wissen. "Dann wär' ich ja nicht so sauer deswegen!" Lächeln. Ja, Lächeln war gut.
"Alles okay, Gabe?"
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