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Ritter
Nach einem kurzen, erschrockenen Zusammenzucken machte sich Erleichterung in Celina breit, als sie die Bewegung im ausmachte und identifizierte.
Mr Stevens war also nichts zugestoßen.
Ein Glück.
„Eigentlich hab ich mir von dem Rettungsboot mehr erwartet. Aber naja ein wenig Zwieback und … diese Leuchtpistole. Als ob die uns was bringen würde abgesehen von ein paar Leuchteffekten. Wobei ich mir denken kann dass sie auch einem Zombie schon weh tun kann. “
"Es ist besser als nichts."
Immerhin besser als dein "sich-nützlich-machen"...
"Und immerhin sind Sie wohlbehalten zurückgekommen."
Ein wenig erstaunt bemerkte Celina, dass sie diese Worte ernst meinte.
Selbst in der kurzen Zeit, die sie mit der bunt zusammengewürfelten Gruppe verbracht hatte, waren die Leute schon im Begriff, ihr ans Herz zu wachsen.
Seltsam, wie wenig Zeit vergehen konnte zwischen jemanden nicht einmal beim Namen kennen und sich um ihn Sorgen machen.
Vielleicht war es kein idealistisches Ammenmärchen, vielleicht stimmte es wirklich, dass Notlagen zusammenschweißten.
„Wie schaut es aus? Wie geht’s der Französin? Wurde sie unter Deck gebracht? “
"Davon gehe ich aus. Ich habe sie zuletzt mit der Ärztin gesehen und bin dann..." Sie beendete den Satz nicht, da Mr Stevens noch sehr erschöpft wirkte. Schwimmen und toten Händen Ausweichen und dabei Gegenstände bergen war sicher kein Zuckerschlecken. Also beschloss Celina, ihm erst einmal eine kleine Pause zu gönnen. Danach würde sie ihm das im Lagerraum Gesehene ausführlich schildern.
Aber wie es schien, wollte er ohnehin über etwas anderes sprechen:
„Desweiteren habe ich Ihnen ja gesagt, das auch wir uns wohl einmal unterhalten müssen, denn es scheint Ihnen ja wohl auch nicht ganz gut zu gehen.“
"N-nun", stammelte sie. "Der g-ganze Stress und die Schiffsreise bekommen mir einfach nicht gut..." Sie konnte doch schlecht jemand anderem ihre Geschichte aufdrängen. Das wäre zu viel verlangt. Aufmerksam beobachtete Celina das Gesicht ihres Gegenübers. Etwas, Celina war nicht sicher ob es mit ihr zu tun hatte, schien in seinem Kopf zu arbeiten und seine Augen nahmen kurz einen seltsamen Ausdruck an. Doch nur für den Bruchteil einer Sekunde. Vielleicht war es auch nur ihre Einbildung gewesen. Aber irgendwie hatte Celina den Eindruck, dass er tatsächlich besorgt war.
Vielleicht sollte sie ihm einfach vertrauen. Vielleicht war Vertrauen der Schlüssel zum Überleben.
"Ich fühle mich... unwohl auf Schiffen. Sie sind für mich fast so schlimm wie enge, dunkle Räume..." Sie lehnte sich an die Reling und schlang die Arme um sich. Warum war ihr auf einmal so kalt? "A-also, eigentlich mochte ich Schiffsreisen früher sehr gerne. Jedenfalls gerne genug, um eine Weltreise zu unternehmen, die auch eine Schifffahrt durch den Pazifik beinhaltete." Celina merkte, wie ihre Hände erneut zu zittern anfingen, als sie wieder alles vor sich sah. "Eine Weltreise. Derek hatte sie mir zum Geburtstag geschenkt. Nach dem Schulabschluss ein Jahr lang etwas von der Welt sehen und danach das Studium beginnen, so hatte ich es mir vorgestellt." Celina war nun ganz in ihren Erinnerungen versunken. Gedankenverloren starrte sie Löcher in den Boden. Ihr Gesicht war dabei regungslos, die hellgrünen Augen leer.
"Und letztes Jahr im Sommer, auf einem wunderbaren Luxusdampfer im Pazifik passierte es dann. Erst wurden ein paar Leute plötzlich gewaltbereiter - und dann war plötzlich der Großteil des Schiffs überfüllt mit wandelnden Toten, die sich an uns vergreifen wollten. Derek und ich hatten Glück, wir haben es gemeinsam mit vielen anderen unbeschadet in einen abgesicherten Raum geschafft und man machte schon die Rettungsboote bereit..."
Luxusdampfer, 2012:
"Lassen sie mich durch! Meine Kinder sind da draußen!"
"Beruhigen Sie sich, Madam! Wir können Sie nicht raus lassen, das wäre Selbstmord und würde uns alle in Gefahr bringen! Es tut mir Leid um Ihre Kinder. Aber die allgemeine Sicherheit steht an erster Stelle!"
Celina lehnte sich an Dereks Schulter. Beide stellten sich die gleiche Frage, aber niemand wagte sie zu stellen: Ob das wohl die Mutter der Zwillinge ist?
Die Frau ließ sich nicht beruhigen. Von draußen hörte man Kinderschreie.
Und dann ging alles schnell. Irgendwie gelang es der Frau, einer Sicherheitsperson die Waffe zu entreißen und damit Richtung Eingang zu rennen. Sie schoss und schlug auf die verbarrikadierte Türe ein. Es reichte nicht aus, um sie einzubrechen und das Sicherheitspersonal hatte die Frau bald überwältigt.
Aber der Schaden war getan. Mit der Beihilfe der Frau war es nur eine Frage der Zeit, bis die Zombies Zugang hätten.
"Derek! Wir müssen hier raus!" Derek nickte nur stumm, die Augen geweitet.
Als beide sich gerade am Personal vorbeigeschlichen hatten, um durch den entsprechenden Gang zu den Rettungsbooten zu gelangen, hörten sie nur noch wie die Barrikade brach und unzählige Untote in den Warteraum strömten.
Es mussten keine Blicke oder Worte getauscht werden.
Das Pärchen rannte nur noch.
Bei der Erinnerung brach ein Schluchzen aus Celinas Kehle. Sie krallte sich mit der rechten Hand in den linken Arm und sprach mit zitternder Stimme weiter: "W-wir waren nicht lange sicher. Auch der Warteraum wurde mit Untoten überflutet. Aber Derek und ich haben es zu den Rettungsbooten geschafft und ein paar andere Flüchtlinge waren auch da. Dann waren wir auf dieser kleinen Insel. Da waren auch Infizierte. Wir flohen. Und da war diese Höhle..."
An diesen Teil wollte sie sich am Wenigsten erinnern. Celina schloss die Augen, krampfhaft darum bemüht, nicht zu weinen.
In der Höhle:
"Cely? CELINA! Halt still, ich hol dich da raus!"
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"Verdammt! Diese Steine..."
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"Beweg dich nicht von der Stelle, ich hole Hilfe, ich verspreche es dir! Du stirbst hier nicht, Celina!"
"I-ich weiß nicht, wie und warum, aber die Decke ist zusammengebrochen und ich war unter Steinen begraben und da waren Zombies... Derek versprach, Hilfe zu holen. Und ich wartete und wartete. Die Untoten konnten mich nicht erreichen, aber ich konnte mich auch nicht bewegen..."
Und dann hast du mich getroffen.
Ja... ich weiß.
Celina schluckte, bevor sie den letzten Teil ihrer Geschichte erzählte. "Ich war wohl drei Tage dort, als ich von Schmugglern gefunden wurde. Die Höhle hatten sie wohl als Lagerraum nutzen wollen. Jedenfalls haben sie die Zombies beseitigt und mich rausgeholt. Eine Frau war bei ihnen, die mit mir gesprochen hat. Ich habe den Namen vergessen, aber ich glaube, sie war Deutsche...
Jedenfalls haben sie mich im Hole abgesetzt, sie kannten einige Schlupflöcher hinein...
Und dann bin ich im Village gelandet, w-weil mein Vater eben Kontakte hatte. Was mit Derek geschehen ist weiß ich nicht. Und von meinen Eltern habe ich auch nichts gehört. Wer weiß, ob sie überhaupt noch leben?"
Verlegen blickte Celina Mr Stevens an und zwang sich zu einem entschuldigenden Lächeln: "E-es tut mir furchtbar L-leid, je-jetzt habe ich Ihnen einfach meine ewig lange Geschichte aufgedrängt! I-ich hoffe, dass ich Ihnen nicht auf die Nerven gegangen bin oder das nun zu persönlich war." Einen Moment überlegte sie und fügte dann hinzu: "Apropos... W-wenn es Ihnen nichts ausmacht, d-dürfen Sie mich gerne einfach Celina nennen."
Jemand, der ihr so lange geduldig zugehört hatte, hatte zumindest das auch verdient.
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