Der Klang der Maschine hatte sich für einen kurzen Moment geändert, bevor er wieder zu seinem alten wechselte. Anscheinend hatte jemand in der Zwischenzeit den Autopiloten eingeschalten, oder irgendwas in der Art. Für jemanden, der die Ohren nicht die ganze Zeit über offen hielt, war es kaum zu hören und auch Matt, der auf seine Umgebung schon eher Acht gab, hatte es nur gerade so mitbekommen. Die kleine Zange glitt ihm aus der Hand und prallte mit einem Scheppern auf dem harten Boden auf, was allerdings vom Klappern des Motors übertönt wurde. Mit leicht zitternden Beinen versuchte Matt sich hochzuhieven, was dadurch erschwert wurde, dass das Schiff durch den Wellengang leicht hin und her schaukelte. Der Schneidersitz war nicht unbedingt eine von Matts Lieblingsarten zu sitzen, aber auf so einem harten Boden besser als gar nichts, vor allem, wenn man keinen vernünftigen Stuhl zur Verfügung hat.

So kam es also, dass Matt sich am Motorblock festhielt, um nicht gleich umzufallen. Bis er wieder auf beiden Füßen stehen konnte, nutzte Matt die Zeit, den Raum nochmal näher zu erkunden. Geradeaus vor ihm war eine Tür, die hinaus zu den anderen führte. Sie war aus Metall, um eventuelle Feuerausbrüche im Maschinenraum möglichst einzudämmen, und hatte eine Art Rad, um sie aufzudrehen. Einen Verschluss gab es keinen, jedenfalls konnte man sich hier nicht einschließen, selbst wenn man es wollte. Im Moment jedenfalls war die Tür geschlossen und sicher würde wohl so schnell keiner auf die Idee kommen, hier reinzukommen. Ein weiteres beeindruckendes Merkmal dieser Tür war, dass sie anscheinend wärmedämmend war, was für eine Metalltür schon recht eigenartig ist. Höchstwahrscheinlich lag es wohl aber an der Lackierung; die hatte so eine kühlend hellblaue Farbe, genauso wie der Rest dieses Raumes. Es gab einem ein bisschen das Gefühl, als würde man im türkisblauen Meer schwimmen, natürlich nur, wenn man den Lärm und die Wärme der Maschine ignorierte. Dieses Blau hatte etwas beruhigendes und Ruhe war das wichtigste, was man gebrauchen konnte, wenn man auf der Flucht vor Zombies war. Das war auch einer der Gründe, weshalb Matt sich recht schnell dazu entschieden hatte, sich in den Maschinenraum zurückzuziehen. Auch wenn der Raum an und für sich abgeschieden erschien, also wenn man sich im inneren befand, so hatte die Tür zusätzlich zu ihrer metallenen Art und hellblauen Lackierung noch ein kleines Fenster, durch das ein fahles Licht in den Raum schien. Es war eine der wenigen Lichtquellen, die im Moment den Raum erhellten.

Der Weg zwischen Tür und Motor war eher schmal; so schmal, dass im Normalfall nur eine Person Platz hatte, aber immer noch genug Freiraum, um dieser Person im Ernstfall alle Freiheiten zu gewähren, die nötig waren, die Maschine in Gang zu halten. Der Lichtschein, der durch das Türfenster drang, traf auf den hellblauen Fußboden und ein Nebel aus Staub wirbelte knapp über dem Boden, was deutlich zeigte, dass hier schon seit einiger Zeit niemand mehr war. Zwar hatte das Schiff den Eindruck gemacht, dass jemand sich auf irgendwas vorbereitet hatte, allerdings wohl recht überstürzt, weshalb weniger Acht darauf gegeben wurde, dass auch der Motor vernünftig lief. Nunja, bisher lief er noch ganz in Ordnung und so schnell würde wohl nichts schlimmes damit passieren; obwohl...Matt war ja kein Ingeneur, weshalb er es nicht genau sagen konnte, aber der Motor klang zumindest wie ein Motor, der funktionierte, das war ja schonmal was.
So ganz stimmte es natürlich nicht, dass der Boden voller Staub war, denn schließlich hatte Matt sich ja hier eingenistet und damit schonmal den gröbsten Staub allein durch seine Anwesenheit vertrieben. Das war nicht nur dadurch deutlich gemacht worden, dass er überall Fußspuren hinterlassen hatte, was in anderen Fällen ein tödlicher Fehler war, sondern auch, weil sich unter dem Schal, den er als Sitzkissen missbrauchen musste, jede Menge Staubhäschen gebildet hatten. Dementsprechend nahm Matt den Schal auf und schüttelte ihn ein paar mal, um die Staubflocken herauszubekommen, wobei er noch viel mehr davon aufwirbelte, was darin endete, dass Matt ein paar Mal nießen musste.

Nachdem der Nießanfall wieder abgeklungen war, erblickte Matt zu seiner Rechten und Linken abgeschlossenen Schränke; ok, nur einer war abgeschlossen, die anderen waren entweder geknackt (irgendwo hatte Matt ja auch seine neuen Dietriche ausprobieren müssen), offen, oder hatten einen merkwürdigen Verschluss, den man mit Dietrichen so nicht öffnen konnte. So richtig konnte er die Art des Schlosses nicht zuordnen. Es war kein Zylinderschloss, das war klar. Es sah auch gar nicht so aus. Mit einer Kreditkarte konnte man da wohl auch nichts ausrichten. Vielleicht gab es ja irgendwo auf dem Schiff Hinweise, die dazu führen könnten, die Geheimnisse dieses Schrankes zu lüften.
Wie auch immer. Diese Schränke waren allerdings ebenfalls Zeuge davon, dass hier schon seit einiger Zeit keiner war. Jeweils zu Matts Linken und Rechten befanden sich drei Schränke. Was sie gemein hatten, sollte sich offenbaren, wenn man sie näher betrachtete: sie waren voller Spinnenweben und überall krabbelten kleine Milben herum. Beginnend mit dem ersten Schrank auf der Linken Seite: der Schrank war von Anfang an offen gewesen und neben besagter Fauna hatte Matt dort die Werkzeuge gefunden, die er benutzt hatte, um sich seine neuen Dietriche zu basteln. Es waren mehrere verschiedengroße Zangen, Hämmer, Nägel, Schraubenzieher und alles andere, was man sonst so als Hobbyhandwerker so brauchte. Nicht alles hatte Matt als nützlich empfunden, aber es war halt eine Erwähnung wert.
Der zweite Schrank von links war verschlossen gewesen und hatte eine ganze Weile gebraucht, bis er sich von Matt hatte knacken lassen. Am Schloss hatte es allerdings nicht gelegen, viel eher hatte Matt mehrmals festgestellt, dass er sich noch sehr verbessern musste, wenn er einen vernünftigen Dietrich haben wollte. Dementsprechend war dieser Schrank derjenige, der am längsten brauchte, um ihn zu öffnen, denn als Matt einen passenden Dietrich fertig hatte, passte dieser dementsprechend auch in alle anderen Schlösser der anderen Schränke. Allerdings konnte Matt sich dieses behelftmäßigen Werkzeuges zugleich entledigen, als er sich den Inhalt dieses Schrankes ansah. Wieder war die Fauna zahlreich, doch neben besagten Spinnenweben befand sich einiges an verwertbaren Werkmaterials unter anderem auch nützliche lange und vor allem dünne Nadeln, die sehr viel mehr aushielten als das Metall der Büroklammern. Allerdings sei gesagt, dass Matt nochmal ordendlich Zeit dafür investieren musste, um letztlich besagte Nadeln in Formzu bringen und in dem Sinne war er auch froh, vor ein paar Jahren eine Thetanusimpfung gehabt zu haben.
Der dritte Schrank war leer. Auf der rechten Seite wiederum gab es noch einen Schrank mit diversen Flüssigkeiten, wobei einige sich als Öl herausstellten, das mit Sicherheit dazu benutzt wurde, den Motor in Schuss zu halten, einen Schrank in dem vergammeltes Essen stand (als Matt das sah, wurde ihm zumindest klar, warum hier so viel Staub rumschwirrte) und nicht zuletzt besagter verschlossener Schrank, den Matt auch nach langem Anstarren nicht öffnen konnte. "Wenn selbst Anstarren nichts hilft, hilft gar nichts mehr." hatte einer von Matts ehemaligen Kontakten mal gesagt. Das war, lange bevor die Zombieplage ausgebrochen ist.

An den Ecken der Decke hatten sich bereits ein paar Spinnen eingenistet und schienen recht erfolgreich Eindringlinge der fliegigen Art fernzuhalten. Einige Spinnen gingen sogar Kopfüber von der Decke, anscheinend gerade dabei, einen geeigneten Ort für ihr Netz zu finden. Ein paar Lampen hingen herunter, deren Lichtschalter allesamt an der Tür zu finden waren, allerdings waren sie ausgeschaltet, schließlich fand Matt, dass das Licht, das durch die Fenster schien, mehr als nur ausreichend sei. Ganz davon abgesehen, dass Matt sich in der dunklen Umgebung dann doch ein wenig wohler fühlte, als dort draußen, auch wenn es mit der Nacht auch anscheinend endlich wieder vernünftige Temperaturen angenommen hatte.

Dann war da noch der Motor, der direkt an der Außenwand platziert war. Er machte noch immer seine monotonen Geräusche, die selben, die er schon seit dem Zeitpunkt machte, in dem Matt sich hier unten einquartiert hatte und mit Sicherheit schon seitdem das Schiff mitsamt fertigen Motor gefertigt und an seinen Rechtmäßigen Besitzer übergeben wurde, zusammen mit diesem verantwortungslosen Techniker, der sein Essen im Schrank direkt beim Motor liegengelassen hatte und der sich anscheinend nicht allzu viel Mühe gegeben hatte, hier alles in Schuss zu halten.
Direkt am Motor zu stehen, bewirkte, dass man anfing gewaltig zu schwitzen. Auch wenn der Raum insgesamt einen kühlen Eindruck machte, der Motor sprach eine andere Sprache: in seiner Umgebung hatte die Temperatur um einige Grade zugelegt, wahrscheinlich mehr noch als die Sonne draußen alles kochte. Es wäre wohl unerträglich, würde es in dem Raum nicht noch einige Ventilatoren geben, die die Temperatur ein bisschen herunterdrückten. Sie befanden sich an der selben Wand, an der auch der Motor war und hatten ihren eigenen Takt, mit dem sich sich drehten. Im Moment waren sie anscheinend auf mittlerer Geschwindigkeit, was vermuten ließ, dass sie sich mit einer recht gemütlichen Geschwindigkeit fortbewegten. Trotzdem hätte Matt die Lüftung gerne hochgestellt, einfach nur, um es noch ein bisschen kühler zu haben.
Es gab zwar keinen Schalter, der die Lüfter steuerte (zumindest konnte Matt keinen ausfindig machen), dafür aber einen großen roten mitten auf dem Motor, über dem mit großen roten Buchstaben stand: "Selfdestruct button! Please don't push! Thanks!" Was wohl passieren würde, wenn Matt den drückte?

Neben dem Motor und den Ventilatoren war da auch noch der Hauptgrund dafür, weshalb Matt auch ohne eingeschaltete Lampen genug Licht hatte: mehrere Fenster säumten die Schiffswand und versorgten den Raum mit ausreichend Licht. Der Mond schien voll und spendete sehr viel Licht. Zusätzlich war der Himmel wolkenfrei und offenbarte einen wunderschönen Sternenhimmel. Wer den Himmel aufmerksam beobachtete durfte, wenn er Glück hatte, sogar das Schauspiel einer Sternschnuppe miterleben. Es heißt ja, dass derjenige, der sich etwas wünscht, während eine Sternschnuppe vom Himmel segelt, diesen Wunsch erfüllt bekommt.

Was die anderen wohl gerade dort oben trieben? Vielleicht sollte Matt doch einmal einen Blick nach draußen werfen. Er würde aber wohl nicht mehr allzu lange in der Gegend herumlaufen und sich so schnell wie möglich noch eine Mütze voll Schlaf holen. Wer weiß, was sie alles noch erwartete und ob sie so schnell wieder zu schlaf kommen würden. Wenn er nebenbei noch etwas zu Essen auftreiben konnte, wäre der Abend perfekt.

So kam es also, dass Matt sich seinen Schal und seine neuen Werkzeuge nahm und sich seinen Weg durch den Maschinenraum bahnte.