-
Ehrengarde
Über die Reling gebeugt hatte Léo der nunmehr untoten Insel mit gemischten Gefühlen nachgeblickt, bis der Horizont sie verschluckte. Wie sie auf der Diana II vor so langer Zeit Sydney und auf dem Zigeunerschiff vor nicht ganz so langer Zeit Irland hinterhergeblickt hatte. Letzteres hatte ihr während des fast schon meditativen Zurückblickens mehr als nur einen Stich in der Brustgegend versetzt. Dieser blöder, unüberlegte Sprung… das Einzige, was sie wirklich in ihrem bisherigen Leben bereute- abgesehen vielleicht von kleineren Süßigkeiten-Eskapaden, auf die hier zum Wohle des guten allgemeinen Geschmacks nicht näher eingegangen werden sollen.
Und doch, auch wenn sie die Zeit auf dieser Vulkaninsel absolut nicht gemocht hatte, die Leute ihr, bis auf die hier dieser kleinen Gruppe (?), alle extrem unangenehm gewesen waren und sie auch wirklich froh war, endlich weg von diesem Ort zu sein- machte das Mädchen der Anblick der immer kleiner werdenden Insel sehr traurig.
Auch bei Sydney und der grünen Insel waren sie vor den bösen Toten geflohen, aber in beiden Fällen war sie keine Sekunde traurig vom Anblick gewesen.
Womöglich, weil der Blick nach vorn sie hoffnungsvoller und besser stimmte als der Blick zurück.
Wahrscheinlich, weil Personen bei ihr gewesen waren, denen sie blind vertraute und die sie wirklich unglaublich lieb hatte.
Und vielleicht, nur vielleicht, weil sie auf dieser Insel nicht Alles getan hatte, um den Menschen zu finden, der ihr trotz allem am wichtigsten auf dieser Welt war- und sie leise das Gefühl beschlich, das sie ihn niemals wieder sehen wird…
¡No! Papa está disponible en algún lugar mirando para mí también, ¡no puedo renunciar! (Nein! Papa ist irgendwo da draußen und sucht auch nach mir, ich darf nicht aufgeben!
Entschlossen stampfte die Kleine mit dem Fuß auf, woraufhin ihre Knie nachgaben und sie reichlich unästhethisch auf die Planken plumpste. Ihr war garnicht aufgefallen, dass sich ihre Beine und irgendwie generell alles mit einem mal so schwer anfühlte. (Über etwaige Nebenwirkungen oder nicht dauerhaftes Anhalten der Pimpzustände hiesiger polynesischer Massageöle hätte man sie ja ruhig mal aufklären können…)
… Eso es sólo porque estoy ...cansado...(Das ist nur, weil ich... müde bin...
Mühsam rappelte sich Léo wieder auf. So sehr hatte sie die Flucht eigentlich gar nicht geschlaucht und es waren seitdem ja auch schon einige Stunden vergangen. Die Sonne war inzwischen, ebenso wie die Insel, hinter dem Horizont verschwunden und sie selbst seit nun über 24 Stunden durchgehend wach. Eine Mütze voll Schlaf kann da sicher nicht schaden.
Mit Álvaro auf dem Rücken, der Geheimmappe unterm Arm und dem nun einem (vorerst) besseren Zweck zugeführten Glücksköder im Ohr schlurfte sie in das Innere des Bootes, dass sich als Yacht herausgestellt hatte.
Die ihres Papas* war wohl schöner gewesen, aber man beklagt sich als Kind nicht, vor allem, wenn man einem Monat in einem Loch in einem alten Vulkan gelebt hatte.
(*Oder besser gesagt ihrer Mama; schließlich hatte Angela Franscisco geschlagene 3 Monate in den Ohren gelegen, dass sein bereits vorhandenes Speedboot nun absolut nicht ausreicht, um eine Dame wie sie gebührend an der Küste Baja Californias zu präsentieren. Mehr als einmal hatte Léo sich vorgestellt, wie, so die Toten von San Diego illegal nach México auswandern, Mama und Abuela mit der Yacht da wegschippern und sich dann den ganzen Tag nur aufregen und gegenseitig wünschen würden, die Andere doch am Pier zurückgelassen zu haben.)
Es war ungewohnt und doch wunderschön vertraut, nach so langer Zeit mal wieder in so luxeriöser Umgebung zu sein. Wie sich ein Stück längst vergessene welt wieder vor Augen zu führen. Trotz Müdigkeit vor Neugier angestachelt erkundete sie den hinteren Teil des Schiffes, bis ihr etwas Kleines, viereckiges auf dem Boden auffiel. Vorsichtig hob sie auf, was vom Gefühl in ihren Fingern her eine Photographie sein musste. Mit regem Interesse drehte sie das Ding um, um daraufhin direkt in ein ihr durchaus bekanntes Gesicht zu Blicken.
Ob einer von den Anderen es verloren hatte, oder ob es schon länger hier rumlag?
Sie hatte keine Ahnung, aber würde es sicherlich nicht so einfach wieder auf den Boden legen.
Nachdenklich, das Photo in ihrer Hand eindringlich betrachtend, führten Léos Schritte sie weg von den weichen Betten und dem dringend nötigen Schlaf hin zu einer Art Gemeinschaftsraum, in der sich schon einige Leute befanden. Kurz nickend lächelte ihnen das Mädchen fahrig zu und setzte sich dann an eine der Eckbänke an den ausladenden Tisch. Auf den sie die Geheimnismappe legte, denn in Gedanken war sie vollkommen bei dem, was in ihrer andern Hand lag.
Axel.
Schon beim ersten Anblick war ihr wieder die Melodie von Laputa in den Sinn gekommen, die sie damals gespielt hatte, als ...
Sie hätte nicht behaupten können, dass sie ihn besonders gemocht hatte, aber trotzdem war er mit seinem Namen in ihrer Erinnerung geblieben. Vor allem die Begegnungen beim Sumpf und im Hotel, wo sie auch jetzt noch, wenn sie sein Gesicht sah, jedes Mal ein Gefühl des Irgendwo-Reinge-...
Axel Miller. Lexi Miller.
Oh... polvo...
Berechtigungen
- Neue Themen erstellen: Nein
- Themen beantworten: Nein
- Anhänge hochladen: Nein
- Beiträge bearbeiten: Nein
-
Foren-Regeln