"O-Oh mein... Gott..."

Niki musste es beim Anblick seines Zimmers laut aussprechen, als er den sonst so reinlich weißen Patientenraum in einem Zustand der Verwüstung wiederfand. Eine bedrohliche Blutspur fuhr von der Zimmerwand neben seinem Bett hinunter und bremste unsanft auf dem Boden ab. Der Gestank breitete sich aus, als würde er sich in einem tiefsten Loch einer Metallfabrik befinden. Unbehagen überkam ihm, er hielt instinktiv seine Arme mit den Händen ganz fest und machte sich eng. Es grauste ihn bei dem Gedanken, dieses Zimmer durchsuchen zu müssen. Aber ja, da "musste" er nun mal durch. Den Schwanz einzuziehen? Das war keine Option. Vor allem, wenn man schon so weit gekommen ist.

(Ich hoffe, es ist noch da...)
, dachte er sich, als er sich sein Kissen schnappte und in den Freiraum zwischen dem Kissen selbst und dem Bezug griff. Und rumwühlte. Dann klopfte er vorsichtig von außen drauf. Und wühlte nochmal.
"Hä?", stieß er versehentlich aus, (W-Wo ist es denn hin??)

Er schaute erstmal wild um sich herum. Nichts zu finden. Ein bisschen wurde er jetzt schon panisch. Es war eine typische Reaktion auf das Nichtauffinden des Gegenstands nach den ersten zwei Stellen, an denen man sucht. Jedenfalls versuchte er das Geschehen zu rekonstruieren. Die Blutspur... verlief recht gerade. Das Kissen war außerdem sehr ausgebeult. Also musste jemand draufgelandet sein. Wahrscheinlich bei einem Angriff? Ein Blick unter dem Bett konnte ja nicht schaden. Er hockte sich hinunter, beugte seinen Kopf unter das Bett und...

"U-UAAAAHH!"
, schrie er mit der Hand vor dem Mund, um den Lärm zu dämpfen. Dabei fiel er nach hinten und stieß sich mit den Füßen immer weiter ab von dem, was er sah.
(M-Mein Betreuer, e-er ist...? Er ist...!) ...völlig zerfleischt. Kleidung und Haare waren noch wiederzuerkennen. Aber sein Gesicht war total entstellt, falls überhaupt noch vorhanden. Der Körper zu großen Teilen angebissen, die Beine und Hände getrennt. Die Blutlache unter ihm war völlig getrocknet und ein Teil der Bodenfliesen geworden.
(Er hat sich doch nicht etwa hier verstecken wollen? Wenn man hier gefunden wird, dann... ...) ...hatte man keine Chance. Es war nicht viel Raum hier drunter, als dass man irgendetwas hätte ausrichten können.

Niki wurde übel. Er wollte sich übergeben, aber er kriegte sich vorerst wieder zusammen. Er näherte sich zwangsweise der... Leiche (?) und sah ein kleines Funkeln unweit vom Kopf seines ehemaligen Betreuers. Er streckte seine Hand raus, sie zitterte wie ein ängstlicher Hund. Als wäre es zu heiß zum Anfassen, schnappte er mit einer zuckartigen Bewegung nach diesem funkelnden Gegenstand, und als er ihn ganz fest hielt, stand er auf und lief hinaus. Aber so schnell, dass es nicht mehr feierlich war.

Er war dem Tod noch nie so nahe. Er hatte so einiges durchgemacht, lockte eine Horde Zombies weg, schlich sich durch bedrohliche Gebiete, bekam den Tod eines Kameraden unmittelbar neben ihm mit und wurde durchgeschossen. Aber einer Leiche so nah? Noch nie. Natürlich wusste er, dass es ihn zwangsläufig irgendwann treffen würde, aber nach so langer Zeit hatte er sich einfach nicht darauf vorbereitet.

(Die Uhr...), dachte er sich und betrachtete seinen Fang auf der offenen Handfläche. Zweifellos, es war Rileys Taschenuhr. Er zog sie auf... sie wirkte etwas kaputt, aber das würde Niki mit seinem "Handwerksgeschick" schon irgendwie hinkriegen.

Niki wollte zurück zu Dolores. Genau ein Raum davor blieb er jedoch stehen und blickte durch die Glasfenster. Dort wurde er immer "behandelt", wie es ihm gesagt wurde. Er wagte einen Schritt hinein. Ungewöhnlicherweise war hier alles recht... unangetastet. Dort ein paar Kratzer, hier und da etwas umgeschmissen, aber sonst... kein Blut, keine Leichen. Er schaute sich ein wenig um. Jetzt, wo er nicht beaufsichtigt wurde, musste er das natürlich ein wenig ausnutzen. Die Geräte waren uninteressant, er durchwühlte lieber die Schränke. Diese wurden unschönerweise ziemlich leergeräumt, augenscheinlich im Zuge der "Tue alles um zu überleben"-Massenpanik. In kleineren Schubladen fand er kleine Aufputschpillen und eine interessante Ampulle, beide beschriftet und für nützlich empfunden. Die Zeit drängte, also durchflog er schnell nochmal die Aktenschränke. Zu viel, um alles durchzulesen. Was er allerdings AUF einem Aktenschrank sah, war ein kleines Grundregelwerk zur Physik und Chemie, sowie eine Krankenakte zur Testperson 01, bürgerlich... Trần, Tuấn Phương Anh​.

(Oh! Das könnte hilfreich sein...) Denn zumindest bestand die Möglichkeit, dass er damit ein paar Fragen zu sich selbst beantworten konnte. Nichts kann haarsträubender sein, als offene Punkte über sich selbst zu besitzen.

Okay, genug herumgelungert. Mit schnellen, weiten Schritten bewegte er sich in Richtung Dolores, die sich in einem etwas größerem Raum befand, der ähnlich aussah, wie Nikis Behandlungsstätte. Nur ein wenig... mysteriöser, größer...

...unheimlicher.