Und natürlich blieb alles an ihr hängen. Alle anderen waren entweder zu faul, oder zu unfähig. Ein kleines Kind wurde losgeschickt, hinein in die Massen an Wiedergängern, ungeachtet der Tatsache, dass auch der Marokkaner oder sonstwer dazu in der Lage gewesen wären. Prudence blickte dem kleinen Mädchen nach, das flink in Richtung des großen Bunkers rannte. Nunja, dann ist es wohl langsam an der Zeit, zu gehen. Die Nahrung im Dorf würde nicht ewig reichen – und wenn Prudence ehrlich war, wollte sie schon immer einmal wissen, wie es auf der Yacht der Vantowers so aussah. Wenn nicht jetzt, wann dann? "Mr. Ivan, kann es losgehen?" Als Antwort gab es ein gegrummeltes "да"
Prudence nahm ihre Rohrzange nickte dem alten Russen nocheinmal zu und schaute in die Runde. Vielleicht waren auch die einen oder anderen schwarzen Schafe dabei (ihr Blick fixierte Gabriel), aber sie hätte es durchaus schlechter treffen können. Allerdings auch erheblich besser. Sie seufzte schwer, legte ihre Hand an den Riegel des Palisadentores und dann konnte es auch schon losgehen. Irgendjemand musste sich ja opfern.
Also ging es los. Da sie ja nun wirklich nicht mehr die Jüngste war und ihre Knie nicht mehr so mitmachen wollten, war es von höchster Wichtigkeit, langsam vorzugehen. Vorsichtig schlich Prudence von Düne zu Düne, von spärlichem Busch zu spärlichem Busch, und versuchte, immer einen großen Abstand zu den Wesen am Strand einzuhalten. So wie es ihr beigebracht wurde. So, wie es ihr dieser disziplinierte Mann beigebracht hatte, den sie geheiratet hatte. Jeden dritten Sonntag bestand er auf das Querfeldein-Training. Um in Form zu bleiben, sagte. Als ihr Sohn geboren war, wurde es immer mehr. Immer häufiger. Und es war ja auch erfolgreich. Frau des Generals. Mutter des Generals. Sie würde das schaffen. Wie es sich gehörte. Auch die Enkel waren erfolgreich. Sebastien war ein stattlicher Bursche und Helena war ein liebreizendes Mädchen, sicherlich eine gute Partie wäre sie gewesen...
Ihre Strategie war äußerst erfolgreich. Ohne Hast kam sie an der „Heather“ an, die majestätisch im Meer schwamm und in ihrer sauberen Schönheit fast ein wenig deplatziert wirkte. Sie war ordentlich vertäut, und aus der Nähe sogar gar nicht so groß. Aber trotzdem zu groß für Prudence. Ihre Fingerspitzen reichten an den Rand des Decks, aber sie würde sich niemals hochziehen können. Wäre sie erst einmal oben, dann wäre das kein Problem mehr, sie könnte den kleinen Steg des Bootes sicher herunterfahren, damit auch die anderen herunter kommen können. Okay. Ein Plan musste her.
In Form eines Fasses an dem Steg war der auch schnell gefunden. Als Prudence sich das Fass in Position ruckelte ging alles gut. Als Prudence darauf kletterte, ging alles gut. Als Prudence sich abstützte, um auf das Deck zu klettern, ging nicht mehr alles gut.
Das metallene Fass krachte vom Steg ins Meer. Es war offensichtlich schwer, und der Knall beim Aufprall war laut. So laut, dass die Wiedergänger sich langsam, aber begeistert in Bewegung setzten, in Richtung des schmalen Stegs, an dem Ivan bereit stand.
So schnell, wie sie konnte machte sich Prudi auf den Weg in Richtung Brücke. Oder was sie zumindest für die Brücke hielt. "Und...Prudi~...wenn du mal *hicks* eine Spritztour mit Heather..." "kihiiihi* "unternehmen willst...ganz einfach, das...das...Kabel...ein bisschen Fummeln...Wackelkontakt...*hicks*" Verdammter Alkohol. Würde eine illustre Runde mit Schnaps und Wein nun doch noch einmal ihr Leben retten. Was für eine Ironie des Schicksals.
Prudence war zwar noch nie Boot gefahren, aber die Steuerkonsole fand sie recht schnell. War ja auch kaum zu übersehen. Allerdings wurde Prudence aus dem Kabelgewirr unterhalb des großen, weißen Kastens nicht wirklich schlau Rote Kabel, Blaue Kabel, alles leicht bräunlich angeschmort und vermutlich schon seit längerem eine wackelige Angelegenheit. Nunja, Aussen Hui, Innen pfui eben, das war ja eine klassische vantowerische Verhaltensweise.
Dann blieb ihr wohl nicht anderes übrig. Sie wusste, dass jedes Schiff eine Steuerungskonsole hatte, mit welcher man manuell den Motor starten könnte. Das würde ja reichen. Mit einem beherzten Tritt ließ sie die Gangway herunterkrachen, etwas beherzter, als es ihr zu Mute war. Ob Ivan Erfolg hatte, konnte sie nicht sehen, allerdings machten sich ihre Mitstreiter schon auf dem Weg zum Boot. Es musste wohl schnell gehen. Sie fand die Konsole nur wenige Meter hinter der Position, die von Ivan verteidigt werden sollte. Als sie die Abdeckung abnahm, waren die junge Sportlehrerin und der blauhaarige Teufel schon fast am Schiff angekommen.
Auch hier sah Prudence etwas ratlos auf die zahlreichen Kabel, die für sie keinen wirklichen Sinn ergeben wollten. Immer mehr Leute liefen hinter ihr entlang auf die „Heather“. Irgendetwas musste doch zu tun sein, irgendetwas musste doch möglich sein. Die alte Dame starrte auf die Rohrzange, auf die Steuerungskonsole und wieder auf die Rohrzange. Vielleicht würde hier dasselbe funktionieren wie bei dem Kasten, diesem Computer, den Sebastien für sie angeschleppt hatte. Mal dagegengetreten, schon sprang er an und ruckelte nicht mehr.
Ihr Griff um die Rohrzange wurde fester und was mit einem kleinen Stupser in die Innereien des Schiffs begann, entwickelte sich zu einem Verzweifelten Eingedresche auf die Steuerungskonsole. „Willst-du-Scheiss-Ding-ENDLICH-funktionieren!“ Lexi, die gerade vorbeieilte, kommentierte das sich bietende Bild mit einem leisen „Sheeeit“.
Prudence schlug mit steigender Verzweiflung auf die Konsole ein. Mittlerweile waren alle anderen an ihr vorbei auf das Schiff gerannt, was Ivan tat, wusste sie nicht und es war ihr auch egal. „Dieses-Schiff-muss-FUNKTIONIEREN-AAAARHHH“. Mit jedem Schlag wurde ihre Wut größer, sie spürte förmlich schon den Atem der verwesenden Leichen (Hatten Zombies überhaupt einen Atem? Egal. Weitermachen) im Nacken. Prudence hatte es eigentlich schon aufgegeben, als die Heather mit einem beinahe höhnischen Brummen ansprang.
Scheissding.
Als Letzte(?) humpelte Prudence auf die Heather mit einem siegessicheren Grinsen im Gesicht. Sie hatte sie alle gerettet. Gut, der Russe und das kleine Mädchen haben geholfen. Aber das war auch egal. Sie hatte überlebt.
Ihr Mann wäre stolz auf sie.